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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2019.17
Datum:18.09.2019
Leitsatz/Stichwort:Sachliche Zuständigkeit (Art. 28 StPO).
Schlagwörter : Bundes; Kanton; Geldwäscherei; Company; Gesuch; Ausland; Schweiz; Verfahren; Kantone; Zuständigkeit; Mutmasslich; Geldwäschereihandlung; Verfahrens; Geldwäschereihandlungen; Recht; Taten; Gesuchsgegnerin; Verfolgung; überwiesen; Gesellschaft; Konto; Kantonen; Eschwerdekammer; Angezeigten; Prämien; Zuständig; Beurteilung; Beschwerdekammer
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 123 BV ; Art. 14 StGB ; Art. 14 StPO ; Art. 146 StGB ; Art. 2 StPO ; Art. 22 StPO ; Art. 24 StPO ; Art. 25 StPO ; Art. 26 StPO ; Art. 3 StPO ; Art. 33 StGB ; Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 4 StPO ; Art. 423 StPO ;
Referenz BGE:125 IV 177; 128 IV 117; 128 IV 225; 130 IV 68; 132 IV 89; 133 IV 235; 136 IV 188; 144 IV 172; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2019.17

Beschluss vom 18. September 2019
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

Gesuchsteller

gegen

Bundesanwaltschaft,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Sachliche Zuständigkeit (Art. 28 StPO )


Sachverhalt:

A. Am 2. März 2018 erstattete die russische Gesellschaft A. Company bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (nachfolgend «StA ZH») Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Veruntreuung und Geldwäscherei (Verfahrensakten ZH, Urk. 2/1). Mit Eingabe vom 6. Juli 2018 und 18. September 2018 ergänzte die A. Company ihre Strafanzeige und reichte der StA ZH u.a. einen Zwischenbericht von Pricewaterhouse Coopers (nachfolgend «PWC») vom 26. Juni 2018 und dessen ergänzte Version vom 9. August 2018 ein (Verfahrensakten ZH, Urk. 2/2, 2/2/2, 3/4/1). Gemäss der Strafanzeige wird der unbekannten Täterschaft vorgeworfen, die A. Company gestützt auf mutmasslich simulierte Verträge mit ausländischen und Schweizer Mantelgesellschaften zu überhöhten oder nicht geschuldeten Prämienzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe verleitet zu haben.

B. Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 ersuchte die StA ZH die Bundesanwaltschaft (nachfolgend «BA») um Übernahme des bei ihr eröffneten Verfahrens (Verfahrensakten ZH, Urk. 1/1). Die BA lehnte die Verfahrensübernahme am 21. Dezember 2018 ab (Verfahrensakten ZH, Urk. 1/3). Das daraufhin von der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (nachfolgend «OStA ZH») am 28. Februar 2019 gestellte Ersuchen um Übernahme des im Kanton Zürich hängigen Verfahrens lehnte die BA mit Schreiben vom 25. März 2019 ab (Verfahrensakten ZH, Urk. 1/5, 1/6).

