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Urteil Verwaltungsgericht (ZH - VB.2017.00020)

Zusammenfassung des Urteils VB.2017.00020: Verwaltungsgericht

Der Beschwerdeführer A bezog von November 2013 bis April 2015 Sozialhilfe in Höhe von Fr. 40'800.65. Nachdem ihm Fr. 52'000.- aus der Erbschaft seines Vaters zugeflossen waren, forderte die Stadt Winterthur die Rückzahlung der erhaltenen Hilfe ein. Trotz Einspruch wurde die Rückerstattungsforderung auf Fr. 27'000.- reduziert. Nachdem verschiedene Instanzen den Rekurs abwiesen, gelangte A mit einer Beschwerde ans Verwaltungsgericht, um auf die Rückerstattung zu verzichten. Das Gericht entschied jedoch, dass A zur Rückerstattung von Fr. 27'000.- verpflichtet ist, da er durch die Erbschaft in finanziell günstige Verhältnisse gelangt sei. Die Gerichtskosten wurden A auferlegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts VB.2017.00020

Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2017.00020
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:3. Abteilung/3. Kammer
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2017.00020 vom 04.05.2017 (ZH)
Datum:04.05.2017
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Sozialhilfe: Erbanfall. Rückerstattung bezogener Sozialhilfe nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG.
Schlagwörter: Rückerstattung; Sozialhilfe; Hilfe; Erbschaft; Freibetrag; Bezug; Winterthur; Recht; Verwaltungsgericht; Beschwerde; Verhältnisse; Rückforderung; Bezugs; Sozialbehörde; Richtlinien; Rückerstattungsforderung; Schulden; Kammer; Bezirksrat; Lebenshaltungskosten; Verfahren; SKOS-Richtlinien
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts VB.2017.00020

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

3. Abteilung

VB.2017.00020

Urteil

der 3. Kammer

vom 4.Mai2017

Mitwirkend: Abteilungspräsident Rudolf Bodmer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Tamara Nüssle, Verwaltungsrichterin Silvia Hunziker, Gerichtsschreiber Cyrill Bienz.

In Sachen

A,

Beschwerdeführer,

gegen

Stadt Winterthur,
vertreten durch das Departement Soziales,

Beschwerdegegnerin,

betreffend Sozialhilfe,

hat sich ergeben:

I.

A bezog von November 2013 bis April 2015 wirtschaftliche Hilfe von total Fr.40'800.65. Nachdem A spätestens am 29. April 2015 Fr. 52'000.- aus der Erbschaft seines verstorbenen Vaters zugeflossen waren, verfügte die Sozialbehörde Winterthur am 5. Juni 2015 die Rückzahlung der rechtmässig bezogenen Hilfe im Betrag von Fr.40'800.65. Am 12. November 2015 reduzierte die Hauptabteilungsleitung Sozialberatung Winterthur den Rückerstattungsbetrag auf Fr. 27'000.-. Die hiergegen von A erhobene Einsprache wurde von der Sozialhilfebehörde Winterthur am 5. April 2016 abgewiesen.

II.

Am 8. Mai 2016 erhob A Rekurs beim Bezirksrat Winterthur mit dem Antrag, es sei von der Verpflichtung zur Rückerstattung abzusehen. Am 25. November 2016 wies der Bezirksrat den Rekurs ab.

III.

Am 12. Januar 2017 gelangte A mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht und beantragte, auf die Rückerstattungsverpflichtung sei zu verzichten. Die Begründung seiner Beschwerde stellte er bis spätestens 15. Februar 2017 in Aussicht. Nachdem er vom Verwaltungsgericht darauf hingewiesen worden war, dass die Beschwerdefrist nicht erstreckt werden könne, reichte A am 16. Januar 2017 eine Begründung für seinen bereits am 12. Januar 2017 gestellten Antrag ein.

Der Bezirksrat Winterthur beantragte am 25. Januar 2017 die Abweisung der Beschwerde und verwies auf die Erwägungen in seinem angefochtenen Entscheid. Am 16. Februar 2017 liess sich die Sozialbehörde Winterthur zur Beschwerde vernehmen. Sie beantragte, die Beschwerde sei abzuweisen.

