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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BB.2017.186
Datum:07.02.2018
Leitsatz/Stichwort:Rückgriff (Art. 420 StPO).
Schlagwörter : Beschwerde; Bundes; Verfahren; Person; Beschwerdeführer; Anzeige; Billet; Schuldigt; Verfahrens; Platz; Sachverhalt; Verfahren; Akten; Billett; Rückgriff; Schriftlich; Anzeige; Gericht; Beschuldigte; Bundesstrafgericht; Einvernahme; Bundesanwaltschaft; Einstellung; Kollegin; Staat;Schriftliche; Schildert; Privatkläger; Fahrlässig
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 17 StGB ; Art. 28 StGB ; Art. 285 StGB ; Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 395 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 42 StPO ; Art. 420 StPO ; Art. 423 StPO ; Art. 427 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 6 StPO ; Art. 7 BGG ; Art. 90 StPO ; Art. 91 StPO ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2017.186

Verfügung vom 7. Februar 2018
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichterin Cornelia Cova, Einzelrichterin,

Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A. , vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwegler,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Rückgriff (Art. 420 StPO )


Sachverhalt:

A. Das Schaden- und Strafrechtszentrum der SBB AG reichte mit Schreiben vom 9. Juni 2017 Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") ein gegen B. wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB ) sowie Beschimpfung (Art. 177 StGB ; act. 1.1, Akten BA 05-00-0001). Geschädigte Person war A., Reisezugbegleiter und Lokführer in Ausbildung für die SBB AG. A. konstituierte sich mit der Strafanzeige als Privatkläger.

Die Strafanzeige betraf folgenden Sachverhalt: "Während meine Kollegin und ich die Billet-Kontrolle im Zug durchführten, kam der Beschuldigte auf mich zu und verlangte, dass ich aus dem Weg gehe. Dabei duzte er mich, ohne, dass ich ihm dies angeboten hätte. Ich erklärte dem Beschuldigten daraufhin, dass ich zuerst sein Billet sehen müsste. Da stiess er mich zwei Mal an, so dass mein Arbeitsgerät zu Boden fiel. Der Beschuldigte lief daraufhin von uns weg und wir liefen ihm hinterher. Dabei zeigte er mehrmals mit einem Finger auf mich. Als er bei seinem Platz war, zeigte uns seine Frau ihr GA und das korrekt gelöste Billet des Beschuldigten."

B. Am 22. Juni 2017 erliess die BA Strafbefehl gegen B. wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Akten BA 03-00-0001). Dagegen erhob B. mit Schreiben vom 31. August 2017 (bei der BA eingegangen am 2. August 2017) Einsprache. Er schildert darin einen anderen Ablauf der Kontrolle (Akten BA 03-00-0006).

Die BA eröffnete am 2. August 2017 das Strafverfahren gegen B. (Akten BA 01-00-0001). Gleichentags erfolgten die Vorladungen zur Einvernahme auf den 7. September 2017 an B. (beschuldigte Person, 10 Uhr) und A. (Auskunftsperson, 10.45 Uhr; Akten BA 12-01-0001 f., 13-01-0001 f.).

B. ist seit einem Nichtberufsunfall in Frühpension; er arbeitete zuletzt als Zollbeamter. Er schildert den Vorfall wie folgt (in Auszügen, Akten BA 13-01-0003 ff.):

Als ich aus der Toilette kam standen die beiden Kondukteure vor mir. Ich sagte ihm mein Billett sei am Platz, woraufhin er sich mir in den Weg stellte. Ich sagte, dass mein Billett am Platz. Ich habe ihn überhaupt nicht berührt. Er lügt. Er ist arrogant. Ich sagte ihm ich müsse zurück an den Platz und da ich nicht viel Zeit hatte bevor wir in Zürich Flughafen ankamen ... das hat er nicht verstanden. Er war der festen Überzeugung, dass ich kein Billett habe. Die kurze Zeit war ich etwas aufgeregt. Hätte er mir korrekt gesagt, dass wir zusammen an den Platz gehen können ... das hat er aber nicht gesagt. Er hat schlecht kommuniziert. Von mir aus gesehen hat er sich stur verhalten. Er schuldigt mich an, dass ich nicht kooperiere, was nicht wahr ist. Ich sagte, dass es zeitlich knapp war das Ticket zu zeigen. Es ist möglich, dass ich beim Vorbeigehen sein Hemd berührt habe. Drohungen gab es keine. Da lügt er. Tätlichkeiten gab es aus meiner Sicht keine. Bei einer Hemdberührung kann noch lange nicht von einer Tätlichkeit gesprochen werden. Er muss mir beweisen können, dass es eine Tätlichkeit gegeben hat. Ich habe ihn nicht berührt. Das ist eine Tatsache.

