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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2018.24
Datum:02.05.2018
Leitsatz/Stichwort:Nichtanhandnahmeverfügung (Art. 310 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Beschwerde; Bundesanwaltschaft; Beschwerdeführerin; Nichtanhandnahme; Verfahren; Verfahren; Beschwerdekammer; Staatsanwaltschaft; Beilagenordner; Sachverhalt; Lasche; Verfahrens; Akten; Eingabe; Erfüllt; Observiert; Schrieb; Untersuchung; Anzeige; Bundesstrafgericht; Internet; Überwachung; Tatbestand; Besuch; Laptop; Verfahrensakten; Ersucht
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 115 StPO ; Art. 118 StPO ; Art. 2 StPO ; Art. 26 StPO ; Art. 269 StPO ; Art. 309 StPO ; Art. 31 StGB ; Art. 31 StPO ; Art. 310 StPO ; Art. 322 StPO ; Art. 324 StPO ; Art. 390 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 7 BGG ;
Referenz BGE:137 IV 246; 137 IV 285; 138 IV 186; 138 IV 258; ;
Kommentar zugewiesen:
Heimgartner, Basler Kommentar zum StGB, 2013
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2018.24

Beschluss vom 2. Mai 2018
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter

Giorgio Bomio-Giovanascini, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Stephan Blättler ,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A. ,

Beschwerdeführerin

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Nichtanhandnahmeverfügung
(Art. 310 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. A. schrieb am 21. September 2017 der Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA"), dass sie observiert werde und sich dagegen wehren und um die Hilfe der BA ersuchen möchte. Die Observation verletze die Intim- und Privatsphäre von ihr und ihren Kindern und sie möchte wissen, aus welchen Gründen dies veranlasst worden sei. Sie reiche daher Klage/Beschwerde ein gegen die Auftraggeber des Geheimdienstes der Schweiz und gegen die Politiker der SVP (Beilagenordner Lasche 1).

A. äusserte mit Eingabe vom 23. September 2017 ergänzend den Verdacht, dass bewusst ungut und massiv Einfluss auf ihr Berufs- und Privatleben genommen werde, dies vermutlich von Personen aus mehreren Kantonen, vermutlich Zug, Zürich, Luzern, aus der Politik von der SVP, vermutlich auch der FDP und der CVP, vielleicht auch aus Zünften. Sie sei sich bewusst, dass sie hier Ungeheuerliches ausspreche, wisse sich aber nicht anders zu helfen und wende sich deshalb mit der Bitte um Hilfe an die BA (Beilagenordner Lasche 2).

A. schrieb in gleicher Sache weiter an die BA am 24., 30., 31. September (Eingang BA: 2. Oktober), 2., 7., 10., 12., 17., 19., 22. und 25. Oktober, 12. November, verfasste zwei am 13. November bei der BA eingegangene undatierte Schreiben und schrieb weiter am 14., 15., 17., 23., 25., 28. und 30. November, 1., 3. , 17., 18. Dezember und verfasste ein bei der BA am 18. Dezember eingegangenes undatiertes Schreiben (Beilagenordner Laschen 3-9 sowie 11-28, 30, 31). Darin erklärte sie unter anderem ihre Schwierigkeiten und machte aufmerksam auf weitere möglicherweise verdächtige Personen / Amtsstellen.

B. Am 15. Dezember 2017 legitimierte sich Rechtsanwältin B. als Vertreterin von A.. Sie ersuchte um Akteneinsicht sowie Mitteilung, ob ein Verfahren gegen ihre Mandantin hängig sei (Beilagenordner Lasche 29).

C. Die BA entschied mit Verfügung vom 7. Februar 2018, ein Strafverfahren nicht an die Hand zu nehmen (act. 1.1).

D. Dagegen erhob A. am 20. Februar 2018 Beschwerde (act. 1). Sie ersucht sinngemäss darum, dass der Sachverhalt in einer Strafuntersuchung geklärt werde.

Auf Aufforderung des Gerichtes vom 22. Februar 2018 reichte die BA am 27. Februar 2018 sämtliche Verfahrensakten ein (act. 2, 4). A. machte am 21. Februar 2018 eine ergänzende Eingabe (act. 3, 3.1, 3.2).

Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (vgl. Art. 390 Abs. 2 StPO im Umkehrschluss).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Als Privatklägerschaft am Strafverfahren beteiligt sich diejenige geschädigte Person, die ausdrücklich die Absicht erklärt hat, als Straf- oder Zivilklägerin teilzunehmen (Art. 118 Abs. 1 StPO ; sog. Konstituierung). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt wurde (Art. 115 Abs. 1 StPO ; BGE 138 IV 258 E. 2.1). An die Konstituierung der Privatklägerschaft sind in einem frühen Stadium des Verfahrens keine hohen Anforderungen zu stellen (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1).

1.2 Nicht umstritten sind die Eintretensvoraussetzungen. Art. 312 StGB schützt (auch) den einzelnen Bürger vor dem missbräuchlichen Einsatz der Staatsgewalt durch Amtsträger ( Heimgartner , Basler Kommentar zum StGB, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 312 N. 4). Die Beschwerdeführerin könnte somit grundsätzlich geschädigt und zur Beschwerde legitimiert sein.

