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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2019.198
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2019.198 vom 25.09.2019 (SO)
Datum:25.09.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Beistandschaft
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführerin; Beistand; Person; Familie; Entscheid; Interessen; Beantragt; Erwachsenenschutzbehörde; Beistandschaft; Verwaltungsgericht; Familiäre; Wunsch; Aufgabe; Sozialregion; Einsetzung; Unterstützung; Fachlich; Beistandsperson; Beiständin; Hilfe; Umfeld; Familiären; Autonomie; Persönlichkeit; Aufgaben; Schwester; Personen; Errichtung; Professionelle
Rechtsnorm: Art. 400 ZGB ; Art. 401 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 25. September 2019

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___

Beschwerdeführerin

gegen

KESB Olten-Gösgen,

Beschwerdegegnerin

betreffend Beistandschaft


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1. A.___ (geb. 1982) beantragte am 28. November 2018 mit Unterstützung der Pro Infirmis bei der Kindesund Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Olten-Gösgen die Errichtung einer Beistandschaft.

2. Nach Eingang des Abklärungsberichts der Sozialregion [...] lud die Vizepräsidentin der KESB A.___ zu einer Anhörung ein.

3. Mit Schreiben vom 25. Februar 2019 erklärte A.___, sie wolle einen Beistand aus ihrem familiären Umfeld und meldete sich für die Anhörung ab.

4. Mit Entscheid vom 1. Mai 2019 errichtete die KESB für A.___ eine Vertretungsbeistandschaft mit Vermögensverwaltung und setzte B.___, Sozialregion [...], als Mandatsperson mit folgenden Aufgaben ein:

-     das Einkommen und das Vermögen von A.___ sorgfältig zu verwalten;

-     A.___ beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten und im Rechtsverkehr zu vertreten, namentlich im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, (Sozial-)Versicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen;

-     stets für eine geeignete Wohnsituation besorgt zu sein;

-     die involvierten Fachstellen zu koordinieren und vernetzen.

5. Gegen diesen Entscheid erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin genannt) am 21. Mai 2019 Beschwerde, welche durch die KESB zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht weitergeleitet wurde. Dabei führte sie aus, sie sei mit dem Entscheid nicht einverstanden. Wie sie schon gesagt habe, wolle sie einen Beistand aus ihrer Familie und nicht eine Fremdperson. Sie wolle, dass ihr Anliegen noch einmal überprüft werde.

6. Die neu eingesetzte Beiständin verzichtete am 4. Juni 2019 auf die Einreichung einer Stellungnahme, da sie noch gar keine Ernennungsurkunde erhalten habe.

7. Die KESB beantragte am 5. Juni 2019 unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Entscheids die Abweisung der Beschwerde.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. Art. 450 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB, SR 210] i.V.m. § 130 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum ZGB [EG ZGB, BGS 211.1]). A.___ ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2. Nach Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB errichtet die Erwachsenenschutzbehörde eine Beistandschaft, wenn eine volljährige Person wegen einer geistigen Behinderung, einer psychischen Störung oder eines ähnlichen in der Person liegenden Schwächezustands ihre Angelegenheiten nur teilweise oder gar nicht besorgen kann.

Die Beschwerdeführerin ist mit der Errichtung der Beistandschaft, welche sie selbst beantragt hat, grundsätzlich einverstanden, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

3. Beschwerdegegenstand ist, welche Person das Beistandsmandat ausüben soll.

3.1 Nach Art. 400 Abs. 1 ZGB ernennt die Erwachsenenschutzbehörde als Beistand oder Beiständin eine natürliche Person, die für die vorgesehenen Aufgaben persönlich und fachlich geeignet ist, die dafür erforderliche Zeit einsetzen kann und die Aufgaben selber wahrnimmt. Bei besonderen Umständen können mehrere Personen ernannt werden. Schlägt die betroffene Person eine Vertrauensperson als Beistand oder Beiständin vor, so entspricht die Erwachsenenschutzbehörde ihrem Wunsch, wenn die vorgeschlagene Person für die Beistandschaft geeignet und zu deren Übernahme bereit ist (Art. 401 Abs. 1). Sie berücksichtigt, soweit tunlich, Wünsche der Angehörigen oder anderer nahestehender Personen (Abs. 2). Lehnt die betroffene Person eine bestimmte Person als Beistand oder Beiständin ab, so entspricht die Erwachsenenschutzbehörde, soweit tunlich, diesem Wunsch (Abs. 3).

3.2 Vorliegend hat die KESB als Beistandsperson eine professionelle Mandatsperson der Sozialregion eingesetzt. Die Beschwerdeführerin beantragt hingegen die Einsetzung eines Beistandes aus ihrer Familie.

3.3 Den Akten ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. November 2018, welches sie mit Hilfe einer Mitarbeiterin der Pro Infirmis verfasst hatte, bei der KESB die Errichtung einer Beistandschaft beantragt hat. Sie schilderte dabei, dass sie eine volle IV-Rente beziehe und zu 100 % im Hausdienst der Stiftung [...] arbeite. Sie wohne zusammen mit ihren Eltern in einer Mietwohnung. Diese Wohnsituation belaste sie seit längerem ganz stark. Ihre Schwester verwalte ihr Einkommen, worüber sie wenig Bescheid wisse. Bereits im November 2017 habe sie mit Hilfe der Pro Infirmis ihre Schwester darüber informiert, dass sie gerne mit einer Kollegin in einer WG leben möchte, was innerhalb der Familie zu Unruhe geführt habe. Mittlerweile sei ein Jahr vergangen, und es gehe ihr noch immer nicht gut. Sie würde gerne in eine begleitete WG der Stiftung [...] ziehen. Sie benötige Hilfe für den Umzug und die Regelung ihrer Finanzen, die sie nicht mehr durch ihre Schwester verwalten lassen wolle.