Wenn Ihnen A. aber den Weg versperrt hat, wie sind Sie dann an ihm vorbeigekommen? Ich ging zur Seite und ging an ihm vorbei. Ich habe ihn aber nicht ge­stossen. Ich habe ihm gesagt, dass wenn er das Billett sehen will, ich zurück an meinen Platz muss (S. 2 f.).

Das mit dem Gerät, welches auf den Boden fiel, kann ich gar nicht beurteilen, ich hatte es nie angerührt. Da lügt er. Erstunken und erlogen das Zeug. So wie ich die Schilderung von A. verstehe, sollen Sie ihn im Vorbeigehen zweimal gestossen haben? Nein, das stimmt nicht. Wie erklären Sie sich, dass die Schilderungen von A. derart von Ihren eigenen abweichen? Das erkläre ich dadurch, dass er nicht kommunizierte. Er hat nicht verstanden was ich meine. Ich wollte zurück zu meinem Platz um das Billett zu zeigen, was er nicht verstanden hat. Vielleicht dachte er ich wolle flüchten, oder sonst was (S. 4).

Anlässlich der Einvernahme vom 7. September 2017 (Akten BA 12-01-0003 ff.) schilderte A. unter anderem was folgt:

Meine Kollegin, welche zu diesem Zeitpunkt ihre Funktion als Zugchefin und ich als Reisezugbegleiter hatten, waren zu diesem Zeitpunkt zusammen zwecks Ticket­kon­trolle unterwegs. Wir arbeiteten so, dass wir uns zwar sehen, aber nicht hören konnten. Das ist darum relevant, weil B. mir begegnete, ich meine Kollegin anschaute ob sie das Ticket von ihm gesehen habe. Sie schüttelte den Kopf. Als nächstes fragten wir B. ob ich sein Billett sehen könne, was er verneinte. Das was folgte ging relativ schnell. An das Relevante kann ich mich erinnern: B. hatte wahrscheinlich einen langen Tag hinter sich. Er wollte an mir vorbeigehen. Ich stand vor der Übergangstüre des Wagens, dort wollte er durch. Daraufhin wollte ich ihn mit meiner Kollegin zu seinem Platz begleiten, wo er behauptete das Billett zu haben. Das hörte meine Kollegin aber nicht. Ich wollte ihr das sagen, damit sie mitkommen kann. Wenn ich aber zu ihr gegangen wäre, hätte B. weggehen können. Das ist die Weisung, welche wir bei der SBB haben. Vor die Türe stehen und schauen, dass die Person sich nicht der Ticketkontrolle entziehen kann. B. kam mir näher, so dass mir das Kontrollgerät aus der Hand und auf den Boden gefallen ist. Ich habe es aufgehoben und währenddessen ist B. an mir vorbeigegangen. Weil er das machte, sind meine Kollegin und ich ihm hinterher. Daraufhin haben wir ihn zu seinem Platz begleitet. Er war weiterhin aufgebracht, und es fielen zwei drei weitere Sätze, die nicht per se beleidigend waren. Man konnte einfach sehen, dass bei B. etwas nicht in Ordnung ist. Anschliessend konnten wir das Billett von ihm am Platz seiner Ehefrau anschauen.

Sie hatten angegeben, dass der Beschuldigte Sie gedutzt hätte, ohne dass Sie ihm das angeboten hätten. Wie ist das zu verstehen? Das ist richtig. Als er mir näher kam, sagte er: "Chum, gang!" Das war in der Du-Form, ohne dass ich ihm das angeboten hätte. Hat B. ansonsten noch etwas zu Ihnen gesagt, bevor er an Ihnen vorbeiging? Bevor er an mir vorbeiging, sagte er, er hätte einen langen Tag gehabt und sei schon mehrere Stunden mit dem Zug unterwegs, und jetzt komme "so einer" daher. Ich hätte nicht so reagiert, wenn die Kontrolle nicht gerade beim HB in Zürich angefangen hätte (S. 2 f.).