C. Am 3. April 2019 gelangte die OStA ZH an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts mit dem Antrag, die BA sei für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die der unbekannten Täterschaft zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen (act. 1). Die BA liess sich innert erstreckter Frist am 26. April 2019 vernehmen und beantragt die Abweisung des Gesuchs, sofern darauf einzutreten sei (act. 4).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Anstände zwischen der Bundesanwaltschaft und den kantonalen Strafverfolgungsbehörden ergibt sich aus Art. 28 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71). Die Beschwerdekammer entscheidet bei solchen Konflikten gemäss den Regeln, die Gesetz und Rechtsprechung für die Behandlung eines interkantonal streitigen Gerichtsstandes aufgestellt haben ( Schweri/Bänziger , Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., 2004, N. 419, mit Hinweis auf BGE 128 IV 225 E. 2.3 sowie Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2009.20 vom 28. September 2009 E. 1.1). Voraussetzung ist somit, dass ein Streit über die Zuständigkeit vorliegt und dass die Parteien über diesen Streit einen Meinungsaustausch mit allen in Frage kommenden Kantonen durchgeführt haben (vgl. Schweri/Bänziger , a.a.O., N. 561 und N. 599). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, hielt die Beschwerdekammer fest, dass im Normalfall auf die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO, welche auch im Beschwerdeverfahren nach den Bestimmungen der Art. 393 ff . StPO Anwendung findet, verwiesen werden kann, wobei ein Abweichen von dieser Frist nur unter besonderen, vom jeweiligen Gesuchsteller zu spezifizierenden Umständen möglich ist (vgl. hierzu u.a. die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2011.17 vom 15. Juli 2011 E. 2.1 und BG.2011.7 vom 17. Juni 2011 E. 2.2). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton bzw. den Bund im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht bzw. Bundesrecht (Art. 14 Abs. 4 StPO; vgl. hierzu Kuhn , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 39 StPO N. 9 sowie Art. 40 StPO N. 10; Schmid/Jositsch , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, N. 488).

1.2 Die Parteien haben sich im Rahmen des Meinungsaustausches geäussert und das Gesuch des Gesuchstellers erweist sich als fristgerecht. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu besonderen Bemerkungen. Auf das vorliegende Gesuch ist einzutreten.

2.

2.1 Die sachliche Zuständigkeit befasst sich mit der materiellen Kompetenz der einzelnen Behörde. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen wird in Art. 22 -28 StPO geregelt. Demnach sind die kantonalen Strafbehörden zur Verfolgung und Beurteilung von Straftaten zuständig, soweit keine gesetzliche Ausnahme vorliegt (Art. 22 StPO; siehe auch Art. 123 Abs. 2 BV). Eine zwingende Bundeszuständigkeit ergibt sich für die Straftaten gemäss Auflistung in Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 StPO, wobei auch dort, zumindest für die Verfahren nach Art. 24 StPO , die Bundesanwaltschaft in einfachen Fällen die Strafsache zur Untersuchung und Beurteilung den kantonalen Behörden übertragen kann (Art. 25 Abs. 2 StPO ).

2.2 Gemäss Art. 24 Abs. 1 StPO unterstehen der Bundesgerichtsbarkeit unter anderem die Straftaten der Geldwäscherei nach Art. 305 bis StGB , wenn sie zu einem wesentlichen Teil im Ausland (lit. a) oder in mehreren Kantonen begangen worden sind und dabei kein eindeutiger Schwerpunkt in einem Kanton besteht (lit. b). Art. 24 StPO entspricht materiell dem bis 31. Dezember 2010 in Kraft stehenden Art. 337 StGB bzw. dem diesem vorangehenden Art. 340 bis StGB , weswegen auf die dazu ergangene Lehre und Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1140 ).

Die Verfahrenskompetenz des Bundes wurde geschaffen, um Taten des organisierten Verbrechens, der Geldwäscherei und der komplexen Wirtschaftsstraftaten effizient zu bekämpfen (vgl. Botschaft vom 28. Januar 1998 über die Änderung des Strafgesetzbuches, der Bundesstrafrechtspflege und des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes [Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung], BBl 1998 II S. 1544 ff. [nachfolgend «Botschaft vom 28. Januar 1998»]). Ob Taten nach Art. 24 Abs. 1 lit. a StPO überwiegend bzw. zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen wurden, beurteilt sich nicht nach quantitativen, sondern nach qualitativen Kriterien, d.h. danach, ob die ausländische Komponente einen derartigen Umfang erreicht, dass sich die Bundesgerichtsbarkeit im Hinblick auf eine effiziente Strafverfolgung als geeignet erweist (BGE 130 IV 68 E. 2.2 S. 71). Damit ein Fall von Art. 24 Abs. 1 lit. a StPO liegt, muss bei Geldwäscherei diese selbst und nicht nur die Vortat zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen worden sein. Entsprechend werden die (nicht seltenen) Fälle, dass kriminelle Gelder direkt vom Ursprungsland in die Schweiz gelangen und hier gewaschen werden, von Art. 24 Abs. 1 lit. a StPO nicht erfasst ( Bänziger/Leimgruber , Das neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, 2001, S. 62, 64).

