Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal | |
Geschäftsnummer: SK.2018.41 |
| | Urteil vom 10. Oktober 2018 Strafkammer |
| | Bundesstrafrichter Martin Stupf, Einzelrichter Gerichtsschreiberin Fiona Krummenacher |
| | Bundesanwaltschaft , vertreten durch Carlo Bulletti, Staatsanwalt des Bundes, |
| gegen |
| | A., erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt Jürg Dubs, |
| | Versuchte Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz |
Anträge der Bundesanwaltschaft:
Gestützt auf Art. 337 StPO wird dem Gericht beantragt, der Beschuldigte A. sei gemäss Strafbefehl der Bundesanwaltschaft vom 4. Juli 2018 zu verurteilen und zu bestrafen. Dem Dispositiv des genannten Strafbefehls können folgende Anträge entnommen werden:
1. A. sei der versuchten Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 KMG und Art. 13 Abs. 1 KMV und Art. 22 Abs. 1 StGB ) schuldig zu sprechen.
2. A. sei mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 200, entsprechend
CHF 6'000 zu bestrafen. Der Vollzug der Geldstrafe sei aufzuschieben, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
3. Der sichergestellte Zünder MVN-72 sei einzuziehen und unbrauchbar zu machen
oder zu vernichten (Art. 69 StGB ). Mit dem Vollzug sei das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zu beauftragen.
4. Die Kosten des Verfahrens in der Höhe von CHF 500 seien A. aufzuerlegen.
5. Der Kanton Bern sei mit dem Vollzug der Strafe zu beauftragen (Art. 74 StBOG i.V.m. Art. 31 ff . StPO).
Anträge der Verteidigung:
1. Der Beschuldigte A. sei vom erhobenen Vorwurf der versuchten Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz (KMG) vollumfänglich freizusprechen.
2. Eventualiter sei der Beschuldigte milde, d.h. mit einer Geldstrafe von insgesamt jedenfalls unter CHF 5'000 zu bestrafen, unter Aufschub des Vollzugs dieser Strafe und Ansetzung einer minimalen Probezeit von 2 Jahren.
3. Es sei durch das Gericht zu verfügen, dass dem Beschuldigten der betreffende
sichergesteilte Zünder" UMVN-72 ausgehändigt wird.
4. Sämtliche Verfahrenskosten seien auf die Gerichtskasse zu nehmen.
5. Es sei dem Beschuldigten eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen.
Prozessgeschichte
A. Am 13. September 2017 stellte das Zollinspektorat Zürich anlässlich einer Zollkontrolle eine Briefpostsendung aus Russland mit einem mutmasslichen Zünder YMVN-72 zu einer Panzermine sicher, welche an die Wohnadresse von A., einem Berufsoffizier der Schweizer Armee, hätte geliefert werden sollen
(BA 10-1-0003 ff.). Zur weiteren Untersuchung des Gegenstandes wurde das Forensische Institut Zürich beigezogen, welches am Verfahrensgegenstand Sprengstoffspuren feststellte (BA 10-1-0006 ff.). Die Kantonspolizei Bern verfasste zwecks Abklärung allfälliger Strafbarkeiten und Zuständigkeiten am 30. Oktober 2017 einen Berichtsrapport zu Handen der Bundesanwaltschaft (BA 10-1-0001 ff.).
B. Im Sinne einer Vorabklärung ersuchte die Bundesanwaltschaft am 13. November 2017 das SECO um Mitteilung, ob die Einfuhr eines Zünders YMVN-72 zu einer Panzermine bewilligungspflichtig sei und gegebenenfalls, ob eine entsprechende Bewilligung für A. vorgelegen habe (BA 18-1-0001 f.). Das SECO teilte der Bundesanwaltschaft am 15. November 2017 mit, dass die Einfuhr eines Zünders YMVN-72 zu einer Panzermine in die Schweiz einer Bewilligung des SECO bedürfe, welche von A. nie eingeholt worden sei (BA 18-1-0003 f.).
