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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Beschwerdekammer: Strafverfahren
Fallnummer:BG.2017.34
Datum:29.12.2017
Leitsatz/Stichwort:Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO).
Schlagwörter : Gerichtsstand; Kanton; Ermittlung; Gesuch; Verdeckte; Verfahren; Handlung; Gerichtsstands; Verfahrens; Behörde; Sexuell; Kantons; Gesuchsteller; Internet; Beschuldigte; Handlungen; Täter; Verfahrensordner; Zuständigkeit; Lasche; Verfahrensordner; Einsatz; Gerichtsstandes; Täters; Gesuchsgegner; Erfolg; Täterschaft; Behörden; Einsatzbericht; Sexuellen
Rechtskraft:Kein Rechtsmittel gegeben
Rechtsnorm: Art. 11 StGB ; Art. 14 StPO ; Art. 18 StGB ; Art. 187 StGB ; Art. 19 StGB ; Art. 197 StGB ; Art. 285 StPO ; Art. 286 StPO ; Art. 3 StPO ; Art. 31 StPO ; Art. 34 StPO ; Art. 39 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 40 StPO ; Art. 423 StPO ;
Referenz BGE:119 IV 102; 125 IV 58; 129 IV 202; 136 II 508; 143 IV 27; 86 IV 222; ;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2017.34

Beschluss vom 29. Dezember 2017
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Emanuel Hochstrasser und Roy Garré ,

Gerichtsschreiberin Inga Leonova

Parteien

Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,

Gesuchsteller

gegen

Kanton Zürich, Oberstaatsanwaltschaft,

Gesuchsgegner

Gegenstand

Gerichtsstandskonflikt (Art. 40 Abs. 2 StPO )


Sachverhalt:

A. Die Kantonspolizei Bern wurde im Rahmen ihrer präventiven Ermittlungstätigkeit am 23. September 2016 auf A." aufmerksam, der den zuständigen Ermittler, handelnd unter einer Legende eines 13-jährigen Kindes namens B., auf der Chatplattform [...] kontaktierte und anschliessend via Skype Nachrichten sendete. Nachdem A." das Gespräch rasch auf sexuelle Themen lenkte und B. um Vornahme verschiedener sexueller Handlungen an sich bat und ihn zudem bat, ihm dabei via Webcam zuschauen zu dürfen, eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend StA BE") ein Strafverfahren gegen unbekannte Täterschaft wegen des Verdachts auf (versuchte) sexuelle Handlungen mit einem Kind und Pornografie (Verfahrensordner, Lasche 1). Da die Täterschaft Interesse an einem Treffen mit B. zeigte, wurde am 2. Dezember 2016 eine verdeckte Ermittlung angeordnet und vom Kantonalen Zwangsmassnahmengericht bis 1. Juni 2017 bewilligt (Verfahrensordner, Lasche 9, Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom 2. Dezember 2016). Zwischen A." und B. kam es anschliessend zu mehreren Chatkontakten mit sexuellen Themen, wobei der Chatkontakt anschliessend abflachte und die Ermittler davon ausgingen, dass es zu keinem Treffen zwischen A." und B. kommen werde. Daraufhin wurde die Fortführung der verdeckten Ermittlung als nicht zweckmässig erachtet und von der StA BE am 12. Mai 2017 beendet (Verfahrensordner 9, Verfügung der StA BE vom 12. Mai 2017). Aufgrund von verschiedenen Indizien geht die Polizei des Kantons Bern davon aus, dass es sich bei der Täterschaft um C. handeln dürfte. Er wohnt im Kanton Zürich (act. 1, S. 4).

B. Am 17. Mai 2017 ersuchte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern (nachfolgend GStA BE") die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich (nachfolgend StA IV") um Übernahme der Untersuchung gegen C. wegen (versuchten) sexuellen Handlungen mit Kindern und (versuchter) Pornografie (act. 1.1). Diese lehnte eine Übernahme der Verfahren am 26. Mai 2017 ab (act. 1.2).

C. Im Schreiben vom 7. Juni 2017 legte die GStA BE der StA IV die Übernahmegründe näher dar und ersuchte erneut um Übernahme der Untersuchung (act. 1.3). Die StA IV lehnte die Übernahme am 3. Juli 2017 ab (act. 1.4). Das Ersuchen um Übernahme der Untersuchung der GStA BE vom 13. Juli 2017 lehnte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (nachfolgend OStA ZH") mit Schreiben vom 26. Juli 2017 ab (act. 1.5, 1.6).

D. Die GStA BE ersuchte die OStA ZH am 18. August 2017 ein weiteres Mal um Übernahme des Strafverfahrens und reichte am 19. September 2017 ergänzende Unterlagen zum Gerichtsstandsverfahren ein (act. 1.7, 1.8). Die OStA ZH lehnte die Übernahme des Verfahrens am 28. September 2017 definitiv ab (act. 1.9).

E. In der Folge gelangte die GStA BE mit Gesuch vom 9. Oktober 2017 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts. Sie beantragt sinngemäss, es seien die Behörden des Kantons Zürich zur Verfolgung und Beurteilung der C. vorgeworfenen Taten für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 1).

F. Die OStA ZH beantragt in ihrer Eingabe vom 19. Oktober 2017 die Abweisung des Gesuchs, eventualiter sei auf das Gesuch nicht einzutreten (act. 3). Die GStA BE liess sich hierzu mit Schreiben vom 1. November 2017 vernehmen (act. 5). Die Duplik der OStA ZH vom 13. November 2017 wurde der GStA BE am 14. November 2017 zur Kenntnis gebracht (act. 6, 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die B eschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter (Art. 39 Abs. 1 StPO). Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung (Art. 39 Abs. 2 StPO). Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid (Art. 40 Abs. 2 StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG ). Hinsichtlich der Frist, innerhalb welcher die ersuchende Behörde ihr Gesuch einzureichen hat, ist im Normalfall die Frist von zehn Tagen gemäss Art. 396 Abs. 1 StPO analog anzuwenden (vgl. hierzu u. a. TPF 2011 94 E. 2.2 S. 96). Die Behörden, welche berechtigt sind, ihren Kanton im Meinungsaustausch und im Verfahren vor der Beschwerdekammer zu vertreten, bestimmen sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Art. 14 Abs. 4 StPO).

