Kanton: | SO |
Fallnummer: | VWBES.2017.406 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.02.2018 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Verwarnung |
Schlagwörter: | Beschwerde; Beschwerdeführer; Verwaltungs; Ordnungsbusse; Verfahren; Leichte; Bundesgericht; Signal; Sperrfläche; Verboten; Urteil; Urteil; Verwaltungsgericht; Busse; Polizei; Richter; Liegenden; Gefährdung; Verschulden; Departement; Strasse; Begründete; Linksabbiegen; Erledigt; Geringe; Ordnungsbussenverfahren; Leichter; Solothurn; Kanton; Vorliegen |
Rechtsnorm: | Art. 16 SVG ; Art. 16a SVG ; Art. 27 SVG ; Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 105 IV 208; 119 Ib 158; 124 II 103; 126 IV 192; 133 II 138; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | Philippe Weissenberger; Philippe Weissenberger; |
Es wirken mit:
Präsidentin Scherrer Reber
Oberrichter Stöckli
Ersatzrichterin Flury-Schmitt
Gerichtsschreiber Schaad
In Sachen
A.___ vertreten durch Fürsprecher Andreas Imobersteg, 3001 Bern
Beschwerdeführer
gegen
Bauund Justizdepartement, vertreten durch Motorfahrzeugkontrolle,
Beschwerdegegner
betreffend Verwarnung
zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
I.
1. Am 2. Juli 2017 fuhr A.___ in Biberist vom an der Ecke Bleichemattstrasse/Bernstrasse gelegenen Parkplatz nach links in die Bleichemattstrasse und bog dann von dieser nach links in die Bernstrasse ab. Dass an dieser Stelle das Linksabbiegen verboten ist, wird sowohl mit einem Verkehrsschild als auch mit einer auf die Strasse gemalten Sicherheitslinie und einer an diese anschliessende Sperrfläche signalisiert.
2. Wegen dieses Vorkommnisses erstattete die zufällig anwesende mobile Polizei gleichentags eine Strafanzeige. Am 7. September 2017 teilte die Motorfahrzeugkontrolle dem Beschwerdeführer mit, gegen ihn sei ein Administrativverfahren eingeleitet worden. Am 22. September 2017 erliess die Motorfahrzeugkontrolle namens des Bauund Justizdepartements eine Verfügung. In derselben verwarnte sie den Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 16a Abs. 1 lit. a und Art. 16a Abs. 3 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG, SR 741.01). Sie begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer das Vorschriftssignal Nr. 2.43, «Abbiegen nach links verboten» und eine Sperrfläche missachtet habe.
3. Am 16. Oktober 2017 reichte A.___ gegen die Departementalverfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Er stellte die Rechtsbegehren, die Verfügung vom 22. September 2017 sei unter Kostenund Entschädigungsfolge aufzuheben, und auf eine Administrativmassnahme sei zu verzichten.
Er begründete seine Beschwerde im Wesentlichen damit, dass er das Signal «Linksabbiegen verboten» und die Sperrfläche auf der Fahrbahn wegen ungünstiger Blickwinkel nicht gesehen habe. Der Beschwerdeführer vertrat zudem die Ansicht, im vorliegenden Fall liege ein Anwendungsfall von Art. 16a Abs. 4 SVG vor, da sich das Bundesgericht, um zu beurteilen, ob ein besonders leichter Fall vorliege, danach orientiere, ob dieser im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden könne. Seine Würdigung werde dadurch gestützt, dass von einer minimalen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und einem äusserst geringen Verschulden ausgegangen werden könne.
4. In seiner Vernehmlassung vom 6. November 2017 stellte das Departement den Antrag, die Beschwerde abzuweisen und begründete ihn u.a. damit, gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung könne auch bei einer Widerhandlung, die im Ordnungsbussenverfahren erledigt werde, nicht per se auf einen besonders leichten Fall geschlossen werden. Dass die abstrakte Verkehrsgefährdung, die der Beschwerdeführer verursachte, nicht als besonders leicht bezeichnet werden könne, begründete das Departement auch damit, dass an der Stelle, an der der Beschwerdeführer abbog, nicht nur andere Automobilisten, sondern auch Fahrradfahrer vortrittsberechtigt seien. Er habe zudem nicht nur eine Sperrfläche, sondern auch eine Wartelinie und einen anschliessenden Radstreifen überfahren, was ein besonders leichtes Verschulden ausschliesse.
II.
1. Die Beschwerde ist fristund formgerecht erhoben worden. Sie ist zulässiges Rechtsmittel, und das Verwaltungsgericht ist zur Beurteilung zuständig (§ 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). Durch die angefochtene Verfügung ist der Beschwerdeführer beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2. In Anwendung von Art. 16a Abs. 1 SVG, wonach eine leichte Widerhandlung begeht, wer durch die Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein geringes Verschulden trifft und von Art. 16a Abs. 3 SVG, wonach die fehlbare Person verwarnt wird, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war oder keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde, erliess das Departement am 22. September 2017 eine Verwarnung. Die Subsumption eines Sachverhalts unter Art. 16a Abs. 1 SVG setzt voraus, dass die geringe Gefahr und das leichte Verschulden kumulativ vorliegen (BGE 133 II 138). Läge nur ein besonders leichter Fall vor, würde gemäss Art. 16a Abs. 4 SVG auf jegliche Massnahme verzichtet.
