Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2018.102 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 26.06.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | vorsorglicher Führerausweisentzug / verkehrsmedizinische Untersuchung |
Schlagwörter: | Beschwerde; Beschwerdeführer; Fahreignung; Droge; Vorsorglich; Drogen; Führerausweis; Vorsorgliche; Untersuchung; Polizei; Strassen; Betäubungsmittel; Strassenverkehr; Verwaltungsgericht; Verkehrsmedizinische; Motorfahrzeug; µg/L; ASTRA; Vorsorglichen; Abklärung; Entscheid; Urteil; Konsum; Zweifel; Nachfolgend; Sicherungsentzug; Entzug; Führerausweisentzug; Bundesgericht; Verfahrens |
Rechtsnorm: | Art. 55 SVG ; |
Referenz BGE: | 125 II 396; 127 II 122; 129 II 82; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Müller
Oberrichter Stöckli
Gerichtsschreiberin Droeser
In Sachen
A.___ vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Walker
Beschwerdeführer
gegen
Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,
Beschwerdegegner
betreffend vorsorglicher Führerausweisentzug / verkehrsmedizinische Untersuchung
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1.1 A.___, geb. 1964, wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle am 22. Dezember 2017, um 23 Uhr, in Grenchen von der Polizei angehalten und kontrolliert. Aufgrund von äusseren Anzeichen auf Betäubungsmittelkonsum führte die Polizei einen Drogenschnelltest durch, der positiv ausfiel. Der Führerausweis wurde A.___ noch vor Ort abgenommen, und der Lenker wurde zur Blutund Urinentnahme ins Bürgerspital Solothurn gebracht. Der Führerausweis wurde ihm am 5. Januar 2018 von der zuständigen Behörde wieder zugestellt mit dem Hinweis, dass bei einem positiven Resultat der Untersuchung ein vorsorglicher Führerausweisentzug und eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet würden.
1.2 Die forensisch-toxikologische Untersuchung des abgenommenen Blutes am Institut für Rechtsmedizin Bern fiel positiv auf THC aus, mit einem Ergebnis von 2.8 µg/L bzw. einem unteren Wert im Vertrauensbereich von 1.96 µg/L. Der entsprechende Bericht datiert vom 16. Januar 2018.
2. Am 23. Januar 2018 verfügte die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn (nachfolgend: MFK) namens des Bauund Justizdepartementes (BJD) einen vorsorglichen Führerausweisentzug, gab dem Betroffenen Gelegenheit, sich innert 10 Tagen dazu zu äussern und kündigte ihm an, es sei vorgesehen, ihn einer verkehrsmedizinischen Untersuchung zuzuweisen.
Nach Eingang der Stellungnahme vom 23. Februar 2018, innert welcher verlangt wurde, das Administrativverfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren und den Führerausweis umgehend wieder zu erteilen, hielt die MFK in ihrer Verfügung vom 27. Februar 2018 am vorsorglichen Entzug fest und wies A.___ einer verkehrsmedizinischen Untersuchung an der Universität Zürich zu.
3.1 Dagegen liess A.___ (nachfolgend: Beschwerdeführer), vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Walker, am 12. März 2018 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn erheben mit den Rechtsbegehren, die Verfügung vom 27. Februar 2018 sei aufzuheben und dem Beschwerdeführer sei der Führerausweis umgehend wieder zu erteilen, unter Kostenund Entschädigungsfolgen.
3.2 Aufschiebende Wirkung wurde der Beschwerde mit Entscheid vom 13. März 2018 verweigert.
3.3 Die MFK schloss mit Stellungnahme vom 3. April 2018 auf Beschwerdeabweisung.
3.4 Mit Eingabe vom 20. Juni 2018 reichte der Beschwerdeführer die Resultate von weiteren in der Zwischenzeit abgegebenen Urinproben ein.
4. Für die Parteistandpunkte und die Erwägungen der Vorinstanz wird grundsätzlich auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, ist nachfolgend darauf einzugehen.
II.
