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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Rechtshilfe
Fallnummer:RP.2019.26
Datum:24.06.2019
Leitsatz/Stichwort:Auslieferung an Deutschland. Auslieferungsentscheid (Art. 55 IRSG). Unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 VwVG).
Schlagwörter : Beschwerde; Auslieferung; Recht; Beschwerdeführer; Bundes; Handlung; Schweiz; Rechtshilfe; Urteil; Entscheid; Beschwerdeführers; Deutschland; Handlungen; Urteil; Beschwerdekammer; Landgericht; Mosbach; Liegende; Justiz; Auslieferungsersuchen; Bundesstrafgericht; Verfahren; Ersucht; Staat; Töchter; Beschwerdegegner; Sexuellen; Landgerichts; Bundesstrafgerichts; Gesuch
Rechtskraft:Kein Weiterzug, rechtskräftig
Rechtsnorm: Art. 13 EMRK ; Art. 18 StGB ; Art. 187 StGB ; Art. 29 BV ; Art. 50 VwVG ; Art. 6 VwVG ; Art. 63 VwVG ; Art. 65 VwVG ; Art. 84 BGG ;
Referenz BGE:122 II 485; 125 IV 58; 129 II 100; 132 II 81; 133 IV 76; 135 IV 212; 141 IV 249; 142 III 140; 142 IV 250; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RR.2019.119

Nebenverfahren: RP.2019.26

Entscheid vom 24. Juni 2019

Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Cornelia Cova ,

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

A. , zzt. in Auslieferungshaft, vertreten durch Rechtsanwältin Regula Widmer,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung ,

Beschwerdegegner

Gegenstand

Auslieferung an Deutschland

Auslieferungsentscheid (Art. 55 IRSG );

unentgeltliche Rechtspflege (Art. 65 VwVG )


Sachverhalt:

A. Mit Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) vom 21. März 2019 ersuchte Deutschland um Fahndung und Verhaftung des deutschen Staatsangehörigen A. zwecks Auslieferung ( RH.2019.10 , act. 4.1).

B. Gestützt auf die Haftanordnung des Bundesamtes für Justiz (nachfolgend «BJ») vom 26. März 2019 wurde A. am 28. März 2019 festgenommen und in provisorische Auslieferungshaft versetzt ( RH.2019.10 , act. 4.2, 4.4). Anlässlich der Einvernahme vom 28. März 2019 widersetzte sich A. einer vereinfachten Auslieferung nach Deutschland ( RH.2019.10 , act. 4.4). Mit Auslieferungshaftbefehl vom 29. März 2019 verfügte das BJ die Auslieferungshaft gegen A. ( RH.2019.10 , act. 4.5). Der Auslieferungshaftbefehl blieb unangefochten.

C. Mit Schreiben vom 5. April 2019 ersuchte das Justizministerium Baden-Württemberg die Schweiz um Auslieferung von A. im Hinblick auf die Vollstreckung der im Urteil des Landgerichts Mosbach vom 5. März 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 45 Fällen verhängten und noch vollständig zu verbüssenden Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren ( RH.2019.10 , act. 4.6).

D. Am 16. April 2019 wurde A. zum formellen Auslieferungsersuchen einvernommen, wobei er erneut erklärte, mit der Auslieferung nicht einverstanden zu sein ( RH.2019.10 , act. 4.7). Mit Schreiben vom 29. April 2019 nahm A. durch seine Rechtsanwältin zum Auslieferungsersuchen schriftlich Stellung und ersuchte um Haftentlassung ( RH.2019.10 , act. 4.8).

E. Mit Auslieferungsentscheid vom 2. Mai 2019 bewilligte das BJ die Auslieferung von A. für die dem Auslieferungsersuchen vom 5. April 2019 zugrundeliegenden Straftaten (Dispositivziffer 1) und wies das Haftentlassungsgesuch vom 29. April 2019 ab ([Dispositivziffer 2], act. 1.2). Die von A. gegen die abgewiesene Haftentlassung erhobene Beschwerde wies die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit Entscheid vom 4. Juni 2019 ab ( RH.2019.10 , act. 7).