Die Zuständigkeit des Bundes im Sinne von Art. 24 Abs. 1 StPO ist zwingend. Allerdings ändert der zwingende Charakter der Bundesgerichtsbarkeit nichts daran, dass diese in hohem Masse unbestimmt ist und nicht trennscharf bestimmt werden kann (vgl. BGE 132 IV 89 E. 2).

2.3 Für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den eidgenössischen und kantonalen Strafverfolgungsbehörden kommt es nicht darauf an, was dem Angeschuldigten nachgewiesen werden kann. Es muss vielmehr genügen, dass ein konkreter Tatverdacht besteht (vgl. BGE 133 IV 235 E. 4.4; vgl. zum Ganzen TPF 2011 170 E. 2.1 und 2.2). Bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit stützt sich die Beschwerdekammer wie bei der Festlegung des Gerichtsstands auf Fakten und nicht auf Hypothesen. Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore ( TPF 2016 180 E. 2.2).

3.

3.1 Der Gesuchsteller bringt zur Begründung seines Gesuchs im Wesentlichen vor, dass in Bezug auf die betrügerischen Handlungen bislang nicht von einem Ausführungsort im Kanton Zürich ausgegangen werden könne. Es bestehe jedoch der Verdacht, dass gestützt auf eine ausländische Vortat (Betrug) wesentliche Geldwäschereihandlungen im Ausland begangen worden seien. Zudem seien in das Konstrukt Gesellschaften mit Sitz in den Kantonen Zug und Genf sowie Bankverbindungen in Zürich und Genf involviert, wobei ein eindeutiger Schwerpunkt in keinem der Kantone bestünde und entsprechend eine obligatorische Bundeskompetenz gegeben sei. Gestützt auf die bisher bekannten Informationen sei von einem Fall von Wirtschaftskriminalität mit hoher internationaler Verflechtung auszugehen (act. 1).

3.2 Die Gesuchsgegnerin hält dem entgegen, es sei unklar, ob es überhaupt zu Geldwäschereihandlungen gekommen sei. Ein Auslandtransfer erfülle für sich alleine den Tatbestand der Geldwäscherei nur, wenn die Transaktion geeignet sei, die Einziehung im Ausland zu vereiteln. Es sei jedoch unklar, was mit dem allfälligen Deliktserlös anschliessend geschehen sei. Des Weiteren müsse die finale Bereicherung nicht zwangsläufig in Russland, sondern könne auch in der Schweiz eingetreten sein und fiele in die kantonale Zuständigkeit. Zudem sei der zu beurteilende Fall angesichts der mutmasslichen Deliktssumme von ca. EUR 25.9 Mio. und drei Schweizer Mantelgesellschaften ohne eigentliche operative Tätigkeit nicht von gesamtschweizerischer Bedeutung (act. 4).

4.

4.1 Ein Betrug gilt als dort verübt, wo der Täter jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen zu einem Verhalten bestimmt, das den sich Irrenden oder einen Dritten am Vermögen schädigt (vgl. dazu Art. 146 StGB ). Ausführungshandlung des Betrugs ist jede Tätigkeit, die nicht blosse Vorbereitungshandlung ist, d.h. die nach dem Plan des Betrügers auf dem Weg zum Erfolg den entscheidenden Schritt bildet, von dem es in der Regel kein von äusseren Schwierigkeiten unbeeinflusstes Zurück mehr gibt (S CHWERI /B ÄNZIGER , a.a.O., N. 106). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Betrug ein Erfolgsdelikt mit einem doppelten Erfolg (kupiertes Erfolgsdelikt). Der Erfolg liegt sowohl am Ort der Entreicherung als auch am Ort, an dem die beabsichtigte Bereicherung eingetreten ist bzw. eintreten sollte (BGE 125 IV 177 E. 2a S. 180; 124 IV 241 E. 4c; 109 IV 1 E. 3c S. 3; Urteil des Bundesgerichts 6P.29/2006 vom 21. März 2006 E. 3; Entscheid des Bundesstrafgerichts BG.2009.33 vom 5. Februar 2010 E. 2.5).