Die Kammer erwägt:

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss §41 Abs.1 in Verbindung mit §19 Abs.1 lit.a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24.Mai 1959 (VRG) für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.

2.1 Wer für seinen Lebensunterhalt nicht nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann, hat nach § 14 des Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 (SHG) Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe. Diese bemisst sich grundsätzlich nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien; § 17 Abs. 1 der Sozialhilfeverordnung vom 21. Oktober 1981 [SHV]). Sozialhilfe ist immer subsidiär und verlangt, dass zunächst alle anderen Möglichkeiten der Hilfe ausgeschöpft werden, bevor staatliche Hilfeleistungen erbracht werden. Sozialhilfe ist auch nachrangig zu freiwilligen Leistungen Dritter und Unterstützungen ohne Rechtspflicht (Peter Mösch Payot, in: Sabine Steiger-Sackmann/Hans-Jakob Mosimann [Hrsg.], Handbücher für die Anwaltspraxis, Recht der sozialen Sicherheit, Basel 2014, N. 39.30). Sind daher Vermögenswerte vorhanden, sind diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen. Auch ein Freibetrag aus einer Erbschaft ist für die Lebenshaltungskosten aufzuwenden (vgl. zum Freibetrag: E. 2.3).

2.2 Bezogene Sozialhilfe ist grundsätzlich zurückzuerstatten (Mösch Payot, N. 39.31). Nach §26 SHG ist zur Rückerstattung der wirtschaftlichen Hilfe verpflichtet, wer diese unter unwahren unvollständigen Angaben erwirkt hat. Wurde die wirtschaftliche Hilfe auf solche Weise erschlichen, ist die Rückerstattungsforderung zu verzinsen (§29 SHG).

2.3 Davon zu unterscheiden ist die Rückerstattung bei rechtmässigem Bezug gestützt auf §27 SHG, worum es vorliegend geht. Die Rückforderung des unrechtmässigen Bezugs erfolgte in einem separaten Verfahren und beeinflusst wie im Folgenden zu zeigen sein wird die vorliegend umstrittene Rückerstattungsverpflichtung gestützt auf § 27 SHG nicht.

Nach §27 Abs.1 SHG kann rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe ganz teilweise zurückgefordert werden, wenn der Hilfeempfänger unter anderem aus Erbschaft in finanziell günstige Verhältnisse gelangt (Abs.1 lit.b). Wird gestützt auf §27 Abs.1 lit.b SHG die Rückerstattung verfügt, ist den Verpflichteten ein angemessener Betrag des Vermögensanfalles zu belassen. Gemäss SKOS-Richtlinien beträgt der Freibetrag für eine Einzelperson Fr.25'000.- (SKOS-Richtlinien, Kap.E.3.1). Finanziell günstige Verhältnisse im Sinn von §27 Abs.1 lit.b SHG liegen vor, wenn der jeweilige Vermögensfreibetrag überschritten ist (VGr, 2. Oktober 2014, VB.2014.00383, E. 2.3 mit Hinweisen).

2.4 Die Rückerstattung rechtmässig bezogener wirtschaftlicher Hilfe unterscheidet sich vom unrechtmässigen Bezug dadurch, dass sie ganz teilweise zurückgefordert werden kann (§ 27 Abs. 1 SHG), während sie im Fall von § 26 SHG zurückerstattet werden muss (vgl. VGr, 8. Februar 2007, VB.2006.00483, E. 4.2.4). Für die Rückforderung aufgrund unrechtmässigen Bezugs besteht keine Kann-Bestimmung, und es wird kein Freibetrag gewährt. Dies kann bedeuten, dass bei Erfüllen beider Rückerstattungstatbestände durch die Rückforderung auch des unrechtmässigen Bezugs in den Freibetrag eingegriffen wird (vgl. VGr, 9. April 2015, VB.2014.00530).

2.5 Die zuständige Behörde hat in Anwendung von § 27 SHG folglich einen Ermessensentscheid darüber zu fällen, ob rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe überhaupt zurückgefordert wird und, falls ja, in welchem Umfang. Eine Rückerstattung von rechtmässigem Bezug hat deshalb angemessen und verhältnismässig zu sein (Kantonales Sozialamt, Sozialhilfe-Behördenhandbuch, Kapitel15.2.01, Ziff.3, 9.Februar 2016, zu finden unter www.sozialhilfe.zh.ch; VGr, 16.Januar2014, VB.2013.00756, E.2.4). Den Sozialbehörden steht bei der Anwendung von §27 Abs.1SHG bezüglich Billigkeitsüberlegungen ein erheblicher Spielraum zu. In die diesbezügliche Ermessensbetätigung darf das auf Rechtskontrolle beschränkte Verwaltungsgericht nicht eingreifen (§50 Abs.2VRG).

3.

3.1 Vorliegend steht fest, dass dem Beschwerdeführer aus der Erbschaft seines verstorbenen Vaters insgesamt Fr. 52'000.- ausbezahlt wurden. Damit liegt ein Sachverhalt gemäss § 27 Abs. 1 lit. b SHG vor. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er durch die Erbschaft nicht in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt sei, da er seit März 2016 erneut vom Sozialamt unterstützt werde, ausstehende Verlustscheine von ungefähr Fr. 500'000.- und kein Pensionskassenkapital angespart habe. Er habe mit 59 Jahren praktisch keine Chancen mehr auf eine Arbeitsstelle. Deshalb bitte er, auf die Rückerstattung zu verzichten.

3.2 Wie die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeantwort zutreffend ausführt, sind bei der Prüfung der Frage, ob der Betroffene durch die Erbschaft "in finanziell günstige Verhältnisse" gelangt ist, bestehende Schulden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dafür spricht der in §22 SHV verankerte Grundsatz, dass die Sozialhilfe nur ausnahmsweise, zwecks Abwendung einer bestehenden drohenden Notlage, Schulden übernehmen soll. Dies beruht auf dem Grundsatz, dass andere Gläubigerinnen und Gläubiger nicht gegenüber dem Sozialhilfe leistenden Gemeinwesen bevorzugt werden sollen (VGr, 19.Juni2003, VB.2003.00107, E.4a). Den Sozialbehörden ist es im Rahmen des ihnen bei der Anwendung von §27 Abs.1 SHG zustehenden Rechtsfolgeermessens jedoch nicht verwehrt, aus Billigkeitsüberlegungen die Gesamtsituation des Betroffenen und damit allenfalls auch bestehende Schulden zu berücksichtigen. Dazu verpflichtet sind sie jedoch nicht, zumal das Vorliegen eines rechtskräftigen Rückerstattungsentscheids nicht ausschliesst, dass solchen Schuldverpflichtungen in einem anschliessenden gesonderten Erlassverfahren gleichwohl noch Rechnung getragen wird.

3.3 Grundsätzlich unerheblich für die Rückerstattungsforderung gemäss § 27 SHG ist, ob die unterstützte Person im Zeitpunkt der Rückforderung nach wie vor in günstigen Verhältnissen lebt nicht. Gibt sie also das ihr zugeflossene Vermögen sogleich wieder aus, so hat dies keinen Einfluss auf die Rückerstattungsforderung. Auch in einem solchen Fall kann eine Rückerstattung verfügt werden. Die tatsächlichen Verhältnisse können aber in einem allfälligen Stundungs- Erlassverfahren berücksichtigt werden (VGr, 2. Oktober 2014, VB.2014.00383, E. 2.6 mit Hinweisen). Ferner werden die Schulden des Beschwerdeführers auch insofern zu berücksichtigen sein, als die betreibungsrechtliche Durchsetzung der Rückerstattungsforderung nur unter Wahrung des Existenzminimums möglich ist (VGr, 27. Oktober 2011, VB.2011.00461, E. 6). Der Beschwerdeführer ist somit mit seinen Vorbringen auf ein allfälliges Erlassverfahren zu verweisen, da seine Einwände keinen Einfluss auf die Rückerstattungspflicht haben.

3.4 Es ergibt sich damit, dass der Beschwerdeführer zu Recht zur Rückerstattung von Fr.27'000.- (Fr. 52'000.- verringert um den Freibetrag von Fr. 25'000.-) rechtmässig bezogener Sozialhilfe verpflichtet wurde. Die Beschwerdegegnerin verletzte ihr Ermessen nicht, wenn sie vom Beschwerdeführer Fr. 27'000.- zurückforderte. Es spielt vorliegend da der Gesamtbetrag der Erbschaft nicht umstritten ist für die Berechnung des Rückerstattungsbetrages gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG keine Rolle, dass der Beschwerdeführer einen Teil der Erbschaft bereits im Jahr 2014 vor dem (einstweiligen) Ende seiner Unterstützung im April 2015 als Vorbezug erhalten hat. Diese Umstände sind (nur) bei der Berechnung der Rückforderung aufgrund unrechtmässigen Bezugs gemäss § 26 SHG relevant, da der Beschwerdeführer aufgrund der ihm im Jahr 2014 von seinem Vater zugeflossenen Geldbeträge bereits früher von der Sozialhilfe hätte abgelöst werden können. Wie unter E. 2.1 ausgeführt, ist Sozialhilfe sämtlichen anderen Leistungen nachrangig; alle vorhandenen und neu zufliessenden Vermögenswerte (auch der Freibetrag aus einer Erbschaft) sind deshalb zur Deckung der Lebenshaltungskosten einzusetzen. Wer sich die Lebenshaltungskosten von der öffentlichen Hand finanzieren lässt, obwohl ihm ein Guthaben aus einer Erbschaft zur Verfügung steht, bezieht zu Unrecht Sozialhilfe. Diese ist ohne Gewährung eines Freibetrages gestützt auf § 26 SHG zurückzufordern. Es wäre deshalb nicht rechtsverletzend, wenn dem Beschwerdeführer nach Abschluss des Verfahrens wegen unrechtmässigen Bezugs im Ergebnis der volle Freibetrag nicht mehr zugestanden würde. Damit hat jenes Verfahren keinen Einfluss auf den vorliegenden Entscheid.

Demzufolge ist die Beschwerde abzuweisen.

4.

Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (§65a Abs.2 in Verbindung mit §13 Abs.2 VRG). Aufgrund seiner zweifellos angespannten finanziellen Situation sind die Gerichtsgebühren massvoll zu bemessen (Kaspar Plüss in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3.A., Zürich etc.2014, §13 N.39). Sofern der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtsverbeiständung und damit implizit auch um unentgeltliche Prozessführung für das Beschwerdeverfahren ersuchen wollte, was sich indes nicht eindeutig aus seinen Beschwerdeeingaben ergibt, wären diese Gesuche wegen der Aussichtslosigkeit seiner Begehren jedenfalls abzuweisen (§16 Abs.1 und 2 VRG). Eine Parteientschädigung hat der Beschwerdeführer nicht beantragt und wäre ihm angesichts seines Unterliegens auch nicht zuzusprechen (§17 Abs.2 VRG). Im Gegensatz zum Beschwerdeführer beantragte die Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung. Darauf hat sie indes keinen Anspruch, weil der vor Verwaltungsgericht geleistete Aufwand nicht als aussergewöhnlich erscheint und die Erhebung bzw. Beantwortung von Rechtsmitteln insbesondere bei einem grösseren Gemeinwesen grundsätzlich zur üblichen Amtstätigkeit gehört (Plüss, §17 N.51).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 1'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 100.-- Zustellkosten,
Fr. 1'100.-- Total der Kosten.

3. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

5. Gegen dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art.82ff. des Bundesgerichtsgesetzes erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30Tagen, von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, Schweizerhofquai6, 6004 Luzern einzureichen.

6. Mitteilung an

Quelle: https://www.zh.ch/de/gerichte-notariate/verwaltungsgericht.html
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