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Urteil Verwaltungsgericht (SO)

Kopfdaten
Kanton:SO
Fallnummer:VWBES.2018.298
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht Entscheid VWBES.2018.298 vom 21.08.2018 (SO)
Datum:21.08.2018
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Führerausweisentzug
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Fahre; Verkehr; Abstand; Fahrzeug; Verkehrs; Schwere; Recht; Fahrende; Widerhandlung; Verwaltungsgericht; Urteil; Leichte; Fahrenden; Mittelschwere; Führerausweis; Kantons; Verkehrsregeln; Geringe; Schweren; Verletzung; Richter; Geschwindigkeit; Verschulden; Regel; Gefahr; Personenwagen; Auszugehen
Rechtsnorm: Art. 12 VRV ; Art. 16 SVG ; Art. 16b SVG ; Art. 16c SVG ; Art. 34 SVG ; Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:104 IV 192; 126 II 358; 127 II 302; 131 IV 133;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Urteil vom 21. August 2018

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Müller

Oberrichter Frey

Gerichtsschreiberin Kofmel

In Sachen

A.___,

Beschwerdeführer

gegen

Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,

Beschwerdegegner

betreffend Führerausweisentzug


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

I.

1.1 Gemäss Unfallaufnahmeprotokoll der Kantonspolizei Bern fuhr A.___ am 30. Mai 2018, 6:40 Uhr, auf dem Gemeindegebiet von Kernenried mit einem Personenwagen auf der Autobahn A1 auf der Überholspur in Fahrtrichtung Schönbühl. Wegen stockendem Verkehrsaufkommen musste die vor ihm fahrende Fahrzeuglenkerin bis zum Stillstand abbremsen. Aufgrund ungenügenden Nachfahrabstandes konnte A.___ eine Auffahrkollision nicht mehr verhindern.

1.2 Mit rechtskräftigem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Emmental-Oberaargau, vom 10. Juli 2018, wurde A.___ der einfachen Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Abs. 1 Strassenverkehrsgesetz [SVG, SR 741.01]) durch ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren (Art. 34 Abs. 4 SVG; Art. 12 Abs. 1 Verkehrsregelnverordnung [VRV, SR 741.11]) schuldig gesprochen. Er wurde mit einer Busse von CHF 500.00 belegt.

2. Mit Verfügung vom 19. Juli 2018 entzog die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (nachfolgend: MFK), namens des Bauund Justizdepartements, A.___ den Führerausweis für die Dauer von einem Monat. Sie stufte sein Verhalten als mittelschwere Verkehrswiderhandlung ein.

3.1 Dagegen erhob A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer) am 21. Juli 2018 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und ersuchte um Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

3.2 Mit Präsidialverfügung vom 23. Juli 2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.

4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachstehend darauf einzugehen.

II.

1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.1 Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer habe bei einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 km/h einen Abstand von circa einer Wagenlänge zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten. Dadurch habe er den erforderlichen Abstand erheblich unterschritten. Die Auffahrkollision sei dann auch die unausweichliche Folge seines Fehlverhaltens gewesen. Das Verschulden müsse daher als eher schwer bewertet werden.

2.2 Der Beschwerdeführer entgegnet, die angefochtene Verfügung stütze sich auf seine Aussagen direkt nach dem Unfall. Die Fragen betreffend Geschwindigkeit und Abstand habe er nur mit einer Schätzung beantworten können. Vielleicht sei der Abstand auch grösser und die Geschwindigkeit geringer gewesen. Er fahre seit 15 Jahren unfallfrei Auto. Er habe den vor ihm fahrenden Wagen nur leicht getroffen. Es sei niemand verletzt worden.

3. Nach Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, der Lernfahroder der Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen schweren, mittelschweren und leichten Verkehrsregelverletzungen. Eine leichte Widerhandlung begeht u.a., wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und wenn ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). Gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Die schweren Fälle werden in Art. 16c SVG geregelt. Nach dieser Bestimmung begeht unter anderem eine schwere Widerhandlung, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG).

3.1 Im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Emmental-Oberaargau, vom 10. Juli 2018, wurde das Verhalten des Beschwerdeführers als einfache Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 1 SVG gewürdigt. Die Verwaltungsbehörden sind nur an die Tatsachenfeststellungen gebunden. Sie können für die Administrativmassnahme ihre eigene rechtliche Würdigung des Sachverhalts vornehmen (vgl. BGE 127 II 302 nicht publ. E. 3a; 124 II 103 E. 1c/bb). Es stellt sich vorliegend die Frage, ob die Verwaltungsbehörde zu Recht aufgrund des Sachverhalts von einer mittelschweren Widerhandlung gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG ausgehen durfte.

3.2 Nach Art. 34 Abs. 4 SVG ist gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu wahren, namentlich unter anderem beim Hintereinanderfahren. Diese Pflicht soll sicherstellen, dass bei überraschendem Abbremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig angehalten werden kann (Art. 12 Abs. 1 VRV). Diesen Bestimmungen kommt grosse Bedeutung zu, weil sich zahlreiche Unfälle dadurch ereignen, dass ein zweites Fahrzeug nicht genügend Abstand zum ersten einhält (vgl. BGE 126 II 358 E. 1.a mit Hinweis auf 115 IV 248 E. 3a).