1.2 Die GStA BE und die OStA ZH sind berechtigt, ihren jeweiligen Kanton bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der Beschwerdekammer zu vertreten (Art. 24 Abs. 1 lit. b des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung des Kantons Bern vom 11. Juni 2009 [EG ZSJ/BE; BSG 271.1] und § 107 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 [GOG/ZH; LS 211.1]). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben vorliegend zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass, weshalb auf das Gesuch einzutreten ist.

2.

2.1 Zunächst ist zwischen den Parteien umstritten, wo sich der Tatort der C. zur Last gelegten Delikte befindet. Der Gesuchsteller geht davon aus, dass C. mit B. von seinem Wohn- oder Arbeitsort, beide im Kanton Zürich, Kontakt gehabt habe und der Tatort deshalb im Kanton Zürich liege (act. 1, S. 3 ff.; act. 5).

2.2 Der Gesuchsgegner wirft dem Gesuchsteller vor, nicht alle zur Bestimmung des Gerichtsstandes notwendigen Abklärungen getätigt zu haben. Der Ort, wo sich die Täterschaft im Zeitpunkt des Versendens der Chat-Nachrichten bzw. im Zeitpunkt der Eingabe der Befehle ins System aufgehalten habe, stehe nicht fest. Die vom Gesuchsteller zitierten Textstellen aus den Chat-Nachrichten würden zwar die Vermutung nahelegen, dass C. diese Nachrichten von seinem Wohnort verschickt haben könnte, dies sei allerdings lediglich eine Vermutung. Die tatsächlichen Handlungsorte stünden nicht fest und der Inhalt der Chat-Nachrichten brauche auch nicht den wahren Gegebenheiten zu entsprechen. Aus den einzelnen Nachrichten lasse sich der Handlungsort für den gesamten Chat-Verkehr nicht schliessen. Da sich der Handlungsort nicht bestimmen lasse, sei bei der Festlegung des Gerichtsstandes vom subsidiären Tatort des Ortes des (angenommenen) Erfolgseintritts auszugehen, der in Bern liege (act. 3, S. 3 ff.; act. 6).

2.3

2.3.1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist (Art. 31 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Hat eine beschuldigte Person am selben Ort mehrere Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen verübt, so werden die Verfahren vereint (Art. 31 Abs. 3 StPO). Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Art. 34 Abs. 1 StPO).

2.3.2 Der Ausführungsort geht als primärer Gerichtsstand allen anderen Gerichtsständen vor ( Baumgartner , Die Zuständigkeit im Strafverfahren, Diss., Zürich/Basel/Genf 2014, S. 58 m.w.H.; Schweri/Bänziger , Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, S. 24) und befindet sich dort, wo der Täter gehandelt hat (BGE 86 IV 222 E. 1). Der Erfolgsort ist bei der Bestimmung des Gerichtsstands gegenüber dem Ausführungsort subsidiär und gilt nur dann, wenn es sich um ein Erfolgsdelikt oder ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt, der Ort des Erfolgseintritts bekannt ist und in der Schweiz liegt (vgl. Art. 31 Abs. 1 Satz 2 StPO ; BGE 86 IV 222 E. 1; Schweri/Bänziger , a.a.O., S. 24, 29, 34 f.; siehe schon Schoch von Schaffhausen , Der Ort der Verbrechensbegehung beim Distanzdelikt nach schweizerischem Recht, Diss., Zürich 1929, S. 85 ff.). Steht der Ausführungsort als primärer Gerichtsstand fest, ist die Zuständigkeit für die in der Schweiz stattgefundenen (untauglich) versuchten Tätigkeits- und Erfolgsdelikte an denjenigen Ort anzuknüpfen, wo die strafbare Tätigkeit im Sinne eines aktiven Tuns oder einer Unterlassung ausgeführt wurde ( Baumgartner , a.a.O., S. 97).

2.3.3 Internetstraftatbestände sind grundsätzlich dort zu verfolgen, wo die Tathandlung ausgeführt wurde, d.h. wo sich die Täterschaft im Zeitpunkt der Eingabe ihrer Befehle aufgehalten hat (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2016.23 vom 25. November 2016, E. 3.4; BG.2015.42 vom 12. Mai 2016, E.4.2 m.H.; BG.2010.15 vom 4. November 2010, E. 2.2; Bartetzko , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 32 StPO N. 2; Baumgartner , a.a.O., S. 65, 92; Moreillon/Parein-Reymond , Code de procédure pénale, Petit commentaire, 2. Aufl., Basel 2016, Art. 31 StPO N. 4). Ist nicht bekannt oder nicht ermittelbar, wo der tatrelevante Internetanschluss war oder von wo aus die beschuldigte Person den inkriminierten Inhalt ins Internet geladen hat, ist subsidiär auf den Ort des Erfolgseintritts zurückzugreifen ( Baumgartner , a.a.O., S. 92 f. m.w.H.; vgl. E. 2.3.2 hiervor).

2.4 Der Gesuchsteller führt gegen C. ein Strafverfahren wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) und des (untauglichen) Versuchs der Pornografie (Art. 197 Abs. 1 StGB). Art. 187 Ziff. 1 StGB weist mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe die höhere Strafdrohung aus.