C. Daraufhin eröffnete die Bundesanwaltschaft am 16. November 2017 eine Strafuntersuchung gegen A. (nachfolgend: Beschuldigter) wegen Verdachts der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über das Kriegsmaterial vom 13. Dezember 1996 (Kriegsmaterialgesetz, KMG; SR 514.51; BA 1-0-0001).
D. Am 13. März 2018 ersuchte die Bundesanwaltschaft das Oberauditorat in Bern um Strafübernahme (BA 2-0-0001 f.). Das Oberauditorat lehnte das Ersuchen mit Schreiben vom 21. März 2018 ab (BA 2-0-0003 f.).
E. Mit Schreiben vom 5. April 2018 ersuchte die Bundesanwaltschaft das SECO, die Beschaffenheit des Zünders und dessen Bewilligungspflicht abzuklären (BA 18-1-0005 f.). Die Abklärungen beim SECO ergaben, dass es sich beim Verfahrensgegenstand um ein zur Einfuhr in die Schweiz bewilligungspflichtiges Kriegsmaterial handle (BA 18-1-0010 ff.).
F. Am 4. Juli 2018 erliess die Bundesanwaltschaft gegen den Beschuldigten einen Strafbefehl wegen versuchter Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 KMG und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung über das Kriegsmaterial vom 25. Februar 1998 [Kriegsmaterialverordnung, KMV ; SR 514.511] und Art. 22 Abs. 1 StGB ) und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je CHF 200, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren (BA 3-0-0001 ff.).
G. Die Verteidigung erhob hierauf am 16. Juli 2018 Einsprache und beantragte, das Verfahren einzustellen, dem Beschuldigten keine Verfahrenskosten aufzuerlegen und ihm den sichergestellten Zünder auszuhändigen (BA 3-0-0005 ff.).
H. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft drängte sich keine weitere Beweisabnahme im Sinne von Art. 355 Abs. 1 StPO auf. Sie hielt am Strafbefehl vom 4. Juli 2018 fest (Art. 355 Abs. 3 lit. a StPO ) und überwies diesen am 24. Juli 2018 dem hiesigen Gericht als Anklageschrift zur Durchführung eines Hauptverfahrens (Art. 356 Abs. 1 StPO ).
I. Im Rahmen der Prozessvorbereitung holte der Einzelrichter des Bundesstrafgerichts neben den erforderlichen Beweismittel zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten (Strafregister- und Betreibungsregisterauszüge, Steuerunterlagen) sowie einen Amtsbericht des SECO ein, unter anderem zur Frage, ob der Verfahrensgegenstand unter das KMG falle.
J. Am 26. September 2018 fand die Hauptverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigten und seiner Verteidigung am Sitz des Bundesstrafgerichts statt. Die Bundesanwaltschaft verzichtete auf eine Teilnahme an der Hauptverhandlung (Art. 337 StPO ). Der an der Hauptverhandlung anwesende Beschuldigte und seine Verteidigung verzichteten auf eine mündliche Urteilseröffnung. Das Urteilsdispositiv vom 10. Oktober 2018 wurde den Parteien schriftlich eröffnet mit dem Hinweis, dass die schriftliche Begründung später zugestellt werde.
K. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 verlangte die Bundesanwaltschaft das schriftlich begründete Urteil (Art. 82 Abs. 2 lit. a StPO ).
