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Bundesstrafgericht Urteil

Kopfdaten
Instanz:Bundesstrafgericht
Abteilung:Strafkammer
Fallnummer:SK.2011.5B
Datum:30.04.2013
Leitsatz/Stichwort:Kriminelle Organisation; Geldwäscherei
Rückweisungsurteil des BGer; Feststellung der Rechtskraft
Schlagwörter : Bundes; Vertreten; Rechtsanwalt; Rechtskraft; Entscheid; Bundesgericht; Fürsprecher; Bundesstrafgericht; Beschwerde; Bundesstrafgerichts; Rechtsmittel; Kammer; Eintritt; Urteil; Verteidigt; Amtlich; Aufschiebende; Entscheide; Michele; Bundesanwaltschaft; Abteilung; Bundesgerichts; Beschuldigter; Verteidiger; Rechtliche; Vollzug; Luigi; Mattei; Rusca; Andrea
Rechtsnorm: Art. 10 BGG ; Art. 103 BGG ; Art. 43 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 438 StPO ; Art. 6 BGG ; Art. 80 BGG ;
Kommentar zugewiesen:
Ergebnis, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Entscheid

Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral

Tribunale penale federale

Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: SK.2011.5

Beschluss vom 30. April 2013
Strafkammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Walter Wüthrich, Vorsitz ,
Daniel Kipfer Fasciati und Miriam Forni,
Gerichtsschreiberin Anne Berkemeier Keshelava

Parteien

Bundesanwaltschaft , vertreten durch Lienhard Ochsner, Staatsanwalt des Bundes ,

gegen

1.

A., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Beat Zürcher,

2.

B., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Dino Degiorgi,

3.

C., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Michele Naef,

4.

D., erbeten verteidigt durch Fürsprecher Patrick Lafranchi,

5.

E., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Marc Labbé,

6.

F., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Marc Wollmann,

7.

G., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Peter von Ins,

8.

H., amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt Daniele Timbal,

9.

I., amtlich verteidigt durch Fürsprecher Andrea Janggen,

und

als beschwerte Dritte:

1.

J., vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

2.

K., vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

3.

L. SA, vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

4.

M Ltd. ,

5.

N., vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Galfetti,

6.

Stiftung O., vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Galfetti,

7.

P., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

8.

Q., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

9.

R., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

10.

Stiftung S.,

11.

T. Holding SA,

12.

AA. Est. ,

13.

BB. SA ,

14.

CC. SA,

15.

DD. SA,

16.

EE. SA ,

17.

FF. Trust ,

18.

GG. SA ,

19.

HH. SA,

20.

II.,

21.

JJ. SA,

22.

KK. SA,

23.

LL., vertreten durch Rechtsanwalt Emanuele Stauffer,

24.

MM., vertreten durch Rechtsanwalt Davide Corti,

25.

NN. SA, vertreten durch Fürsprecher Andrea Janggen,

26.

OO., vertreten durch Rechtsanwalt Robert Vogel,

27.

PP EST., vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Vogel,

28.

QQ und RR., vertreten durch Avv. Filippo Ferrari,

Gegenstand

Kriminelle Organisation; Geldwäscherei
Rückweisungsurteil des BGer; Feststellung der Rechtskraft

Die Strafkammer erwägt:

1. Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat am 21. März 2012 unter der Verfahrensnummer SK.2011.5 das aus dem angehängten Auszug ersichtliche Urteil gefällt. Das begründete Urteil wurde den Parteien am 30. Januar 2013 zugestellt. Die Zustellung an den Drittbetroffenen RR. erfolgte auf Gesuch hin am 22. Februar 2013.

2. Die Bundesanwaltschaft, die Beschuldigten A., B., D., G., H. und C. sowie die Drittbetroffenen RR. und QQ. haben gegen dieses Urteil bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts Beschwerde in Strafsachen eingereicht. Die Beschwerde der Bundesanwaltschaft richtet sich insbesondere gegen Ziff. XI. 3. des Dispositivs, welches die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte "nach Eintritt der Rechtskraft" festlegt. Die Beschwerden sind zur Zeit noch hängig.

3. Am 15. April 2013 stellte die Bundesanwaltschaft bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gemäss Art. 103 BGG . Das Präsidium der Strafrechtlichen Abteilung untersagte mit Verfügungen vom 17. und 18. April 2013 sämtliche Vollzugsvorkehrungen bis zum Entscheid über die aufschiebende Wirkung.

4. Bereits mit Schreiben vom 21. März 2013 hatte die Verfahrensleitung der Strafkammer des Bundesstrafgerichts die Parteien und Drittbetroffenen darauf hingewiesen, dass zufolge der Beschwerden an das Bundesgericht mit einem Abschluss des Verfahrens bis auf Weiteres nicht gerechnet werden dürfe. Sie zog in Erwägung, den umgehenden Vollzug der Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte unter den Aspekten der Verhältnismässigkeit und der Regelung von Art. 437 Abs. 3 StPO über den Eintritt der Rechtskraft zu prüfen. Im Hinblick darauf ersuchte sie die Parteien und Drittbetroffenen um Stellungnahme.