2.5

2.5.1 Gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB wird bestraft, wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt (Abs. 1), es zu einer solchen verleitet (Abs. 2) oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht (Abs. 3). Als sexuelle Handlungen im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 StGB gelten Verhaltensweisen, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild einen unmittelbaren sexuellen Bezug aufweisen und im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut erheblich sind (BGE 125 IV 58 E. 3b).

2.5.2 Lehre und Rechtsprechung gehen bei Art. 187 StGB von einem abstrakten Gefährdungsdelikt aus, ohne zwischen den in Art. 187 Ziff. 1 StGB enthaltenen drei Tatbestandsvarianten explizit zu unterscheiden ( Schwarzenegger , in: forumpoenale 3/2008, S. 154 f., m.w.H; Maier , Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 187 StGB N. 7; Urteile des Bundesgerichts 1C_498/2008 vom 9. Juli 2009, E. 5.2; 6P.63/2007 , 6P.64/2007 und 6S.137/2007 vom 7. August 2007, E. 3.3). Dies entspricht der Marginalie von Art. 187 f . StGB , die Gefährdung der Entwicklung von Minderjährigen" lautet. Mehrere Autoren bezeichnen dennoch das Verleiten eines Kindes zu sexuellen Handlungen - im Gegensatz zu den anderen beiden Varianten - als Erfolgsdelikt, das vollendet sei, wenn das Kind die von ihm verlangte sexuellen Handlung vornehme ( Donatsch , Strafrecht III, 10. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013, S. 494; Dupuis/Moreillon/Piguet/Berger/Mazou/Rodigari [ Hrsg .] , Code pénal, Petit commentaire, 2. Aufl., Basel 2017, Art. 187 StGB N. 32; Corboz , Les infractions en droit suisse, Bd. 1, 3. Aufl., Bern 2010, S. 790; Muggli , Im Netz ins Netz - Pädokriminalität im Internet und der Einsatz von verdeckten Ermittlern und verdeckten Fahndern zu deren Bekämpfung [nachfolgend Muggli , Im Netz ins Netz], Diss., Zürich/Basel/Genf 2014, S. 61; Suter-Zürcher , Die Strafbarkeit der sexuellen Handlungen mit Kindern nach Art. 187 StGB , Diss., Zürich/Basel/Genf 2003, S. 163 ff.; Würgler , Unzucht mit Kindern nach Art. 191 StGB , Diss., Zürich 1976, S. 173). Zwar setzen die abstrakten Gefährdungsdelikte grundsätzlich keinen Erfolg voraus, wobei dem Gesetzgeber frei steht, materielle" abstrakte Gefährdungsdelikte formell von Erfolgen im Vorfeld abhängig zu machen ( Arzt , Erfolgsdelikt und Tätigkeitsdelikt, in: ZStrR 107/1990, S. 170). Tatsächlich ist die Formulierung von Art. 187 Ziff. Abs. 1 StGB (wie schon diejenige des alten Art. 191 Ziff. 2 Abs. 1) mit derjenigen eines klassischen Erfolgsdelikts wie der Verleitung zum Selbstmord gemäss Art. 115 StGB fast deckungsgleich. Die Problematik muss aber nicht näher vertieft werden, weil sie in casu für die Bestimmung des Gerichtsstandes aus folgenden Gründen nicht relevant ist.

2.6

2.6.1 Zwischen den Parteien ist umstritten, wo sich C. zum Zeitpunkt der Eingabe der Nachrichten befand. Der Gesuchsteller gesteht ein, eine Abklärung der Internetprotokolladresse (IP-Adresse) versehentlich nicht durchgeführt zu haben (act. 1.7, S. 2) bzw. bringt vor, dass die IP-Adressen bei Skype nicht erhältlich gemacht werden konnten (act. 1.8). Eine solche Abklärung der IP-Adressen wäre geboten gewesen, um den örtlichen Anknüpfungspunkt feststellen zu können (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2016.23 vom 25. November 2016, E. 3.4). Denn jedem an das Internet angeschlossenen Computer wird eine solche Adresse zugewiesen (vgl. auch BGE 136 II 508 E. 3.3 S. 514 f.), was die Ermittlung der Personalien des Anschlussinhabers sowie dessen Wohnort grundsätzlich ermöglicht (vgl. Ziff. 18 der Empfehlungen zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit [Gerichtsstandsempfehlungen] der SSK/CPS vom 20. November 2014). Der vorliegende Fall zeigt, dass die Abklärung der IP-Adressen bei Aufklärung von (Pädo)Kriminalität im Internet eine der möglichen Mittel zur Feststellung des örtlichen Anknüpfungspunktes darstellt. Teilt die Täterschaft persönliche Angaben und/oder Bilder mit, die eine Identifikation ermöglichen, so kann gestützt darauf gegen die verdächtige Person ermittelt werden ( Muggli , Im Netz ins Netz, a.a.O., S. 192). Das Zurückgreifen auf alternative Identifizierungsmittel ist als eine wichtige Ergänzung zu erachten, zumal die Abklärung der IP-Adressen nicht zwingend auch zur Identifizierung des Täters führen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Täterschaft spezieller Anonymisierungsprogramme (bspw. TOR-Netzwerk) bedient (vgl. Hostettler , Darknet. Die Schattenwelt des Internets, Zürich 2017, S. 29 ff.) oder ein offenes, von beliebig vielen Personen genutztes WLAN-Netzwerk benutzt, um auf diese Weise ihre Identität zu verschleiern ( Muggli , Im Netz ins Netz, a.a.O., S. 192 f., 257 ff.). Hinzu kommt, dass die meisten IP-Adressen dynamisch sind und der Computer bei jeder Verbindungsaufnahme eine neue freie Adresse aus dem Pool des Providers zugewiesen erhält (BGE 136 II 508 E. 3.3. S. 514 f.).