Warum haben Sie die Stösse heute nicht erwähnt? Er hat mich nicht mit der Hand oder dem Arm gestossen. Wie dann? Er kam am dem Gang frontal auf mich zu, so dass mir das Gerät beim Ausweichen zu Boden gefallen ist. Hat es eine Berührung zwischen Ihnen beiden gegeben? An dieser Schnittstelle, wo ich das Arbeitsgerät in der Hand hielt. Wie viele Berührungen hat es an dieser Schnittstelle gegeben? Eine oder zwei. Warum schreiben Sie in der schriftlichen Anzeige, dass es zwei Stösse gegeben habe? Rückwirkend würde ich das anders formulieren.

Warum bringen Sie einen derart lächerlichen Vorfall zur Anzeige? (A. überlegt) Es ist bei irgendeinem Ereignis bei der SBB erforderlich, dass man eine Meldung macht, dass man im Nachhinein darauf zurückgreifen kann. Warum schildern Sie in Ihrer schriftlichen Anzeige den Vorfall anders, als er sich offenbar zugetragen hat? Die schriftliche Anzeige habe ich vom Rechtsdienst der SBB so erhalten. Der normale Weg ist dann, dass man es dann unterschreibt (S. 5).

C. Die BA stellte am 11. September 2017 das Strafverfahren gegen B. ein. Die Einstellung erfolgte, da A. den zur Anzeige gebrachten Sachverhalt vor der Staatsanwaltschaft anders geschildert und angegeben habe, da er ihn rückwirkend auch anders formulieren würde. A. wurden die Verfahrenskosten von Fr. 700.-- auferlegt (Akten BA 03-00-0009).

D. Dagegen erhob A. am 5. Oktober 2017 Beschwerde, mit den Anträgen (act. 1 S. 2):

1. Ziff. 2 der Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft (SV.17.0901) vom 11. September 2017 sei aufzuheben.

2. Die Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 700.-- seien zu Lasten des Staates abzuschreiben.

3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.

Der Beschwerdeführer liess ausführen, die Beschwerde nach Schliessung der Poststelle aber noch vor Mitternacht einem Briefkasten der Schweizer Post übergeben zu haben (act. 1 S. 2 f. Ziff. 3). Das Gericht gab ihm am 10. Oktober 2017 Gelegenheit, die zum Beweis der Fristwahrung offerierte Zeugin zu benennen. Innert Frist liess der Beschwerdeführer am 17. Oktober 2017 die Kontaktangaben seiner Arbeitskollegin und Vorgesetzten bekanntgeben. Auf Nachfragen des Gerichtes liess der Beschwerdeführer bezüglich der Postaufgabe am 31. Oktober 2017 eine Bestätigung der Anwaltssubstitutin mit Foto des Einwurfes und am 6. November 2017 die Videoaufnahme einreichen (act. 3, 6, 7, 7.1, 9, 10, 10.2).

Die BA nahm am 31. Oktober 2017 zur Beschwerde Stellung, ohne ausdrücklich Anträge zu stellen (act. 8). Die Beschwerdereplik erging am 6. November 2017 (act. 10, 10.1). Sie wurde der BA am 9. November 2017 zur Kenntnis gebracht (act. 11, 12).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Einzelrichterin zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde er-hoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 des Bundes-gesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71]).

Zur Beschwerde berechtigt sind jede Partei oder anderen Verfahrensbeteiligten, welche ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides haben (Art. 382 Abs. 1 StPO; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1308 ). Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO).

