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Entscheid des Bundesstrafgerichts: RR.2015.126 vom 28.12.2015

Hier finden Sie das Urteil RR.2015.126 vom 28.12.2015 - Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Sachverhalt des Entscheids RR.2015.126

Die Beschwerde des Schweizer Staatsangehörigen gegen die Entscheidung des Bundesstrafgerichts vom 28. Dezember 2015, in der es die Beschwerdeführerin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug verurteilt hat und sie für ihre prozessualen Aufwendungen eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- zu entrichten verlangt, wird gutgeheissen. Die Beschwerde ist ausreichend begründet, da die Entscheidung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug ungerechtfertigt war und es dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zusteht.

Urteilsdetails des Bundesstrafgerichts

Instanz:

Bundesstrafgericht

Abteilung:

Beschwerdekammer: Rechtshilfe

Fallnummer:

RR.2015.126

Datum:

28.12.2015

Leitsatz/Stichwort:

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland. Entschädigung (Art. 15 IRSG i.V.m. Art. 429 StPO analog).

Schlagwörter

Bundes; Rechtshilfe; Verfahren; Verfahren; Staat; Staatsanwaltschaft; Bundesstrafgericht; Parteien; Kantons; Beschwerdekammer; Verfügung; Apos;; Anwalts; Verfahrens; Entschädigung; Parteientschädigung; Bundesstrafgerichts; Entscheid; Akten; Rechtshilfeverfahren; Sachen; Zwangsmassnahmengericht; Zusprechung; Ersatz; Auslagen; Behörde; Verfahrensakten; Hausdurchsuchung; Antrag

Rechtskraft:

Kein Weiterzug, rechtskräftig

Rechtsgrundlagen des Urteils:

Art. 19 Or;Art. 42 StPO ;Art. 429 StPO ;Art. 48 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 84 BGG ;

Kommentar:

-

Entscheid des Bundesstrafgerichts

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RR.2015.126

Entscheid vom 28. Dezember 2015
Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Andreas J. Keller und Emanuel Hochstrasser ,

Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

A. AG, vertreten durch Rechtsanwalt Robin Moser,

Beschwerdeführerin

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zug,

Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland

Entschädigung (Art. 15 IRSG i.V.m. Art. 429 StPO analog)


Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin/D führt gegen den Schweizer Staatsangehörigen B. ein Strafverfahren wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr im besonders schweren Fall. In diesem Zusammenhang gelangten die deutschen Behörden mit Rechtshilfeersuchen vom 5. November 2013 an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (nachfolgend «Staatsanwaltschaft») und erbaten unter anderem um Durchsuchung der Räumlichkeiten der A. AG in Zug (Verfahrensakten Urk. 2 und 3).

B. Die Zuger Polizei führte am 4. März 2014 die Hausdurchsuchung bei der A. AG durch und stellte umfangreiches Akten- und Datenmaterial sicher. Auf entsprechendes Verlangen des an der Hausdurchsuchung anwesend gewesenen Mitglieds des Verwaltungsrates der A. AG, B., wurden die sichergestellten Daten und Akten versiegelt (Verfahrensakten Urk. 15).

C. Mit Verfügung vom 18. August 2014 hiess das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Zug das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft nur zu einem kleinen Teil gut. Auf den Antrag der A. AG auf Entschädigung für ihre prozessualen Aufwendungen trat das Zwangsmassnahmengericht mit der Begründung, dass darüber die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihres Endentscheides darüber befinden müsse, nicht ein (Verfahrensakten Urk. 41).

D. Die A. AG und die Staatsanwaltschaft einigten sich am 14. Dezember 2014 hinsichtlich der entsiegelten Akten dahingehend, dass ein Teil dieser Akten der A. AG zurückgegeben werden würde und dass die A. AG mit Blick auf die anderen Akten ihre Zustimmung zur vereinfachten Ausführung erteile. Diese Einigung wurde am 9. März 2015 vollzogen. Gleichentags ersuchte die A. AG gestützt auf die vorgängig der Staatsanwaltschaft eingereichte Honorarnote um Zusprechung einer Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 30'525.- und um Ersatz von Auslagen in der Höhe von Fr. 1'383.50. Mit Verfügung vom 27. März 2015 wies die Staatsanwaltschaft Zug den Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung und Ersatz von Auslagen ab (act. 1.2).