F. Mit Eingabe vom 2. Juni 2019 liess A. bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gegen die am 2. Mai 2019 verfügte Auslieferung an Deutschland Beschwerde erheben und folgende Anträge stellen (act. 1):

Materielle Anträge:

1. Ziff. 1 des Entscheiddispositives der Vorinstanz datiert vom 2. Mai 2019 sei aufzuheben und die Auslieferung gestützt auf das Auslieferungsersuchen des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 05. April 2019 sei abzulehnen.

2. Für den Fall, dass Antrag 1 wider Erwarten nicht entsprochen werden sollte, sei dem Beschwerdeführer zu erlauben, die Strafe in der Schweiz zu verbüssen.

3. Subeventuell sei für den Fall, dass das Bundesstrafgericht die Sache für nicht entscheidreif betrachten sollte, Dispositivziffer 1 des angefochtenen Entscheids aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4. Dem Beschwerdeführer sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und die Unterzeichnende als amtliche Rechtsvertreterin einzusetzen.

5. Auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr sei zu verzichten.

Prozessuale Anträge:

1. Es sei vom Justizministerium Baden-Württemberg oder einer anderen in der BRD dafür zuständigen Stelle eine Stellungnahme zur Frage einzuholen, ob nach deutschem Recht bestimmte Formvorschriften der Rechtskraft des (nicht datierten und nicht unterzeichneten) Strafurteils des Landgerichts Mosbach, auf welches sich das Auslieferungsersuchen stützt, entgegenstehen.

2. Für den Fall der Abweisung der Beschwerde im Hauptantrag sei vom Justizministerium Baden-Württemberg oder einer anderen in der BRD dafür zuständigen Stelle zur Frage, ob die BRD zu einem stellvertretenden Vollzug in der Schweiz ihre Zustimmung erteilen würde, eine Stellungnahme einzuholen.

G. Die Beschwerdeantwort des BJ vom 11. Juni 2019, worin um kostenfällige Abweisung der Beschwerde ersucht wird, wurde A. am darauffolgenden Tag zur Kenntnis gebracht (act. 4, 5).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.


Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für den Auslieferungsverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sind primär das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe; SR 0.353.1), die hierzu ergangenen Zusatzprotokolle vom 17. März 1978 (ZPII EAUe; SR 0.353.12) und vom 10. November 2010 (ZPIII EAUe; SR 0.353.13) sowie der Vertrag vom 13. November 1969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des EAUe und die Erleichterung seiner Anwendung (ZV EAUe; SR 0.353.913.61) massgebend. Überdies ist das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 14. Juni 1985 (SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19-62) i.V.m. dem Beschluss des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SIS der zweiten Generation (SIS II), namentlich Art. 26-31 (ABl. L 205 vom 7. August 2007, S. 63-84) anwendbar, wobei die zwischen den Vertragsparteien geltenden weitergehenden Bestimmungen aufgrund bilateraler Abkommen unberührt bleiben (Art. 59 Abs. 2 SDÜ).

1.2 Soweit das Übereinkommen und die Zusatzprotokolle bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, findet auf das Verfahren der Auslieferung ausschliesslich das Recht des ersuchten Staates Anwendung (Art. 22 EAUe), vorliegend also das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (Rechtshilfeverordnung, IRSV; SR 351.11). Das innerstaatliche Recht gelangt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann zur Anwendung, wenn dieses geringere Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 142 IV 250 E. 3; 140 IV 123 E. 2 S. 126; 137 IV 33 E. 2.2.2 S. 40 f.; jeweils m.w.H.). Vorbehalten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 135 IV 212 E. 2.3; 123 II 595 E. 7c S. 617; TPF 2008 24 E. 1.1 S. 26).

Für das Beschwerdeverfahren gelten zudem die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021; vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 StBOG).

2.

2.1 Gegen Auslieferungsentscheide des BJ kann innert 30 Tagen seit der Eröffnung des Entscheides bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 55 Abs. 3 IRSG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 IRSG, Art. 50 Abs. 1 VwVG, Art. 37 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [StBOG; SR 173.71]).

2.2 Als Verfolgter (vgl. Art. 11 Abs. 1 IRSG) ist der Beschwerdeführer zur Einreichung der vorliegenden Beschwerde legitimiert. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

3.

3.1 Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden (Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit freier Kognition. Die Beschwerdekammer befasst sich jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden (BGE 132 II 81 E. 1.4; 130 II 337 E. 1.4; TPF 2011 97 E. 5).

3.2 Ausserdem muss sich die Beschwerdeinstanz nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken, und es genügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von denen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; 139 IV 179 E. 2.2).