3.4 Mit Abklärungsbericht vom 19. Februar 2019 führte die Abklärungsperson der Sozialregion [...] aus, aufgrund einer kognitiven Beeinträchtigung beziehe die Beschwerdeführerin eine 100 % IV-Rente. Sie sei in diversen Lebensbereichen auf Unterstützung und Begleitung angewiesen und habe sich ein Helfernetz aufgebaut, das sie abzurufen wisse. Zurzeit werde sie in den Bereichen Wohnen, Administration und Finanzen durch ihre Familie unterstützt. Es bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis. Die Beschwerdeführerin habe seit bald zwei Jahren das Bedürfnis, sich von der Familie zu lösen. Sie habe mehrmals versucht, eine Veränderung anzustossen. Die Auflösung des Abhängigkeitsverhältnisses sei wichtig, damit sich die Beschwerdeführerin in ihrer Persönlichkeit entfalten, Autonomie sowie Selbstbestimmung leben könne. Der Druck der Familie sei allerdings immens. Die Beschwerdeführerin befürchte, von der Familie ausgestossen zu werden. Die Angst vor dem fehlenden Verständnis der Familie und davor, dass sie durch die Ablösung einzelne Familienmitglieder in eine schwierige Situation bringen könnte, sei enorm gross. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Lage diesem Druck nicht standhalten könne. Wie sie sage, habe sie sich für die Familie und gegen ihr Bedürfnis nach Selbständigkeit entschieden. Ihr Wunsch nach Ablösung habe sie allerdings über Jahre hinweg bei unterschiedlichen Personen klar geäussert. Um die Beschwerdeführerin in ihrer Schutzbedürftigkeit zu schützen und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Autonomie zu stärken, sei sie auf fachliche, professionelle Unterstützung angewiesen.

3.5 Das Gesetz enthält in Art. 400 Abs. 1 ZGB die allgemeinen Voraussetzungen für die Wahl des Beistandes. Neben zeitlicher Disponibilität und persönlicher Auftragserfüllung wird eine persönliche und fachliche Eignung für das Amt verlangt. Damit ist eine umfassende Eignung im Sinne von Sozial-, Selbstund Fachkompetenz gemeint. Das Gesetz umschreibt nicht im Einzelnen, was unter «geeignet» zu verstehen ist. Die Erwachsenenschutzbehörde hat deshalb bei der Konkretisierung ein grosses Ermessen. Massgebend ist, was im Einzelfall den Interessen und dem Wohl der betroffenen Person dient (vgl. Ruth E. Reusser in: Thomas Geiser/Christiana Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Basel 2018, Art. 400 ZGB N 11). Wünscht die betroffene Person die Einsetzung einer fachlich geeigneten Person aus ihrem Umfeld als Beistandsperson, sollte diesem Wunsch zur Wahrung ihres Wohls nur dann entsprochen werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine fehlende emotionale Distanz und Objektivität sowie für Bindungsund Interessenskonflikte vorhanden sind sowie der betroffenen Person auch sonst keine erkennbaren Nachteile erwachsen (vgl. Patrick Fassbind in: Jolanta Kren Kostkiewicz et al. [Hrsg.], ZGB Kommentar Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Zürich 2016, Art. 401 ZGB N 3).

3.6 Vorliegend wurde durch die Vorinstanz eine Berufsbeiständin eingesetzt, welche sich sicher für die Mandatsführung eignen würde. Durch die Beschwerdeführerin wurde keine konkrete Person aus ihrer Familie beantragt, weshalb die Eignung nicht im Einzelnen geprüft werden kann. Bei Betrachtung der gesamten familiären Situation zeigt sich aber deutlich, dass die Beschwerdeführerin in einem Loyalitätskonflikt zwischen ihren eigenen Interessen nach Autonomie und Selbstbestimmung und den Interessen ihrer Familie, die eng für sie sorgen und sie im elterlichen Haushalt begleiten möchte, gefangen ist. Auch wenn die familiäre Unterstützung sicher immer gutgemeint war und die Familie gut für die Beschwerdeführerin gesorgt hat, so schränkt die enge familiäre Begleitung die inzwischen 37-jährige Beschwerdeführerin in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Lebensführung auch ein, indem sie sich den Erwartungen der Familie verpflichtet fühlt. Durch die Einsetzung eines durch die Beschwerdeführerin vordergründig gewünschten Familienmitglieds als Beistandsperson müsste befürchtet werden, dass die nötige professionelle Distanz zu den Interessen der Beschwerdeführerin nicht gewahrt werden könnte und sich Bindungsund Interessenskonflikte ergeben würden, wie sich bereits jetzt schon zeigt bezüglich des Wunsches der Beschwerdeführerin nach einer autonomeren Wohnform. Die Einsetzung einer Beistandsperson aus dem familiären Umfeld der Beschwerdeführerin ist deshalb zur Wahrung ihrer Interessen nicht geeignet.

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat A.___ die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der reduzierten Entscheidgebühr auf CHF 500.00 festzusetzen und mit dem bereits geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen sind.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 500.00 zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kaufmann



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