Der Einzelrichter erwägt:
1. Prozessuales und Vorfragen
1.1 Zuständigkeit
1.1.1 Beim Beschuldigten handelt es sich um einen Berufsoffizier der Schweizer Armee im Rang eines Oberstleutnants, welcher im C. arbeitet. In der Einvernahme vor Bundesanwaltschaft machte der Beschuldigte geltend, den Verfahrensgegenstand für die Munitionssammlung in seinem beruflichen Umfeld und zum Unterrichten bestellt zu haben (BA 13-1-0001). Nach Durchsicht der von der Bundesanwaltschaft zugestellten Akten verneinte das Oberauditorat eine allfällige Militärgerichtsbarkeit (BA 2-0-0003 f.). Das Oberauditorat konnte keinen Anfangsverdacht auf Widerhandlungen gegen das Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG; SR 321.0) feststellen und erteilte die Ermächtigung zur Durchführung des zivilen Verfahrens i.S.v. Art. 219 Abs. 2 MStG i.V.m. Art. 101a Abs. 1 der Verordnung über die Militärstrafrechtspflege vom 24. Oktober 1979 ( MStV ; SR 322.2).
Für strafbare Handlungen, die im MStG nicht vorgesehen sind, bleiben (auch) die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen der zivilen Gerichtsbarkeit unterworfen (Art. 8 i.V.m. Art. 219 MStG ). Gemäss Art. 40 Abs. 1 KMG unterstehen die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen nach Art. 33 KMG der Bundesstrafgerichtsbarkeit. Die sachliche Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts ist somit gegeben.
1.1.2 Die Kompetenz des Einzelgerichts ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 36 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Organisation der Strafbehörden des Bundes vom 19. März 2010 ( StBOG ; SR 173.71).
1.2 Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache
Hinsichtlich der Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache, die das Gericht vorfrageweise zu prüfen hat ( Art. 356 Abs. 2 StPO ), stellen sich keine besonderen Fragen.
2. Anklagevorwurf
2.1 Die Bundesanwaltschaft wirft dem Beschuldigten vor, sich der versuchten Widerhandlung gegen das KMG strafbar gemacht zu haben, indem er versucht habe, einen Zünder MVN-72 zu einer Panzermine ohne die erforderliche Bewilligung des SECO in die Schweiz einzuführen.
2.2 Der Beschuldigte weist den Anklagevorwurf von sich. Er macht insbesondere geltend, die Einfuhr des Zünders unterstehe nicht der Bewilligungspflicht gemäss Art. 17 Abs. 1 KMG , da dieser kein Kriegsmaterial i.S.v. Art. 5 KMG darstelle. Es handle sich um eine Zünderattrappe bzw. um ein funktionsdienliches Unterrichtsobjekt des Typs U". Durch die Bezeichnung UMVN" auf dem Objekt sei es offiziell als Attrappe gekennzeichnet (TPF 2-731-003).
3. Versuchte Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz
3.1 Das KMG bezweckt, u.a. durch die Kontrolle des Transfers von Kriegsmaterial, die internationalen Verpflichtungen der Schweiz zu erfüllen sowie ihre aussenpolitischen Grundsätze zu wahren (Art. 1 KMG). Der Begriff Kriegsmaterial wird in Art. 5 KMG näher umschrieben. Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a KMG gelten Waffen, Waffensysteme, Munition sowie militärische Sprengmittel als Kriegsmaterial. Als Kriegsmaterial gelten zudem Einzelteile und Baugruppen, auch teilweise bearbeitete, sofern erkennbar ist, dass diese Teile in derselben Ausführung nicht auch für zivile Zwecke verwendbar sind (Art. 5 Abs. 2 KMG).
Der Bundesrat bestimmt gestützt auf die Delegationsnorm von Art. 5 Abs. 3 KMG in einer ausführenden Verordnung (KMV) in generell-abstrakter Weise, welche Güter als Kriegsmaterial gelten. Anhang 1 zur KMV listet in einer detaillierten und abschliessenden Liste die Güter auf, die als Kriegsmaterial gelten (Art. 2 KMV ). Die Positionen KM 1 bis KM 22 im Anhang 1der KMV umfassen nicht nur fertige Produkte, sondern auch Bestandteile oder Zubehör zu den genannten Gütern.
