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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2019.419
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2019.419 vom 24.01.2020 (SO)
Datum:24.01.2020
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführerin; Recht; Kinder; Entscheid; Massnahme; Vorsorglich; Kindsvater; Kindes; Vorsorgliche; Verfahren; Massnahmen; Thierstein; Beiständin; Unentgeltliche; Rechtsanwalt; Verwaltungsgericht; Abklärung; Verfahrens; Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein; Gefährdung; Platzierung; Rechtspflege; Peter; Vorinstanz; Staat; Studer; Eingabe; Behörde; Verfügung
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ; Art. 307 ZGB ; Art. 310 ZGB ; Art. 431 ZGB ; Art. 445 ZGB ; Art. 450 ZGB ;
Referenz BGE:133 III 439; 134 I 83; 136 I 184; 140 III 289; 140 III 529; 142 III 433;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 24. Januar 2020

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Stöckli

Gerichtsschreiberin Gottesman

In Sachen

A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Peter Studer,

Beschwerdeführerin

gegen

1. KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein,

2. B.___, vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Michael Lang

Beschwerdegegner

betreffend vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. C.___ (geb. 29. April 2012) und D.___ (geb. 10. Dezember 2013) sind die gemeinsamen Kinder von A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) und B.___. Die Kindseltern waren nie verheiratet und leben seit 2014 getrennt. Die Beschwerdeführerin wohnt in der Schweiz, der Kindsvater in Österreich. Der Beschwerdeführerin obliegt die alleinige elterliche Sorge.

2. Mit Entscheid der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein vom 12. Oktober 2016 wurde für C.___ und D.___ eine Erziehungsbeistandschaft gemäss Art. 308 Abs. 1 und 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB, SR 210) errichtet und E.___, Zweckverband Sozialregion Thierstein, als Beiständin eingesetzt.

3. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 reichte die Beiständin bei der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein eine Gefährdungsmeldung ein. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2019 wurde der Zweckverband Sozialregion Thierstein beauftragt, die Situation abzuklären und nötigenfalls Kindesschutzmassnahmen vorzuschlagen.

4. Der Abklärungsbericht der Beiständin wurde am 17. Oktober 2019 erstellt. Daraufhin entzog die KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein mit Entscheid vom 18. Oktober 2019 der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre Töchter C.__ und D.___ mit sofortiger Wirkung zunächst superprovisorisch und platzierte die Mädchen vorsorglich beim Kindsvater. Die Mandatsperson erhielt zusätzlich die Aufgaben, die Platzierung zu koordinieren, den Eltern und den örtlichen Fachstellen als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen, die Finanzierung der Platzierung zu organisieren und zu sichern sowie die Besuche zwischen den Töchtern und der Kindsmutter zu organisieren. Sodann wurde die Mandatsperson ersucht, der KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein bis spätestens 15. Dezember 2019 einen ersten Verlaufsbericht über die Platzierung zuzustellen, sowie bei veränderten Verhältnissen Bericht zu erstatten und gegebenenfalls Antrag auf Anpassung der Massnahme zu stellen. Die zuständige Behörde in Österreich wurde um Erstellung eines Sozialberichts ersucht betreffend die Frage, ob der Kindsvater die Kinder längerfristig bei sich aufnehmen kann.

5. In der Folge hörte die KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein am 24. Oktober 2019 die Beschwerdeführerin an. Der Kindsvater machte von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch. Mit Eingabe vom 28. Oktober 2019 äusserte sich die Beschwerdeführerin schriftlich in der Sache. Der zwischenzeitlich von der Beschwerdeführerin mandatierte Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Peter Studer, beantragte mit Eingabe vom 5. November 2019 die integrale unentgeltliche Rechtspflege und teilte mit, dass die Eingabe vom 28. Oktober 2019 als Antrag für einen begründeten Entscheid zu interpretieren sei.

6. Am 12. November 2019 fällte die KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein folgenden Entscheid:

3.1.  Der Kindsmutter A.___ wird mit sofortiger Wirkung vorsorglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre Töchter C.___, geb. 29.04.2012, und D.___, geb. 10.12.2013, gestützt auf Art. 310 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 445 Abs. 2 ZGB sowie § 140 Abs. 1 EG ZGB entzogen.

3.2.  C.___ und D.__ bleiben vorsorglich beim Kindsvater, B.___, platziert.

3.3.  Die Mandatsperson erhält zusätzlich die Aufgaben,

·         die Platzierung zu koordinieren,

·         den Eltern und den örtlichen Fachstellen als Ansprechperson zur Verfügung zu stehen,

·         die Finanzierung der Platzierung zu organisieren und zu sichern,

·         die Besuche zwischen C.___ und D.___ und ihrer Mutter zu organisieren.

3.4.  Die Mandatsperson wird ersucht, der KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein gemäss Art. 431 Abs. 1 ZGB bis spätestens 15.12.2019 einen ersten Verlaufsbericht über die Platzierung zuzustellen, sowie bei veränderten Verhältnissen Bericht zu erstatten und gegebenenfalls Antrag auf Anpassung der Massnahme zu stellen.

3.5.  Der Auftrag an die Mandatsperson, bis 15.12.2019 einen Verlaufsbericht zu erstellen, wird dahingehend präzisiert, als dass auch betreffend die Notwendigkeit der weiterführenden Platzierung weitere Abklärungen zu tätigen sind.

3.6.  Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Kinderund Jugendhilfe, Schlossgra­ben 1, 6800 Feldkirch, wird um Erstellung eines Sozialberichts ersucht betref­fend die Frage, ob der Kindsvater die Kinder längerfristig bei sich aufnehmen kann.

3.7.  Die Sozialregion Thierstein wird ersucht, Kostengutsprache für die von der Behörde angeordnete Unterbringung zu leisten und die Beteiligung der Kindsmutter an den Kosten abzuklären.

3.8.  Das Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege, unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Peter Studer als unentgeltlicher Rechtsbeistand, wird gutgeheissen.

3.9.  Rechtsanwalt Dr. Peter Studer wird ersucht, die Kostennote nach Abschluss des Verfahrens einzureichen.

3.10 Einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Entscheid ist die aufschiebende Wirkung entzogen.

3.11 Über die Kosten dieses Verfahrens wird im Endentscheid befunden.

7. Gegen diesen Entscheid wandte sich die Beschwerdeführerin, v.d. Rechtsanwalt Peter Studer, mit Beschwerde vom 25. November 2019 an das Verwaltungsgericht und stellte folgende Rechtsbegehren:

1.    Es seien Ziff. 3.1. und 3.2. des Entscheids v. 12.11.2019 mit sofortiger Wirkung aufzuheben und der Kindsvater anzuweisen die Kinder C.___ und D.___ unverzüglich zur Mutter zurückzubringen.

2.    Es sei gerichtlich abzuklären, ob und allenfalls welche kinderspezifischen Massnahmen gestützt auf die Gefährdungsmeldung des Kindsvaters bzw. der Beiständin vom 04./11.10.2019 zu treffen sind und es seien im Hinblick darauf Ziff. 3.3. bis 3.7. des Entscheids v. 12.11.2019 aufzuheben.

3.    Es sei Ziff. 2 der Verfügung v. 15.11.2019 aufzuheben und E.___ als Beiständin abzuberufen bzw. zu ersetzen.

4.    Es sei der Beschwerdeführerin die integrale unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.

5.    Unter Kostenund Entschädigungsfolge.

8. Mit Eingabe vom 5. Dezember 2019 nahm die Beiständin Stellung zur Beschwerde.

9. Mit Vernehmlassung vom 6. Dezember 2019 beantragte die KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen, eventualiter sei die Beschwerdeführerin nach Art. 307 Abs. 3 ZGB anzuweisen, einen Drogentest beim Institut für Rechtsmedizin, Pestalozzistrasse 22, 4056 Basel, zu veranlassen.

10. Mit Eingabe vom 9. Dezember 2019 liess sich der Kindsvater, B.___, v.d. Rechtsanwalt Ernst Michael Lang, vernehmen und schloss auf Abweisung der Beschwerde unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdeführerin.

11. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 24. Dezember 2019 wurde der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege samt unentgeltlichem Rechtsbeistand bewilligt.

12. Der Kindsvater reichte mit Eingabe vom 2. Januar 2020 weitere Bemerkungen ein. Die Beschwerdeführerin äusserte sich am 3. und 4. Januar 2020 erneut und reichte mit Eingabe vom 6. Januar 2020 weitere Beweismittel zu den Akten.

13. Auf die Ausführungen der Parteien wird, soweit für die Entscheidfindung wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

II.

1.1 Angefochten sind namentlich vorsorgliche Massnahmen nach Art. 445 Abs. 1 ZGB, welche nach der Anhörung der Beschwerdeführerin erlassen worden sind und mit Beschwerde angefochten werden können (vgl. Art. 445 Abs. 3 ZGB sowie BGE 140 III 289). Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 ZGB i.V.m. § 130 Abs. 1 Einführungsgesetz zum ZGB [EG ZGB, BGS 211.1]). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid vom 12. November 2019 beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

1.2 Auf Ziffer 2 der Rechtsbegehren kann nicht eingetreten werden, soweit die Beschwerdeführerin darin Abklärungen verlangt, ob und welche kinderspezifischen Massnahmen zu treffen sind. Für derartige Abklärungen ist das Verwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanz nicht zuständig.

1.3 Soweit sich die Beschwerde gegen die verfahrensleitende Verfügung der KESB Thal-Gäu/Dorneck-Thierstein vom 15. November 2019 richtet (vgl. Ziffer 3 der Rechtsbegehren), kann auf die Beschwerde ebenfalls nicht eingetreten werden. Mit dem Entscheid vom 4. Dezember 2019 wurde der von der Beschwerdeführerin beantragte Wechsel der Mandatsperson sowie der Antrag auf superprovisorische Rückplatzierung abgewiesen und gleichzeitig eine Frist gesetzt, um eine Begründung des Entscheids zu verlangen. Ziffer 2 der Verfügung vom 15. November 2019 wurde durch den neu erlassenen Entscheid vom 4. Dezember 2019 gegenstandslos, weshalb sie nicht mehr anfechtbar ist.

2. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst in formeller Hinsicht vor, die KESB habe ihr rechtliches Gehör verletzt, weil sie sich in ihrem Entscheid nicht mit den von ihr vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt habe.

2.1 Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV, SR 101]) fliessende Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen, verlangt nicht, dass diese sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88; BGE 133 III 439 E. 3.3 S. 445; je mit Hinweisen). Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht (oder hier die Behörde) hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt (vgl. BGE 142 III 433, E. 4.3.2 mit weiteren Hinweisen).

2.2 Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, die KESB habe die Beiständin beauftragt, das 21 Seiten umfassende Schreiben der Beschwerdeführerin vom 28. Oktober 2019 im Rahmen ihrer weiteren Abklärungen zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen, welches die Beschwerdeführerin kritisiert, erscheint durchaus sinnvoll, handelt es sich doch vorliegend um die Anordnung vorsorglicher Massnahmen, welche aufgrund einer bloss summarischen Prüfung der Sachund Rechtslage ergehen (Maranta/Auer/Marti, in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage, Basel 2018, Art. Art. 445 N 11). Entsprechend ist nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz in ihrem Entscheid nicht mit jedem einzelnen Vorbringen der Beschwerdeführerin ausführlich auseinandergesetzt hat. Aus dem angefochtenen Entscheid geht klar hervor, aus welchen Gründen der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorsorglich entzogen und die beiden Kinder beim Kindsvater platziert wurden. Der Beschwerdeführerin war es denn auch möglich, den Entscheid beim Verwaltungsgericht sachgerecht anzufechten. Es liegt jedenfalls eine nachvollziehbare und anfechtbare Entscheidbegründung vor. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich demnach als unbegründet.

3. In der Sache strittig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz der Beschwerdeführerin zu Recht das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihre beiden Kinder C.___ und D.___ vorsorglich entzog und die beiden Kinder vorläufig beim Kindsvater platzierte.

3.1 Gemäss Art. 307 Abs. 1 ZGB hat die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sorgen oder sie dazu ausserstande sind. Massnahmen des Kindesschutzes können für die Dauer des Verfahrens vorsorglich angeordnet werden (Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 445 Abs. 1 ZGB). Die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme setzt allerdings im Kindesschutzverfahren wie auch sonst Dringlichkeit voraus. Es muss sich daher als notwendig erweisen, die fraglichen Vorkehren sofort zu treffen. Beim Entscheid, ob eine vorsorgliche Massnahme anzuordnen ist, kommt der Behörde ein grosser Ermessensspielraum zu (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_339/2017 vom 08. August 2017, E. 4.4.1). Für die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme genügt das Beweismass der Glaubhaftmachung. Es muss ausreichen, wenn eine Gefährdung aufgrund summarischer Prüfung zwar als wahrscheinlich scheint, die Möglichkeit einer Fehlannahme aber nicht ausgeschlossen werden kann. Erforderlich ist überdies, dass eine Abwägung der verschiedenen auf dem Spiel stehenden Interessen den Ausschlag für die vorsorgliche Massnahme gibt und diese verhältnismässig erscheint (vgl. Auer/Marti, in: Thomas Geiser/Ruth E. Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 445 N 29 sowie N 10).

3.2 Das Kindesund Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf «superprovisorische» Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Art. 445 Abs. 1 ZGB). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet (Art. 445 Abs. 2 ZGB). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der «superprovisorischen» Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid ohne vorgängige Anhörung) folgt zwingend nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt (vgl. BGE 140 III 529, E. 2.2.2).

3.3 Gemäss Art. 310 Abs. 1 ZGB hat die Kindesschutzbehörde das Kind den Eltern wegzunehmen und es in angemessener Weise unterzubringen, sofern der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden kann. Der Entzug der Aufenthaltsbestimmungsbefugnis ist nur zulässig, wenn «der Gefährdung des Kindes nicht anders begegnet werden» und das Kind in seiner körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung nicht anders geschützt werden kann, was das Subsidiaritätsprinzip deutlich zum Ausdruck bringt und den Vorrang ambulanter, die Familiengemeinschaft respektierender, vor stationären Massnahmen unterstreicht. Unbeachtlich ist dabei, ob die Eltern ein Verschulden trifft. Der Obhutsentzug setzt nicht voraus, dass ambulante Massnahmen versucht wurden, aber erfolglos blieben, sondern nur, dass aufgrund der Umstände nicht damit gerechnet werden kann, es lasse sich die Gefährdung mit solchen abwenden (Peter Breitschmid, in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Auflage, Basel 2018, Art. 310 N 3 f.). Wie sämtliche Kindesschutzmassnahmen muss auch der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich sein und es ist immer die mildeste, Erfolg versprechende Massnahme anzuordnen (Proportionalität und Subsidiarität); diese soll elterliche Bemühungen nicht ersetzen, sondern ergänzen (Komplementarität; vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_401/2015 vom 7. September 2015, E. 5.2).

3.4 Die KESB begründete die angeordneten Massnahmen im Wesentlichen und sinngemäss mit dem Abklärungsbericht der Beiständin vom 17. Oktober 2019, in welchem ausgeführt wird, die Kinder seien bei der vorliegenden Sachlage bei der Kindsmutter hoch gefährdet und das Kindeswohl könne durch die Kindsmutter nicht sichergestellt werden. Es sei eine dringende Obhutsumteilung angezeigt. Beim Kindsvater in Österreich sei das Wohl der Kinder vorerst sichergestellt. Aus den Stellungnahmen von Dritten und Kindern gehe hervor, dass die Mutter-Kind-Beziehung momentan nicht stabil genug sei. Das leibliche Wohl beider Kinder scheine aufgrund des Verhaltens der Tochter C.___, der Rückmeldungen von Dritten, der Wohnsituation der Kindsmutter und deren Kokainkonsum nicht gewahrt zu sein. Die Aussagen von Dritten würden darauf hindeuten, dass sich die Kindsmutter seit mehreren Monaten in einer Krise befinde und daher auf die Bedürfnisse der Kinder nicht eingehen könne. Auch die Vorbildfunktion sei durch den Kokainkonsum, die Müdigkeit, ständiges Schlafen und dass die Kinder selber den Alltag meistern müssten, in Frage gestellt. Die Kinder benötigten einen stabilen Rahmen, einen geregelten Alltag und eine altersgemässe Struktur. Zudem seien regelmässige, gemeinsam eingenommene Mahlzeiten für die psychische und körperliche Entwicklung der Kinder sehr wichtig. Die Kinder müssten vor nicht alters-adäquaten Aufgaben sowie Pflichten vom bisherigen Umfeld in [...] geschützt werden. Dadurch, dass sich die Kinder bei Vertrauenspersonen geöffnet hätten, seien sie einem enormen Stress ausgesetzt und es plagten sie Schuldgefühle gegenüber der Mutter. Der Stress der Kinder müsse zwingend reduziert werden. Eine therapeutische Begleitung der Kinder am Wohnort des Vaters sei in Betracht zu ziehen. Es werde empfohlen, die Kinder, welche bis 18. Oktober 2019 ferienbedingt beim Kindsvater seien, per sofort bei ihm zu platzieren. Es sei die definitive Obhutsumteilung durch die zuständige Behörde des Wohnortes vom Kindsvater prüfen zu lassen.

Die KESB führte mit Blick auf die vorgenannte Beurteilung und Empfehlung der Beiständin aus, für sie habe aufgrund der nicht anders abwendbaren Gefährdungssituation und der deutlichen Äusserungen der befragten Personen festgestanden, dass nun rasches Handeln erforderlich sei. Angesichts des Ausmasses der Vernachlässigung der Grundbedürfnisse der Kinder, sei das Vorgehen mittels superprovisorischen Entscheids vom 18. Oktober 2019 zudem notwendig und verhältnismässig gewesen. Es sei nicht ersichtlich, wie anderweitig hätte vorgegangen werden können, ohne die Kinder weiterhin einer Gefahr auszusetzen. Die vorsorgliche Unterbringung beim Kindsvater erscheine sinnvoll und sei für die Kinder mit einem möglichst geringen Einschnitt verbunden. Den vorhandenen Akten sei zu entnehmen, dass im letzten Jahr ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Kindsvater und seinen Töchtern habe aufgebaut werden können. Zur Zeit der vorsorglichen Unterbringung hätten sich C.___ und D.___ bereits beim Vater in den Ferien befunden, so dass die Unterbringung für die Kinder durch den raschen Entscheid mit möglichst wenig Aufregung habe vollzogen werden können.

3.5 Der am 18. Oktober 2019 vor der Anhörung verfügte Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Platzierung der beiden Kinder wurde nach der Gewährung des rechtlichen Gehörs als vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen bestätigt. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang eine unvollständige Sachverhaltsabklärung rügt, ist sie nicht zu hören. Sie verkennt, dass es für die Anordnung einer vorsorglichen Massnahme ausreichen muss, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls aufgrund summarischer Prüfung wahrscheinlich erscheint. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz in diesem Verfahrensstadium auf weitere zeitraubende Abklärungen verzichtet hat.

3.6 Die Beschwerdeführerin beschränkt sich über weite Strecken darauf, den Sach­verhalt aus ihrer Sicht zu schildern und eine Kindswohlgefährdung zu negieren. Der Vorinstanz lag im Zeitpunkt ihres Entscheides der Abklärungsbericht der Beiständin vom 17. Oktober 2019 sowie die mündliche und schriftliche Stellungnahme der Beschwer­deführerin vor, die aufzeigen, dass ein für die beiden Kinder erforderliches stabiles Umfeld bei der Beschwerdeführerin derzeit nicht gewährleistet ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hatte die Vorinstanz zahlreiche Hinweise, welche für eine zumindest drohende Gefährdung des Kindeswohls von C.___ und D.___ sprechen. Von verschiedener Seite wurde eine Vernachlässigung der beiden Kinder glaubhaft geschildert. Die Beschwerdeführerin vermag nicht aufzuzeigen, weshalb die Ein­schätzung der Vorinstanz unzutreffend sein soll. Soweit die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben Vorwürfe an die Beiständin erhebt und ihr verschiedene Sorgfaltspflicht­verletzungen anlastet, ist darauf nicht weiter einzugehen. Etwaige haftungsrechtliche Aspekte sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3.7 Mittlerweile sind sowohl der Sozialbericht der österreichischen Behörde vom 12. November 2019 als auch ein weiterer Abklärungsbericht der Beiständin vom 20. Dezember 2019 eingegangen. Vorgesehen ist eine Besprechung mit den Kinds­eltern und die vorgängige Anhörung der Kinder durch die Vorinstanz am 13. Februar 2020. Es wird Sache der KESB im Rahmen des weiteren Hauptverfahrens sein, die Ein­schätzungen der involvierten Fachpersonen und die mündlichen Stellungnahmen der Beteiligten zu würdigen und allenfalls weitere Abklärungen zu veranlassen. Der von der Vorinstanz angeordnete vorsorgliche Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die damit verbundene Platzierung von C.___ und D.___ beim Kindsvater für die Zeit der weiteren Abklärung erweist sich derzeit als verhältnismässig und angemessen.

4. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten wird. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin grundsätzlich die Kosten des Verfahrens von CHF 1500.00 vor Verwaltungsgericht zu bezahlen. Zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege trägt der Staat die Kosten; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, sobald die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO, SR 272]).

Rechtsanwalt Peter Studer macht eine Entschädigung von total CHF 4'705.30 (23.75 h à CHF 180.00 + Auslagen und MWST) geltend. Der Zeitaufwand erscheint im Vergleich zu Fällen der betreffenden Art überhöht. Insgesamt erscheint ein Zeitaufwand von 20 Stunden für eine sorgfältige und pflichtgemässe Vertretung als angemessen. Nach dem Gesagten wird die Entschädigung von Rechtsanwalt Peter Studer auf CHF 3982.70 (Honorar: 20 h à CHF 180.00, Auslagen: CHF 98.00, MWST: CHF 284.70) festgesetzt. Die Entschädigung ist infolge unentgeltlicher Rechtspflege vom Staat zu bezahlen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

5. Die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege befreit im Verwaltungsverfahren  gleich wie im Zivilverfahren die entschädigungspflichtige Partei nicht von der Bezahlung einer allfälligen Parteientschädigung an die obsiegende Gegenpartei (Art. 118 Abs. 3 und Art. 122 Abs. 1 lit. d ZPO; vgl. Kaspar Plüss in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], Zürich 2014, § 16 N 93). Die unterliegende Beschwerdeführerin ist daher zu verpflichten, dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen. Für deren Bemessung ist der Gebührentarif (GT, BGS 615.11) heranzuziehen.

Mit Honorarnote vom 2. Januar 2020 macht Rechtsanwalt Ernst Michael Lang seine Bemühungen seit dem 23. September 2019 geltend. Vorliegend kann jedoch nur der Aufwand entschädigt werden, der für das Verfahren vor Verwaltungsgericht angefallen ist. Seit dem 12. November 2019 wird ein Aufwand von total 7 Stunden geltend gemacht, was angemessen erscheint. Rechtsanwalt Ernst Michael Lang beantragt einen Stundenansatz von CHF 280.00. Gemäss Praxis des Verwaltungsgerichts kann jedoch ohne Einreichung einer entsprechenden Honorarvereinbarung höchstens ein Stundenansatz von CHF 260.00 entschädigt werden. Eine Kleinspesenpauschale von 4 % ist nach dem Gebührentarif sodann nicht vorgesehen. Die Auslagen sind daher nach Ermessen auf CHF 70.00 festzulegen. Insgesamt ergibt sich nach dem Gesagten eine Parteientschädigung von CHF 2040.90 (Honorar: 7 h à CHF 260.00, Auslagen: CHF 70.00, MWST: CHF 150.90), welche von der Beschwerdeführerin zu bezahlen ist.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2.    Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1500.00 werden A.___ zur Bezahlung auferlegt, sind aber zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege durch den Staat Solothurn zu übernehmen; vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

3.    Die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands, Rechtsanwalt Peter Studer, wird auf CHF 3'982.70 (inkl. Auslagen und MWST) festgesetzt und ist zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege vom Staat Solothurn zu bezahlen. Vorbehalten bleibt der Rückforderungsanspruch des Staates während zehn Jahren, sobald A.___ zur Rückzahlung in der Lage ist (vgl. Art. 123 ZPO).

4.    A.___ hat B.___ für das Verfahren vor Verwaltungsgericht mit CHF 2'040.90 (inkl. Auslagen und MWST) zu entschädigen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Gottesman



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