Kanton: | ZH |
Fallnummer: | VB100003 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | Verwaltungskommission |
Datum: | 04.05.2012 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Aufsichtsbeschwerde |
Schlagwörter: | Beschwerde; Verfahren; Beschwerdeführer; Aufsichts; Verwaltung; Rekurs; Verfahrens; Beschluss; Verwaltungskommission; Verhandlung; Obergericht; Beschwerdeführers; Wegweisung; Verfahren; Beschwerdegegner; Aufsichtsbehörde; Anzeige; Obergerichts; Entscheid; Prozess; Aufsichtsbeschwerde; Bundesgericht; Massnahme; Kantons; Rekursverfahren; Akten; Antrag; Vorsitzende |
Rechtsnorm: | Art. 17 BV ; Art. 36 BV ; Art. 404 ZPO ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
Verwaltungskommission
Geschäfts-Nr.: VB100003-O/U
Mitwirkend: Obergerichtspräsident Dr. A. Müller, Oberrichterin Dr. D. Scherrer und Oberrichter lic. iur. M. Burger sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Leu-Zweifel
in Sachen
A. ,
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X.
gegen
Bezirksgericht Zürich, 7. Abteilung,
Beschwerdegegner
betreffend Aufsichtsbeschwerde
I.
Im Strafverfahren DG090491 hatte das Bezirksgericht Zürich (nachfolgend: Beschwerdegegner) im Wesentlichen einen Fall häuslicher Gewalt zu beurteilen. Mit Rücksicht auf den Schutz der Persönlichkeit des Angeklagten und der Geschädigten sowie auf das Alter des Angeklagten war die Öffentlichkeit schon im Vorfeld der Verhandlung vom Verfahren ausgeschlossen worden. Zugelassen wurden hingegen akkreditierte Gerichtsberichterstatter.
Zu Beginn der Verhandlung vom 14. Januar 2010 wies der Vorsitzende unter anderem darauf hin, der Ausschluss der Öffentlichkeit impliziere, dass von den Verfahrensbeteiligten keine persönlichen Daten wie Namen oder Wohnorte und keine Bilder publiziert würden, seien diese nun inoder aus-
serhalb des Gerichtsgebäudes aufgenommen worden. A.
(nachfolgend: Beschwerdeführer) fragte er, ob er Gewähr dafür bieten könne, dass die Privatsphäre der Prozessbeteiligten in besagtem Sinne gewahrt werde, andernfalls er von der heutigen Verhandlung ausgeschlossen werden müs- se. Der Beschwerdeführer habe darauf geantwortet, er könne für gar nichts garantieren, da über die Art und Weise der Berichterstattung der Chefredaktor bestimme. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer von der Verhandlung ausgeschlossen, und es wurde ihm dazu ein schriftlich begründeter Entscheid in Aussicht gestellt (act. 4/2, Prot. im Verfahren DG090491 S. 4).
Am 14. Januar 2010 liess der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich ersuchen, aufgrund des Ausschlusses des Beschwerdeführers von der obgenannten Verhandlung den Vorsitzenden des Beschwerdegegners an die in der auch für ihn geltenden Akteneinsichtsverordnung vorgesehenen Abläufe zu erinnern (act. 1).
Nachdem der begründete Beschluss betreffend Ausschluss des Beschwerdeführers vorlag (act. 4/1), liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom
28. Januar 2010 sodann folgende Anträge stellen (act. 3):
1. Es sei die Nichtigkeit des Beschlusses vom 14. Januar 2010 festzustellen.
eventualiter: Es sei festzustellen, dass der Beschluss rechtswidrig ist und die Wegweisung von A. zu Unrecht erfolgte,
unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. MWSt.-Zuschlag) zu Lasten der Staatskasse.
Es sei zu prüfen, ob seitens des Obergerichts eine disziplinarische Massnahme (Verwarnung) an Bezirksrichter Dr. B. zu ergehen habe.
In prozessualer Hinsicht sei
die vorliegende Eingabe im Verfahren der Verwaltungskommission zu den Akten zu nehmen,
eventualiter als Beschwerde im Sinne von § 108 f. GVG zu betrachten, subeventualiter als fristgerechter Rekurs gegen den Beschluss entgegenzunehmen und an die III. Strafkammer weiterzureichen, soweit nicht die Verwaltungskommission der Ansicht ist, Beschluss und darin angegebener Rechtsweg seien ohnehin unzutreffend,
es seien jedenfalls das laufende Verfahren der Verwaltungskommission und das vorliegende Beschwerde-, evtl. Rekursverfahren bei der Verwaltungskommission zu vereinigen.“
In der Folge wurde dem Beschwerdegegner mit Verfügung vom 4. Februar 2010 Frist zur Vernehmlassung angesetzt (act. 5). Nach Eingang der Beschwerdeantwort vom 11. Februar 2010 (act. 7) wurde diese dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 19. Februar 2010 zur Kenntnisnahme zugestellt (act. 9).