3.2 Nach Art. 33 Abs. 1 KMG sind verschiedene Formen vorsätzlicher Verletzungen von Pflichten im Zusammenhang mit Kriegsmaterial unter Strafe gestellt. Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG macht sich strafbar, wer vorsätzlich ohne entsprechende Bewilligung oder entgegen den in einer Bewilligung festgesetzten Bedingungen oder Auflagen Kriegsmaterial herstellt, einführt, durchführt, ausführt, damit handelt, es vermittelt oder Verträge betreffend die Übertragung von Immaterialgütern einschliesslich Know-how, die sich auf Kriegsmaterial beziehen, oder die Einräumung von Rechten daran, abschliesst. Der Tatbestand von Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG schliesst eine sich aus Art. 17 Abs. 1 KMG i.V.m. Anhang 1 der KMV ergebende Bewilligungspflicht mit ein. Die Ausfuhr von Gütern des Anhangs 1 KMG ist der Bewilligungspflicht unterstellt (Art. 17 Abs. 1 KMG ). Es gilt das Selbstdeklarationsprinzip, d.h. wer Güter des Anhangs 2 zur KMV einführt, muss beim SECO eine Bewilligung beantragen (Art. 13 Abs. 1 KMV ). Den objektiven Tatbestand von Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG erfüllt, wer die nach Art. 17 Abs. 1 KMG vorgeschriebene Einfuhrbewilligung des SECO nicht einholt und trotzdem Kriegsmaterial auf schweizerisches Staatsgebiet einführt. Gelingt die Einfuhr nicht, liegt Versuch vor (Art. 22 Abs. 1 StGB ).
3.3 Einstufung als Kriegsmaterial
3.3.1 Während sich der Anwendungsbereich des KMG von 1972 auf Material beschränkte, das als Kampfmittel verwendet werden kann (mit direkter zerstörerischer Wirkung), stellt das revidierte KMG von 1996 auf ein objektives Kriterium für die juristische Bestimmung des Materials ab. Massgebend ist nun der Zweck, für den ein Produkt entwickelt oder abgeändert worden ist ( Meyer , Das Kriegsmaterialgesetz, in Cottier/Oesch [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XI, Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, 2. Aufl., 2007, S. 184 N 19 f.).
3.3.2 Gemäss Anklage soll es sich beim Verfahrensgegenstand um einen Zünder MVN-72 zu einer Panzermine und damit um Kriegsmaterial handeln (BA 3-0-0001). Der Zünder sei ein besonders konstruierter Bestandteil (Baugruppe) einer Mine gemäss Position KM 4 des Anhangs 1 der KMV bzw. zu einer Baugruppe zusammengefügtes Einzelteil für eine Panzermine, weshalb dessen Einfuhr einer Bewilligung des SECO bedürfe.
3.3.3 Demgegenüber hält die Verteidigung fest, beim Verfahrensgegenstand handle es sich um das delaborierte, d.h. leere und mit einer Silikonfuge wieder verschlossene Originalgehäuse eines Zünders zu einer Panzermine. Dieses delaborierte Gehäuse könne nachträglich auch nicht mehr funktionsfähig gemacht werden, da die notwendigen Bestandteile fehlen würden. Es sei eine blosse Attrappe, welche keine aktiven Wirkstoffe enthalte (TPF 2-721-002). Ausser dem Aussehen habe das Material nichts mit funktionsfähigen Bestandteilen eines Kriegsmaterials oder mit Munition zu tun und stelle als solches kein Einzelteil bzw. keine Baugruppe dar (BA 3-0-0006 f.). Anlässlich der Befragung an der Hauptverhandlung erklärte der Beschuldigte, eine Zünderattrappe sei aus munitionstechnischer Sicht keine Munition. Sie sei weder ein Kampfmittel, noch ein Sprengkörper und könne daher nicht gezündet werden und auch sonst nichts bewirken. Da die im Laufe des Untersuchungsverfahrens eingeholten Expertenberichte ergeben hätten, dass das Zündergehäuse minimale Sprengstoffspuren enthalte, könnte es sich beim Verfahrensgegenstand um einen ehemaligen scharfen Zünder (mit der Bezeichnung MVN-72) gehandelt haben, der auseinander genommen bzw. delaboriert und inertisiert worden sei. Dies bedeute, dass jegliche Wirkstoffe entfernt und funktionsunfähig gemacht worden seien. Das Objekt erfülle somit den Zweck des Attrappenseins (TPF 2-731-004 ff.).