5. Die Bundesanwaltschaft hat den Eintritt der Rechtskraft in concreto wiederholt bestritten, letztmals in ihrem Gesuch an das Bundesgericht (Strafrechtliche Abteilung) vom 16. April 2013 um Erteilung der aufschiebenden Wirkung. Von den übrigen Parteien und Drittbetroffenen soweit sie sich auf das Schreiben des Gerichts vom 21. März 2013 hin vernehmen liessen - gab es sechs Stellungnahmen, in denen der Eintritt der Rechtskraft geltend gemacht wurde (TPF 2.522.046 f.; 2.524.585 ff.; 2.643.002 f.; 2.529.145 ff.; 2.271.073; 2.523.171), in weiteren sieben Stellungnahmen gab es keine expliziten Äusserungen zum Eintritt der Rechtskraft, die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte wurde jedoch bejaht (TPF 2.528.052; 2.627.001; 2.630.001; 2.530.043; 2.639.001; 2.345.001; 2.523.171) und in einer Stellungnahme wurde der Eintritt der Rechtskraft verneint, die Freigabe der beschlagnahmten Vermögenswerte jedoch unterstützt (TPF 2.648.031 ff.).

6. Art. 437 StPO lautet wie folgt:

1 Urteile und andere verfahrenserledigende Entscheide, gegen die ein Rechtsmittel nach diesem Gesetz zulässig ist, werden rechtskräftig, wenn:

a. die Rechtsmittelfrist unbenützt abgelaufen ist;

b. die berechtigte Person erklärt, auf ein Rechtsmittel zu verzichten, oder ein ergriffenes Rechtsmittel zurückzieht;

c. die Rechtsmittelinstanz auf das Rechtsmittel nicht eintritt oder es abweist.

2 Die Rechtskraft tritt rückwirkend auf den Tag ein, an dem der Entscheid gefällt worden ist.

3 Entscheide, gegen die kein Rechtsmittel nach diesem Gesetz zulässig ist, werden mit ihrer Ausfällung rechtskräftig.

7. Ist der Eintritt der Rechtskraft strittig, so entscheidet darüber die Behörde, die den Entscheid gefällt hat (Art. 438 Abs. 3 StPO ). Vorliegendenfalls ist dies die Strafkammer des Bundesstrafgerichts.

8. Gegen Urteile des Bundesstrafgerichts ist die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegeben (Art. 80 Abs. 1 BGG). Es ist kein Rechtsmittel gemäss StPO zulässig.

9. Art. 61 BGG bestimmt, dass Entscheide des Bundesgerichts am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft erwachsen. Die Bundesanwaltschaft macht unter Verweis auf Sprenger , Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Basel 2011, Art. 437 StPO N 6 ff. und N 26 sowie auf Schmid , Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 437 N 7 geltend, durch Einlegung des ordentlichen Rechtsmittels der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht werde das Verfahren fortgeführt. Somit sei in concreto die Rechtskraft noch nicht eingetreten.

Der Autor Sprenger scheint den von ihm zitierten Schmid misszuverstehen. Dieser schreibt nämlich in seinem Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, N 1843, wenn eine Strafrechtsbeschwerde ergriffen werde, sei der Verfahrensverlauf noch nicht abgeschlossen, womit die Regel von Art. 437 Abs. 1 StPO relativiert werde. "Dies vor allem dann, wenn nach BGG 103 II lit. b der Strafrechtsbeschwerde in den dort skizzierten Schranken aufschiebende Wirkung zukommt". Von einem gesetzlichen Vorrang des Art. 61 BGG spricht Schmid nicht. Die Regelung bezüglich aufschiebende Wirkung gemäss Art. 103 BGG würde zudem keinen Sinn machen, wenn immer bereits die Beschwerde in Strafsachen den Eintritt der Rechtskraft hemmen könnte.

10. Heimgartner/Wiprächtiger halten im Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 61 N 31 fest: "Die Rechtskraft von Bundesgerichtsentscheiden kann im Unterschied zu kantonalen Entscheiden und erstinstanzlichen Entscheiden des Bundesstrafgerichts und Bundesverwaltungsgerichts nicht durch Entscheide einer übergeordneten Instanz aufgehoben werden."

11. Somit ergeben sich die folgenden Schlüsse für Urteile des Bundesstrafgerichts (ebenso im Ergebnis: Cavallo , in Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich 2010, Art. 437 N 12):

11.1 Die Rechtskraft von Entscheiden des Bundesstrafgerichts kann aufgehoben werden; oder (enger ausgedrückt): Auch die Möglichkeit, dass ein Entscheid des Bundesstrafgerichts vom Bundesgericht aufgehoben werden kann (weil Beschwerde geführt wird), hindert den Eintritt der Rechtskraft nicht ipso iure.