3.3 Was unter einem «ausreichenden Abstand» im Sinne von Art. 34 Abs. 4 SVG zu verstehen ist, hängt von den gesamten Umständen ab. Dazu gehören unter anderem die Strassen-, Verkehrsund Sichtverhältnisse sowie die Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge. Die Rechtsprechung hat keine allgemeinen Grundsätze zur Frage entwickelt, bei welchem Abstand in jedem Fall, d.h. auch bei günstigen Verhältnissen, eine einfache Verkehrsregelverletzung anzunehmen ist. Im Sinne von Faustregeln wird für Personenwagen auf die Regel «halber Tacho» (entsprechend 1,8 Sekunden) und die «Zwei-Sekunden»-Regel abgestellt (zum Ganzen BGE 131 IV 133 E. 3.1 mit Hinweisen). Diese Distanz entspricht ungefähr der Anhaltestrecke bei plötzlichem ordnungsgemässem Bremsen und Anhalten des vorausfahrenden Personenwagens (Urteil des BGer 1C_205/2017 vom 7. September 2017 E. 3.1 mit Verweis auf BGE 104 IV 192 E. 2b).

4.1 Wie sich aus den Akten ergibt, ereignete sich der fragliche Auffahrunfall an einem frühen Mittwochmorgen bei trockener Fahrbahn und schöner Witterung auf der Autobahn A1 bei stockendem Kolonnenverkehr. Gegenüber der Polizei gab der Beschwerdeführer an, er sei mit ca. 60 bis 80 km/h gefahren und habe zum vorausfahrenden Fahrzeug gefühlsmässig einen Abstand von ca. einer Wagenlänge gehabt. Dem Strafrichter waren die Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei bekannt. Von diesem Sachverhalt ist grundsätzlich auch im Administrativverfahren auszugehen (vgl. vorne E. II/3.1). Die in der Beschwerde behauptete geringere Geschwindigkeit und der grössere Abstand ergibt sich nicht aus den Akten und stellt deshalb eine blosse Schutzbehauptung dar. Nur ergänzend ist zu bemerken, dass nach der Praxis auch bei Auffahrkollisionen zwischen Personenwagen mit Aufprallgeschwindigkeiten von ca. 10-15 km/h die ernsthafte Gefahr gilt, dass die durch den Stoss auf das Heck des vorderen Fahrzeugs bewirkte hohe Rückwärtsbeschleunigung auf die Halswirbelsäule der betroffenen Fahrzeuginsassen (selbst bei blossem Zurückprallen des Hinterkopfes und Nackens auf die Kopfstütze) zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden («Schleudertrauma») führen kann. Bei solchen Unfällen liegt auch ohne tatsächlichen Personenschaden gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Regel ein mittelschwerer Fall mit konkreter Gefährdung des Unfallgegners vor (vgl. Urteil des BGer 1C_575/2012 vom 5. Juli 2013 E. 5.1).

4.2 Und selbst wenn von einer nur geringen Gefährdung Dritter ausgegangen würde, handelte es sich trotzdem nicht um eine leichte Widerhandlung. Eine solche setzt zusätzlich ein leichtes Verschulden voraus (vgl. Art. 16a Abs. 1 SVG). Der Beschwerdeführer lenkte sein Fahrzeug vor dem Unfallereignis in stockendem Kolonnenverkehr. In einer solchen Situation ist besondere Aufmerksamkeit geboten, weil der Fluss der Fahrzeugkolonne nicht berechenbar ist. Unerwartete Stockungen im vorderen Teil der Kolonne können sich weit hinten auswirken, sodass das Vorwärtskommen meist durch ständige Spurwechsel oft verzögert oder gar verhindert wird. Auch ein langsames Fahrtempo entbindet nicht von der Pflicht, seine volle Aufmerksamkeit dem Verkehr zu widmen (Urteil des BGer 1C_75/2007 vom 13. September 2007 E. 3.2). Es ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bekannt war, welchen Abstand er auf den Vordermann hätte einhalten müssen, und dass er diese Regel in pflichtwidriger Unvorsichtigkeit missachtet hat. Als nachfolgender Fahrzeuglenker hätte er auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeugs rechtzeitig anhalten müssen (vgl. Art. 12 Abs. 1 VRV).

4.3 Da weder von einer geringen Gefährdung noch von einem leichten Verschulden auszugehen ist, hat die Vorinstanz dem Beschwerdeführer den Führerausweis zu Recht gestützt auf Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für einen Monat entzogen.

4.4 Diese einmonatige Entzugsdauer entspricht der gesetzlichen Mindestentzugsdauer (Art. 16b Abs. 2 SVG). Aus diesem Grund können die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente betreffend beruflicher Notwendigkeit des Führerausweises keine Berücksichtigung finden.

5. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Sie werden mit dem vom Beschwerdeführer geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

Demnach wird erkannt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    A.___ hat den Führerausweis innert zehn Tagen nach Rechtskraft des vorliegenden Urteils bei der MFK einzureichen.

3.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 800.00 zu bezahlen.

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber Kofmel



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