3.3.4 Zum verfahrensgegenständlichen Zünder" bestehen folgende Expertenbefunde:
a) Der Bericht des Forensischen Instituts Zürich vom 2. Oktober 2017 bezeichnet den Verfahrensgegenstand als Munition". Es handle sich um einen russischen Übungs-Induktionszünder" zu einer Panzermine. Auf der Oberfläche sei der Aufdruck MBH-72" sichtbar. Der Buchstabe " (U) weise auf Übung" respektive auf einen Dummy" hin. Mittels Röntgenverfahren sei der Verfahrensgegenstand auf Sprengstoff untersucht worden, wobei keine Hinweise für das Vorhandensein von Sprengstoff oder Zündmittel gefunden worden seien. Mittels eines Explosive Trace Detector (ETD) habe an der Aussenseite, an der Aussenfläche des Verfahrensgegenstands, mehrmals Sprengstoff nachgewiesen werden können. Dies deute darauf hin, dass es sich um ein delaboriertes Modell handle, bei dem die sprengkräftigen Komponenten entfernt worden seien. Die einzelnen Komponenten seien mittels Klebstoff verklebt worden und würden - ohne sie zu zerstören - nicht geöffnet werden können (BA 10-1-0006 ff.).
b) D., welcher vom SECO extern zur Unterstützung beigezogen wurde und das Buch mit dem Titel B." verfasst hat, hält im Schreiben vom 14. Mai 2018 Folgendes fest:
Der Zünder UMVN-72 (kyrillische Schreibweise MBH-72) sei für die Übungspanzermine 72 (UTM-72) entwickelt und verwendet worden. Er passe allerdings auch auf die verschiedenen Varianten der Übungspanzermine 62. Die Bezeichnung auf dem Verfahrensgegenstand " habe die Bedeutung Übung". Der vorliegende Übungszünder bestünde nur aus der leeren Hülle aus Aluminium-Spritzguss, alle Innenteile (Elektronik und mechanischer Entsicherungsmechanismus) seien vorgängig entfernt worden oder seien nie vorhanden gewesen. Es sei möglich, dass dieser Zünder aus einem alten Originalzünder oder Originalübungszünder hergestellt worden sei, welcher total demontiert, neu gespritzt und bestempelt worden sei. Denkbar sei auch, dass es sich gar nicht um einen Originalübungszünder handle, sondern um ein nachträglich hergestelltes Exemplar. Hierfür spreche, dass das aufgestempelte Laborierdatum (12-01-82) genau jenem entspreche, welches auf den Fotos der russischen Originalinstruktionsschriften abgebildet sei (BA 18-1-0027 ff.).
c) Gemäss einer E-Mail von E., Mitarbeiter von armasuisse, an das SECO vom 6. Juni 2018 handle es sich beim Zünder höchstwahrscheinlich um einen Originalzünder. Armasuisse gehe davon aus, dass das Zündergehäuse aus einer Originalproduktion stamme. Aufgrund der Sprengstoffspuren und der nicht originalen Abdichtung (Silikon) gehe armasuisse davon aus, dass der Zünder früher scharf gewesen sei und dann delaboriert (inertisiert) worden sei. Allenfalls stamme das Gehäuse von einer Metallsammel- oder einer Recyclingstelle
(BA 18-1-0013). In einer früheren E-Mail vom 30. Mai 2018 an den ebenfalls bei armasuisse tätigen F. hielt E. fest, es handle sich beim Verfahrensgegenstand um ein Originalgehäuse, weshalb dieser wieder funktionsfähig gemacht werden könne, was jedoch den Einbau funktionstauglicher Komponenten bedingen würde (BA 18-1-0015).