4.

4.1 Nach Massgabe des EAUe sind die Vertragsparteien grundsätzlich verpflichtet, einander Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden (Art. 1 EAUe). Auszuliefern ist wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Mass­nahme im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder einer schwereren Strafe bedroht sind (Art. 2 Ziff. 1 EAUe ). Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgt, so muss deren Mass mindestens vier Monate (Art. 2 Ziff. 1 EAUe ) betragen. In Abweichung vom EAUe wird im Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland die Auslieferung gewährt, wenn das Mass einer noch zu vollstreckenden Strafe mindestens drei Monate beträgt (Art. II Abs. 1 ZV EAUe).

4.2 Der Beschwerdegegner hat die Auslieferung des Beschwerdeführers an Deutschland für die dem Auslieferungsersuchen vom 5. April 2019 zugrundeliegende Straftaten (sexueller Missbrauch von Kindern) zwecks Vollzugs der noch vollständig zu verbüssenden Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren bewilligt (act. 1.2). Die Auslieferung ist damit grundsätzlich zulässig. Die weiteren Auslieferungsvoraussetzungen sind nachfolgend insoweit zu prüfen, als sie Streitgegenstand der vorliegenden Beschwerde bilden.

5.

5.1 Zunächst bringt der Beschwerdeführer vor, das dem Rechtshilfeersuchen beigelegte Urteil des Landgerichts Mosbach weder unterzeichnet noch datiert sei und den Anforderungen von Art. 12 Ziff. 2 EAUe nicht genüge. Zudem seien die im Urteil enthaltenen Aussagen seiner Töchter widersprüchlich, weshalb der Rechtshilferichter an diese nicht gebunden sei (act. 1, S. 7 ff.).

5.2 Unter dem Gesichtspunkt des hier massgebenden Art. 12 EAUe reicht es grundsätzlich aus, wenn die Angaben im Auslieferungsersuchen sowie in dessen Ergänzungen und Beilagen es den schweizerischen Behörden ermöglichen zu prüfen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine auslieferungsfähige Straftat vorliegen, ob Verweigerungsgründe gegeben sind bzw. in welchem Umfang dem Begehren allenfalls entsprochen werden kann. Der Rechtshilferichter muss namentlich prüfen können, ob die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist. Der Rechtshilferichter hat weder Tat- noch Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 133 IV 76 E. 2.2; 132 II 81 E. 2.1; 125 II 250 E. 5b, je m.w.H.).

5.3 Zusammen mit dem Rechtshilfeersuchen wurde das Strafurteil des Landgerichts Mosbach vom 5. März 2018 eingereicht, auf welches im Ersuchen verwiesen wird. Aus dem Strafurteil geht zusammenfassend folgender Sachverhalt hervor (act. 1.3):

Der Beschwerdeführer soll zwischen 2002 und 2008 an seinen beiden Töchtern sexuelle Handlungen in insgesamt 45 Fällen und zu seiner eigenen sexuellen Befriedigung vorgenommen haben. Er habe zwischen Mai 2002 und Mai 2006 bei mindestens 40 Gelegenheiten die damals acht- bis zwölfjährige B. unter dem Vorwand, sie ins Bett bringen zu wollen, ins Kinderzimmer gebracht und sich mit einem Nachthemd oder Strassenkleidung bekleidet zu ihr ins Bett gelegt. Er habe sich von hinten an das auf der Seite liegende und einen Schlafanzug tragende, wache Kind herangedrängt, habe es umarmt und habe seinen erigierten Penis an ihrem Gesäss gerieben. Dabei habe er manchmal gestöhnt und jeweils nach fünf bis zehn Minuten abgelassen. Ob der Beschwerdeführer bemerkt habe, dass B. wach gewesen sei und ob es zu einem Samenerguss gekommen sei, habe nicht geklärt werden können. In Bezug auf die damals neun- bis dreizehnjährige Tochter, C., habe sich der Beschwerdeführer zwischen 2004 und 2008 bei mindestens fünf Gelegenheiten unter dem Vorwand, die Tochter zu wecken, in das Kinderzimmer begeben und habe sich mit einem Nachthemd bekleidet zu dieser ins Bett gelegt. Er habe sich von hinten an seine auf der Seite liegende Tochter gedrängt und habe sie über die Kleidung an den Beinen, am Po und am Rücken gestreichelt und seinen Penis an deren Gesäss gerieben. Dabei habe der Beschwerdeführer der Tochter schnaufend ins Ohr geatmet. Der Beschwerdeführer habe C. an der Schulter angefasst und versucht, sie auf den Rücken zu drehen. Das Mädchen habe sich schlafend gestellt, habe jedoch ihren ganzen Körper versteift, sodass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, sie umzudrehen. Nach jeweils fünf bis zehn Minuten habe der Beschwerdeführer von ihr abgelassen. Ob der Beschwerdeführer gemerkt habe, dass sie wach und ob sein Penis erigiert gewesen sei, habe nicht festgestellt werden können. Zum Samenerguss sei es nicht gekommen.

5.4 Das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 5. März 2018 enthält weder offensichtliche Fehler, Lücken noch Widersprüche. Dass sich die Aussagen des Beschwerdeführers und der Töchter teilweise widersprachen, hielt das Landgericht Mosbach im Urteil fest und führte aus, dass es sich um eine Konstellation «Aussage gegen Aussage» gehandelt habe. Das Landgericht Mosbach erachtete die Aussagen der beiden Opfer jedoch als glaubwürdig und bejahte ein sexuelles Motiv des Beschwerdeführers, obschon er dieses sowohl im Ermittlungsverfahren als auch anlässlich der Hauptverhandlung bestritten hatte (act. 1.3, S. 2 f.). Somit sind die im Rechtshilfeersuchen und im Strafurteil vom 5. März 2018 ausgeführten Sachverhaltsfeststellungen für den Rechtshilferichter binden.

5.5 An der vorgängigen Schlussfolgerung vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, das mit dem Ersuchen eingereichte Urteil des Landgerichts Mosbach sei weder unterzeichnet noch datiert, nichts zu ändern. Laut der am Ende des Urteils angefügten Beglaubigung ist das Strafurteil am 13. September 2018 in Rechtskraft erwachsen. Zugleich wurde die Abschrift des Urteils als richtig beglaubigt und entspricht damit den Anforderungen von Art. 12 Ziff. 2 lit a EAUe , der explizit eine beglaubigte Abschrift eines vollstreckbaren Urteils als ausreichend erklärt (act. 1.3, S. 33).

5.6 Unbegründet ist auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung von Verfahrensrechten i.S.v. Art. 2 lit. a und lit. d IRSG. Der Beschwerdeführer war an der Hauptverhandlung anwesend und hatte gegen das Strafurteil Revision eingelegt, die verworfen wurde (act. 1.3, S. 2, 33). Der Inhalt des deutschen Strafurteils und insbesondere der Schuldspruch und dessen Begründung sind nicht im vorliegenden Auslieferungsverfahren zu prüfen. Die hier geltend gemachten Argumente hätte der Beschwerdeführer im Rechtsmittelweg in Deutschland geltend machen müssen. Der zu vollstreckende Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen und für den Rechtshilferichter bindend. Entsprechend sind die Vorbringen des Beschwerdeführers zur Begründung des Strafurteils vom 5. März 2018 und damit auch in Bezug auf die Unterhaltsklage einer seiner beiden Töchter nicht im vorliegenden Verfahren zu behandeln.

6.

6.1 In einem weiteren Punkt rügt der Beschwerdeführer die fehlende beidseitige Strafbarkeit. Die vorgenommenen Handlungen seien nicht erheblich gewesen, sodass er keine verbotenen sexuellen Handlungen vorgenommen habe (act. 1, S. 4 ff.).

6.2

6.2.1 Gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB macht sich der sexuellen Handlungen mit Kindern unter anderem schuldig, wer mit einem Kind unter 16 Jahren sexuelle Handlung vornimmt. Bei dieser Tatbestandsvariante kommt es zu einem körperlichen Kontakt zwischen dem Täter und dem Opfer ( Maier , Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 187 StGB N 10).

6.2.2 Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lassen sich sexuelle Handlungen nach der Eindeutigkeit ihres Sexualbezugs abgrenzen. Keine sexuellen Handlungen sind Verhaltensweisen, die nach ihrem äusseren Erscheinungsbild keinen unmittelbaren sexuellen Bezug aufweisen. Als sexuelle Handlungen im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gelten hingegen Verhaltensweisen, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen sind. Bei dieser objektiven Betrachtungsweise bleiben das subjektive Empfinden, die Motive oder die Bedeutung, die das Verhalten für den Täter oder das Opfer hat, ausser Betracht. Eindeutig sexualbezogene Handlungen erfüllen stets den objektiven Tatbestand. Auf die Motive des Täters kommt es nicht an. Schwierigkeiten bietet dagegen die dritte Gruppe der sogenannten ambivalenten Handlungen, die weder äusserlich neutral noch eindeutig sexualbezogen erscheinen. Das bloss Unanständige, Unangebrachte, Anstössige, Geschmacklose, Unschamhafte, Widerwärtige soll aus dem Strafbaren ausscheiden. In Zweifelsfällen ist die Erheblichkeit nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (BGE 125 IV 58 S. 62 E. 3b m.w.H.). Presst sich der Täter in angekleidetem Zustand über eine längere Zeit an ein Kind, wobei besonders mit den Genitalien Gegendruck am Körper des Kindes gesucht wird, ist sexuelle Handlung zu bejahen ( Maier , Basler Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 187 StGB N 11).

6.3 Gemäss dem Strafurteil vom 5. März 2018 hatte sich der angekleidete Beschwerdeführer in mindestens 45 Gelegenheiten an seine beiden minderjährigen Töchter von hinten gedrängt und seinen Penis an deren Gesäss für die Dauer von fünf bis zehn Minuten gerieben (act. 1.3). Zum Tatzeitpunkt war der Beschwerdeführer ca. 47 bis 53 Jahre alt und seine beiden Töchter hatten das 16. Lebensalter noch nicht erreicht. Gegenüber dem Landgericht Mosbach gaben die beiden Töchter an, unter den sexuellen Übergriffen und dem Vertrauensbruch ihres Vaters zu leiden (act.1.3, S. 6). Aufgrund des im Urteil Ausgeführten sind die Handlungen des Beschwerdeführers nach ihrem äusseren Erscheinungsbild als sexualbezogen zu werten und eine sexuelle Handlung ist zu bejahen. Das Verhalten des Beschwerdeführers wäre nach Schweizer Recht prima vista als mehrfache sexuelle Handlung mit Kindern i.S.v. Art. 187 Abs. 1 Ziff. 1 StGB zu qualifizieren. Nach dem Gesagten ist die doppelte Strafbarkeit zu bejahen.

6.4 Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist unbegründet (act. 1, S. 12 f.). Der Beschwerdegegner hat die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rügen in Bezug auf die fehlende beidseitige Strafbarkeit und Verletzung von Art. 2 IRSG im angefochtenen Entscheid ausreichend geprüft und gestützt auf die bundesgerichtliche und bundesstrafgerichtliche Rechtsprechung verworfen (act. 1.2. S. 2 ff.). Eine Gehörsverletzung ist nicht ersichtlich.

7.

7.1 Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, der Beschwerdegegner habe sein Ermessen unterschritten, indem er eine Stellungnahme der zuständigen deutschen Behörden zur Frage des stellvertretenden Strafvollzugs in der Schweiz i.S.v. Art. 37 Abs. 1 IRSG nicht eingeholt habe (act. 1, S. 11 f).

7.2 Gemäss Art. 37 Abs. 1 IRSG kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Vollstreckung des ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten angezeigt erscheint. Jedoch kann eine Auslieferung nach ständiger Rechtsprechung in Fällen, in welchen - wie vorliegend - das EAUe Anwendung findet, grundsätzlich nicht gestützt auf Art. 37 IRSG verweigert werden (vgl. BGE 129 II 100 E. 3.1 S. 102; 123 II 279 E. 2d S. 283; 122 II 485 E. 3a und 3b; 120 Ib 120 E. 3c; Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2019.2 vom 17. Januar 2019 E. 6.2; RR.2018.183 vom 21. August 2018 E. 3.2).