1.2 Die Einstellungsverfügung vom 11. September 2017 ist dem Schaden- und Strafrechtzentrum der SBB AG am Montag, 25. September 2017, zugegangen (vgl. act. 1.2). Die Beschwerdefrist begann damit am Dienstag, 26. September 2017, zu laufen (vgl. Art. 90 Abs. 1 StPO ) und endete am Donnerstag, 5. Oktober 2017 (vgl. Art. 91 Abs. 1 und 2 StPO). Die Beschwerde trägt zwar den Poststempel des 6. Oktober 2017. Wie sich indes aus der eingereichten Dokumentation (vgl. obige lit. D) ergibt, ist die Beschwerde am Abend des 5. Oktober 2017 der schweizerischen Post übergeben worden. Das Rechtsmittel wurde mithin innerhalb laufender 10-Tages-Frist und somit rechtzeitig erhoben. Die angefochtene Verfügung ist u.a. an den Privatkläger und Beschwerdeführer adressiert und legt ihm Kosten auf. Er ist damit zur Einreichung der Beschwerde legitimiert. Auf die auch formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2. Ist die Beschwerdeinstanz ein Kollegialgericht, so beurteilt deren Verfahrensleitung die Beschwerde allein, wenn diese die wirtschaftlichen Neben-folgen eines Entscheides bei einem strittigen Betrag von nicht mehr als Fr. 5'000.-- zum Gegenstand hat (vgl. Art. 395 lit. b StPO , Art. 38 StBOG, Art. 19 Abs. 3 BStGerOR i.V.m. Art. 58 StBOG; vgl. auch Verfügung des Bundesstrafgerichts BB.2013.185 vom 30. Dezember 2013 E. 2). Nachdem der Streitwert vorliegend die gesetzliche Grenze von Fr. 5'000.-- nicht erreicht, ist die Beschwerde durch die Einzelrichterin zu behandeln.

3.

3.1 Die Einstellungsverfügung legt die Kosten des Untersuchungsverfahren dem Beschwerdeführer auf. Er habe die Einleitung des Verfahrens im Sinne von Art. 420 StPO mindestens grobfahrlässig bewirkt. Denn er habe im Laufe seiner ca. dreijährigen Tätigkeit als Zugbegleiter bei der SBB AG bereits drei Vorgänge zur Anzeige gebracht. Er wisse somit, dass seine schriftlichen Ausführungen ausschlaggebend für den Entscheid sind, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird. Ungeachtet dessen habe er in der schriftlichen Strafanzeige einen falschen Sachverhalt wiedergegeben. Auch nach Erhalt des Strafbefehls gegen den von ihm Beschuldigten habe er nichts unternommen, um die falsche Sachverhaltsdarstellung zu korrigieren. Ebenso wenig habe er selbst - nach Vorladung zur Einvernahme als Auskunftsperson aber vor der Einvernahme - auf die falsche Sachverhaltsdarstellung hingewiesen. Vielmehr habe er es bewusst zugelassen, dass er und der Beschuldigte staatsanwaltschaftlich befragt worden seien (act. 1.2 S. 2 Ziff. 6).

3.2 Nach Art. 427 Abs. 2 StPO (Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft und der antragstellenden Person) können bei Antragsdelikten die Verfahrenskosten der antragstellenden Person auferlegt werden, sofern diese mutwillig
oder grob fahrlässig die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat, oder der Privatklägerschaft, (a) wenn das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen wird; und (b.) soweit die beschuldigte Person nicht nach Artikel 426 Absatz 2 kostenpflichtig ist.

Gemäss Art. 420 lit. a StPO (Rückgriff) kann der Bund für die von ihm getragenen Kosten auf Personen Rückgriff nehmen, die vorsätzlich oder grobfahrlässig die Einleitung des Verfahrens bewirkt haben.

3.3 Art. 427 Abs. 2 StPO ist offensichtlich lex specialis zu Art. 420 StPO und geht als speziellere Norm der allgemeineren vor. Art. 427 Abs. 2 StPO ist indes anwendbar nur bei Antragsdelikten. Beim Straftatbestand von Art. 285 Ziff. 1 StGB (Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte) handelt es sich jedoch um ein Offizialdelikt. Ebenso liegt bei einer Beschimpfung (Art. 177 StGB) während ihrer Dienstausübung von Angestellten von konzessionierten Unternehmen gemäss Art. 59 lit. a des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung (Personenbeförderungsgesetz, PBG , SR 745.1) ein Offizialdelikt vor. Die Kostenauflage bei Offizialdelikten richtet sich nach der allgemeineren Norm von Art. 420 StPO . Nach Art. 420 lit. a StPO kommt es dabei nicht auf die prozessuale Stellung an (Privatkläger, Anzeigeerstatter, etc.).

