Bundesgerichtsentscheid

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Bundesgerichtsentscheid 114 IV 32 vom 19.02.1988

Dossiernummer:114 IV 32
Datum:19.02.1988
Schlagwörter (i):Beweis; Bilanz; Beweiseignung; Nachlassvertrages; Urkunde; Beschwerdeführer; Urkunden; Gerichtlichen; Erschleichung; SchKG; Vermögenslage; Schuldner; Konkurrenz; Urkundenfälschung; Verkehrsübung; Abgenommen; Generalversammlung; Gutgeheissen; Geprüft; Beschwerdeführers; Kontrollstelle; Verhalten; Bundesgericht; Entscheid; Zitiert; Bilanzen; Diss; Schuldners

Rechtsnormen:

BGE: 101 IV 278, 103 IV 25, 108 IV 29

Artikel: Art. 170 StGB , Art. 110 StGB , Art. 29 SchKG , Art. 29 SchKG , Art. 17 StGB

Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Urteilskopf
114 IV 32

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Februar 1988 i.S. E. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste
Art. 110 Ziff. 5 StGB i.V.m. Art. 293 SchKG; Beweiseignung einer Bilanz.
Eine im Nachlassverfahren eingereichte Bilanz stellt eine Urkunde dar, der von Gesetzes wegen Beweiseignung hinsichtlich der dargestellten Vermögenslage zukommt (E. 2).
Art. 170 und 251 StGB.
Zwischen Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages und Urkundenfälschung besteht echte Konkurrenz (E. 3).

Erwägungen ab Seite 32
BGE 114 IV 32 S. 32
Aus den Erwägungen:
2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 110 Ziff. 5 StGB gelten als Urkunden u.a. Schriften, welche bestimmt
BGE 114 IV 32 S. 33
und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Beweiseignung muss sich aus Gesetz oder Verkehrsübung ergeben (BGE 101 IV 278).
a) Der Beschwerdeführer rügt, die fraglichen Bilanzen aus den Jahren 1974 und 1975 seien zum Beweis nicht geeignet. Dabei beruft er sich auf BGE 103 IV 25, wonach einer Bilanz, welche von der Kontrollstelle nicht geprüft oder gutgeheissen und von der Generalversammlung nicht abgenommen worden sei, weder von Gesetzes wegen noch nach der Verkehrsübung Beweiseignung zukomme.
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers kann aus dem zitierten Bundesgerichtsentscheid nicht geschlossen werden, einer von der Kontrollstelle nicht geprüften oder gutgeheissenen und von der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz komme auch nach der Verkehrsübung keine Beweiseignung zu. Das Bundesgericht wies die Vorinstanz in jenem Fall an, diese Frage zu prüfen, was in concreto zur Bejahung der Beweiseignung führte (unveröffentlichter Entscheid des Kassationshofes vom 23. Februar 1978, zitiert bei NIKLAUS SCHMID, ZStR 95/1978, S. 319). Dieser Punkt kann vorliegendenfalls offenbleiben, wie sich aus b) hienach ergibt.
b) Gemäss Art. 293 SchKG hat der Schuldner dem Nachlassvertragsbegehren nebst einem Verzeichnis seiner Geschäftsbücher eine Bilanz beizulegen, aus welcher seine Vermögenslage ersichtlich ist. Nach Anhörung des Schuldners entscheidet die Nachlassbehörde über das Gesuch (Art. 294 SchKG). Da die Überprüfung des Stundungsbegehrens "meistens eher oberflächlich" ausfällt (ERNST GANAHL, Entscheidungskriterien für die Wahl und die Bestätigung eines Nachlassvertrages gemäss SchKG, Diss. Zürich 1978, S. 45), muss sich die Nachlassbehörde zur Beurteilung der Vermögenslage des Schuldners zwangsläufig auf die von ihm eingereichte Bilanz stützen. Aus dieser praktischen Bedeutung und aus dem Umstand, dass nur dem ehrlichen Schuldner die Rechtswohltat des Nachlassvertrages zukommen soll, ergibt sich die Beweiseignung einer im Nachlassvertragsverfahren eingereichten Bilanz für die Darstellung der tatsächlichen Vermögenslage. Somit ist die Beweiseignung der vom Beschwerdeführer eingereichten Bilanzen für die Jahre 1974 und 1975 zu bejahen.
3. a) Der Beschwerdeführer geht auch fehl in der Annahme, anstelle der Urkundenfälschung hätte sein Verhalten ausschliesslich als Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages im Sinne von Art. 170 StGB geahndet werden dürfen, da zwischen den
BGE 114 IV 32 S. 34
beiden Tatbeständen, analog jenen des Finanzstrafrechts und Art. 251 StGB (BGE 108 IV 29 f.), unechte Konkurrenz in Form der Spezialität bestehe.
b) Während der Unrechtsgehalt bei der Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages in erster Linie in der Irreführung der Rechtspflege (84 IV 161) besteht, soll durch den Tatbestand der Urkundenfälschung die Sicherheit des Rechtsverkehrs geschützt werden.
Durch die Anwendung bloss einer dieser Strafnormen wäre das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers nicht vollständig erfasst und abgegolten. Deshalb ist zwischen den Art. 170 und 251 StGB echte Konkurrenz (Realkonkurrenz) anzunehmen (vgl. auch FRIEDRICH HASLER, Die Erschleichung eines Nachlassvertrages, Diss. Zürich 1948, S. 76 f.).

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