Bundesgerichtsentscheid

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Bundesgerichtsentscheid 82 II 4 vom 02.02.1956

Dossiernummer:82 II 4
Datum:02.02.1956
Schlagwörter (i):Brand; Heimwesen; Wirtschaftlich; Liegenschaften; Wiederaufbau; Wirtschaftliche; Gewerbe; Ertragswert; Landwirtschaftliche; Beklagten; Gebäude; Urteil; Anspruch; Brande; Zuweisung; Liegenden; Versicherung; Recht; Schätzung; Aufbauen; Anrechnung; Vorinstanz; Miterben; Klage; Streitige; Angefochtene; Vorliegenden; Erbteil

Rechtsnormen:

BGE: 81 II 101

Artikel: Art. 620 ZGB , Art. 620 ZGB , Art. 620 ZGB , Art. 621 ZGB , Art. 750 ZGB , Art. 61 ZGB , Art. 2 ZGB

Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Urteilskopf
82 II 4

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Februar 1956 i.S. Born gegen Born.

Regeste
Bäuerliches Erbrecht.
Zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB gehören grundsätzlich auch die zur Bewirtschaftung des Landes notwendigen wichtigeren Gebäude.
Werden diese durch einen Brand zerstört, so kann ein Erbe, der für die Übernahme des Gewerbes geeignet ist, die Zuweisung der Liegenschaften samt der für den Wiederaufbau bestimmten Brandversicherungsleistung verlangen, wenn zu erwarten ist, dass er die zerstörten Gebäude wieder aufbauen wird.
Anrechnungswert ist in diesem Falle der Ertragswert vor dem Brande.
Feststellung des Ertragswerts (Art. 620 Abs. 2 ZGB, Art. 5 ff. LEG).

Sachverhalt ab Seite 5
BGE 82 II 4 S. 5
Aus dem Tatbestand:
A.- Der am 4. März 1951 gestorbene Landwirt Gottfried Born-Graf hinterliess ein landwirtschaftliches Heimwesen in Rengershäusern-Thunstetten, das ein Wohnhaus mit Scheune, verschiedene Nebengebäude sowie ca. 7 1/2 ha Kulturland und Wald umfasste. Sein jüngster Sohn Hans, geb. 1902, der 11 Jahre als Knecht bei ihm gearbeitet und das Heimwesen seit dem Jahre 1929 als Pächter bewirtschaftet hatte, erhob gegenüber seinen Miterben (seiner Stiefmutter und seinen sieben Geschwistern) Anspruch darauf, dass dieses ihm gemäss Art. 620 ZGB zum Ertragswert ungeteilt zugewiesen werde. Die Miterben widersetzten sich diesem Begehren. Die Klagen, mit denen er im Frühjahr 1952 seine Geschwister einerseits und seine Stiefmutter anderseits getrennt ins Recht fasste, wurden vom Amtsgericht Aarwangen am 26. März 1954 wegen mangelnder Passivlegitimation abgewiesen.