Ob sich die Personen am Verfahren beteiligt haben oder nicht, spielt keine Rolle. Nach Art. 420 lit. a kann insbesondere auf diejenige Person Rückgriff genommen werden, die mit haltlosen Anzeigen oder Verdächtigungen das Strafverfahren eingeleitet hat. Grobfahrlässiges Fehlverhalten wäre etwa zu bejahen, wenn Anzeige erstattet wird ohne ein einigermassen gesichertes Wissen bzw. ohne effektive Verdachtsmomente. Haltlosigkeit ist nicht anzunehmen, wenn sich die anzeigende Person auf gewichtige Anhaltspunkte stützen konnte oder falls die Strafverfolgungsbehörde lediglich den an sich richtig angezeigten Sachverhalt anders würdigt. Dieser Rückgriff soll jedoch nur mit einer gewissen Zurückhaltung angeordnet werden, hat doch der Staat ein Interesse daran, dass wirkliche - oder gelegentlich sogar nur vermeintliche - strafbare Handlungen auch durch Private zur Anzeige gebracht werden. Die Strafanzeige muss für einen Rückgriff offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet sein. Hat jemand nur irrtümlich eine Anzeige erstattet, ist ein Rückgriff ausgeschlossen ( Domeisen , Basler Kommentar, 2. Aufl. 2014, Art. 420 StPO N. 2, 7; Griesser , Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 420 N. 2, 6 f.).

3.4 Die Bundesanwaltschaft hat dem Beschwerdeführer die Kosten des Untersuchungsverfahrens zu Unrecht auferlegt:

Die Sachverhaltsbeschreibung in Strafanzeige und Einvernahme ist wohl unklar und interpretationsbedürftig, aber nicht grobfahrlässig. Der Beschwerdeführer schildert einen zeitlich kompakten und emotionsreichen Vorgang. Er drückt sich schriftlich nicht gewandt oder präzis aus, was auch die dem Gericht vorliegende E-Mail-Korrespondenz zeigt (act. 1.3, act. 10.1). Erst auf Nachfragen nehmen die Details Form an. Die Formulierung in der Strafanzeige "Da stiess er mich zwei Mal an, so dass mein Arbeitsgerät zu Boden fiel." kann unterschiedlich verstanden werden - so wie von der BA für den Strafbefehl vom 22. Juni 2017 oder so wie vom Beschwerdeführer am 7. September 2017 zu Protokoll gegeben. Was dieser genau unter den Stössen verstand, ergibt sich auch nicht unbedingt aus sprachlichen Nuancen, sondern vielmehr aus einem Verständnis der Situation, wie sie sich abgespielt hat. Diese Klärungsaufgabe obliegt im Strafverfahren der BA (Untersuchungsgrundsatz, Art. 6 Abs. 1 StPO ). Eine Kostenauflage hätte auch nicht ohne Einvernahme der beim Vorfall anwesenden Vorgesetzen des Beschwerdeführers erfolgen dürfen, welche den Sachverhalt in die eine oder andere Richtung klären könnte. Damit kann vorliegend dem Beschwerdeführer seine unpräzise Angabe nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Voraussetzungen des Art. 420 lit. a StPO für einen Rückgriff sind nicht gegeben.

Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen. Damit ist Ziffer 2 der Einstellungsverfügung vom 11. September 2017 aufzuheben. Die Kosten des Strafverfahrens SV.17.0901 sind auf die Staatskasse zu nehmen.

4. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtsgebühren zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO ; Art. 428 Abs. 1 StPO ). Die Kasse des Bundesstrafgerichts ist anzuweisen, der SBB AG den geleisteten Kostenvorschuss (act. 4, Fr. 1'500.--) zurückzuerstatten.

Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für seine Aufwendungen im vorliegenden Verfahren eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 1'500.-- (inkl. MwSt.) zu entrichten (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR ).


Demnach erkennt die Einzelrichterin:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziffer 2 der Einstellungsverfügung vom 11. September 2017 wird aufgehoben und die Kosten des Strafverfahrens SV.17.0901 werden auf die Staatskasse genommen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. Die Bundesstrafgerichtskasse wird angewiesen, der SBB AG den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'500.-- zurückzuerstatten.

3. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das vorliegende Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

Bellinzona, 8. Februar 2018

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Die Einzelrichterin: Der Gerichtsschreiber :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Martin Schwegler

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Verfügung ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben (vgl. Art. 79 BGG ).

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