Dagegen erhebt die A. AG am 28. April 2015 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde und beantragt die Aufhebung von Ziffer 1 der Verfügung vom 27. März 2015 und die Zusprechung einer Parteientschädigung von Fr. 30'525.- (inkl. MwSt.) und Auslagenersatz von Fr. 1'383.50; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen (act. 1).

Auf die weiteren Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts entscheidet über Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten (Art. 37 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG; SR 173.71] i.V.m. Art. 19 Abs. 1 des Organisationsreglements vom 31. August 2010 für das Bundesstrafgericht [Organisationsreglement BStGer, BStGerOR; SR 173.713.161]. In den Anwendungsbereich des Rechtshilfegesetzes fallen - soweit andere Gesetze oder internationale Vereinbarungen nichts anderes bestimmen - alle Verfahren der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 1 Abs. 1 IRSG ).

Gestützt auf das IRSG ergangene erstinstanzliche Verfügungen der kantonalen Behörden oder der Bundesbehörden unterliegen unmittelbar der Beschwerde an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 25 Abs. 1 IRSG ).

1.2 Vorliegend richtet sich die Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Zug vom 27. März 2015, womit diese als erste Instanz den Antrag der Beschwerdeführerin vom 9. März 2015 auf Zusprechung einer Parteientschädigung und Ersatz von Auslagen abgewiesen hat. Die Beschwerdeführerin verlangt die Parteientschädigung für anwaltliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der am 4. März 2014 rechtshilfeweise durchgeführten Hausdurchsuchung und dem nachfolgenden Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Zug (vgl. Honorarnote vom 2. Dezember 2015; Verfahrensakten Urk. 50).

Der Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung und Ersatz von Auslagen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem im vereinfachten Verfahren am 13. März 2015 abgeschlossenen Rechtshilfeverfahren an Deutschland betreffend Herausgabe von Beweismitteln. Für die in diesem Bereich erhobene Beschwerde ist demnach die Beschwerdekammer zuständig.

2.

2.1 Das Beschwerdeverfahren richtet sich in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten primär nach den Bestimmungen der einschlägigen Rechtshilfeerlasse und nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021).

2.2 Das Rechtshilfeverfahren ist am 13. März 2015 mit Übersendung der Beweismittel an die deutschen Behörden erledigt worden. Bei der angefochtenen Anordnung handelt es sich daher nicht um eine Zwischenverfügung, sondern um eine eigenständige Verfügung. Die Beschwerdelegitimation richtet sich nach Art. 48 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 39 Abs. 2 lit. b StBOG . Diese ist vorliegend gegeben: Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an deren Beurteilung durch die Beschwerdeinstanz.

3. Das IRSG enthält in Art. 15 eine spezielle Staatshaftungsnorm, die Entschädigungsansprüche in Verfahren der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit in Strafsachen regelt. Nach dieser Bestimmung gelten die Art. 429 und 431 StPO sinngemäss in einem Verfahren, das gegen den Verfolgten nach diesem Gesetz in der Schweiz oder auf Veranlassung einer schweizerischen Behörde im Ausland geführt worden ist. Wenn die Beschwerdegegnerin argumentiert, Art. 15 IRSG finde nur auf den Beschuldigten Anwendung (vgl. act. 1.2, S. 4), verkennt sie, dass im Rechtshilfeverfahren Parteistellung vor der ausführenden Behörde, wie auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesstrafgericht, nur dem persönlich und direkt Betroffenen zukommt, der ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der Rechtshilfemassnahme hat (Art. 21 Abs. 3 und 80 h lit. b IRSG ). Mit anderen Worten spielt es für die Wahrung von Parteirechten im Rechtshilfeverfahren gerade keine Rolle, ob es sich beim Betroffenen um den Beschuldigten im ausländischen Strafverfahren handelt. In diesem Sinne ist der Anspruchsberechtigte bei einer allfälligen Entschädigung im Rechtshilfeverfahren derjenige, der durch die Rechtshilfemassnahme persönlich und direkt betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der Rechtshilfemassnahme hat. Eine Begrenzung der Anspruchsberechtigung nur auf den in ausländischen Strafverfahren Beschuldigten erwiese sich als geradezu systemwidrig.

4.