4.2 In der Strafanzeige vom 2. März 2018 wurde ausgeführt, dass die A. Com­pany im Zusammenhang mit Rückversicherungen durch unbekannte Täterschaft geschädigt worden sei. Die in Zug domizilierte B. AG , die ihr Geschäft jedoch in Zürich betreibe, habe für die A. Company auf dem internationalen Markt Rückversicherungsdeckung beschafft. Des Weiteren sei in die Geschäftsbeziehung die C. SIA mit Sitz in Lettland involviert gewesen. Die B. AG habe die C. SIA als ihren «Overseas Broker» bezeichnet und habe die A. Company instruiert, die geschuldeten Prämien an die C. SIA zu überweisen, welche sich anschliessend für die Weiterleitung der Zahlungen an die Rückversicherer habe kümmern sollen. Gegenüber der A. Company habe die B. AG in sog. Cover Notes und weiteren Dokumenten angegeben, für welche Risiken, von welchen Rückversicherungsanbietern, für welchen Zeitraum und zu welchen Bedingungen für die A. Company Rückversicherungsdeckungen erworben worden seien. Die gemachten Angaben seien jedoch unwahr gewesen und die B. AG habe für die A. Company, wenn überhaupt, jeweils eine Rückversicherungsdeckung in viel geringerem Umfang erworben und die A. Company damit zur Leistung von überhöhten oder nicht geschuldeten Prämienzahlungen in Millionenhöhe verleitet. Weiter führte die A. Company aus, dass ihr nicht bekannt sei, wer durch die von ihr geleisteten Prämienzahlungen begünstigt worden sei und welche Rolle der B. AG im ganzen Konstrukt zukomme (Verfahrensakten ZH, Urk. 2/1).

Im Auftrag der A. Company führte die PWC eine interne Untersuchung durch und hielt die Ergebnisse in ihrem Zwischenbericht wie folgt fest: Die A. Com­pany habe gestützt auf mutmasslich simulierte Verträge, welche sie mit der B. AG abgeschlossen haben soll, in den Jahren 2015 bis 2017 für Prämien insgesamt rund EUR 90 Mio. bezahlt, wovon ca. EUR 86 Mio. (95 %) auf das Konto der C. SIA in Zypern und die restlichen ca. EUR 4 Mio. (5 %) auf das Konto der B. AG bei der Bank D. in Zürich überwiesen worden seien. Weiter wurde im Zwischenbericht festgehalten, dass nebst der B. AG auch die E. SA mit Sitz in Genf und die F. AG mit Sitz in Zug als Vermittlerinnen von Rückversicherungen aufgetreten seien. Die A. Company habe gestützt auf mutmasslich simulierte Verträge, welche sie mit der E. SA abgeschlossen habe, zwischen 2012 und 2014 Prämien von ca. EUR 120 Mio. bezahlt. Davon seien ca. EUR 99 Mio. (82 %) auf das Konto der C. SIA in Zypern und ca. EUR 20 Mio. (18 %) auf das Konto der E. SA bei der Bank G. in Genf überwiesen worden. An die F. AG habe die A. Company in den Jahren 2016 und 2017 ebenfalls gestützt auf mutmasslich simulierte Verträge Prämien von ca. EUR 3 Mio. bezahlt, wobei davon ca. EUR 1.1 Mio. (39 %) auf das Konto der C. SIA in Zypern und ca. EUR 1.9 Mio. (61 %) auf das Konto der F. AG bei der Bank H. in Zürich überwiesen worden seien. Schliesslich habe die A. Company mit drei weiteren Gesellschaften ( Gesellschaft I. , J. GmbH und der K. GmbH) mutmasslich simulierte Verträge abgeschlossen und gestützt darauf Prämien von rund EUR 150 Mio. geleistet, wovon rund EUR 45 Mio. auf das Konto der C. SIA überwiesen worden seien. Sämtliche Zahlungen seitens der A. Company seien zulasten ihres Bankkontos bei der Bank L. in Moskau erfolgt. In Bezug auf die mögliche Täterschaft kam die PWC in ihrem Zwischenbericht zum Schluss, dass es sich bei den Schweizer Gesellschaften B. AG, E. SA und C. SIA um «special purpose vehicles» bzw. Mantelgesellschaften ohne eigentliche operative Tätigkeit handle. Der im Handelsregister eingetragene Verwaltungsrat der B. AG habe vermutlich lediglich als Strohmann agiert. Bei den mutmasslichen Repräsentanten der B. AG handle es sich um M. und N., die sich in Osteuropa (u.a. in Kiew) aufgehalten hätten. Die C. SIA habe lediglich als Zahlstelle fungiert und ihr sei keine weitere Funktion zugekommen (Verfahrensakten ZH, Urk. 3/4/1, S. 12 ff., 46 f.).

