Bundesgerichtsentscheid

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter www.bger.ch entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

Bundesgerichtsentscheid 149 III 44 vom 08.09.2022

Dossiernummer:149 III 44 - neu: 5A_130/2022
Datum:08.09.2022
Schlagwörter (i):Beschwerde; Entscheid; Erstinstanzliche; Rückweisung; Bundes; Bezirksgericht; Bundesgericht; Erstinstanzlichen; Instanz; Rückweisungsentscheid; Obergericht; Einkommen; Abänderung; Unterhalt; Gericht; Partei; Endentscheid; Erwägungen; Entscheidungsspielraum; Beschwerdeführerin; Instanzen; Verbindlich; Zeitpunkt; Gesuchseinreichung; Eheschutzentscheid; Unterhaltsbeiträge; Obere; Überschuss; Ergangenen; Instanzenzug

Rechtsnormen:

BGE: 143 III 290, 145 III 42, 142 II 363, 141 III 80

Artikel: Art. 7 BGG , Art. 75 BGG , Art. 75 BGG , Art. 9 BGG , Art. 93 BGG , Art. 93 BGG , Art. 42 BGG

Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Urteilskopf

149 III 44


6. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_130/2022 vom 8. September 2022

Regeste

Art. 75 BGG; Eintretensvoraussetzungen, Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs.
Keine Anfechtung eines obergerichtlichen Rückweisungsentscheids durch direkte Beschwerde an das Bundesgericht gegen den nachfolgenden erstinstanzlichen Endentscheid, wenn vor Bundesgericht auch Aspekte des nachfolgenden erstinstanzlichen Endentscheids beanstandet werden, die das Bezirksgericht entweder in eigener Verantwortung zum ersten Mal beurteilt hat oder für welche es gestützt auf den Rückweisungsentscheid über einen Entscheidungsspielraum verfügte (E. 1.1-1.3).

Sachverhalt ab Seite 44

BGE 149 III 44 S. 44

A.

A.a A. (geb. 1979) und B. (geb. 1968) sind die verheirateten Eltern von C. (geb. 2007), D. (geb. 2009) und E. (geb. 2012). Die
BGE 149 III 44 S. 45
Ehegatten trennten sich 2014. B. hat aus erster Ehe zwei volljährige Kinder und A. wurde 2017 Mutter der ausserehelichen Tochter F.

A.b Mit Eheschutzentscheid des Gerichtspräsidiums Zofingen vom 7. April 2015 wurden die drei gemeinsamen Söhne unter die Obhut der Mutter gestellt. Dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. Ausserdem wurde er verpflichtet, A. ab 1. Dezember 2014 an den Unterhalt der drei Söhne monatlich je Fr. 2'150.- zuzüglich Kinder- und Familienzulagen und ihr persönlich Fr. 1'429.- zu bezahlen.

A.c Nachdem B. beim Bezirksgericht Zofingen die Scheidungsklage eingereicht hatte, beantragte er am 6. November 2017 die Abänderung des Eheschutzentscheids. Das Bezirksgericht reduzierte in der Folge die geschuldeten Unterhaltsbeiträge ab 1. September 2020 (Entscheid vom 2. September 2020).

B.