d) Der Verfahrensgegenstand wurde auf das Vorhandensein von Sprengstoffen untersucht. Gemäss einer Spurenanalyse, welche beim Flughafen Belp durchgeführt wurde, konnten vier Grundsubstanzen für Sprengstoffe (konkret: RDX, TNT, PETN, HMX) am Objekt gemessen werden (BA 18-1-0016 f., -0021 ff.). F., Mitarbeiter von armasuisse, informierte das SECO in einer E-Mail vom 29. Mai 2018 darüber wie folgt: Die Sprengstoffanalyse sei wirklich einen [recte: ein] Indiz, dass die Munition scharf gewesen und inertisiert worden sei (BA 18-1-0016 f.).
e) Die von der Bundesanwaltschaft eingereichte Stellungnahme des SECO vom 25. Juni 2018 (BA 18-1-0010 ff.) und der vom Gericht ergänzend eingeholte Amtsbericht des SECO vom 17. September 2018 (TPF 2-262-1-005 ff.) halten zusammenfassend fest, der Verfahrensgegenstand sei bewilligungspflichtiges Kriegsmaterial bzw. ein besonders konstruierter Bestandteil (Baugruppe) eines Kriegsmaterials. Es handle sich um einen Zünder, der zur Zündung einer Panzermine konstruiert worden sei. Als besonders konstruierter Bestandteil einer Panzermine falle der Zünder unter die Position KM4 des Anhangs 1 der KMV und werde somit indirekt vom Begriff Waffe" nach Art. 5 Abs. 1 lit. a KMG erfasst. Das SECO nimmt im Übrigen Bezug auf die vorgenannten Expertenbefunde (Forensisches Institut Zürich, armasuisse und D.), welche - so die Ansicht des SECO - alle zum Schluss gekommen seien, dass es sich beim vorliegenden Zünder höchstwahrscheinlich um einen Originalzünder handle (TPF 2-262-1-007, zu Frage 6).
3.3.5 Das Gericht würdigt die Beweise frei nach seiner aus dem gesamten Verfahren gewonnenen Überzeugung (Art. 10 Abs. 2 StPO ). Das Gebot will sicherstellen, dass der Richter nicht verpflichtet ist, etwas als erwiesen zu erachten, wenn es dies nach seiner Überzeugung nicht ist, oder umgekehrt etwas als nicht erwiesen anzusehen, worüber für ihn kein Zweifel besteht ( Hofer, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., 2014, Art. 10 StPO N 58). Überzeugt zeigen darf sich das Gericht nur, wenn es jeden vernünftigen Zweifel ausschliessen kann. Die Überzeugung muss durch gewissenhaft festgestellte Tatsachen und logische Schlussfolgerungen begründet werden; dadurch wird die Herleitung des Beweisergebnisses objektiv nachvollziehbar ( Hofer , a.a.O., Art. 10 StPO N 61). Bestehen unüberwindbare Zweifel an der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen der angeklagten Tat, so geht das Gericht von der für die beschuldigte Person günstigeren Sachlage aus (Art. 10 Abs. 3 StPO ). Nach dem allgemein anerkannten, sinngemäss in Art. 10 Abs. 3 StPO festgehaltenen Grundsatz in dubio pro reo, werden erhebliche und unüberwindbare Zweifel zugunsten des Beschuldigten gewertet. Freilich kann dabei nicht verlangt werden, dass die Tatschuld gleichsam mathematisch sicher und unter allen Aspekten unwiderlegbar feststeht. Bloss abstrakte und theoretische Zweifel dürfen nicht massgebend sein, weil solche immer möglich sind. Eine theoretische, entfernte Möglichkeit, dass der Sachverhalt anders sein könnte, rechtfertigt keinen Freispruch ( Hauser /S chweri/Hartmann , Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., 2005, S. 247; S chmid , Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl., 2017, N 227, 233).