B.- Während dieses ersten Prozesses, am 25. Mai 1953, brannte das Bauernhaus ab. Die Brandruinen stehen heute noch unverändert, weil die Parteien sich über einen Wiederaufbau nicht einigen konnten. Der Kläger führt den Betrieb weiter, obwohl vom abgebrannten Haus nur noch der Schweinestall benützbar ist. Er wohnt in einem benachbarten kleineren Hause, das er persönlich besitzt. Hier und in einem baufälligen alten Hause, das in der Nähe steht und ebenfalls ihm gehört, hat er auch die Pferde, das Rindvieh und einen Teil des Inventars untergebracht. Daneben benützt er Lagerräume in fremden Häusern.
C.- Mit der vorliegenden Klage, die er am 10. November 1954 gegen seine acht Miterben einleitete, stellte Hans Born das Rechtsbegehren, es sei ihm das in der Erbschaft befindliche landwirtschaftliche Heimwesen einschliesslich des Anspruchs an die Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern aus dem Brande vom 25. Mai 1953 ungeteilt zum
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Ertragswert auf Anrechnung an seinen Erbteil zuzuweisen.
Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage und stellten eventuell verschiedene Widerklagebegehren, die sich namentlich auf die Feststellung des Anrechnungswertes und auf ein angeblich vorhandenes Nebengewerbe bezogen.
Das Amtsgericht von Aarwangen wies mit Urteil vom 1. Juli 1955 die Klage ab, weil das Nachlassgrundstück, nachdem das Bauernhaus abgebrannt sei, nicht mehr ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB darstelle. Der Appellationshof des Kantons Bern, an den der Kläger appellierte, hat dagegen am 17. September 1955 erkannt:
1. Die Klage wird zugesprochen und dem Kläger das in der Erbschaft befindliche landwirtschaftliche Heimwesen zum Ertragswerte, ungeteilt und auf Anrechnung an seinen Erbteil zugewiesen.
2. Desgleichen wird dem Kläger der infolge des Brandes vom 25. Mai 1953 entstandene Anspruch gegen die Brandversicherungsanstalt des Kantons Bern zum Wiederaufbau der Gebäude... in vollem Umfange und ohne besondere Anrechnung an seinen Erbteil zugesprochen.
3. Es wird festgestellt, dass der Anrechnungswert des dem Kläger zugewiesenen landwirtschaftlichen Gewerbes einschliesslich Anspruch gegen die Brandversicherungsanstalt Fr. 55'100.-- beträgt. Im übrigen wird auf die eventuellen Widerklagebegehren nicht eingetreten.
4. Von der Erklärung des Klägers, wonach er die Beklagtschaft zur grundbuchlichen Vormerkung eines Gewinnbeteiligungsrechtes gemäss Art. 619 ZGB ermächtigt, wird Kenntnis genommen und gegeben und das bezügliche Widerklagebegehren als gegenstandslos erklärt.
.....
D.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das Bundesgericht erklärt.
Das Bundesgericht bestätigt das angefochtene Urteil in grundsätzlicher Beziehung (weist jedoch die Sache an die Vorinstanz zurück, weil einige durch die Widerklagebegehren aufgeworfene Nebenfragen noch weiterer Abklärung bedürfen).

Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Vor Bundesgericht wird mit Recht nicht mehr bestritten, dass der Kläger, der das väterliche Heimwesen
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schon seit mehr als 26 Jahren selbständig bewirtschaftet und den Betrieb nach dem eigenen Zugeständnis des Beklagten Jakob Born bis jetzt richtig geführt hat, im Sinne von Art. 620 ZGB für die Übernahme geeignet ist. Ein Rechtsbegehren auf Zuweisung der streitigen Liegenschaften zum Ertragswert ist von keinem andern Erben als von ihm gestellt worden. Der Beklagte Jakob Born liess in der Klageantwort allerdings vorbringen, er verlange, dass diese Grundstücke und der Anspruch gegen die Brandversicherungsanstalt ihm zugewiesen werden. Er hat jedoch auf die Erhebung einer dahingehenden Widerklage aus prozessualen Gründen verzichtet und die Zuweisung an sich selber, nach den vorliegenden Akten zu schliessen, auch nicht mit einer selbständigen Klage verlangt. Angesichts der gegebenen Verhältnisse, insbesondere der Tatsache, dass der Kläger der zur Selbstbewirtschaftung gewillte jüngste Sohn des Erblassers ist (vgl. Art. 72 des bern. EG zum ZGB) und seit seiner Jugend auf dem väterlichen Heimwesen gearbeitet hat, wogegen der im Jahre 1901 geborene Beklagte Jakob Born laut seiner eigenen Darstellung nach seinem 17. Altersjahr nur noch vorübergehend in der Landwirtschaft tätig war, hätte dieser Beklagte denn auch kaum hoffen können, gegenüber dem Kläger den Vorzug zu erhalten. Der Anspruch des Klägers ist daher zu schützen, wenn die streitigen Liegenschaften im Sinne von Art. 620 ZGB ein landwirtschaftliches Gewerbe darstellen, das eine wirtschaftliche Einheit bildet und eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bietet.
Es steht ausser Frage, dass diese Liegenschaften vor dem Brande vom 25. Mai 1953 die Bedingungen des Art. 620 ZGB erfüllten. Die Zerstörung des Bauernhauses durch den Brand hatte entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Folge, dass diese Bestimmung unanwendbar wurde. Zwar ist richtig, dass zu einem landwirtschaflichen Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB ausser einer genügenden Fläche Landes dem Grundsatze nach auch die für deren Bewirtschaftung notwendigen wichtigeren
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Gebäulichkeiten, vor allem Wohnung und Ökonomiegebäude, gehören (BOREL/NEUKOMM, Das bäuerliche Erbrecht, 4. Aufl. 1954, S. 31) und dass auf den streitigen Liegenschaften die nötigen Wohn-, Stall- und Lagerräume heute nicht mehr vorhanden sind. Es ist jedoch nicht das gleiche, ob die notwendigen Gebäude überhaupt nie bestanden haben oder ob sie zur Zeit der Erbteilung nur deshalb fehlen, weil sie durch ein zufälliges Ereignis wie einen Brand zerstört wurden. Während im ersten Falle regelmässig nicht von einem landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB die Rede sein kann, ist im zweiten Falle mit der Vorinstanz und dem Gutachten von Prof. P. Liver anzunehmen, dass die Liegenschaften nach wie vor ein solches Gewerbe darstellen, wenn die zerstörten Gebäude voraussichtlich wieder aufgebaut werden. Ist ein solcher Wiederaufbau zu erwarten, so fehlt die aus Land und Gebäuden zusammengesetzte wirtschaftliche Einheit nur vorübergehend. Ein derartiger nur während verhältnismässig kurzer Zeit bestehender Ausnahmezustand darf unter dem Gesichtspunkte von Art. 620 Abs. 1 ZGB, der die Erhaltung bäuerlicher Gewerbe über Generationen hin fördern will, keine Beachtung finden. Vielmehr muss in solchen Fällen der Charakter massgebend sein, den die Liegenschaften vor der Zerstörung der Gebäude hatten und nach deren Wiederherstellung wieder haben werden. Es handelt sich hier nicht etwa um eine analoge Anwendung von Art. 620, sondern um die Auslegung, die vom Zweckgedanken dieser Bestimmung gefordert wird und im übrigen auch einer natürlichen Betrachtungsweise entspricht.
Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt, der Kläger habe in glaubhafter Weise erklärt, dass er die abgebrannten Gebäude wieder aufbauen und das Heimwesen selbst weiterbewirtschaften wolle. Er habe sich hiezu auch schriftlich verpflichtet. Seit 1929 bearbeite er das väterliche Heimwesen als gut ausgewiesener Landwirt. Auch
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nach dem Brand habe er es weiter bebaut. Er habe ferner einen Bau- und Finanzierungsplan vorgelegt, nach welchem die wirtschaftliche Tragbarkeit des Wiederaufbaus und der Weiterführung des Gewerbes als gewährleistet zu betrachten sei. Er werde von seinen Miterben als gut situiert bezeichnet. An die auf Fr. 66'000.-- veranschlagten Wiederaufbaukosten zahle die Brandversicherungsanstalt Fr. 49'152.--. Diese Leistung würde sich im Falle des Nichtwiederaufbaus um Fr. 16'460.-- verringern. Im Hinblick auf diese Umstände und die im angefochtenen Urteil hervorgehobene Erfahrungstatsache, dass in ländlichen Gegenden wie Thunstetten Bauernhöfe nach einer Brandkatastrophe wieder aufgebaut zu werden pflegen, war die Vorinstanz ohne Zweifel zur Annahme berechtigt, dass das abgebrannte Bauernhaus auf dem Grundstück Nr. 360 im Falle der Zuweisung der streitigen Liegenschaften und des Anspruchs auf die Wiederaufbauentschädigung an den Kläger voraussichtlich wieder aufgebaut werde.
Die Beklagten wenden vergeblich ein, dass die Vorinstanz, indem sie auf diese Annahme abstellte, den Entscheid darüber, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 620 ZGB bestehe, von subjektiven, in der Person des Ansprechers liegenden Momenten (seinem Willen und seinen finanziellen Mitteln) abhängig gemacht habe, während diese Frage nur nach rein objektiven Kriterien beurteilt werden dürfe. Nach dem Sinne des Gesetzes kommt es in Fällen wie dem vorliegenden eben darauf an, ob ein Wiederaufbau zu erwarten sei, und dies bedingt, dass neben objektiven Gegebenheiten (zu denen hier u.a. die Tatsache gehört, dass in ländlichen Gegenden abgebrannte Höfe gewöhnlich wieder aufgebaut werden) auch die subjektiven Momente in Betracht gezogen werden, die nach der Lebenserfahrung ein Urteil darüber erlauben, ob es zu einem Wiederaufbau kommen wird oder nicht. Hierin liegt kein Widerspruch zu der von den Beklagten angezogenen Rechtsprechung, wonach für den Entscheid darüber, ob ein Gewerbe eine ausreichende landwirtschaftliche
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Existenz biete, objektive Kriterien massgebend sind (BGE 81 II 101 ff.).
Unbehelflich ist auch der weitere Einwand der Beklagten, die Auffassung der Vorinstanz laufe darauf hinaus, dass Art. 620 ZGB nicht nur auf Grundstücke anwendbar sei, die bereits ein Heimwesen bilden, sondern auch auf solche, "mit welchen es erst noch geschaffen werden kann", was abzulehnen sei, weil das bäuerliche Erbrecht nur der Erhaltung, nicht der Schaffung von Heimwesen diene. Mit diesen Ausführungen setzen sich die Beklagten über die Tatsache hinweg, dass es sich im vorliegenden Falle nicht um die Erstellung eines neuen, sondern nur um die Wiederherstellung eines schon längst vorhandenen, durch ein zufälliges Ereignis beschädigten Heimwesens handelt. Einen zur Übernahme gewillten und geeigneten Erben diesen Zufall dadurch entgelten zu lassen, dass man die Anwendung von Art. 620 ZGB ohne Rücksicht auf den geplanten Wiederaufbau ausschlösse, wäre äusserst stossend, was bestätigt, dass die Auslegung, welche die Beklagten dieser Bestimmung geben, nicht richtig sein kann.
Wenn die Beklagten schliesslich noch geltend machen, der Wiederaufbau sei rechtlich nicht gesichert, so ist demgegenüber zu sagen, dass die Brandversicherungsanstalt die Wiederaufbauentschädigung nur auszahlt, wenn wirklich gebaut wird, und dass der Anreiz, die Liegenschaften unter Verzicht auf den Wiederaufbau mit Gewinn zu verkaufen, für den Übernehmer im Hinblick auf das Gewinnbeteiligungsrecht der Miterben (Art. 619 ZGB und Disp. 4 des angefochtenen Urteils) nur gering ist. Sollte der Übernehmer, was theoretisch auch noch denkbar wäre, die Liegenschaften zwar behalten, aber anstelle eines neuen Bauernhauses spekulative Wohn- oder Industriebauten darauf errichten, so liesse sich ernstlich erwägen, ob die Miterben nicht berechtigt wären. die Aufhebung der Zuweisung und eine entsprechende Abänderung der Erbteilung zu verlangen. Die Miterben sind also gegen Missbräuche weitgehend gesichert. Eine absolute Sicherheit