2.6.2 Im Chatverkehr gab der Beschuldigte persönliche Angaben preis und übermittelte B. Fotos von sich. Gestützt darauf konnte die Berner Polizei die mutmassliche Täterschaft als C. identifizieren. Ob es sich bei C. um diejenige Person handelt, welche die Chatnachrichten mit sexuellem Inhalt mit B. ausgetauscht hat, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu ermitteln sein. Sollte es sich herausstellen, dass C. die Chatnachrichten verfasst hat, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass er die Nachrichten - insbesondere diejenigen mit sexuellem Inhalt - von seinem Wohn- oder Arbeitsort versendete. Davon ausgehend, dass der Beschuldigte während dem Austausch der Nachrichten onanierte, wie er dies gegenüber B. angab, und B. aufforderte, vor einer Webcam sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen, ist naheliegend, dass sich C. zu diesen Zeitpunkten in ungestörten Räumlichkeiten befand. Namentlich hätte C. solche Gespräche und Handlungen ungestört sowohl in der eigenen Wohnung als auch am Arbeitsort führen bzw. vornehmen können. Davon durfte der Gesuchsteller gestützt auf die registrierten Gespräche ohne Weiteres ausgehen. Angesichts des Berufes des Beschuldigten ist anzunehmen, dass die Gespräche und sexuellen Handlungen ausserhalb der üblicherweise für Lehrer geltenden Arbeitszeiten stattfanden. So fanden die Chatunterhaltungen an Werktagen hauptsächlich zwischen 12.00 und 15.00 Uhr sowie abends nach 17.00 Uhr statt (Verfahrensordner, Lasche 9; vgl. auch E. 4.4 hiernach).

2.6.3 Ebenso deuten diverse Gesprächsinhalte darauf hin, dass die Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und B. hauptsächlich vom Wohnort des Beschuldigten erfolgte. Beispielsweise gab C. zu Beginn der Unterhaltungen an, dass er gerade bzw. etwas später nach Hause gekommen sei (Verfahrensordner, Lasche 9, 1. Einsatzbericht vom 23. und 25. September 2016, S. 2; 2. Einsatzbericht vom 26. und 27. September 2016, S. 1; 2. Einsatzbericht vom 9. bis 15. Dezember 2016). Des Weiteren schrieb der Beschuldigte am 26. November 2016 (Chatdauer von 17.56 Uhr bis 20.54 Uhr), dass er nach dem vermeintlich gemeinsamen Onanieren duschen gehe (Verfahrensordner, Lasche 9, 12. Einsatzbericht vom 21. bis 27. November 2016, S. 15). Dasselbe gilt in Bezug auf die Unterhaltung vom 3. Dezember 2016, als der Beschuldigte B. vorschlug, zusammen zu onanieren und ihm sinngemäss angab, dass er an seinem Penis rubble" (Verfahrensordner, Lasche 9, 1. Einsatzbericht vom 2. bis 4. Dezember 2016, S. 9). Die vom Gesuchsgegner im Schreiben vom 28. September 2017 zitierten Chatnachrichten (act. 1.9) vermögen den Wohnort des Beschuldigten als Ausführungsort nicht auszuschliessen. Aus den vom Gesuchsgegner erwähnten Beispielen, wie so du, ich tue no chli öppis schaffe jetzt", ich muen jetzt no öppis erledige", mom han telefon... bi grad fertig ...B.? chani no öppis rasch erledige?" und ich muen jetzt no Chli schaffe" vermag der Gesuchsgegner nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Zum einen können unter die Aussage muss noch etwas erledigen" sowohl berufliche wie auch private Tätigkeiten (bspw. Haushalt etc.) verstanden werden. Zum anderen ist es nicht unüblich, dass Lehrer ihre (Vorbereitungs-)Arbeiten zu Hause erledigen.

2.6.4 Als Ausführungsort liegt gestützt auf das Dargelegte der Wohnort oder Arbeitsort des Beschuldigten nahe. Da sich dessen Wohn- und Arbeitsort in demselben Dorf im Kanton Zürich befinden, ist die Frage, ob die Straftaten während den Pausen am Arbeitsplatz oder am Wohnort ausgeführt wurden, für die Bestimmung der interkantonalen Zuständigkeit nicht relevant. Bei diesem Ergebnis braucht auch die Frage, ob es sich beim Tatbestand des Verleitens eines Kindes zu sexuellen Handlungen um ein Tätigkeits- oder Erfolgsdelikt handelt (vgl. oben E. 2.5.2), nicht vertieft zu werden.

2.7 Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass der Ausführungsort der (versuchten) Widerhandlungen gegen Art. 187 Ziff. 1 Abs. 2 StGB und Art. 197 Abs. 1 StGB im Kanton Zürich liegt.

3.

3.1 Weiter wirft der Gesuchsgegner dem Gesuchsteller vor, die Gerichtsstandsanfrage verspätet gestellt und damit seine Zuständigkeit konkludent anerkannt zu haben. Zur Begründung führt er zusammengefasst aus, dass der Tatverdacht gegen den im Kanton Zürich wohnhaften Beschuldigten C. bereits anfangs Dezember 2016 bestanden habe. Der Gesuchsteller habe in der Folge keine Ermittlungen getätigt, die darauf abgezielt hätten und geeignet gewesen wären, den Gerichtsstand zu klären. Diese hätten ausschliesslich zur weiteren Beobachtung des strafbaren Verhaltens des Beschuldigten gedient, mit der Absicht, dieses in einem Treffen in Bern gipfeln zu lassen. Zur Festlegung des Gerichtsstandes für die mutmasslich von C. bereits begangenen Straftaten sei die Weiterführung der verdeckten Ermittlung nicht erforderlich gewesen. Der Gesuchsteller hätte die Klärung des Gerichtsstandes parallel vorantreiben sollen. Das Verfahren hätte ähnlich einem Sammelverfahren vorerst vom Gesuchsteller geführt werden können. Die Zuständigkeit für die durch weitere verdeckte Ermittlung hervorgebrachten Delikte wäre in einem Meinungsaustausch zu klären gewesen (act. 3, S. 2 f.; act. 6).