B.a Daraufhin gelangten beide Parteien mit Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau, welches die Berufungen mit Entscheid vom 29. April 2021 teilweise guthiess und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Bezirksgericht zurückwies. Mit Bezug auf die Abänderungsgründe stellte das Obergericht fest und erwog, das Einkommen von B. habe sich um rund Fr. 1'000.- pro Monat verringert und A. stelle nicht in Abrede, dass dies eine wesentliche Reduktion darstelle, dass es A. nicht gelinge, die vom Bezirksgericht angenommene Glaubhaftigkeit eines qualifizierten Konkubinats zu erschüttern und dass ihr Einkommen aus der Schulpflege ab Januar 2018 als Abänderungsgrund berücksichtigt werden könne, womit gleich mehrere Abänderungsgründe gegeben seien. Das Obergericht beanstandete den erstinstanzlichen Entscheid insbesondere insofern, als dieser den Eheschutzentscheid vom 7. April 2015 "ohne jegliche Begründung" erst per 1. September 2020 und nicht bereits ab Gesuchseinreichung abänderte, ordnete ferner die Sistierung des Ehegattenunterhaltsbeitrags ab Gesuchseinreichung bis zum Erlass des Ehescheidungsurteils im den Betrag von Fr. 566.- übersteigenden Betrag an und sistierte diesen gänzlich ab dem 1. Mai 2022, verzichtete angesichts der Sistierung des Ehegattenunterhaltsbeitrags auf die Prüfung eines hypothetischen Einkommens von A., wies das Bezirksgericht weiter an, die Steuern beider Parteien nachvollziehbar neu festzusetzen und nach welchen Grundsätzen es im Rahmen der Neufestsetzung der Unterhaltsbeiträge den Überschuss zu verteilen habe.
BGE 149 III 44 S. 46

B.b Das Bezirksgericht entschied am 10. Januar 2022 neu. Es legte unter anderem die Kindesunterhaltsbeiträge in sechs Zeitabschnitten fest.

C. A. (Beschwerdeführerin) erhebt mit Eingabe vom 21. Februar 2022 Beschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung der Entscheide vom 29. April 2021 und vom 10. Januar 2022 und die Neuregelung insbesondere hinsichtlich der Kindesunterhaltsbeiträge sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen (Art. 75 Abs. 1 BGG), die als oberes Gericht auf Rechtsmittel hin entschieden haben (Art. 75 Abs. 2 BGG). Selbständig eröffnete oberinstanzliche Entscheide in Zivilsachen, mit welchen die Sache zu neuem Entscheid an die erste Instanz zurückgewiesen werden, gelten generell als Vor- bzw. Zwischenentscheide ( BGE 145 III 42 E. 2.1), die - sofern sie weder die Zuständigkeit noch Ausstandsbegehren betreffen (Art. 92 BGG) - nur unter den in Art. 93 Abs. 1 BGG genannten Voraussetzungen angefochten werden können, wozu die Partei selbst bei gegebenen Voraussetzungen aber nicht verpflichtet ist ( BGE 143 III 290 E. 1.4). Ist die Beschwerde nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, ist der Vor- bzw. Zwischenentscheid durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG). Gegen den auf Rückweisung hin ergangenen Entscheid der ersten Instanz ist grundsätzlich wiederum der Instanzenzug zu durchlaufen. Ausnahmsweise kann ein oberinstanzlicher Rückweisungsentscheid im Anschluss an den erstinstanzlichen Endentscheid direkt mit gegen den letzteren gerichteter Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Dies aber nur, wenn ausschliesslich die Erwägungen im Rückweisungsentscheid der oberen kantonalen Instanz kritisiert werden. Ausserdem dürfen nur Punkte gerügt werden, über die das obere Gericht abschliessend - und somit für das erstinstanzliche Gericht verbindlich - entschieden hat ( BGE 145 III 42 E. 2.2.1; BGE 143 III 290 E. 1.5). Wenn in einem Punkt,
BGE 149 III 44 S. 47
der von der beschwerten Partei vor dem Bundesgericht im Anschluss an den erstinstanzlichen Entscheid gerügt wird, die obere kantonale Instanz dem erstinstanzlichen Gericht Entscheidungsspielraum überlassen hat, kann das Bundesgericht auf diese Rüge mangels Erschöpfung des Instanzenzugs (vgl. BGE 143 III 290 E. 1.1 mit Hinweisen) nicht eintreten ( BGE 145 III 42 E. 2.2.2).
Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes befasst sich das Bundesgericht grundsätzlich nur einmal mit einer Angelegenheit ( BGE 143 III 290 E. 1.3; BGE 142 II 363 E. 1.3; BGE 141 III 80 E. 1.2). Daher ist es unzulässig, den Rechtsweg eines auf Rückweisung hin ergangenen erstinstanzlichen Endentscheids nach Massgabe der Rügen gleichsam auf die obere kantonale Rechtsmittelinstanz und auf das Bundesgericht aufzuteilen. Ausserdem ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, den oberinstanzlichen Rückweisungsentscheid auszulegen und dessen Erwägungen danach abzugrenzen, ob sie für das erstinstanzliche Gericht verbindliche Anordnungen enthalten oder ob sie diesem einen Entscheidungsspielraum überlassen. Vielmehr obliegt es der beschwerdeführenden Partei, dies klar und soweit möglich belegt darzutun (Art. 42 Abs. 2 BGG). Will also die beschwerdeführende Partei nebst den - für das erstinstanzliche Gericht verbindlichen - Erwägungen des Rückweisungsentscheids auch Aspekte des nach Rückweisung ergangenen erstinstanzlichen Entscheids beanstanden, welche die erste Instanz entweder in eigener Verantwortung zum ersten Mal beurteilt hat oder für welche sie gestützt auf den Rückweisungsentscheid über einen Entscheidungsspielraum verfügte, muss sie den Instanzenzug durchlaufen.