1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid. Da dieser für den Beschwerdeführer von erheblichem Nachteil ist - der Beschwerdeführer ist während der Dauer des Verfahrens nicht fahrberechtigt und muss eine Untersuchung über sich ergehen lassen -, ist er gemäss § 66 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) hinsichtlich der Anfechtbarkeit einem Hauptentscheid gleichgestellt. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel und das Verwaltungsgericht zur Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.1 Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, die Polizeikontrolle sei ohne Grund erfolgt und insbesondere der Drogenschnelltest ohne Anlass. Der festgestellte THC-Wert könne auf die konsumierten legalen Hanf-Zigaretten zurückgeführt werden. Zudem belege das eingereichte Arztzeugnis, dass kein Suchtverhalten vorliege, weshalb nicht zu erkennen sei, was die Abklärung der Fahreignung zusätzlich ergeben könne. Der vorsorgliche Entzug sei deshalb nicht aufrecht zu erhalten.
2.2 Die MFK macht geltend, Anlass für den Drogentest sei neben dem von der Polizei wahrgenommenen Marihuanageruch der schläfrige Eindruck gewesen, den der Beschwerdeführer hinterlassen habe. Der im Gutachten festgestellte Wert liege über dem vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) festgelegten Grenzwert, weshalb das Fahren unter Drogeneinfluss nachgewiesen sei, ob dies nun durch Zigaretten oder andere illegale Formen des Konsums von Cannabisprodukten zustande gekommen sei.
3.1 Nach Art. 14 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01) müssen Motorfahrzeugführer über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen. Über Fahreignung verfügt, wer unter anderem frei von einer Sucht ist, die das sichere Führen von Motorfahrzeugen beeinträchtigt (Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG). Drogensucht wird nach der Rechtsprechung bejaht, wenn die Abhängigkeit von der Droge derart ist, dass der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich ans Steuer eines Fahrzeugs in einem dauernden oder zeitweiligen Zustand zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Im Interesse der Verkehrssicherheit setzt die Rechtsprechung den regelmässigen Konsum von Drogen der Drogenabhängigkeit gleich, sofern dieser seiner Häufigkeit und Menge nach geeignet ist, die Fahreignung zu beeinträchtigen (vgl. BGE 127 II 122 E. 3a und c mit Hinweisen). Dabei darf auf fehlende Fahreignung geschlossen werden, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, Betäubungsmittelkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt (Urteil des BGer 1C_365/2013 vom 8. Januar 2014 E. 3; BGE 129 II 82 E. 4.1; 127 II 122 E. 3c; 124 II 559 E. 3d und 4e). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, so wird diese einer Fahreignungsuntersuchung unterzogen, namentlich bei Fahren unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder bei Mitführen von Betäubungsmitteln, die die Fahrfähigkeit stark beeinträchtigen oder ein hohes Abhängigkeitspotential aufweisen (Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG). Nach Art. 30 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV, SR 741.51) kann der Führerausweis vorsorglich entzogen werden, wenn ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person bestehen.
3.2 Das Bundesgericht hält zum vorsorglichen Entzug fest, angesichts des grossen Gefährdungspotentials, welches dem Führen eines Motorfahrzeuges eigen sei, erlaubten schon Anhaltspunkte, die den Fahrzeugführer als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen liessen und ernsthafte Zweifel an seiner Fahreignung erweckten, den vorsorglichen Ausweisentzug. Der strikte Beweis für die Fahreignung ausschliessende Umstände sei nicht erforderlich; wäre dieser erbracht, müsste unmittelbar der Sicherungsentzug selbst verfügt werden. Könnten die notwendigen Abklärungen nicht rasch und abschliessend getroffen werden, solle der Ausweis schon vor dem Sachentscheid provisorisch entzogen werden können und brauche eine umfassende Auseinandersetzung mit sämtlichen Gesichtspunkten, die für oder gegen einen Sicherungsentzug sprächen, erst im anschliessenden Hauptverfahren zu erfolgen. Der vorsorgliche Entzug des Führerausweises bilde während eines Sicherungsentzugsverfahrens zum Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit die Regel (Urteil des BGer 1C_177/2013 vom 9. September 2013 E. 3; BGE 127 II 122 E.5; BGE 125 II 396 E. 3).
3.3 Gemäss der Verkehrsregelnverordnung (VRV, SR 741.11) gilt eine Fahrunfähigkeit (im Sinne von Art. 31 Abs. 2 i.V.m. Art. 55 Abs. 7 lit. a SVG) grundsätzlich als erwiesen, wenn im Blut des Fahrzeuglenkers Tetrahydrocannabinol (Cannabis) nachgewiesen wird (Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV). Gemäss der Verordnung des ASTRA (VSKV-ASTRA, SR 741.013.1) zur Strassenverkehrskontrollverordnung (SKV, SR 741.013) gelten die Betäubungsmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV als nachgewiesen, wenn die Messwerte im Blut die folgenden Grenzwerte erreichen oder überschreiten: THC (Cannabinoide): 1,5 µg/L (Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA).
3.4 Der beim Beschwerdeführer ermittelte THC-Wert von mindestens 1.96 µg/L lag somit über dem Grenzwert von Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA. Dies reicht bereits aus für Zweifel an der Fahreignung wie für einen vorsorglichen Sicherungsentzug. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einem THC-Wert im Blut von mindestens 1.96 µg/L angehalten worden ist, erweckt den Verdacht, dass er nicht in der Lage ist, den Betäubungsmittelkonsum und die Teilnahme am Strassenverkehr zu trennen, und er somit ein besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellt. Insbesondere ist mit diesem Ergebnis auch die Aussage des Beschwerdeführers anlässlich der Polizeikontrolle widerlegt, er habe keine Drogen konsumiert. Der Beschwerdeführer ist bei seiner Fahrt nachweislich unter direktem Drogeneinfluss gestanden. Unter diesen Umständen ist es nicht vertretbar, den Beschwerdeführer bis zum Vorliegen der Abklärungsresultate der verkehrsmedizinischen Untersuchung (vgl. dazu nachfolgend Erw. 3.5) weiterhin zum Strassenverkehr zuzulassen. Der vorsorgliche Führerausweisentzug bis zum Vorliegen der Abklärungsergebnisse bildet denn - wie bereits erwähnt (vgl. Erw. 3.2 hievor) - auch die Regel.
3.5 Die Aussagekraft des THC-Messwerts im Blut bildet nur den Cannabiskonsum der vorangegangenen Stunden bzw. Tage ab. Das Testergebnis stellt daher nur eine Momentaufnahme dar. Das generelle Konsumverhalten des Beschwerdeführers, das für die Feststellung der Fahreignung entscheidend ist, lässt sich damit nicht hinreichend beurteilen. Das geht auch nicht aus einem ärztlichen Zeugnis hervor, welches sich dazu äussert, ob eine Tendenz besteht zum Konsum von Substanzen (Alkohol, Drogen, Medikamente), welche die Fahreignung einschränken. Zur seriösen Abklärung ist vielmehr eine verkehrsmedizinische Untersuchung notwendig, wie sie das Gesetz in Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG vorsieht, wenn jemand unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln ein Motorfahrzeug gelenkt hat.
3.6 Nach Art. 55 SVG kann die Polizei Fahrzeugführer einer Alkoholkontrolle unterziehen. Einen besonderen Grund für die Kontrolle braucht die Polizei nicht, sogenannte anlassfreie Kontrollen sind zulässig. Wird anlässlich einer solchen Kontrolle von der Polizei festgestellt, dass Anzeichen für eine Fahrunfähigkeit bestehen, die nicht oder nicht allein auf Alkohol zurückzuführen sind, können weitere Untersuchungen wie Urinoder Speichelproben erhoben werden. Das genaue Vorgehen ist in der Strassenverkehrskontrollverordnung geregelt. Dass deren Vorschriften beim Vorgehen der Polizei verletzt worden wären, wird nicht geltend gemacht.
4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf CHF 1'000.00 festzusetzen sind. Es ist keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 1'000.00 zu bezahlen.
3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Die Gerichtsschreiberin
Scherrer Reber Droeser
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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