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kann hinsichtlich des Wiederaufbaus so wenig verlangt werden wie etwa hinsichtlich der Selbstbewirtschaftung durch den Übernehmer (Art. 621 Abs. 2 ZGB).
Dispositiv 1 des angefochtenen Urteils ist demnach grundsätzlich zu bestätigen, sofern der Kläger auch auf die für den Wiederaufbau benötigte Versicherungsleistung Anspruch erheben kann.
3. Die Vorinstanz hat den Anspruch auf die Wiederaufbauentschädigung dem Kläger zugesprochen mit der Begründung, dieser Anspruch sei zwar ein gewöhnliches Nachlassaktivum, bilde aber rechtlich und wirtschaftlich mit dem zugewiesenen Land eine Einheit und habe deshalb dem Lande zu folgen. Dem Kläger werde ja eben ein landwirtschaftliches Gewerbe zugewiesen, das die künftig zu erstellenden Gebäude bereits umfasse. Niemand als der Übernehmer wolle zudem aufbauen, so dass einzig er Anspruch auf den Zuschlag erheben könne, den die Versicherung lediglich im Falle des Wiederaufbaus ausrichte. Auch in diesem Punkte ist das angefochtene Urteil im Grundsatz zu bestätigen. Dabei ist unerheblich, ob die Vorinstanz bei der Feststellung, dass nur der Übernehmer aufbauen wolle, wie in der Berufungsschrift behauptet, einzig an den Kläger gedacht und dabei übersehen habe, dass auch der Beklagte Jakob Born das Heimwesen wieder aufbauen liesse, wenn er die Liegenschaften erhielte. Entscheidend ist die Erwägung, dass die streitige Versicherungsentschädigung wegen der Zerstörung eines zum Heimwesen gehörenden Gebäudes ausgerichtet wird und zu dessen Wiederherstellung bestimmt ist und damit der im Sinne des Gesetzes liegenden Erhaltung des Heimwesens dient, so dass sie, wie Liver zutreffend ausführt, im Zuweisungsprozess und bei der Erbteilung als Ersatz des untergegangenen Gebäudes behandelt und an dessen Stelle gesetzt werden muss, so gut wie die Versicherungsleistung auch in andern Fällen (bei der Nutzniessung, Art. 750 Abs. 3 ZGB, und im Falle des Liegenschaftenkaufs,BGE 51 II 171ff.) als Surrogat der untergegangenen Sache gilt.
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Der Übernehmer erhält das Gewerbe nach Art. 620 ZGB ungeteilt, mit Einschluss der Gebäulichkeiten. Brennen diese nieder und wird dafür von der Versicherung eine Entschädigungssumme ausgerichtet, die für den Wiederaufbau bestimmt und entsprechend diesem Zwecke bemessen ist, so muss vernunftgemäss diese Ersatzleistung das rechtliche Schicksal erfahren, das die Gebäude ohne den Brand gehabt hätten.
Die notwendige Folge hievon ist, dass der Kläger sich diese Versicherungsleistung nicht besonders anrechnen lassen muss, sondern dass ihm für die Liegenschaften (mit den Brandruinen) und die Versicherungsleistung einfach der Ertragswert im Sinne von Art. 620 ZGB anzurechnen ist, den das Gewerbe vor dem Brande aufwies. Auf den Ertragswert nach dem Brande kommt nichts an.
Dispositiv 2 des angefochtenen Urteils besteht demnach zu Recht.
4. Während Art. 620 ZGB in seiner ursprünglichen Fassung bestimmt hatte, dass die Feststellung des Anrechnungswertes für das Ganze nach den Vorschriften über die Schätzung der Grundstücke, d.h. nach Art. 617/618 ZGB erfolge (Art. 620 Abs. 3; vgl.BGE 58 II 406ff.), sieht der durch das Bundesgesetz über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen vom 12. Dezember 1940 (LEG) abgeänderte Text in Abs. 2 vor, die Feststellung des Anrechnungswertes erfolge "in diesen Fällen" (d.h. in den Fällen von Abs. 1) nach dem eben genannten Gesetze. Art. 5 Abs. 1 LEG bestimmt, der nach diesem Gesetz für die Entschuldung und für die Zulässigkeit neuer Belastungen sowie für die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts massgebende Wert der Heimwesen und Liegenschaften werde durch eine besondere Schätzung bestimmt. Der Schätzungswert im Sinne des LEG besteht nach Art. 6 Abs. 2 im Ertragswert gemäss dem vorausgehenden Absatz mit einem allfälligen Zuschlag von höchstens 25%. Daraus folgt aber trotz dem etwas verfänglichen Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 LEG nicht, dass für die Anwendung von
