1 BGE 116 Ia 70 - Bundesgerichtsentscheid vom 08.03.1990

Entscheid des Bundesgerichts: 116 Ia 70 vom 08.03.1990

Hier finden Sie das Urteil 116 Ia 70 vom 08.03.1990

Sachverhalt des Entscheids 116 Ia 70

Der Bundesgerichtshof (BGE) hat in Urteil X. vom 8. März 1990 i.S. des Präsidiums des Kriminal- und Polizeigerichtes des Kantons Glarus (staatsrechtliche Klage) entschieden, dass der militärische Untersuchungsrichter als zuständig für Verkehrsübertretungen im Zusammenhang mit einer Fahrt auf der Nationalstrasse N 3 in Mollis am 22. September 1989 ist und daher dem Militärstrafgesetz unterstellt werden muss. Der Kläger, Präsident des Kriminal- und Polizeigerichts des Kantons Glarus, hat sich bei dieser Fahrt als militärischer Untersuchungsrichter dienstlich unterwegs. Er war an der Einvernahme beteiligt und hatte die erste Massnahme getroffen, indem er seine Zuständigkeit prüfte und den Gerichtsschreiber aufbieten liess. Nachher beging er sich an den Ort der Einvernahme mit dem Privatfahrzeug, wobei er Uniform getragen hat. Das Militärstrafgesetz sieht vor, dass Dienstpflichtige und Hilfsdienstpflichtige während ihres Militärdienstes dem Militärstrafrecht unterstehen. Das Kläger ist daher dem Militärstrafrecht anwendbar. Die Behörden der Militärstrafgerichtsbarkeit sind für zuständig erklärt, und das Verfahren wird sistiert. Der Bundesgerichtshof hat jedoch auch festgestellt, dass ein Kompetenzkonflikt zwischen den kantonalen und militärischen Gerichten besteht. Der Kläger ist als Präsident des Kriminal- und Polizeigerichts des Kantons Glarus zuständig für Verkehrsübertretungen im Zusammenhang mit einer Fahrt auf der Nationalstrasse N 3 in Mollis, während die Behörden der Militärstrafgerichtsbarkeit für solche Vergehen zuständig sind. Um dieses Konflikt zu lösen, hat das Bundesgericht entschieden, dass das Verfahren und die Urteile aufgestellt werden müssen, die einen Übergriff der zivilen Gerichtsbarkeit in die militärische Gerichtsbarkeit oder der militärischen in die zivile Gerichtsbarkeit enthalten. Das BGE hat daher den Kläger gutzuheissen und die Behörden der Militärstrafgerichtsbarkeit für zuständig erklärt.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

Details zum Bundesgerichtsentscheid von 08.03.1990

Dossiernummer:116 Ia 70
Datum:08.03.1990
Schlagwörter (i):ändig; Zusammenhang; Kompetenz; Kompetenzkonflikt; Dienst; Bundes; Militärstrafrecht; Behörde; Kantons; Glarus; Klage; Militärstrafgesetz; Personen; Behörden; Zuständigkeit; Bundesgericht; HAURI; Kommentar; Urteil; Untersuchungsrichter; Einvernahme; Verkehrsübertretungen; Fahrt; Polizeigericht; Verfahren; Gerichtsbarkeit; Kompetenzkonflikte

Rechtsnormen:

BGE: 103 IA 351, 103 IA 355, 101 IA 432, 101 IA 431 , 106 IA 51

Artikel: Art. 83 lit. a OG, Art. 2 MStG , Art. 223 MStG , Art. 2 MStG , Art. 218 MStG , Art. 218 MStG , Art. 223 MStG

Kommentar:
-

Entscheid des Bundesgerichts

Urteilskopf
116 Ia 70

11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. März 1990 i.S. X. gegen Präsidium des Kriminal- und Polizeigerichtes des Kantons Glarus (staatsrechtliche Klage)

Regeste
Art. 83 lit. a OG; Kompetenzkonflikt nach Art. 223 MStG.
Der militärische Untersuchungsrichter tritt seinen Dienst mit dem Anruf bzw. dem Aufgebot durch den zuständigen Kommandanten (oder die Direktion der Eidgenössischen Militärverwaltung) an. Begibt er sich daraufhin - in der Regel in Uniform - an den Ort der Einvernahme, so steht dies im Zusammenhang mit der von ihm zu erbringenden Militärdienstleistung, weshalb er für Verkehrsübertretungen während der Fahrt dorthin dem Militärstrafgesetz untersteht. Nur wenn jeder solcher Zusammenhang fehlt, sind Verkehrsübertretungen der dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen durch die zivilen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen.

Sachverhalt ab Seite 71
BGE 116 Ia 70 S. 71
Am 22. September 1989 hielt die Kantonspolizei Glarus X. auf der Nationalstrasse N 3 in Mollis auf. Sie hielt ihm vor, er habe mit dem ihm gehörenden Personenwagen die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h überschritten; die Messung habe einen Wert von 155 km/h ergeben. Es ist unbestritten, dass X. bei dieser Fahrt als militärischer Untersuchungsrichter dienstlich unterwegs war. Offen ist, ob ein dienstlicher Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung vorhanden war.
Mit Strafverfügung vom 9. November 1989 verurteilte der Einzelrichter für Strafsachen des Kantons Glarus X. zu einer Busse von Fr. 250.-- sowie zu einer Gerichtsgebühr von Fr. 40.--. Mit Eingabe vom 13. November 1989 bestritt X. die Zuständigkeit des glarnerischen Richters und machte geltend, er unterstehe der Militärjustiz. Der Einzelrichter überwies darauf die Akten als Einsprache ans Polizeigericht. Dieses sistierte das Verfahren am 16. Januar 1990 bis zur Erledigung des Kompetenzkonfliktes durch das Bundesgericht.
Mit Eingabe vom 29. Dezember 1989 beantragt X., es sei das Präsidium des Kriminal- und Polizeigerichts des Kantons Glarus als unzuständig zu erklären, die von ihm am 22. September 1989 begangene Geschwindigkeitsübertretung zu verfolgen und zu beurteilen, und es seien die militärischen Gerichte als zuständig zu erklären.

Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1. Anstände über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit werden vom Bundesgericht endgültig entschieden (Art. 223 Abs. 1 MStG). Es beurteilt Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden einerseits und kantonalen Behörden andererseits im Verfahren der staatsrechtlichen Klage (Art. 83 lit. a OG). Diese Zuständigkeit erstreckt sich nicht nur auf positive oder negative, aktuelle Kompetenzkonflikte. Darunter fallen auch Situationen, in denen der Angeschuldigte geltend macht, richtigerweise sei nicht die gegen ihn vorgehende, sondern die andere Behörde zuständig (BGE 103 Ia 351 f. E. 1; s. auch KURT HAURI, Kommentar zum Militärstrafgesetz, S. 556 f. mit weiteren Hinweisen). Somit hat das Bundesgericht auf die vorliegende Beschwerde bzw. Klage im Sinne von Art. 83 lit. a OG einzutreten.
2. a) Dem Militärstrafrecht unterstehen u.a. Dienstpflichtige und Hilfsdienstpflichtige während ihres Militärdienstes, ausgenommen
BGE 116 Ia 70 S. 72
Urlauber für strafbare Handlungen nach den Art. 115-137 und 145-179 MStG, die keinen Zusammenhang mit dem Dienst der Truppe haben (Art. 2 Ziff. 1 MStG). Somit ist das Militärstrafrecht auf den Kläger grundsätzlich anwendbar.
b) Die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen sind der Militärgerichtsbarkeit unterworfen, wenn sie bei einer militärischen Übung, bei einer dienstlichen Verrichtung der Truppe oder im Zusammenhang mit einer im Militärstrafgesetz vorgesehenen strafbaren Handlung eine Widerhandlung gegen die Gesetzgebung des Bundes über den Strassenverkehr begehen. Dabei sind die Strafbestimmungen des zivilen Rechts anwendbar. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung (Art. 218 Abs. 3 MStG).
Zu entscheiden ist, ob der Kläger sich in "einer dienstlichen Verrichtung der Truppe" befand. Er war als militärischer Untersuchungsrichter unterwegs. Als solcher leistet er in aussergewöhnlicher Art Dienst. Dienstantritt hat er mit dem Anruf bzw. dem Aufgebot durch den zuständigen Kommandanten am Arbeitsplatz oder zu Hause. Dort muss er die ersten Massnahmen treffen, dabei namentlich auch seine Zuständigkeit prüfen, den Gerichtsschreiber aufbieten und die Einvernahmen organisieren. Nachher begibt er sich an den Ort der Einvernahme, allenfalls mit dem Privatfahrzeug. Das traf hier unbestritten zu. Zudem hat der Kläger bei der fraglichen Fahrt auch die Uniform getragen (s. in diesem Zusammenhang BGE 103 Ia 355 und Kommentar HAURI, a.a.O., N. 14 zu Art. 2 MStG, S. 56). Somit unterstand er wegen dieses Zusammenhangs mit der von ihm zu erbringenden Dienstleistung dem Militärstrafgesetz (vgl. Kommentar HAURI, a.a.O., N. 6 zu Art. 2 MStG, S. 55). Nur wenn jeder solcher Zusammenhang fehlt, sind Verkehrsübertretungen der dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen durch die zivilen Behörden zu verfolgen und zu beurteilen (BGE 101 Ia 432). Belanglos ist, ob die Geschwindigkeitsübertretung dienstlich zu rechtfertigen ist. Das ist nicht eine Frage der gerichtlichen Kompetenz, sondern der materiellen Beurteilung. In dieser Hinsicht ist durchaus das zivile Recht über den Strassenverkehr anwendbar (Art. 218 Abs. 3 Satz 2 MStG). Allerdings bildet die materielle Beurteilung nicht bereits Gegenstand des vorliegenden Kompetenzkonfliktsverfahrens (s. BGE 101 Ia 431, BGE 76 I 194 E. 3, BGE 67 I 341; Kommentar HAURI, a.a.O., S. 558 f.).
3. Besteht ein Kompetenzkonflikt, so hebt das Bundesgericht das Verfahren oder die Urteile auf, die einen Übergriff der zivilen
BGE 116 Ia 70 S. 73
in die militärische Gerichtsbarkeit oder der militärischen in die zivile Gerichtsbarkeit enthalten (Art. 223 Abs. 2 Satz 1 MStG). Belanglos ist, ob das aufzuhebende Strafurteil bereits rechtskräftig (BGE 106 Ia 51 E. 3), sistiert usw. sei.
4. Nach dem Ausgeführten ist die Klage gutzuheissen, und die Behörden der Militärstrafgerichtsbarkeit sind für zuständig zu erklären. ...

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.