4.3 Die oben dargestellten Ergebnisse des Zwischenberichts sind im Wesentlichen unbestritten. Die Parteien sind sich einig, dass die mutmasslichen Betrugs- bzw. Vermögensdelikte Vortaten allfälliger Geldwäschereihandlungen darstellen und dass der daraus erworbene Deliktserlös u.a. mithilfe von drei Schweizer Gesellschaften (B. AG, F. AG und E. SA ) verteilt wurde. Ebenso sind sich die Parteien aufgrund der Feststellungen im Zwischenbericht vom 9. August 2018 einig, dass der Ausführungsort der mutmasslichen Betrugs- bzw. Vermögensdelikte höchstwahrscheinlich nicht in der Schweiz liegt und die Täterschaft vermutungsweise aus dem Umfeld der in Russland do­mi­zi­lier­ten A. Company kommt. Gestützt auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse ist mit den Parteien davon auszugehen, dass der Ausführungsort der Vortaten höchstwahrscheinlich im Ausland liegt. Die Überweisung der Beträge gestützt auf mutmasslich simulierte Verträge erfolgte vom auf die A. Company lautenden Bankkonto in Moskau, mithin trat die Entreicherung in Russland ein. Wie die Gesuchsgegnerin richtigerweise annimmt, ist hingegen die Bereicherung als unrechtmässiger Vermögensvorteil am Ort der Bankbeziehungen in Zürich (total ca. EUR 5,9 Mio.) und Genf (total ca. EUR 20 Mio.) eingetreten. Somit liegt der Erfolgsort in mehreren Kantonen, wobei die Strafverfolgung für die angezeigten Vermögensdelikte grundsätzlich in die Zuständigkeit der jeweiligen Kantone fällt.

4.4 Zwar ist der Betrug gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB im Katalog der Bundeszuständigkeiten nach Art. 23 und Art. 24 Abs. 1 StPO nicht enthalten. Sind Straftaten nach Art. 146 StGB zu einem wesentlichen Teil im Ausland oder in mehreren Kantonen begangen worden, wobei dabei kein eindeutiger Schwerpunkt in einem Kanton besteht, und ist keine kantonale Strafverfolgungsbehörde mit der Sache befasst oder ersucht die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde die Staatsanwaltschaft des Bundes um Übernahme des Verfahrens, so kann gemäss Art. 24 Abs. 2 StPO die Staatsanwaltschaft des Bundes eine Untersuchung eröffnen bzw. übernehmen. Ob der hier zu beurteilende Fall eine fakultative Bundeskompetenz zu rechtfertigen vermag, kann offengelassen werden. Wie in den nachfolgenden Erwägungen aufzuzeigen sein wird, fällt die Verfolgung und Beurteilung der angezeigten Delikte in die obligatorische Bundeszuständigkeit.

5.

5.1 Gemäss Art. 305 bis Ziff. 1 StGB macht sich der Geldwäscherei schuldig, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren. Durch Geldwäscherei wird der Zugriff der Strafbehörden auf die Verbrechensbeute vereitelt. Tatobjekt sind alle Vermögenswerte, die einem Verbrechen entstammen (BGE 128 IV 117 E. 7a S. 131; 126 IV 255 E. 3a S. 261; je mit Hinweis). Eine Überweisung von Geldern ins Ausland kann eine Geldwäschereihandlung darstellen (vgl. BGE 144 IV 172 E. 7.2.2 S. 174 f.; 127 IV 20 E. 3b; Urteil des Bundesgerichts 6B_88/2009 vom 29. Oktober 2009 E. 4.3). Strafbar ist die Vereitelungshandlung als solche, unbesehen eines Vereitelungserfolgs. Die Geldwäscherei ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (BGE 136 IV 188 E. 6.1 S. 191 mit Hinweisen).

5.2 Aus den vorliegenden Akten und der graphischen Darstellung der Gesuchsgegnerin ergibt sich, dass vom auf die A. Company lautenden Bankkonto bei der russischen Bank L. mindestens EUR 230 Mio. auf das Bankkonto der C. SIA in Zypern sowie auf Bankverbindungen in der Schweiz total ca. EUR 25.9 Mio. überwiesen wurden. Namentlich wurden auf das Konto in Zürich total ca. EUR 5.9 Mio. und Genf ca. EUR 20 Mio. transferiert. Auf welche Konten der übrige Betrag vom Konto der A. Company im Zusammenhang mit den Gesellschaften I. , J. GmbH und der K. GmbH geschlossenen Verträgen überwiesen wurde, konnte bisher nicht abschliessend ermittelt werden.

Überweisungen ins Ausland können Geldwäschereihandlungen darstellen, wenn die Transaktionen geeignet sind, die Einziehung zu vereiteln (BGE 144 IV 172 E. 7.2.2). Den vorliegenden Akten lässt sich das Schicksal der in die Schweiz transferierten Gelder von ca. EUR 25.9 Mio. nicht entnehmen. Ob die Auslandstransaktionen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts als Geldwäschereihandlungen zu qualifizieren wären, kann deshalb nicht abschliessend beurteilt werden. Gestützt auf den Grundsatz in dubio pro duriore ist dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu bejahen.

5.3 Die oben erwähnten Überweisungen von allfälligen aus Verbrechen stammenden Gelder von rund EUR 350 Mio. wurden von der A. Company in Moskau in Auftrag gegeben. Mithin befindet sich der Ausführungsort der Auslandtransaktionen in Russland. Unter der Annahme (s. E. 5.2 in fine), dass die in die Schweiz transferierten Gelder von ca. EUR 25.9 Mio. Gegenstand weiterer hier erfolgten Geldwäschereihandlungen waren, befindet sich der diesbezügliche Ausführungsort in der Schweiz und die hiesige Zuständigkeit ist zu bejahen. Die Transaktionen erfolgten auf Konten der in den Kantonen Zürich und Genf domizilierten Banken und die im Sachverhaltskonstrukt mutmasslich beteiligten (Mantel-)Gesellschaften haben ihren Gesellschaftssitz in den Kantonen Zug und Genf. Daraus kann jedoch nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass allfällige Geldwäschereihandlungen auch in den Kantonen Zürich, Zug oder Genf stattgefunden hätten. Da gestützt auf die vorliegenden Akten nicht festgestellt werden kann, ob und an welchem Ort allfällige Geldwäschereihandlungen in der Schweiz erfolgten, sind die diesbezüglichen Ausführungsorte ebenfalls nicht bekannt.

Sollten die Geldwäschereihandlungen am Ort der Bankverbindungen, d.h. in den Kantonen Zürich und Genf stattgefunden haben, stellt sich zudem die Frage, ob die Betroffenheit bereits zweier Kantone zur Begründung der Bundeszuständigkeit gestützt auf Art. 24 Abs. 1 lit. b StPO ausreicht. Die von der Bundesanwaltschaft befragten Kantone sprachen sich vor Inkrafttreten der damaligen Regelung gemäss Art. 340 bis StGB mehrheitlich dafür aus. Ob für die Annahme «mehrerer» Kantone deren zwei genügen, äussern sich die Materialien nicht, weshalb dies durch Auslegung zu ermitteln ist ( Bänziger/Leimgruber , a.a.O., S. 64). Jedenfalls beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Effizienzvorlage die Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung von Delikten mit hoher Komplexität und mit Kantons- und Landesgrenzen überschreitendem Charakter (Botschaft vom 28. Januar 1998, a.a.O., S. 1530). Wie es sich vorliegend damit verhält, kann indes offengelassen werden, da sich die Zuständigkeit der Gesuchsgegnerin gestützt auf Art. 24 Abs. 1 lit. a StPO begründen lässt.

6.

6.1 Wie oben ausgeführt, wurden vom Bankkonto der A. Company in Moskau ca. EUR 224 Mio. auf ein Konto in Zypern und ca. EUR 105 Mio. auf bisher unbekannte Konten überwiesen. Unter der Annahme, dass die in die Schweiz transferierten Gelder von ca. EUR 25.9 Mio. weiteren hier stattgefundenen «Waschgängen» unterzogen worden sind, sind sie im Vergleich zu den übrigen mutmasslich im Ausland begangenen Geldwäschereihandlungen betragsmässig derart geringfügig, dass sich die Annahme rechtfertigt, dass die Geldwäscherei insgesamt überwiegend bzw. zu einem wesentlichen Teil im Ausland stattgefunden haben müsste. Entgegen der Auffassung der Gesuchsgegnerin sind die bisher bekannten Transaktionen zur Beurteilung des Ausmasses des überwiegenden Auslandsbezuges gesamthaft zu betrachten. Folgt man der Betrachtungsweise der Gesuchsgegnerin, würde ansonst die Verfolgung von Geldwäschereihandlungen mit Auslandstransaktionen auf Schweizer Konten mit Vortaten im Ausland, wovon nur ein kleiner Teil auf Schweizer Konten überwiesen werden, stets in die kantonale Zuständigkeit fallen. Dies war nicht die Absicht des Gesetzgebers, als er im Rahmen der Effizienzvorlage Art. 340 bis StGB bzw. Art. 24 Abs. 1 StPO schuf. Damit ist eine obligatorische Zuständigkeit der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 24 Abs. 1 lit. a StPO zu bejahen.