11.2 Rechtskraft kann nicht mit Vollziehbarkeit gleichgestellt werden. Der Vollzug eines vorinstanzlichen Entscheids kann (trotz Rechtskraft) verhindert werden, wenn das Bundesgericht aufschiebende Wirkung gewährt. Und er ist von Gesetzes wegen verhindert, wo dies explizit vorgesehen ist, wie dies bei einer Beschwerde gegen einen Entscheid, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht (Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG), der Fall ist.

11.3 Die Rechtskraft, von welcher Art. 61 BGG spricht, betrifft nur die Entscheide des Bundesgerichts und hat keinerlei Einfluss auf den Eintritt der Rechtskraft gemäss Art. 437 StPO .

12. In concreto wurde das Urteil SK.2011.5 der Strafkammer am 21. März 2012 ausgefällt und öffentlich mündlich verkündet. Zu diesem Zeitpunkt ist der Entscheid vollumfänglich in Rechtskraft erwachsen. Durch die verfahrensleitenden Verfügungen der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 17. und 18. April 2013 ist der Vollzug heute nicht möglich. Sollte die aufschiebende Wirkung durch das Bundesgericht nicht erteilt werden, kann das Dispositiv des Urteils SK.2011.5 der Strafkammer vom 21. März 2012 (mit Ausnahme der in Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG erwähnten Fälle) vollzogen werden. Bezüglich C., der zu einer teilbedingten Strafe verurteilt wurde, hat schon Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG direkt die aufschiebende Wirkung ausgelöst .

Bereits vollziehbar sind demgegenüber die Urteile gegen E. und F., welche unangefochten geblieben und bereits zum Vollzug an den Rechtsdienst der Bundesanwaltschaft (Vollzugsbehörde nach Art. 75 StBOG ) weitergemeldet worden sind.

13. Dieser Beschluss ergeht ohne Kostenfolgen.


Die Strafkammer beschliesst:

1. Es wird festgestellt, dass das Urteil SK.2011.5 des Bundesstrafgerichts vom
21. März 2012 (Rubrum und Dispositiv im Anhang) vollumfänglich in Rechtskraft erwachsen ist.

2. Dieser Beschluss ergeht ohne Kostenfolge.

3. Dieser Beschluss (mit Anhang) wird zugestellt an:

- Bundesanwaltschaft, Herrn Lienhard Ochsner, Staatsanwalt,

- Fürsprecher Beat Zürcher, Verteidiger von A. (Beschuldigter)

- Fürsprecher Dino Degiorgi, Verteidiger von B. (Beschuldigter)

- Fürsprecher Michele Naef, Verteidiger von C. (Beschuldigter)

- Fürsprecher Patrick Lafranchi, Verteidiger von D. (Beschuldigter)

- Fürsprecher Peter von Ins, Verteidiger von G. (Beschuldigter)

- Rechtsanwalt Daniele Timbal, Verteidiger von H. (Beschuldigter)

- Fürsprecher Andrea Janggen, Verteidiger von I. (Beschuldigter)

- J., vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

- K., vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

- L. SA, vertreten durch Rechtsanwalt Luigi Mattei,

- M. LTD.,

- N., vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Galfetti,

- Stiftung O., vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Galfetti,

- P., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

- Q., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

- R., vertreten durch Rechtsanwalt Michele Rusca,

- Stiftung S.,

- T. Holding SA,

- AA. EST.,

- BB. SA,

- CC. SA,

- DD. SA,

- EE SA.,

- FF. TRUST,

- GG. SA,

- HH. SA,

- II.,

- JJ. SA,

- KK. SA,

- LL., vertreten durch Rechtsanwalt Emanuele Stauffer,

- MM., vertreten durch Rechtsanwalt Davide Corti,

- NN. SA, vertreten durch Fürsprecher Andrea Janggen,

- OO., vertreten durch Rechtsanwalt Robert Vogel,

- PP. EST., vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Vogel,

- QQ. und RR. vertreten durch Avv. Filippo Ferrari,

- Bundesgericht, Strafrechtliche Abteilung ( 6B_238/2013 )

- Bundesgericht, I. öffentlich-rechtliche Abteilung ( 1B_781/2012 )

Im Namen der Strafkammer

des Bundesstrafgerichts

Der Vorsitzende Die Gerichtsschreiberin

Walter Wüthrich Anne Berkemeier Keshelava

Rechtsmittelbelehrung

Gegen den Entscheid über die Rechtskraft ist innert 10 Tagen die Beschwerde an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zulässig (Art. 438 Abs. 4 StPO in Verbindung mit Art. 37 Abs. 1 StBOG ).

Versand: 30. April 2013

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