3.2 Der Gesuchsteller bestreitet eine konkludente Anerkennung seiner Zuständigkeit. Er führt aus, dass er die Gerichtsstandsanfrage nicht zu einem früheren Zeitpunkt habe stellen können. Für eine Festlegung der Zuständigkeit hätten ihm die notwendigen Grundlagen gefehlt. Ein Treffen sei auf Chatnachrichten aufgebaut und hänge eng mit diesen zusammen, weshalb von einem Tatkomplex auszugehen sei. Solange die verdeckte Ermittlung der bernischen Staatsanwaltschaft betreffend ein allfälliges Treffen am Laufen gewesen wäre, hätten die Zürcher Behörden in Bezug auf Straftaten, die aus den Nachrichten resultierten, keine eigenen Ermittlungsschritte vornehmen können. Wäre es zu einem Treffen in Bern gekommen, hätte das abgetretene Verfahren wieder an die Berner Behörden übertragen werden müssen, ohne dass die Zürcher Behörden in dieser Zeit weiterführende Ermittlungsschritte hätten vornehmen können. Da noch Klärungsbedarf hinsichtlich des Gerichtsstandes bestanden habe, habe der Gesuchsteller kein paralleles Gerichtsstandsverfahren vorangetrieben. Das allfällige Treffen sei für den Gerichtsstand entscheidender Fakt gewesen und hätte nur aus weiteren Ergebnissen der verdeckten Ermittlung resultieren können. Auch habe der Gesuchsgegner nicht ausgeführt, wie eine solche parallele (verdeckte) Ermittlung in der Praxis ausgesehen und wer in diesem Fall die entscheidende Kompetenz der Verfahrensleitung und -koordinierung innegehabt hätte (act. 1, S. 6 ff.; act. 5).

3.3

3.3.1 Die Beschwerdekammer kann (wie die beteiligten Staatsanwaltschaften unter einander auch) einen anderen als den in Art. 31 -37 StPO vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen (Art. 40 Abs. 3 StPO). Ein solches Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand kann aus Zweckmässigkeits-, Wirtschaftlichkeits- oder prozessökonomischen Gründen gerechtfertigt sein, soll indes die Ausnahme bleiben (BGE 129 IV 202 E. 2 S. 203; Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.8 vom 9. April 2014, E. 2.1 m.w.H.).

3.3.2 Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist unter anderem möglich, wenn ein Kanton seine Zuständigkeit konkludent anerkannt hat (Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2015.50 vom 22. April 2016, E. 2.2; BG.2013.31 vom 28. Januar 2014, E. 2.2; Schweri/Bänziger , a.a.O., S. 147 ff.). Betrachtet sich die Behörde als unzuständig, so hat sie den Fall rasch an die zuständige Stelle weiterzuleiten (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.31 vom 28. Januar 2014, E. 2.2). Wartet sie mit der Gerichtsstandsanfrage zu lange zu bzw. unterlässt sie diese, so ist von einer konkludenten Anerkennung auszugehen ( TPF 2011 178 E. 2.1 S. 180; Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2006.28 vom 26. September 2006, E. 3.1; vgl. auch sinngemäss Kuhn , Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2014, Art. 39 StPO N. 7).

Eine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes darf nicht leichthin angenommen werden. Nach dem Eingang einer Strafanzeige haben die Strafverfolgungsbehörden von Amtes wegen, summarisch und beschleunigt zu prüfen, ob ihre örtliche Zuständigkeit und damit die Gerichtsbarkeit ihres Kantons gegeben ist, um Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden. Die mit der Prüfung befasste Behörde muss alle für die Festlegung des Gerichtsstandes wesentlichen Tatsachen erforschen, die dazu notwendigen Erhebungen durchführen und insbesondere den Ausführungsort ermitteln. Hat der Beschuldigte in mehreren Kantonen delinquiert, so hat jeder Kanton vorerst die Ermittlungen voranzutreiben, die für die Bestimmung des Gerichtsstandes wesentlich sind. Beschränkt sich ein Kanton nicht darauf, sondern nimmt er während längerer Zeit weitere Ermittlungen vor, obwohl längst Anlass bestand, die eigene Zuständigkeit abzuklären, so kann darin eine konkludente Anerkennung erblickt werden (BGE 119 IV 102 E. 4b S. 104). Beschränkt sich die Behörde dagegen im Wesentlichen auf die Abklärung von Tatsachen, die für die Bestimmung des Gerichtsstandes von Bedeutung sind oder führt eine Behörde während der Abklärung der Gerichtsstandsfrage die Strafuntersuchung mit der gebotenen Beschleunigung weiter, so kann darin keine konkludente Anerkennung des Gerichtsstandes gesehen werden ( Schweri/Bänziger , a.a.O., S. 151 N. 443). Diese Ermittlungshandlungen haben für sich allein keine zuständigkeitsbegründende Wirkung, denn es wäre unbillig, jene Behörden, welche Abklärungen für die Ermittlung des Gerichtsstandes vornehmen, allein deswegen schon zu verpflichten, nachher auch das ganze Verfahren durchzuführen (Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2015.46 vom 10. Februar 2016, E. 3.2).

3.4 Unbestritten ist, dass im Dezember 2016 der Verdacht bestand, der Beschuldigte könnte im Rahmen der Chatunterhaltung mit B. (versuchte) Delikte begangen haben. Obschon der Gesuchsteller die Gerichtsstandsanfrage erst im Mai 2017 an den Gesuchsgegner richtete, ist darin gestützt auf nachfolgende Überlegungen keine konkludente Anerkennung der Zuständigkeit zu erkennen.

4.

4.1 Am 1. Mai 2013 trat eine Revision der StPO in Kraft, mit welcher die gesetzlichen Bestimmungen über die verdeckte Ermittlung und verdeckte Fahndung präzisiert bzw. geschaffen wurden (vgl. Art. 285 a - 298 d StPO ). Verdeckte Ermittlung und verdeckte Fahndung unterscheiden sich nach der gesetzlichen Neuregelung mithin insbesondere dadurch, dass verdeckte Ermittler mit einer durch Urkunden abgesicherten falschen Identität (Legende) ausgestattet werden. Die verdeckte Ermittlung erfordert damit eine qualifizierte Form der Täuschung durch Verwenden von Urkunden. Die Legendenausstattung bildet dabei ein zentrales Abgrenzungselement. Demgegenüber legen verdeckte Fahnder zwar ihre wahre Identität oder Funktion nicht offen, sie bedienen sich aber grundsätzlich bloss einfacher Lügen, indem sie etwa über ihr Geschlecht, ihr Alter und ihren Wohnort unwahre Angaben machen oder in Chat-Räumen beispielsweise ein Pseudonym verwenden. Eine verdeckte Ermittlung ist sodann im Regelfall auf eine längere Dauer ausgerichtet, d.h. in der Regel auf den Zeitraum von mehreren Monaten, so dass in ein kriminelles Umfeld eingedrungen und mit der Zielperson ein eigentliches Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Im Regelfall ist dazu eine aktive Kontaktnahme im Sinne einer Interaktion zwischen Ermittler und Zielperson erforderlich. Verdeckte Fahndung erfolgt demgegenüber im Rahmen kurzer Einsätze, wobei sich die Fahnder zurückhaltender verhalten und kein eigentliches Vertrauensverhältnis aufbauen. Soweit Polizeiangehörige somit zwar ihre wahre Funktion nicht offenlegen, sich dabei aber nicht falscher Urkunden bedienen, kein eigentliches Vertrauensverhältnis aufbauen, die Mass­nahme nicht auf längere Dauer angelegt ist und der Aufklärung von Verbrechen oder Vergehen dient, sind grundsätzlich nicht die Regeln über die verdeckte Ermittlung, sondern jene über die verdeckte Fahndung massgebend (BGE 143 IV 27 E. 2.3 f. S. 31 f. m.w.H.; kritisch Ronc/van der Stroom , Das Ende der verdeckten Ermittlung im Internet - Besprechung des Urteils BGE 143 IV 27, in: forumpoenale 5/2017, S. 344 ff.).

Verdeckte Ermittlung und Fahndung nach Art. 285 a ff. StPO sind lediglich zur Abklärung bereits begangener oder in Ausführung begriffener Straftaten zulässig. Erfolgen Ermittlungshandlungen vor Vorliegen eines Tatverdachts im Rahmen einer Kontaktnahme oder Vorermittlung zur Verhütung künftiger Straftaten, handelt es sich nicht um Massnahmen des Strafprozessrechts, sondern um klassische präventive Polizeitätigkeit, deren Regelung weiterhin in der Kompetenz der Kantone liegt (BGE 143 IV 27 E. 2.5 S. 32 m.w.H.). Die diesbezügliche gesetzliche Grundlage findet sich im Kanton Bern in Art. 35b des Polizeigesetzes vom 8. Juni 1997 (PolG; BSG 551.1).

4.2 Neben anderen potentiellen Gefährdungen bietet das Internet eine geeignete Plattform für pädokriminelle Aktivitäten. Im Gegensatz zu Delikten, welche sich im realen Leben abspielen, gestalten sich die Kontaktanbahnung und der Vertrauensaufbau im Internet, insbesondere seitens einer fremden Person zu einem Kind oder Jugendlichen wesentlich einfacher und erfolgen in aller Regel ausserhalb ständiger elterlicher Kontrolle ( Muggli , Im Netz ins Netz, a.a.O., S. 5 f., 41 f.; vgl. Situation vor Einführung des Internets Reinhardt , Die Bestrafung der Unzucht mit Kindern unter besonderer Berücksichtigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Opfers, Diss., Bern 1967, S. 46). Die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern oder Jugendlichen kann sich in den Chatrooms auf diverse Weise gestalten. Der Kontakt kann sich lediglich auf Gespräche mit oder ohne sexuelle Inhalte beschränken oder aber auf ein reales Treffen gerichtet sein. Ermittlungstechnisch gilt es daher herauszufinden, welche Absicht die Täterschaft mit den Chatgesprächen verfolgt. Namentlich gilt es festzustellen, ob die Täterschaft beabsichtigt, aus der Anonymität des Internets hervorzutreten und in der realen Welt sexuelle Handlungen mit einem Kind vorzunehmen, es zu solchen zu verleiten oder in solche einzubeziehen. Im Zusammenhang mit solchen Kontaktanbahnungen spricht man zuweilen von Cybergrooming" oder einfach Grooming" und versteht darunter im Wesentlichen das Verhalten von Erwachsenen gegenüber Kindern und Jugendlichen im Internet oder in anderen modernen Kommunikationstechnologien, das auf die Herstellung eines sexuell motivierten Kontaktes abzielt ( Muggli , Im Netz ins Netz, a.a.O., S. 37 ff.; Muggli , Heisse Gespräche mit Minderjährigen - Von Cyber-grooming und Möglichkeiten zu dessen Sanktionierung, in: Jusletter vom 11. Juni 2012, S. 2 ; Rudaz , De l'utilité de l'investigation secrète dans la lutte contre le «g rooming », in: Jusletter vom 2. Dezember 2013, S. 4 f.; Weisser , 2ème Forum Cybercrime - Procureurs et SCOCI, in: Jusletter vom 14. April 2014, S. 4).