6.2 Nichts Anderes ergäbe sich im Übrigen, wenn anzunehmen wäre, dass die die bisher auf unbekannten Konten überwiesenen ca. EUR 105 Mio. auf Schweizer Konten überwiesen und ebenfalls Gegenstand weiterer hier stattgefundener Geldwäschereihandlungen geworden wären. Diesfalls wäre die Bundeszuständigkeit gestützt auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung zum damaligen Art. 340 bis StGB zu bejahen. Nach Ansicht des Bundesgerichts ist im Zweifel diejenige Interpretation von «zu einem wesentlichen Teil im Ausland begangen» zu wählen, die eine effizientere Vorgehensweise gegen die neue Art der Wirtschaftskriminalität erlaube, wobei die verfügbaren Ressourcen zu berücksichtigten seien (BGE 130 IV 68 E. 2.2 S. 71). Vorliegend ist ein komplexer Fall im Zusammenhang mit Rückversicherungen, mit mutmasslicher Deliktssumme in dreistelliger Millionenhöhe sowie zahlreichen Beteiligten zu beurteilen. Ausserdem erstrecken sich die von der A. Company angezeigten Vorgänge auf mehrere Länder (mindestens auf die Schweiz, Zypern, Lettland und Russland), wo u.a. bereits Strafverfahren eröffnet wurden, wobei noch nicht abschliessend feststeht, ob diese mit den angezeigten Delikten im direkten Zusammenhang stehen. Die Verfolgung und Beurteilung der angezeigten Delikte erfordert deshalb engen Kontakt und Zusammenarbeit evtl. Koordination mit Staaten, wo die mutmasslichen Vermögensdelikte als Vortaten allfälliger Geldwäschereihandlungen stattgefunden haben. Diese könnten nicht nur in Russland, sondern in der Ukraine stattgefunden haben, wo die B. AG gemäss dem Zwischenbericht vom 9. August 2018 über eigene Büroräumlichkeiten verfügen soll (Verfahrensakten ZH, Urk. 3/4/1, S. 46). Des Weiteren wurde bisher noch nicht ermittelt, auf welche Bankverbindungen die von der A. Company im Zeitraum von 2014 bis 2017 geleisteten Prämienzahlungen im Umfang von insgesamt ca. EUR 105 Mio. gestützt auf allfällige simulierte Verträge mit den Gesellschaften I. , J. GmbH und der K. GmbH erfolgten. Zwar verfügt der Gesuchsteller wie auch die Gesuchsgegnerin über eine ausgebaute auf Verfolgung von Wirtschaftsstraffällen spezialisierte Abteilung. Im Rahmen der Festlegung der sachlichen Zuständigkeit in Bezug auf komplexe Wirtschaftskriminalität kann der Umstand, ob ein Kanton über eine gut ausgebaute Abteilung für Wirtschaftskriminalität verfügt, nicht das alleinige massgebliche Kriterium sein. Es ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Behörde für die Verfolgung und Beurteilung der in Frage stehenden Delikte die effizientere Vorgehensweise erlaubt. Da aufgrund der vorliegenden internationalen Verflechtung und des überwiegenden Auslandsbezugs anzunehmen ist, dass die Verfolgung und Beurteilung der angezeigten Delikte einen ausgedehnten Rechtshilfeverkehr erfordern wird und die Gesuchsgegnerin auch in diesem Bereich über eine eigene erfahrene Rechtshilfeabteilung verfügt, ist sie für die Führung und Verfolgung der angezeigten Delikte deutlich besser geeignet. Die Verfahrenskompetenz des Bundes wurde gerade für Fälle wie den vorliegenden geschaffen, deren Verfolgung und Beurteilung nicht nur Spezialwissen, sondern auch gewissen Koordinationsbedarf mit dem In- und Ausland bedarf (Botschaft vom 28. Januar 2018, a.a.O., BBl 1998 II S. 1532 ). Demnach ist die Gesuchsgegnerin zu verpflichten, die angezeigten Geldwäschereidelikte zu führen und zu beurteilen.

6.3 Da die angezeigten Delikte in die obligatorische Bundeszuständigkeit und in die kantonale Kompetenz fallen, ist die Gesuchsgegnerin gestützt auf Art. 26 Abs. 2 StPO auch zur Verfolgung und Beurteilung der angezeigten Vermögensdelikte (s. E. 4.3 hiervor) für zuständig zu erklären.

7. Nach dem Gesagten ist das Gesuch gutzuheissen. Die Strafbehörden des Bundes sind berechtigt und verpflichtet, die der unbekannten Täterschaft zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

8. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (vgl. Art. 423 Abs. 1 StPO ).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird gutgeheissen. Die Strafbehörden des Bundes sind berechtigt und verpflichtet, die der unbekannten Täterschaft zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 19. September 2019

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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