Die Nichtanwendung von Art. 37 IRSG setzt voraus, dass der zunächst um Auslieferung ersuchende Staat kein nachträgliches bzw. konkurrierendes Gesuch um Übernahme der Strafvollstreckung durch die Schweiz gestellt hat (vgl. Art. 94 Abs. 1 IRSG ; BGE 129 II 100 E. 3.1; 120 Ib 120 E. 3c; Urteil des Bundesgerichts 1A.225/2003 vom 25. November 2003 E. 4). Stellt der ursprünglich um Auslieferung ersuchende Staat nachträglich ein Gesuch um Übernahme der Strafvollstreckung durch die Schweiz, ist den Gesichtspunkten in Art. 37 Abs. 1 IRSG Rechnung zu tragen (BGE 129 II 100 E. 3.1 S. 102; Urteil des Bundesgerichts 1A.225/2003 vom 25. November 2003 E. 4). In Ausnahmefällen kann der grundrechtliche Schutz auf Achtung des Privat- und Familienlebens i.S.v. Art. 13 BV und Art. 8 EMRK auch ohne das Vorliegen eines förmlichen Gesuchs um Strafübernahme die Abweisung des Auslieferungsersuchens und die stellvertretende Strafvollstreckung in der Schweiz gebieten ( Zimmermann , La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 5. Aufl. 2019, N. 219 und 709 mit Verweis auf BGE 122 II 485 ).

7.3 Vorliegend haben die deutschen Behörden an die Schweiz kein konkurrierendes Gesuch um Übernahme der Strafvollstreckung gestellt. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe, namentlich fehlende Freunde oder Angehörige in Deutschland, sein künstlerischer Hintergrund und sein Alter, rechtfertigen eine ausnahmsweise Prüfung des Ausschlussgrundes nach Art. 37 IRSG ohne das Vorliegen eines förmlichen Übernahmeersuchens nicht. Weder aus den Ausführungen des Beschwerdeführers noch aus den Akten gehen aussergewöhnliche familiäre Verhältnisse i.S.v. Art. 8 EMRK hervor, die einer Auslieferung entgegenstehen könnten. Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers ist er im Jahr 2011 zu Erwerbszwecken in die Schweiz gezogen und soweit ersichtlich lebt der 70-jährige Beschwerdeführer hier allein, weshalb eine Verletzung von Art. 8 EMRK nicht zu erkennen ist (vgl. hierzu BGE 129 II 100 E. 3.5; 123 II 279 E. 2d S. 284; je m.H.; Urteile des Bundesgerichts 1A.265/2003 vom 29. Januar 2004 E. 3.2; 1A.225/2003 vom 25. November 2003 E. 4). Bei diesem Ergebnis durfte der Beschwerdegegner auf eine Anfrage an die deutschen Behörden, ob Deutschland mit einem stellvertretenden Strafvollzug einverstanden wäre, verzichten. Eine Ermessensunterschreitung seitens des Beschwerdegegners ist unter diesen Umständen nicht auszumachen. Die vorliegende Angelegenheit ist spruchreif und der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückweisung der Sache an den Beschwerdegegner zur Vornahme weiterer Abklärungen ist abzuweisen.

8. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Den Akten sind zudem keine anderen Gründe zu entnehmen, welche einer Auslieferung des Beschwerdeführers entgegenstünden. Die Beschwerde ist damit abzuweisen.

9.

9.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens hätte der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen. In seiner Beschwerde ersuchte er um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung ( RP.2019.26 , act. 1).

9.2 Die Beschwerdekammer befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Verfahrenskosten, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 65 Abs. 1 VwVG ) und bestellt dieser einen Anwalt, wenn dies zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG ). Diese Regelung ist Ausfluss von Art. 29 Abs. 3 BV . Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer erscheinen als die Verlustgefahren. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese (BGE 142 III 140 V 521 E. 9.1; 138 E. 5.1 S. 139 f.).

9.3 Aufgrund des oben Ausgeführten erwies sich die Beschwerde offensichtlich als aussichtslos im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG . Demzufolge ist das Gesuch RP.2019.26 um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung bereits aus diesem Grund abzuweisen.

9.4 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG ). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 2'000.-- festzusetzen (vgl. Art. 63 Abs. 5 VwVG und Art. 73 StBOG sowie Art. 5 und 8 Abs. 3 lit. a des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Anträge des Beschwerdeführers auf Einholung einer Stellungnahme der deutschen Behörden zur Rechtskraft des Strafurteils des Landgerichts Mosbach vom 5. März 2018 und zum stellvertretenden Strafvollzug in der Schweiz werden abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird abgewiesen.

3. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und -verbeiständung wird abgewiesen.

4. Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 24. Juni 2019

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwältin Regula Widmer

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG ). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).

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