Mit Beschluss vom 6. Mai 2010 überwies die Verwaltungskommission die Beschwerde vom 28. Januar 2010 in Sachen der Parteien betreffend Wegweisung aus der Verhandlung samt Akten an die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich zur Behandlung als Rekurs und sistierte ihr Beschwerdeverfahren bis zur Erledigung des Rekursverfahrens (act. 11).
Am 22. Februar 2011 wies die III. Strafkammer den Rekurs unter der Geschäfts-Nr. UK100065 ab, soweit darauf eingetreten wurde (act. 15), woge-
gen der Beschwerdeführer Beschwerde in Strafsachen sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht erhob (act. 16). Mit Beschluss vom 19. April 2011 sistierte die Verwaltungskommission das vorliegende Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts erneut (act. 18), welcher am 14. Juli 2011 erging (act. 21). Damit ist die Sistierung aufzuheben und das Verfahren fortzuführen.
II.
Seit dem 1. Januar 2011 gilt in der Schweiz eine neue, Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), welche die bis anhin gültigen kantonalen Zivilprozessordnungen ablöst. Bei Verfahren, die - wie das Vorliegende - bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes rechtshängig sind, gilt das bisherige Verfahrensrecht und damit die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich (ZPO/ZH) sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) weiterhin bzw. bis zum Abschluss vor der betroffenen Instanz (Art. 404 Abs. 1 ZPO).
III.
Nachdem die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich in obgenanntem Beschluss den Antrag 1 betreffend Feststellung der Nichtigkeit bzw. der Rechtswidrigkeit der Wegweisung des Beschwerdeführers aus der massgebenden Verhandlung abwies (act. 15) und dies am 14. Juli 2011 durch das Bundesgericht bestätigt wurde (act. 21), bleiben im Folgenden die Anträge 2 und 3 zu prüfen.
Dem Antrag 3a des Beschwerdeführers auf Überweisung der Eingabe zur Behandlung als Rekurs ist man seitens der Verwaltungskommission mit Beschluss vom 6. Mai 2010 nachgekommen (act. 11). Der Antrag 3b auf Vereinigung des hiesigen Verfahrens mit dem Rekursverfahren ist infolge der bereits erfolgten rechtskräftigen Entscheidung des Rekursbzw. Rechtsmittelverfahrens als gegenstandslos geworden abzuschreiben.
Im Antrag 2 begehrt der Beschwerdeführer die Prüfung der Aussprechung einer Verwarnung gegenüber dem Vorsitzenden des Beschwerdegegners (act. 3 S. 2).
Als Aufsichtsbehörde über die Bezirksgerichte ist die Verwaltungskommission zur Behandlung der vorliegenden administrativen Beschwerde zuständig (§ 106 GVG, § 18 Abs. 1 der Verordnung über die Organisation des Obergerichts vom 3. November 2010 [LS 212.51]; Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 106 N 1).
Mit der Aufsichtsbeschwerde wird die Aufsichtsbehörde veranlasst, von ihrer Aufsichtsund Disziplinargewalt Gebrauch zu machen. Ihrem Wesen nach stellt die Aufsichtsbeschwerde nichts anderes als eine Verzeigung dar, mit der auf ein ordnungsund rechtswidriges Verhalten einer Justizperson hingewiesen wird. Es ist Sache der Aufsichtsbehörde darüber zu entscheiden, ob sie Ordnungsfehler ahndet. Dabei obliegt ihr ein pflichtgemäss auszu- übendes Ermessen. Dementsprechend verpflichtet eine Anzeige die Aufsichtsbehörde nicht zum Eingreifen bzw. zur Anhandnahme eines Verfahrens. Immerhin kann sich aber aus der Art der Vorwürfe die Pflicht der jeweiligen Aufsichtsbehörde ergeben, weitere Abklärungen zu treffen. Solche sind namentlich dann angezeigt, wenn offensichtlich objektiv begründete Hinweise auf eine Verfehlung und damit ein öffentliches Interesse an der Aufklä- rung des Fehlverhaltens bestehen, sich weitere Abklärungen somit geradezu aufdrängen (vgl. zum bisherigen Recht: Hauser/Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, Zürich 2002, § 108 N 3 und 43;
ZR 86 [1987] Nr. 78; ZR 73 [1974] Nr. 6; ZR 44 [1945] Nr. 17; ZR 35 [1936]
Nr. 143). Als mögliche Sanktionen kommen insbesondere die Ermahnung oder die Erteilung eines Verweises in Betracht (vgl. zum Ganzen Hauser/Schweri, a.a.O., § 108 N 36 ff. und § 110 N 23).