4.3 Die vorgängig erwähnten kantonalen und eidgenössischen Gesetzesbestimmungen im Zusammenhang mit der verdeckten Ermittlungstätigkeit wurden insbesondere auch im Hinblick auf die Erkennung und Verhinderung von sexuellen Handlungen mit Kindern und Jugendlichen im Internet geschaffen und präzisiert (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 3. Februar 2012 zur Parlamentarischen Initiative Präzisierung des Anwendungsbereichs der Bestimmungen über die verdeckte Ermittlung", BBl 2012 5591 Ziff. 2.1 S. 5595 ff.; Berner Motion Schaffen von Rechtsgrundlagen für die verdeckte Ermittlung durch die Polizei" vom 10. Oktober 2010, einsehbar unter https://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.DOKUMENTE.acq/ed6c3bef94a4461488f23b5b3f58e84d-332/9/PDF/ 2010.RRGR.1870-Vorstosstext--32710.pdf , zuletzt besucht am 29. November 2017).

4.4 Am 23. September 2016 wurde die Berner Kantonspolizei auf A." aufmerksam, der später als C. identifiziert werden konnte (Verfahrensordner, Lasche 9, 1. Einsatzbericht vom 23. und 25. September 2016). Am 30. September 2016 teilte C. B. mit, dass er ihn knuddeln, d.h. umarmen möchte, denn er sei manchmal etwas verschmust, und lenkte das Gespräch auf sexuelle Themen (Verfahrensordner, Lasche 9, 4. Einsatzbericht vom 30. September bis 2. Oktober 2016). Daraufhin sprach C. am 13. Oktober 2016 und 10. November 2016 erneut von Umarmungen" und Schmusen" sowie von Themen mit sexuellem Inhalt (Verfahrensordner, Lasche 9, 7. Einsatzbericht vom 10. Oktober bis 1. November 2016 und 8. Einsatzbericht vom 7. bis 10. November 2016). Während der Chatunterhaltung vom 18. November 2016 teilte C. B. nebst anderem mit, dass er ihn vielleicht auch mal knutschen" wolle und fragte B., was er am Wochenende mache (Verfahrensordner, Lasche 9, 11. Einsatzbericht vom 18. bis 20. November 2016). Während der Chatunterhaltung vom 26. November 2016, dauernd von 17.56 Uhr bis 20.54 Uhr, ging es im Wesentlichen um das gemeinsame Onanieren, wobei C. dem vermeintlichen Kind genaue Anweisungen gab, wie er dies vorzunehmen habe. Zudem fragte er B. dörfti dich blase?", konkretisierte seine Frage mit din Stiiffe lutsche" und beschrieb die Handlungen, welche er am Geschlechtsorgan von B. vornehmen würde im Detail. Anschliessend fragte C. sinngemäss, ob B. einen Samenerguss gehabt habe und schrieb ihm, dass auch er eine Ejakulation gehabt habe. Ausserdem sprach der Beschuldigte davon, dass es ihm gefallen hätte, B. alles in den Mund zu spritzen", wenn er hätte blasen" können (Verfahrensordner, Lasche 9, 12. Einsatzbericht vom 21. bis 27. November 2016). Am 3. Dezember 2016 schrieb der Beschuldigte B., dass es "geil wäre, ihn zu knuddeln und unter dem T-Shirt zu streicheln" (Verfahrensordner, Lasche 9, 1. Einsatzbericht vom 2. bis 4. Dezember 2016). Am 21. Januar 2017 sprach der Beschuldigte erneut von Streicheln und schrieb von möglichen realen Handlungen (Verfahrensordner, Lasche 9, 5. Einsatzbericht vom 22. Dezember 2016 bis 21. Januar 2017).

4.5 Die Auswertung der Chatgespräche zeigt deutlich, dass die Täterschaft zunächst zurückhaltend auftrat und mit Komplimenten, Gefühlsausdrücken und Begriffen wie Ersatz-Papi" das Vertrauen von B. zu gewinnen versuchte. Auch fragte C. wiederholt nach, ob seine Vorstellungen in Bezug auf körperliche und sexuelle Handlungen denjenigen von B. entsprächen (Verfahrensordner, Lasche 9). Zum selben Schluss kam die Berner Kantonspolizei, als sie in ihrem Antrag auf Anordnung einer verdeckten Ermittlung nach Art. 286 ff . StPO vom 1. Dezember 2016 ausführte, dass sich die sexuellen Äusserungen von C. mit jedem weiteren Kontakt gesteigert hätten. Am Anfang habe er sich mit zurückhaltender Ausdrucksweise im Chat das Vertrauen von B. erschlichen und mit jedem weiteren Chat sei immer mehr zum Ausdruck gekommen, dass er seine sexuellen Fantasien mit B. habe ausleben wollen. Aufgrund der bisher geführten Gespräche konnte die Berner Polizei anfangs Dezember 2016 nicht ausschliessen, dass der Beschuldigte das vermeintliche Kind zwecks Vornahme sexueller Handlungen habe treffen wollen (Verfahrensordner, Lasche 9, Schreiben der Berner Kantonspolizei an die StA BE vom 1. Dezember 2016, S. 2 f.).

4.6 Unter den soeben erörterten Umständen ist es nachvollziehbar, dass die Berner Polizei trotz der bis zum 1. Dezember 2016 möglicherweise begangenen Delikte die verdeckte Ermittlung fortsetzen wollte, um herauszufinden, ob sich die Absicht der Täterschaft auf ein Treffen mit dem vermeintlichen Kind richtete. Wie der Gesuchsteller zutreffend ausführt, hätte ein Wechsel der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Dezember 2016 die Ermittlungen gefährdet. Zum einen hätte der Beschuldigte eine allfällige Fortsetzung der Gespräche durch einen verdeckten Ermittler aus dem Kanton Zürich anhand der Wortwahl oder des Dialekts bemerken können. Zum anderen ist davon auszugehen, dass selbst wenn die Berner Behörden nach einer Abtretung der Verfolgung der bereits begangenen Delikte die verdeckte Ermittlung bezüglich des Treffens weitergeführt hätten, wie dies der Gesuchsgegner vorschlägt, die Ermittlungen eine gewisse Verzögerung erfahren hätten. Insbesondere weil das Sammelverfahren nicht im Hinblick auf die Pädokriminalität im Internet konzipiert wurde und sich die beteiligten Behörden über dessen vom Gesuchsgegner vorgeschlagene analoge Anwendung und die konkrete Ausgestaltung in einem oder mehreren Schriftenwechseln hätten einigen müssen. Während dieser Dauer wäre die Kommunikation zwischen der Täterschaft und dem vermeintlichen Kind unterbrochen gewesen, was die Ermittlungen ebenfalls hätte gefährden können.