3.3.6 In Würdigung des Gesagten ergibt sich in tatsächlicher (objektiver) Hinsicht zusammenfassend, dass seitens der Experten unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zum Verfahrensgegenstand als möglichem Kriegsmaterial bestehen. Überwiegend werden Vermutungen und Mutmassungen angestellt, namentlich ob es sich um einen Übungs- oder Originalzünder bzw. um ein Originalgehäuse einer Panzermine gehandelt haben könnte (vgl. E. 3.3.4). Die vorliegenden Indizien und Expertenbefunde sind in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, um die beim Gericht bestehenden unüberwindbaren Zweifel auszuräumen. Es ist nicht rechtsgenüglich nachgewiesen, dass es sich beim Objekt tatsächlich um Kriegsmaterial handelt(e). Der objektive Tatbestand ist somit nicht erstellt, weshalb ein Freispruch zu erfolgen hat.
3.4 Sachverhaltsirrtum
3.4.1 Das Wissen und Wollen des Täters muss sich auf sämtliche objektive Tatbestandsmerkmale erstrecken . Selbst wenn es sich vorliegend beim verfahrensgegenständlichen Gut tatsächlich um Kriegsmaterial gehandelt hätte, wäre zu prüfen, ob allenfalls in einer Fehlvorstellung über die Eigenschaft des sichergestellten Guts ein Sachverhaltsirrtum vorliegt, der den für die Strafbarkeit erforderlichen Vorsatz (Art. 12 Abs.1 StGB ) ausschliesst.
Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sacherhalt, den sich der Täter vorgestellt hat (Art. 13 Abs. 1 StGB ; Sachverhaltsirrtum). Ein solcher Sachverhaltsirrtum, beziehungsweise Tatbestandsirrtum, ist auch der Irrtum über Tatbestandsmerkmale. Dabei ist es unerheblich, ob dieser Irrtum auf einer Verkennung von Tatsachen oder auf einer fehlerhaften Rechtsauffassung beruht. Wer - aus welchen Gründen auch immer - über ein normatives Tatbestandsmerkmal irrt, erliegt einem Sachverhaltsirrtum (Urteil des Bundesgerichts 6B_187/2016 vom 17. Juni 2016 E. 3.2 m.w.H.). Ein den Vorsatz des Täters ausschliessender Sachverhaltsirrtum wird demnach angenommen, wenn der Täter bspw. über die Eigenschaften des Tatobjekts irrt (vgl. BGE 82 IV 198 E. 2; Urteil des Bundesgerichts 6B_1056/2013 vom 20. August 2014 E. 3).
3.4.2 Der Beschuldigte gab zu Protokoll, im Internet auf ebay" eine als Attrappe angebotene Mine aus Russland zu Schulungszwecken (ca. im Sommer 2017) bestellt zu haben, welche vom Versender nie als scharf konzipiertes Objekt angeboten worden sei. Der Verkäufer habe Detailaufnahmen des Verfahrensgegenstands im Internet hochgeladen. Es seien mehrere Bilder gewesen, die jeweils aus verschiedenen Winkeln aufgenommen worden seien, darunter u.a. Detailaufnahmen der Beschriftung. Anhand der Bilder im Internet habe er erkennen können, dass die Mine nicht scharf gewesen sei und nicht wieder hätte scharf gemacht werden können (BA 13-1-0002 f.; TPF 2-731-007 f.). Der Verkäufer habe mehrmals darauf hingewiesen, dass das Zünderteil nicht funktionsfähig sei und es sich um eine Übungsmunition ohne Zünd- und Sprengkraft handle. Das U" bei UVM" weise auf einen Dummy und somit auf ein Übungsteil hin (BA 13-1-0006). Es handle sich um ein funktionsdienliches Unterrichtsobjekt des Typs U, weshalb das Objekt offiziell (mittels Kennzeichen und Farbcodierung) als Attrappe gekennzeichnet sei (TPF 2-731-003).