Als Anzeige kann eine Aufsichtsbeschwerde grundsätzlich von jedermann erhoben werden. Der Anzeigerstatter kann aus seiner Stellung jedoch keine Verfahrensrechte ableiten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Drittperson oder um eine Verfahrenspartei des der Aufsichtsbeschwerde zu-
grunde liegenden Verfahrens handelt. Der Grund hierfür liegt darin, dass die in einem separaten Verfahren durchzuführende Aufsichtsbeschwerde nicht eine Streitigkeit zwischen dem Anzeiger und der Verwaltung umfasst, sondern eine das Verhältnis zwischen der Verwaltung und dem Gesetz bzw. der Aufsichtsbehörde und dem Beaufsichtigten betreffende Angelegenheit zum Gegenstand hat. Demzufolge hat der Anzeigeerstatter weder einen Anspruch auf Mitteilung des Ausgangs des Verfahrens noch steht ihm die Legitimation zur Ergreifung eines Rechtsmittels zu (ZR 45 [1946] Nr. 15; ZR 86
[1987] Nr. 78).
Das Bundesgericht erwog in seinem Entscheid vom 14. Juli 2011 zur Frage der Zulässigkeit der Wegweisung des Beschwerdeführers aus der massgebenden Verhandlung, bei der Wegweisung eines Gerichtsberichterstatters stelle sich die Frage der Verletzung des Grundrechts der Medienfreiheit nach Art. 17 BV. Eine Einschränkung sei unter den in Art. 36 BV enthaltenen Voraussetzungen zulässig. § 135 GVG/ZH stelle eine genügende gesetzliche Grundlage für die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Verhandlung und damit für den Eingriff in die Medienfreiheit dar. Die Wegweisung sei sodann erforderlich und gerechtfertigt gewesen und habe eine taugliche Massnahme zum Schutz der Persönlichkeit der Verfahrensbeteiligten dargestellt. Weiter bezeichnete das Bundesgericht das Zweck-MittelVerhältnis als vernünftig, auch mit Blick auf die in Art. 10 Ziff. 1 EMRK gewährleistete Freiheit der Meinungsäusserung (Urk. 21 E. 4 f.). Das Bundesgericht kam somit zum Ergebnis, die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Verhandlung habe eine gesetzlich zulässige, notwendige und verhältnismässige Massnahme dargestellt. Insoweit bestehen keine objektiven Anhaltspunkte, welche in Ausübung des pflichtgemässen Ermessens und gestützt auf die Beanstandungen des Anzeigerstatters die Ergreifung von aufsichtsrechtlichen Massnahmen als notwendig erscheinen lassen. Dies betrifft sowohl die beantragte Verwarnung wie die Erinnerung des Vorsitzenden des Beschwerdegegners an die in der Akteneinsichtsverordnung vorgesehenen Abläufe (vgl. act. 1).
IV.
Hinsichtlich der Kostenfolgen sind gemäss ständiger kantonaler Praxis nicht die zivil-, sondern die strafprozessualen Vorschriften anzuwenden. Eine Kostenauflage kommt analog der für den Strafprozess geltenden Regel des
§ 189 StPO/ZH nur dann in Betracht, wenn das Disziplinarverfahren, sei es von Seiten des Verzeigers oder des verzeigten Beamten, durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder wenn die Durchführung des Verfahrens durch ein solches Verhalten erschwert worden ist. Da die Disziplinarbeschwerde ihrem Wesen nach eine blosse Anzeige ist, hat die Feststellung der Aufsichtsbehörde, dass die Verzeigung unbegründet sei, nicht schon zur Folge, dass dem Verzeiger die Kosten aufzuerlegen wären (ZR 73 [1974] Nr. 6 S. 11 mit weiteren Verweisen). Dementsprechend sind vorliegend keine Kosten zu erheben.
Die mit Beschluss vom 19. April 2011 angeordnete Sistierung des vorliegenden Verfahrens wird aufgehoben.
Das Begehren um Vereinigung des hiesigen Verfahrens mit dem Rekursverfahren (UK100065) wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
Es werden keine aufsichtsrechtlichen Massnahmen getroffen.
Die Kosten fallen ausser Ansatz.
Es werden keine Prozessentschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, zweifach, für sich und den Beschwerdeführer, sowie an den Beschwerdegegner, je gegen Empfangsschein.
Rechtsmittel :
Ein Rekurs gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen von der Zustellung an im Doppel und unter Beilage dieses Entscheids bei der Rekurskommission des Obergerichts, Postfach 2401, 8021 Zürich, eingereicht werden. In der Rekursschrift sind die Anträge zu stellen und zu begründen. Allfällige Urkunden sind mit zweifachem Verzeichnis beizulegen.
OBERGERICHT DES KANTONS ZÜRICH
Gerichtsschreiberin:
lic. iur. A. Leu-Zweifel
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