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Art. 620 ZGB statt des Ertragswerts der Schätzungswert im Sinne des LEG massgebend sei. Art. 620 Abs. 1 ZGB stellt nach wie vor auf den Ertragswert ab. Die Vorschriften des LEG (und der zugehörigen Verordnungen) sind deshalb bei der Anwendung von Art. 620 ZGB nur insoweit heranzuziehen, als sie die Grundlagen der Schätzung des Ertragswerts, die Zuständigkeit hiefür und das dabei zu befolgende Verfahren regeln.
Im vorliegenden Falle hat der Kläger am 7. Dezember 1951 im Zusammenhang mit seinem Begehren um Zuweisung des väterlichen Gewerbes bei der zuständigen Behörde (der Gültschatzungskommission des Amtes Aarwangen) das Gesuch um Schätzung der streitigen Liegenschaften gestellt. Diese hat am 21. Dezember 1951 den Ertragswert der in der Erbschaft befindlichen Liegenschaften mit Einschluss aller damals vorhandenen Gebäude auf Fr. 55'100.-- geschätzt. Der Rekurs, mit dem die Miterben diese Schätzung bei der Direktion der Landwirtschaft des Kantons Bern anfochten, ist am 11. Juni 1952 abgewiesen worden. Der Entscheid der kantonalen Rekursinstanz ist gemäss Art. 7 Abs. 1 LEG endgültig. Der Ertragswert, den die Liegenschaften vor dem Brande hatten, ist also rechtskräftig auf den erwähnten Betrag festgesetzt worden. Diese Schätzung ist gemäss Art. 7 Abs. 2 LEG für alle Behörden massgebend, die auf Grund dieses Gesetzes oder anderer Bestimmungen des Bundeszivilrechts tätig werden, also insbesondere auch für die Gerichte, die über ein Zuweisungsbegehren im Sinne von Art. 620 ZGB zu entscheiden haben.
Da die am 21. Dezember 1951 erfolgte Schätzung bereits mit Rücksicht auf das Zuweisungsbegehren des Klägers verlangt worden war, können die Beklagten nicht gestützt auf Art. 38 der Verordnung über die Verhütung der Überschuldung landwirtschaftlicher Liegenschaften vom 16. November 1945 (BS 9 S. 145 ff.) eine Neuschätzung der streitigen Grundstücke verlangen. Ebensowenig können sie eine Neuschätzung auf Grund von Art. 9 Abs. 2
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LEG beantragen, weil es im vorliegenden Falle eben auf den - bereits rechtskräftig festgestellten - Ertragswert vor dem Brande ankommt. Vor diesem aus der Sondervorschrift von Art. 620 ZGB sich ergebenden Schlusse muss auch die von den Beklagten schliesslich noch angerufene Regel des Art. 617 ZGB zurücktreten, wonach Grundstücke den Erben zum Werte anzurechnen sind, der ihnen im Zeitpunkt der (hier noch ausstehenden) Teilung zukommt.
Es kann keine Rede davon sein, dass das Rechtsbegehren des Klägers, das auf die Zuweisung des Heimwesens samt der Versicherungsleistung zum Betrage von Fr. 55'100.-- abzielt, einen Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB darstelle, wie in der Berufungsschrift behauptet wird. Die Rechnung, mit welcher die Beklagten dartun möchten, dass sie bei Gutheissung dieses Begehrens "ohne Rechtsgrund benachteiligt" würden, ist falsch. Der Kläger erhält das einschliesslich der Gebäude auf Fr. 55'100.-- geschätzte Heimwesen ohne das Hauptgebäude. Für dessen Wiederherstellung muss er laut Kostenvoranschlag Fr. 66'000.-- aufwenden, woran er von der Versicherung Fr. 49'512.-- erhält. Es stimmt also nicht, dass er infolge des Brandes einen Gewinn mache. Anderseits stellen sich die Beklagten, wenn dem Begehren des Klägers entsprochen wird, genau gleich, wie sie sich bei Zuweisung des Heimwesens an den Kläger beim Ausbleiben des Brandes gestellt hätten. Darauf, dass sie aus dem Brande einen Vorteil ziehen können, haben sie keinen Anspruch.
Auch Dispositiv 3, Satz 1, des angefochtenen Urteils ist deshalb grundsätzlich zu bestätigen.

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