3.4.3 Gemäss den Computerbildschirmaufnahmen des damaligen ebay-Nachrichtenverlaufs zwischen dem Beschuldigten und dem russischen Verkäufer, schrieb Letzterer: PS The package with MVN dummy has been crossed Swiss border" (BA 16-1-0002 ff., -0004). Der Verkäufer hat somit gegenüber dem Beschuldigten den Verfahrensgegenstand als Dummy" bezeichnet. Dies deckt sich mit der Aussage des Beschuldigten, wonach er einen Dummy, respektive eine Attrappe, kaufen wollte. Dass dem so ist, zeigt sich schliesslich auch in seinem Gesuch beim Fedpol, Zentralstelle für Sprengstoff und Pyrotechnik (ZSP), vom 2. Oktober 2017 betr. Bewilligungserteilung zum nichtgewerbsmässigen Verbringen von Waffen, Munition und deren Bestandteile ins schweizerische Staatsgebiet
(BA 7-1-0012 ff.). In dessen Anhang gab der Beschuldigte beim Objektbeschrieb an, es handle sich um einen Zünder Typ UMVN-72, eine inerte Munitionsattrappe" (BA 7-1-0016).
3.4.4 Der Beschuldigte erwarb das verfahrensgegenständliche Objekt nicht in seiner Funktion als Berufsmilitär, sondern privat bei einer Privatperson in Russland. Er liess sich den Zünder" an seine Privatadresse in Thun zustellen, obwohl der Gegenstand zu Ausbildungszwecken in der Armee hätte dienen sollen (BA 13-1-2 ff.; BA 16-1-0020). Er erklärte diesen Umstand damit, dass die Einleitung eines Beschaffungsverfahrens über den Dienstweg mehrere Monate in Anspruch genommen hätte (TPF 2-731-009). Auch seien ihm zur Frage des Bewilligungserfordernisses Zweifel gekommen (schlechtes Bauchgefühl), weshalb er beim Fedpol, bei der ZSP, ein Gesuch um Einfuhrbewilligung stellt habe. Die ZSP habe ihn angewiesen, beim SECO eine Bewilligung einzuholen. Letzteres habe er unterlassen, weil er seiner Ansicht nach noch genügend Zeit gehabt hätte, ein entsprechendes Gesuch zu stellen bzw. (damals) drei Wochen im Ausland gewesen sei (BA 13-1-0006; TPF 2-731-010 ff.).
Das vom Beschuldigten gewählte Vorgehen zum Erwerb des verfahrensgegenständlichen Guts wirkt befremdlich und zum Teil wenig nachvollziehbar. Inwiefern dabei militärische Dienstpflichten tangiert worden sein könnten, kann offen bleiben bzw. diese Prüfung und Beurteilung fällt nicht in die Zuständigkeit dieses Gerichts. Von Bedeutung ist vorliegend, dass der Beschuldigte - unter der Annahme, beim verfahrensgegenständlichen Zünder handle es sich tatsächlich um Kriegsmaterial - von der irrigen Vorstellung ausging, das von ihm in Russland bestellte Objekt erfülle die Eigenschaften einer Attrappe bzw. eines inerten Übungszünders. In Anwendung von Art. 13 Abs. 1 StGB (Sachverhaltsirrtum) ist der Beschuldigte demzufolge auch in subjektiver Hinsicht freizusprechen.
3.4.5 Ob der Beschuldigte den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermeiden können (Art. 13 Abs. 2 StGB ), ist hier nicht zu prüfen, da die fahrlässige Widerhandlung gegen das KMG i.S.v. Art. 33 Abs. 3 KMG nicht angeklagt ist.
3.5 Nach dem unter den Erwägungen 3.3 und 3.4 Gesagten ist der Beschuldigte vom Vorwurf der versuchten Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a KMG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 KMG und Art. 13 Abs. 1 KMV und Art. 22 Abs. 1 StGB ) freizusprechen .
4. Einziehung