4.1 Art. 429 StPO regelt die Entschädigung und Genugtuung des Beschuldigten bei Freispruch oder Einstellung des Strafverfahrens. Anspruchsbegründend ist hier die ungerechtfertigte Strafverfolgung. Die sinngemässe Anwendung dieser Norm im Anwendungsbereich des IRSG knüpft an an Massnahmen, die in einem in Art. 15 Abs. 1 IRSG erwähnten Verfahren unter Beachtung der gesetzlichen Formen und Verfahrensvorschriften angeordnet werden, sich aber im Nachhinein als ungerechtfertigt erweisen (vgl. Keshelava/ Dangubic , in: Niggli/Heimgartner [Hrsg.], Internationales Strafrecht, Basel 2015, N 6 zu Art. 15 IRSG ). Der Anspruch auf angemessenen Ersatz richtet sich gegen den Staat ( Wehrenberg/Frank , in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2015, N 6 zu Art. 429).

4.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Schaden bestehe im notwendigen anwaltlichen Aufwand, der ihr entstanden sei, um sich gegen die Sicherstellung ihrer Geschäftsunterlagen zur Wehr zu setzen und die Geschäftsgeheimnisse zu schützen (act. 1, S. 13).

4.3 Anwaltskosten, die dem Betroffenen bei der Durchsetzung seiner Rechte entstanden sind, sind grundsätzlich gestützt auf Art. 429 Abs. 1 StPO zu ersetzen, wenn der Beizug eines Rechtsbeistands für die Wahrung der Interessen des Betroffenen erforderlich war und der Arbeitsaufwand und somit das Honorar des Anwalts angemessen sind ( Keshelava/Dangubic , a.a.O., N 11 zu Art. 15 IRSG , unter Hinweis auf BBl 2005 1329 ).

Die Bemessung der Entschädigung für die Anwaltskosten richtet sich nach dem Anwaltstarif des Bundes (Art. 10-14 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]) oder des verfahrensführenden Kantons. Grundsätzlich sind die Anwaltskosten voll zu entschädigen. Der Aufwand muss allerdings angemessen sein, mithin in einem vernünftigen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen. Nutzlose, überflüssige und verfahrensfremde Aufwendungen werden nicht entschädigt ( Keshelava/ Dangubic , a.a.O., m.w.H.).

4.4 Die im Rahmen der Hausdurchsuchung vom 4. März 2014 erfolgte Sicherstellung von Geschäftsunterlagen erwies sich gestützt auf den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Zug vom 18. August 2014 zum grössten Teil als ungerechtfertigt. Der Beizug eines Anwalts war mit Hinblick auf die Komplexität des Verfahrens ohne Weiteres angemessen. Dass die Anwaltskosten auf andere Weise gedeckt werden, ist vorliegend nicht ersichtlich.

Die Beschwerdeführerin hätte daher spätestens mit Abschluss des Rechtshilfeverfahrens für ihre anwaltlichen Aufwendungen zur Durchsetzung ihrer Rechte gemäss Verordnung über den Anwaltstarif des Kantons Zug vom 3. Dezember 1996 (AnwT/ZG; BGS 163.4) entschädigt werden müssen. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen. Als erstinstanzliche Entscheidungsbehörde ist die Vorinstanz besser geeignet, den erforderlichen Umfang der anwaltlichen Aktivitäten in ihrem bzw. im Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht einzuschätzen (analog Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2014.98 vom 9. Oktober 2014, E. 3.1), weshalb die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen ist.

5.

5.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 VwVG ). Der Kostenvorschuss der Beschwerdeführerin von Fr. 2'500.- ist zurückzuerstatten.

5.2 Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für ihre Aufwendun-gen im vorliegenden Verfahren eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 2'000.- zu entrichten (Art. 64 Abs. 1 und 5 VwVG ; Art. 73 StBOG und Art. 5 und 8 Abs. 1 BStKR ).


Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 27. März 2015 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen 4.3 und 4.4 an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. Die Kasse des Bundesstrafgerichts wird angewiesen, der Beschwerdeführerin den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 2'500.- zurückzuerstatten.

3. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesstrafgericht mit pauschal Fr. 2'000.- zu entschädigen.

Bellinzona, 29. Dezember 2015

Im Namen der Beschwerdekammer
des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin :

Zustellung an

- Rechtsanwalt Robin Moser

- Staatsanwaltschaft des Kantons Zug

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG ).

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