1.2 Die vorliegende Beschwerde richtet sich formell sowohl gegen den erstinstanzlichen Endentscheid vom 10. Januar 2022 als auch gegen den obergerichtlichen Rückweisungsentscheid vom 29. April 2021 (vgl. Rechtsbegehren Sachverhalt Bst. C). Materiell macht die Beschwerdeführerin unter anderem geltend, die Abänderung des Eheschutzentscheids vom 7. April 2015 dürfe nicht auf den Zeitpunkt der Gesuchstellung zurückwirken, es sei absurd, ihr rückwirkend ein hypothetisches Einkommen anzurechnen, die für den Beschwerdegegner eingesetzte Steuerlast sei klar übersetzt und der Unterhalt sei auf ca. Fr. 1'000.- pro Kind gekürzt worden, weil die Beteiligung am Überschuss des Beschwerdegegners gedeckelt worden und obwohl dieser bereit gewesen sei, jeden Monat Fr. 1'487.- pro Kind zu bezahlen.
BGE 149 III 44 S. 48

1.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Obergericht dem Bezirksgericht nicht verbindlich vorgegeben, für die Abänderung auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abzustellen; es hat diesem bloss vorgeworfen, "ohne jegliche Begründung" nicht auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung abgestellt zu haben, es aber offengelassen, ob im vorliegenden Fall ein anderer Zeitpunkt für die Anpassung der Unterhaltsleistungen infrage kommt. Auf die Prüfung eines hypothetischen Einkommens hat das Obergericht ausdrücklich verzichtet und mit Bezug auf die Steuern hat es lediglich festgehalten, diese seien nachvollziehbar neu festzusetzen. Wenn nun das Bezirksgericht nach Ansicht der Beschwerdeführerin bei der Festsetzung ihres hypothetischen Einkommens und der beim Beschwerdegegner zu berücksichtigenden Steuern Fehler gemacht haben soll, richtet sich die Kritik allein an das Bezirksgericht. Schliesslich wies das Obergericht das Bezirksgericht - lediglich, aber immerhin - an, nach welchen Grundsätzen es im Rahmen der Neufestsetzung der Unterhaltsbeiträge den Überschuss zu verteilen habe; von einer verbindlichen Vorgabe seitens des Obergerichts kann keine Rede sein.
Diese vier Beispiele zeigen auf, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht auch Aspekte des nach Rückweisung ergangenen erstinstanzlichen Entscheids beanstandet, welche das Bezirksgericht entweder in eigener Verantwortung zum ersten Mal beurteilt hat (hypothetisches Einkommen, Steuerlast) oder für welche es gestützt auf den Rückweisungsentscheid über einen Entscheidungsspielraum verfügte (Zeitpunkt der Abänderung der Unterhaltsbeiträge; Höhe des Überschussanteils). Daher kann auf die Beschwerde insgesamt nicht eingetreten werden.

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz