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Urteil Verwaltungsgericht (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:VB.2007.00323
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:3. Abteilung/3. Kammer
Verwaltungsgericht Entscheid VB.2007.00323 vom 15.11.2007 (ZH)
Datum:15.11.2007
Rechtskraft:Das Bundesgericht hat eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen diesen Entscheid am 13.10.2008 abgewiesen.
Leitsatz/Stichwort:Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung als Psychotherapeutin im Kanton Zürich.
Schlagwörter: Beschwerde; Kanton; Gesundheit; Markt; Bewilligung; Graubünden; Beruf; Psychologie; Beschwerdegegnerin; Beschwerdeführerin; Berufsausübung; Marktzugang; Voraussetzungen; Psychotherapeut; Universität; Selbständige; Sitzungen; Gleichwertig; Marktzugangs; Erstausbildung; Psychotherapeutin; Therapeutische; Recht; Verfügung; Erteilt; Binnenmarkt; Hochschule; Ausbildung; Sinne; Person
Rechtsnorm: Art. 111 BGG ;
Referenz BGE:125 I 276; 128 I 92;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

3. Abteilung

VB.2007.00323
VB.2007.00329

Entscheid

der 3. Kammer

vom 15. November 2007

Mitwirkend: Abteilungspräsident Jürg Bosshart (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Bea Rotach Tomschin, Verwaltungsrichterin Elisabeth Trachsel, Gerichtssekretär Markus Heer.

In Sachen

A, vertreten durch RA B,

Wettbewerbskommission,

betreffend Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung als Psychotherapeutin,

hat sich ergeben:

I.

A. A, geboren 1968, liess sich als Primarlehrerin ausbilden und arbeitete in der Folge als Lehrerin und Katechetin. Ab 1992 besuchte sie einen Theologiekurs für Laien, welchen sie 1997 erfolgreich abschloss. Ab 1999 absolvierte sie die Ausbildung am Institut für Körperzentrierte Psychotherapie (IKP) und wurde im Jahr 2004 als Körperzentrierte Psychotherapeutin IKP diplomiert. Von 1999 bis 2002 absolvierte sie eine Aus- und Weiterbildung in Transaktionsanalyse am Eric Berne Institut Zürich. Von 2004 bis 2006 besuchte sie an der Donau Universität Krems (Österreich) den Universitätslehrgang Psychotherapeutische Psychologie, den sie am 28. Juni 2006 mit dem Master of Science abschloss.

A ist seit August 2003 als delegierte Psychotherapeutin im Therapeutischen Ambulatorium für Ganzheitliche Therapien von Dr. med. C in Zürich tätig bei einer durchschnittlichen Wochenstundenzahl von 24 Stunden. Daneben studiert sie seit Herbst 2005 an der Theologischen Hochschule Chur. Am 10. November 2006 erhielt sie die Bewilligung zur Berufsausübung als Psychotherapeutin im Kanton Graubünden. Seit dem 1. Januar 2007 arbeitet sie einen Tag pro Woche als selbständige Psychotherapeutin in Chur.

B. A ersuchte die Gesundheitsdirektion am 25. Januar 2007, ihr die selbständige Berufsausübung als Psychotherapeutin zu bewilligen. Die Gesundheitsdirektion teilte ihr mit Schreiben vom 14. Februar 2007 mit, dass sie das Gesuch abweisen müsse. In der Folge verlangte A eine beschwerdefähige Verfügung. Die Gesundheitsdirektion beschloss mit Verfügung vom 13. Juni 2007, dass A die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung unter der Bedingung erteilt werde, dass sie eine Erstausbildung im Sinne von § 2 der Verordnung über die nichtärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vom 1.Dezember 2004 (PsyV, LS811.61) absolviere.

II.

Gegen diese Verfügung erhob A am 23. Juli 2007 Beschwerde an das Verwaltungsgericht und beantragte, dass ihr die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung der nichtärztlichen Psychotherapie ohne Auflage einer Bedingung zu erteilen sei. Am 27.Juli 2007 erhob die Wettbewerbskommission Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag, dass festzustellen sei, dass die Verfügung der Gesundheitsdirektion den Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränke. Die Beschwerdegegnerin beantragte in ihrer Beschwerdeantwort vom 27. August 2007 Abweisung der Beschwerden.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.

Sowohl die Beschwerde im Verfahren VB.2007.00323 als auch diejenige im Verfahren VB.2007.00329 richten sich gegen die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 13. Juni 2007. Sie werfen dabei dieselben Rechtsfragen auf, weshalb sie zu vereinigen sind (vgl. Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. A., Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 4-31 N. 33 f.).

2.

2.1 Die angefochtene Verfügung betrifft die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung als Psychotherapeutin, weshalb sie gemäss § 19a Abs.2 Ziff. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG) direkt mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden kann.

2.2 Die Beschwerdeführerin 1 ist als Adressatin der strittigen Verfügung ohne weiteres zur Beschwerde legitimiert (§ 70 in Verbindung mit § 21 lit. a VRG). Gemäss Art. 89 Abs.2 lit. d des Bundesgesetzes vom 17.Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) sind Personen, Organisationen und Behörden zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht legitimiert, wenn ihnen dieses Recht durch ein anderes Bundesgesetz eingeräumt wird. Ein solches Beschwerderecht steht der Beschwerdeführerin 2 nach Art. 9 Abs.2bis des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM, in der Fassung vom 20. Juni 2006) zu. Sie kann danach Beschwerde erheben, um feststellen zu lassen, ob ein Entscheid den Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt. Da sie zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, kann sie die Rechtsmittel des kantonalen Rechts ergreifen und sich vor jeder kantonalen Instanz am Verfahren beteiligen (Art. 111 Abs.2 BGG). Nach dem Dargelegten ist die Beschwerdeführerin 2 im vorliegenden Verfahren dazu legitimiert, ihr Feststellungsbegehren zu stellen. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerden einzutreten.

2.3 Im Verfahren der Direktbeschwerde nach § 19a Abs.2 VRG hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Anordnung nicht nur auf Rechtsverletzungen, sondern auch auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen (§50 Abs.3 VRG).

3.

Das Binnenmarktgesetz bekennt sich zum Herkunftsprinzip. Nach Art. 2 Abs.4 BGBM hat jede Person, die eine Erwerbstätigkeit rechtmässig ausübt, das Recht, sich zwecks Ausübung dieser Tätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz niederzulassen und diese Tätigkeit unter Vorbehalt von Art. 3 BGBM nach den Vorschriften der Erstniederlassung auszuüben. Dabei wird in Art. 2 Abs.5 BGBM gesetzlich vermutet, dass kantonale bzw. kommunale Marktzugangsordnungen gleichwertig seien. In Einklang mit diesen Grundsätzen sieht Art. 4 Abs.1 BGBM vor, dass kantonale oder kantonal anerkannte Fähigkeitsausweise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz gelten, sofern sie nicht Beschränkungen nach Art. 3 BGBM unterliegen. Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt dabei nicht verweigert werden (Art.3 Abs.1 BGBM). Beschränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszugestalten und nur zulässig, wenn sie gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten (lit. a), zur Wahrung öffentlicher Interessen unerlässlich (lit.b) und verhältnismässig sind (lit. c).

4.

4.1 Die Bewilligung zur Ausübung des Berufes als Psychotherapeutin im Kanton Graubünden wurde der Beschwerdeführerin 1 gestützt auf Art. 30 des Gesetzes über das Gesundheitswesen des Kantons Graubünden vom 2. Oktober 1994 (GesundheitsG GR) und Art. 15 der Verordnung zum Gesundheitsgesetz vom 28.März 2006 (GesundheitsV GR) erteilt. Art. 30 Abs.1 lit. a GesundheitsG GR regelt weitgehend die persönlichen Voraussetzungen an Gesuchstellende wie z.B. die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit. Die massgebenden fachlichen Voraussetzungen werden in Art. 15 GesundheitsV GR aufgestellt. Bewerberinnen und Bewerbern ohne eidgenössisches Arztdiplom wird die Bewilligung erteilt, wenn sie sich ausweisen über einen Studienabschluss in Psychologie als Hauptfach oder in einer entsprechenden Fächerverbindung an einer schweizerischen Universität, wobei das Gesundheitsamt in begründeten Fällen eine abweichende Grundausbildung anerkennen kann (lit. a); eine auf einer wissenschaftlich anerkannten Psychotherapiemethode basierenden Ausbildung, deren Wirksamkeit sich über ein breites Anwendungsgebiet erstreckt (lit. b); die vertiefte Anwendung der gewählten Psychotherapiemethode auf die
eigene Person sowie auf andere Personen unter fachlicher Kontrolle (lit. c); ausreichende theoretische Kenntnisse im Gesamtbereich der Persönlichkeitsentwicklung und deren Störung (einschliesslich des Kindes- und Jugendalters) auf wissenschaftlich anerkannten Grundlagen (lit. d); eine dem Gesamtbereich psychopathologischer Zustände des Erwachsenen- und/oder des Kindes- und Jugendalters umfassende praktische Tätigkeit, welche Teil der psychotherapeutischen Ausbildung sein kann (lit. e) sowie eine in der Regel insgesamt zweijährige Praxis in direktem fachlich kontrollierten Kontakt mit seelisch gestörten Personen (lit. f). Diese Voraussetzungen werden in den Richtlinien des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden vom 1. Juli 2000 (revidiert am 1. Januar 2007 durch das Gesundheitsamt Graubünden, inhaltlich jedoch unverändert geblieben) konkretisiert. Danach wird als Erstausbildung ein Studienabschluss in Psychologie oder in einer anderen Humanwissenschaft als Hauptfach in Verbindung mit Psychologie als Nebenfach unter Einschluss der Psychopathologie und Neurosenlehre verlangt, wobei ein Studienabschluss an einer mit den schweizerischen Hochschulen vergleichbaren ausländischen Hochschule anerkannt wird. Daneben müssen sich die Gesuchstellenden über eine Weiterbildung ausweisen, welche sich mindestens über fünf Jahre erstreckt hat, wobei höchstens ein Drittel parallel zur Grundausbildung absolviert werden durfte. Die Weiterbildung erfasst mindestens folgende drei Bereiche: "Wissen und Können" (mindestens 400 Stunden), "Selbsterfahrung" (mindestens 300 Sitzungen, wovon mindestens 100 Einzelsitzungen) sowie "Supervision" (mindestens 250 Sitzungen, wovon mindestens 100 im Einzelsetting). Zusätzlich wird eine "Psychotherapiebezogene Praxis" (mindestens 400 therapeutische Sitzungen ab der Zulassung zur eigenen Behandlungstätigkeit nach den Richtlinien der Ausbildungsinstitution) verlangt.

4.2 Der Kanton Zürich setzt gemäss § 22 des Gesundheitsgesetzes vom 4. November 1962 (GesundheitsG) für die Bewilligung zur selbständigen nichtärztlichen psychotherapeutischen Berufstätigkeit Folgendes voraus: ein abgeschlossenes Psychologiestudium einschliesslich Psychopathologie an einer schweizerischen Hochschule (lit. a); eine integrale Spezialausbildung in mindestens einer anerkannten, bei der Behandlung von psychischen und psychosomatischen Krankheiten und Störungen bewährten Psychotherapiemethode, die Theorie, Selbsterfahrung und Supervision in der entsprechenden Richtung umfasst (lit.b) sowie eine mindestens zweijährige klinische psychotherapeutische Tätigkeit in unselbständiger Stellung an einer anerkannten Institution unter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Leitung oder in einer anerkannten psychotherapeutischen Fachpraxis (lit.c). Konkretisiert werden diese Voraussetzungen in §2ff. PsyV. Die erforderliche Erstausbildung an einer schweizerischen Universität oder Fachhochschule setzt sich gemäss § 2 Abs.1 PsyV zusammen aus einem Lizenziat im Hauptfach Psychologie oder einem abgeschlossenen Zusatzstudium in Psychologie oder einem Diplomabschluss in Psychologie (lit. a) und einem Abschluss in Psychopathologie im Nebenfach oder dem Nachweis von mindestens 400 Lektionen Psychopathologie und klinischer Psychologie (lit. b), wobei die Gesundheitsdirektion über die Anerkennung gleichwertiger ausländischer Erstausbildungen entscheidet. Gesuchstellende haben zudem Folgendes nachzuweisen: eine theoretische Ausbildung von mindestens 400 Lektionen (§ 4 Abs.2 PsyV); mindestens 200 Sitzungen Selbsterfahrung, wovon mindestens 100 Sitzungen in Einzelselbsterfahrung (§ 5 Abs.2 PsyV) sowie mindestens 200 Sitzungen Supervision, wovon mindestens 75 Sitzungen Einzelvision (§ 6 Abs.2 PsyV).

4.3

4.3.1 Die Beschwerdeführenden machen geltend, dass die Voraussetzungen der Bewilligungserteilung im Kanton Graubünden sich nicht massgeblich von denjenigen im Kanton Zürich unterscheiden würden. Beide Regelungen hätten einen zureichenden Schutz der Patienten zum Ziel und beruhten auf der gleichen Konzeption, wonach eine Erstausbildung, eine Spezialausbildung und psychotherapeutische Praxis Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung seien. Da die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung gleichwertig seien, bestehe kein Raum dazu, der Beschwerdeführerin 1 in Anwendung von Art. 3 BGBM den Marktzugang zu beschränken. Sie habe deshalb einen Anspruch darauf, dass der ihr im Kanton Graubünden erteilte Fähigkeitsausweis auch im Kanton Zürich anerkannt werde.

4.3.2 Die Beschwerdegegnerin führt aus, dass der Kanton Zürich seit 1. Januar 2002 als Erstausbildung nur ein Psychologiestudium anerkenne. Die Beschwerdeführerin 1 habe mit einem Master of Science der Universität Krems abgeschlossen. Dabei sei ihr lediglich das psychotherapierelevante Grundlagenwissen vermittelt worden, während der Kanton Zürich ein umfassendes psychologisches Grundlagenwissen verlange. Die Ausbildung der Beschwerdeführerin 1 könne in fünf Semestern abgeschlossen werden, wobei es sich dabei nicht um ein Vollzeitstudium handle, sondern lediglich um Blockkurse an Wochenenden (insgesamt ca. 100 Kurstage). Ein Vollzeitstudium an einer Schweizerischen Universität daure hingegen sechs Jahre. Die Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten (CRUS) habe denn auch bis heute keine Anerkennungsempfehlung bezüglich dieser Ausbildung ausgesprochen. Müsste der Beschwerdeführerin 1 dennoch die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung erteilt werden, würde dies zu einer Nivellierung nach unten und damit zu einer Schlechterstellung der Patientinnen und Patienten führen. Gesuchstellende Personen würden in Zukunft jeweils in einem anderen Kanton die Berufsausübungsbewilligung beantragen, um dann nachher im Kanton Zürich tätig sein zu können.

5.

5.1 Die Beschwerdegegnerin bestreitet zu Recht nicht, dass es sich bei der Bewilligung, welche der Beschwerdeführerin 1 erteilt wurde, um einen Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 4 Abs.1 BGBM handelt. Ein Fähigkeitsausweis ist die Bestätigung dafür, dass der Erwerber die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, um den betreffenden Beruf richtig auszuüben (BGE 125 I 276 E.5 c aa). Dies ist bei der Berufsausübungsbewilligung, welche gestützt auf Art.30 GesundheitsG GR und Art. 15 GesundheitsV GR erteilt wurde, offensichtlich gegeben.

5.2 Die Beschwerdegegnerin erteilte der Beschwerdeführerin 1 die Berufsausübungsbewilligung lediglich unter der Bedingung, dass sie eine Erstausbildung im Sinne von § 2 PsyV absolviere. Ob diese Beschränkung des durch Art. 2 Abs.4 in Verbindung mit Art. 4 Abs.1 BGBM garantierten Marktzugangs zulässig ist, bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 3 BGBM. Art. 2 Abs.5 BGBM stellt dabei die gesetzliche Vermutung auf, dass die kantonalen bzw. kommunalen Marktzugangsordnungen als gleichwertig gelten. Sind die Bewilligungsvoraussetzungen des Kantons Graubünden und des Kantons Zürich tatsächlich als gleichwertig zu beurteilen, besteht für eine Auflage oder Bedingung im Sinne von Art.3 Abs.1 BGBM von vornherein kein Raum. Eine solche Beschränkung wäre weder verhältnismässig (Art. 3 Abs.1 lit. c BGBM) noch unerlässlich (Art. 3 Abs.1 lit. b BGBM).

5.3 Mit der Revision des Binnenmarktgesetzes vom 16. Dezember 2005 wollte der Gesetzgeber das Binnenmarktprinzip gegenüber dem Föderalismusprinzip stärken. Ziel war es, die Funktionsfähigkeiten des Marktes durch Abbau kantonaler und kommunaler Marktzutrittschranken zu verbessern und die Berufsausübungsfreiheit zu stützen (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Binnenmarktgesetzes vom 24. November 2004, BBl2005 I 465 ff., 466). Mit der Ausdehnung des freien Marktzugangs auf die Niederlassung (Art. 2 Abs.4 BGBM) wandte sich der Gesetzgeber bewusst gegen die bisherige Rechtsprechung, welche in Anwendung des alten Gesetzestextes den freien Marktzugang nach dem Herkunftsprinzip auf Niederlassungen nicht anwandte (vgl. Botschaft, S. 473; BGE 125 I 276 E.4c). Mit der ausdrücklichen Nennung der Gleichwertigkeitsvermutung zweier Marktzugangsordnungen in Art. 2 Abs.5 BGBM sollte diesem bereits unter altem Recht geltenden Grundsatz Nachdruck verliehen werden (Botschaft, S. 485). Geändert wurde unter anderem Art. 3 BGBM, der die Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt regelt. Art. 3 Abs.1 BGBM in der ursprünglichen Fassung vom 6.Oktober 1995 erlaubte unter gewissen Voraussetzungen, dass der freie Zugang zum Markt nach den Vorschriften des Bestimmungsortes eingeschränkt werden kann. Die revidierte Fassung von Art. 3 Abs.1 BGBM sieht als Grundsatz vor, dass ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden darf. Zulässig sind lediglich noch Beschränkungen in Form von Auflagen und Bedingungen. Neu eingeführt wurde schliesslich das Beschwerderecht der Wettbewerbskommission in Art.9 Abs.2 bis. Insgesamt sollten mit der Revision des Binnenmarktgesetzes Beschränkungen des freien Zugangs zum Markt eingedämmt werden.

Nach dem Dargelegten kann an der bisherigen, tendenziell föderalismusfreundlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGE 128 I 92 E.3; VGr, VB.2005.00257, E.2.2.3, VB.2003.00152, E.4b und c, beide unter www.vgrzh.ch), nicht unbesehen festgehalten werden. Dies würde nämlich dem klaren gesetzgeberischen Willen widersprechen, das Binnenmarktprinzip gegenüber dem Föderalismusprinzip zu stärken (vgl. etwa Botschaft, S.472).

5.4 Die Bündner und die Zürcher Regelung der Bewilligungsvoraussetzungen für die Berufsausübung als Psychotherapeut folgen der gleichen Konzeption. Beide verlangen von den Gesuchstellenden eine genügende Erstausbildung, eine Spezialausbildung sowie psychotherapeutische Praxis. Wie auch die Beschwerdegegnerin anerkennt, bestehen keine wesentlichen Unterschiede betreffend die Voraussetzungen an die Spezialausbildung und die psychologische Praxis. Teilweise wird im Kanton Graubünden sogar mehr verlangt als im Kanton Zürich. So setzt der Kanton Graubünden beispielsweise 300 Sitzungen Selbsterfahrung und 250 Sitzungen Supervision voraus, während der Kanton Zürich je 200 Sitzungen genügen lässt. Soweit Unterschiede betreffend die Stufenfolge, das heisst der Reihenfolge der jeweils zu absolvierenden Aus- und Weiterbildung, bestehen, hat die Beschwerdegegnerin anerkannt, dass es unverhältnismässig wäre, aus diesem Grund den Marktzugang der Beschwerdeführerin 1 zu beschränken. Hingegen bestehen unterschiedliche Anforderungen an die Grundausbildung. Der Kanton Zürich verlangt ein abgeschlossenes Psychologiestudium einschliesslich Psychopathologie an einer Schweizer Hochschule (§22 GesundheitsG), während der Kanton Graubünden neben einem Studienabschluss in Psychologie auch einen Studienabschluss an einer Schweizer Universität in einer anderen Humanwissenschaft anerkennt in Verbindung mit Psychologie als Nebenfach unter Einschluss der Psychopathologie und Neurosenlehre (§ 15 lit. a GesundheitsV GR, Richtlinien des Justiz-, Polizei und Sanitätsdepartements Graubünden).

Bei der Frage, ob die beiden Zulassungssysteme als gleichwertig beurteilt werden können, ist von der gesetzlichen Vermutung von Art. 2 Abs.5 BGBM, dass die kantonalen Marktzugangsordnungen gleichwertig sind, auszugehen. Dabei ist die Gleichwertigkeit zweier Marktzugangsordnungen immer hinsichtlich des damit verfolgten zulässigen öffentlichen Interesses zu beurteilen, welches vorliegend im Gesundheits- bzw. Patientenschutz besteht.

Der Grund für die im Kanton Zürich festgesetzten Voraussetzungen an die Grundausbildung besteht gemäss der angefochtenen Verfügung darin, dass die notwendigen psychologischen Grundlagen für die anschliessende Psychotherapieausbildung nur ein Psychologiestudium an einer Hochschule liefern könne. Diese Erstausbildung vermittle wissenschaftliches kritisches Denken und psychologische bzw. psychotherapierelevante Grundlagen. Diesen Anforderungen genügen jedoch auch die durch den Kanton Graubünden aufgestellten Voraussetzungen. Dieser verlangt einen Studienabschluss in einer Humanwissenschaft. In einem solchen Studium kann das geforderte wissenschaftliche kritische Denken gelernt werden. Durch das zumindest als Nebenfach vorausgesetzte Psychologiestudium (unter Einschluss der Psychopathologie) besteht zudem Gewähr, dass die psychologischen und psychotherapierelevanten Grundlagen von den Gesuchstellenden erworben wurden. Auch die bündnerische Praxis zur Anerkennung abweichender Grundausbildungen (Art. 15 lit. a GesundheitsV GR) erfüllt diese Zielvorgaben. Anerkannt werden nämlich nur Studienabschlüsse an einer mit den schweizerischen Hochschulen vergleichbaren ausländischen Hochschule. Zudem wird praxisgemäss eine abweichende Grundausbildung anerkannt, sofern ein Hochschulabschluss nachgewiesen wird und die fehlenden Fächer im Rahmen eines Ergänzungsstudiums auf Universitäts- oder Fachhochschulniveau ergänzt werden (vgl. Richtlinien des Justiz-, Polizei und Sanitätsdepartements Graubünden). Damit erweisen sich die beiden Marktzugangsordnungen als gleichwertig im Sinne von Art. 2 Abs.5 BGBM.

Nicht offen steht der Beschwerdegegnerin der Nachweis, dass der Kanton Graubünden seine eigene Regelung im konkreten Fall nicht richtig angewendet habe. Darüber hat der Kanton Graubünden verbindlich entschieden. Demzufolge steht fest, dass die Beschwerdeführerin mit der Absolvierung des Lehrgangs der Universität Krems einen genügende Grundausbildung im Sinne von Art. 15 GesundheitsV GR absolviert hat. Nicht zulässig ist es weiter, die Anforderungen des Universitätslehrgangs mit den Anforderungen an ein durch die Beschwerdegegnerin gefordertes Psychologiestudium zu vergleichen. Erweisen sich nämlich zwei Marktzugangsordnungen als gleichwertig im Sinne von Art. 2 Abs.5 BGBM, darf die Bewilligungserteilung durch den Herkunftsort nicht mehr an den Regeln des Bestimmungsortes gemessen werden. Freilich kommt dann nach dem Dargelegten (vgl. E.5.2) auch eine Einschränkung des Marktzugangs im Sinne von Art. 3 BGBM nicht in Betracht.

5.5 Soweit die Beschwerdegegnerin bei einer Pflicht zur Anerkennung des durch den Kanton Graubünden erteilten Fähigkeitsausweis eine Nivellierung nach unten befürchtet, ist ihr zu entgegnen, dass die Voraussetzungen der Bewilligungserteilung hinsichtlich des Gesundheitsschutzes als gleichwertig zu gelten haben, weshalb ein Niveauverlust von vornherein nicht eintreten kann. Betreffend diejenigen Personen, die zuerst im Kanton Zürich eine Berufsausübungsbewilligung beantragen, hat es die Beschwerdegegnerin selbst in der Hand, eine Benachteiligung zu verhindern, indem sie beispielsweise bei der Anerkennung ausländischer Ausbildungen von ihrer starren Praxis abweicht. Eine gewisse Berechtigung haben hingegen ihre Bedenken betreffend den Zulassungstourismus. Diese haben jedoch aus binnenmarktrechtlicher Sicht keine Bedeutung. Im Übrigen hat die Beschwerdegegnerin selber darauf hingewiesen, dass auf Bundesebene ein Bundesgesetz über die Psychologieberufe in Arbeit ist. Im Dezember 2006 wurde dabei durch das Bundesamt für Gesundheit der Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens erstattet. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes werden die Bewilligungsvoraussetzungen schweizweit einheitlich geregelt, weshalb es spätestens ab diesem Zeitpunkt keinen Zulassungstourismus mehr geben wird.

6.

Demgemäss sind die Beschwerden gutzuheissen. Es ist festzustellen, dass die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 13. Juni 2007 den Marktzugang in unzulässiger Weise beschränkt. Diese ist aufzuheben und die Beschwerdegegnerin einzuladen, der Beschwerdeführerin 1 die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung der nichtärztlichen Psychotherapie bedingungslos zu erteilen. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (§ 70 in Verbindung mit § 13 Abs.2 VRG). Sie ist darüber hinaus zu verpflichten, der Beschwerdeführerin 1 eine angemessene Parteientschädigung zu zahlen (§ 17 Abs.2 VRG).

Demgemäss beschliesst die Kammer:

Die Verfahren VB.2007.00323 und VB.2007.00329 werden vereinigt;

Fr. 3'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 90.-- Zustellungskosten,
Fr. 3'090.-- Total der Kosten.

6. Mitteilung an

Quelle: https://www.zh.ch/de/gerichte-notariate/verwaltungsgericht.html
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