Auch die weiteren Voraussetzungen für einen Sachentscheid (anfechtbarer Entscheid einer Vorinstanz; Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse) sind erfüllt (zu den Voraussetzungen vgl. den Entscheid des Bundesstrafgerichts BB.2011.120 vom 20. April 2012, E. 1). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

2.1 Nach Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO eröffnet die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt. Sie verzichtet auf die Eröffnung, wenn sie sofort eine Nichtanhandnahmeverfügung oder einen Strafbefehl erlässt (Art. 309 Abs. 4 StPO ). Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft dann die Nichtanhandnahme der Untersuchung, sobald aufgrund der Strafanzeige resp. des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind ( Art. 310 Abs. 1 lit. a) oder wenn Verfahrenshindernisse bestehen ( Art. 310 Abs. 1 lit. b; BGE 137 IV 285 E. 2.2).

2.2 Die Frage, ob ein Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörde über eine Nichtanhandnahme erledigt werden kann, beurteilt sich nach dem aus dem Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro duriore" (Art. 5 Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; BGE 138 IV 186 E. 4.1).

Danach darf eine Nichtanhandnahme durch die Staatsanwaltschaft gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen, so bei offensichtlicher Straflosigkeit, wenn der Sachverhalt mit Sicherheit nicht unter einen Straftatbestand fällt oder bei eindeutig fehlenden Prozessvoraussetzungen. Im Zweifelsfall, wenn die Nichtanhandnahmegründe nicht mit absoluter Sicherheit gegeben sind, muss das Verfahren eröffnet werden. Dementsprechend darf keine Nichtanhandnahme verfügt werden, wenn die Staatsanwaltschaft zur Prüfung der Nichtanhandnahmegründe vorgängig Untersuchungshandlungen durchführen muss. Ergibt sich nach durchgeführter Untersuchung, dass kein Straftatbestand erfüllt ist, kann die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gestützt auf Art. 319 StPO einstellen (BGE 137 IV 285 E. 2.3, 137 IV 219 E. 7; Urteil des Bundesgerichts 6B_127/2013 vom 3. September 2013 E. 4.1).

2.3 Die Beschwerdeführerin reicht der Beschwerdekammer zwei Bestätigungen der Genossenschaft C. vom 20. Dezember 2017 sowie 8. Januar 2018 ein (act. 1.2). Danach war es am 20. Dezember 2017 möglich, etwas auszudrucken, nachdem der PC ans Internet angeschlossen wurde. Am 8. Januar 2018 funktionierte das Notebook wieder, nachdem es ganz heruntergefahren und wieder ans Internet angeschlossen wurde. Bei beiden Besuchen wurde dadurch das Problem des "eingefrorenen Displays" behoben.

Gemäss ebenfalls eingereichter Besprechungsnotiz des lokalen Versorgungswerkes fanden am 16. und 23. Januar 2018 Besuche eines Technikers in der Wohnung der Beschwerdeführerin statt (act. 1.3). Die Notiz beschreibt Probleme mit der LAN-Verbindung im Zusammenhang mit der Netzwerkkarte des Laptops, während eine Stabilität des Internets via WLAN vorhanden war. Um die Reichweite des WLANs in der Wohnung zu vergrössern, wurde beim zweiten Besuch ein Repeater eingerichtet. Dessen Funktion wurde auf dem Laptop des Sohnes kontrolliert, da der Laptop der Beschwerdeführerin kein Anmeldefenster anzeigte, sondern nur Datum und Uhrzeit.

In ihrer Eingabe vom 20. Februar 2018 bemerkt die Beschwerdeführerin zu diesen Bestätigungen, dass sie im Dezember 2017 und Januar 2018 neue Beweise zumindest ihres manipulierten / observierten / überwachten PCs habe erhalten können (act. 1 S. 2).

2.4 Die Bundesanwaltschaft eröffnete kein Strafverfahren, da ihr keine Beweise vorlagen, dass die Beschwerdeführerin observiert werde und dies ihr auch nicht plausibel schien (act. 1.1). Sie erklärte Rechtsanwältin B. im Schreiben vom 7. Februar 2018 weiter, dass bei der BA gemäss Geschäftsverwaltungssystem kein (Straf-)Verfahren gegen die Beschwerdeführerin hängig sei (act. 1.5). Ohne Eröffnung eines Strafverfahrens kann die Bundesanwaltschaft keine geheimen Überwachungsmassnahmen anordnen oder durchführen (vgl. Art. 309 Abs. 1 lit. a und b i.V.m. Art. 269 Abs. 1 lit. a StPO ). Dies würde auch eine Überwachung des Computers ausschliessen (vgl. Jean-Richard-dit-Bressel , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 269 StPO N. 17, 28, 34). Die Beschwerdekammer hat sodann von der Bundesanwaltschaft sämtliche Verfahrensakten erbeten (act. 2) und am 27. Februar 2018 erhalten (act. 4). Auch daraus sind keine Überwachungsmassnahmen ersichtlich. Aus den Akten ergibt sich weiter kein Sachverhalt, der einen Straftatbestand darstellen könnte oder Anhaltspunkte enthalten würde, welchen die Bundesanwaltschaft mit Untersuchungshandlungen nachgehen müsste. Die Bundesanwaltschaft durfte die Strafanzeige demnach gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nicht an die Hand nehmen. Die Beschwerde ist damit abzuweisen.

3. In Würdigung der massgebenden Kriterien und Umstände ist keine Gerichtsgebühr zu erheben.


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 3. Mai 2018

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- A.

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG).

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