4.7 Zugunsten einer gesamtheitlichen Betrachtung spricht zudem die Schnittstellenproblematik zwischen der präventiven und repressiven Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden. Die Grenze zwischen polizeirechtlicher und strafprozessualer Tätigkeit verläuft in der Praxis fliessend und eine klare Trennung ist nicht immer möglich, wobei das entscheidende Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit der StPO der strafprozessuale Anfangsverdacht ist (BGE 143 IV 27 E. 2.5 S. 32 m.w.H.). In der Praxis verfolgt eine bestimmte Handlung im Internet oft präventive und repressive Ziele. So will die Verhinderung einer pädokriminellen Tat den Täter auch regelmässig wegen eines versuchten Delikts bestrafen und dient damit nebst der nach kantonalen Polizeigesetzen gerichteten Prävention auch der strafprozessualen Aufklärung nach StPO. Ausserdem können die Behörden im Rahmen einer Ermittlung bereits mit begangenen Straftaten konfrontiert werden, obschon das Ziel der Handlung eigentlich auf die Verhinderung eines Delikts abzielt ( Muggli , Im Netz ins Netz, a.a.O., S. 171 f.). Diese Problematik ist auch bei Gerichtsstandsstreitigkeiten zu berücksichtigen.

4.8 Schliesslich war es im Sinne des Beschleunigungsgebotes (vgl. Art. 5 StPO ) angebracht, die Ermittlungen möglichst voranzutreiben, bis alle wesentlichen Tatsachen zur Bestimmung des Gerichtsstandes erforscht waren, und erst nach Feststellung wesentlicher Gerichtsstandselemente die in Frage kommenden Kantone um Übernahme zu ersuchen. Entgegen der Ansicht des Gesuchsgegners waren dem Gesuchsteller im Dezember 2016 zur Bestimmung des Gerichtsstandes nicht alle wesentlichen Tatsachen bekannt. Die Gerichtsstandssituation hätte sich im Verlauf der Chatgespräche nach Dezember 2016 ändern können. Wäre es zu einem Treffen in Bern gekommen, wäre der Ausführungsort des weiteren Delikts nach Art. 187 Ziff. 1 StGB in Bern gewesen, und da der Gesuchsteller die ersten Verfolgungshandlungen vorgenommen hatte, wäre die Beurteilung sämtlicher Delikte in seine Zuständigkeit gefallen (vgl. Art. 34 Abs. 1 Satz 2 StPO ). Aus Gründen der Verfahrensökonomie und des Beschleunigungsgebotes war es nicht sinnvoll, im Dezember 2016 parallel ein Gerichtsstandsverfahren einzuleiten, in Kenntnis, dass das abzutretende Verfahren allenfalls wieder zurückübertragen werden müsste. Hinzu kommt, dass ein allfälliges Treffen in einem bisher unbeteiligten Kanton hätte stattfinden können, was allenfalls ein weiteres Gerichtsstandsverfahren nach sich gezogen hätte. Auch deswegen war eine frühere Anfrage an den Gesuchsgegner nicht sinnvoll. Die Tatsache, ob sich ein Erwachsener nach vorgängigen Chatkontakten mit einem Kind in der realen Welt verabredet, ist nach dem Gesagten als gerichtsstandsrelevant zu werten.

4.9 All das Gesagte rechtfertigt, die im Internet oder anderen modernen Kommunikationskanälen geführten Gespräche zwischen Erwachsenen und Kindern oder Jugendlichen mit sexuellen Inhalten und ein allfälliges Treffen grundsätzlich als einen Tatkomplex zu betrachten. Aus diesem Grund ist nicht zu beanstanden, dass der Gesuchsteller die verdeckte Ermittlung trotz der möglicherweise bereits begangenen (versuchten) Delikte weiterführte und eine Gerichtsstandsanfrage an den Gesuchsgegner erst richtete, als feststand, dass es zu keinem Treffen kommen werde.

4.10 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass in Fällen, in denen der ermittelnde Kanton während einer laufenden verdeckten Ermittlung konkrete Hinweise erhält, die auf die Zuständigkeit eines anderen Kantons deuten, obschon es im konkreten Fall aus ermittlungstechnischer Sicht geboten ist, die verdeckte Ermittlung durch die bisherigen Behörde weiterzuführen, es ihm freisteht, die in Frage kommenden Kantone über ihre mögliche Zuständigkeit in Kenntnis zu setzen. Indes stellt diese Orientierung lediglich eine (fakultative) Vorabinformation dar, die zu keiner formellen Einleitung eines Gerichtsstandsverfahrens führt. Entsprechend kann das Unterlassen einer solchen Vorabinformation dem ermittelnden Kanton im späteren Gerichtsstandsverfahren nicht vorgehalten werden.

5. Nach dem Gesagten sind die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich berechtigt und verpflichtet zu erklären, die C. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

6. Es ist keine Gerichtsgebühr zu erheben (Art. 423 Abs. 1 StPO).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Strafbehörden des Kantons Zürich sind berechtigt und verpflichtet, die C. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 29. Dezember 2017

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.

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