3. Gemäss Art. 27 Abs. 1 SVG sind Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei zu befolgen. Die Missachtung eines Signals, das wie das Signal «Linksabbiegen verboten», der Verkehrssicherheit dient, kann nur ausnahmsweise als besonders leichter Fall bewertet werden; dies im Unterschied zu Signalen, die bspw. das Parken regeln (BGE 126 IV 192, 123 IV 88). So führte auch das Bundesgericht aus, dass bei der Missachtung von Signalen höchst selten von einer Massnahme abgesehen werden könne (BGE 105 IV 208; Philippe Weissenberger: Kommentar Strassenverkehrsgesetz und Ordnungsbussengesetz, 2015 St. Gallen, N 14 zu Art. 27 SVG). Anderseits steht fest, dass für Übertretungen, die im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden können, die Administrativwie die Strafbehörden in der Regel gar keine Kenntnis von den diesen zugrundeliegenden Verkehrsregelverstössen erlangen, wenn die Ordnungsbusse akzeptiert und bezahlt wird.
4.1 Der Beschwerdeführer führte aus, dass er die Hinweise, wonach das Linksabbiegen verboten ist, wegen ungünstiger Blickwinkel nicht wahrgenommen habe. Er machte geltend, er habe das Signal nicht gesehen, da er an der Ecke Bleichemattstrasse/Bernstrasse parkiert habe und von dort seinen Weg eingeschlagen habe. Von dieser Position aus sei das Schild 90° von ihm abgewandt gewesen. Ähnlich argumentierte ein Beschwerdeführer im vom Bundesgericht im Urteil 6B_313/2016 beurteilten Fall. Das Bundesgericht folgte der Argumentation des Fahrzeuglenkers nicht, da - gleich wie im vorliegenden Fall - das gebotene Verhalten nicht nur aus dem Signal, sondern auch aus der Markierung auf der Fahrbahn hervorging.
4.2 Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er die Markierung auf der Strasse nicht gesehen habe, weil sein Auto über eine lange Haube verfüge. Das erscheint als Schutzbehauptung. Hätte das Fahrzeug ein Design, mit dem die Wahrnehmung von Bodenmarkierungen verunmöglicht würde, wäre es wohl kaum zugelassen.
5.1 Der Beschwerdeführer argumentierte, dass sich das Bundesgericht bei der Beurteilung, ob ein besonders leichter Fall vorliege, an jenen Widerhandlungen orientiere, die im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden können. Er berief sich dabei auf Urteil 1C_406/2010, bei dem der fehlbare Lenker verwarnt wurde, der beim Rückwärtsfahren einen Schaden verursachte, der einem Parkschaden gleichkam.
Dass nicht zwingend bei jedem Fall, der im Ordnungsbussengesetz aufgeführt ist, auf ein Administrativverfahren verzichtet wird, wird insbesondere durch die Rechtsprechung deutlich, die sich mit der Missachtung des Rotlichts auseinandersetzt. Obwohl das Überfahren des Rotlichts im Bussenkatalog mit einer Busse von CHF 250.00 aufgeführt wird, wurde es schon häufig, was notorisch ist, als schwere Verkehrsregelmissachtung interpretiert. Im Urteil 1C_260/2012 vom 12. März 2013 hat das Bundesgericht zu bedenken gegeben, dass bei einer Busse, die unter der Höchstgrenze nach der Ordnungsbussenverordnung (OBV, SR 741.031) liegt, nicht automatisch auf einen besonders leichten Fall nach Art. 16 Abs. 4 SVG geschlossen werden könne. Dafür fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Anderseits ist klar, wie bereits dargelegt, dass Verkehrsregelverstösse, die mit Ordnungsbusse geahndet werden, gar nicht zur Kenntnis der Strafund Administrativbehörden gelangen, sodass sie nicht zu einer Administrativmassnahme führen können.
5.2 Was die Qualifikation der durch den Beschwerdeführer geschaffenen Gefährdung anbelangt, muss auf die Strafanzeige der Polizei vom 13. August 2017 verwiesen werden, wo rapportiert wurde, dass beim Überfahren der Sperrfläche keine Gefährdung und keine Behinderung vorlag und dies mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h geschah. Das Wetter und die Strassenverhältnisse waren gut, es war noch Tag, schönes Wetter und niederschlagsfrei, der Asphalt trocken. Aus den in den Akten liegenden Luftbildern ist zudem erkennbar, dass es sich um übersichtliche Verhältnisse handelte und die Sicht in keiner Weise eingeschränkt war.
6. Vom Gericht wurde der Strafbefehl vom 24. August 2017 eingeholt. Er hatte sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht in den Akten befunden. Im Strafbefehl wurde zwei Mal Art. 90 Abs. 1 SVG angewandt und ein Missachten der Sperrfläche ohne Gefährdung und ohne Behinderung angenommen, zudem ein Missachten des Vorschriftssignals «Abbiegen nach links verboten», alles entsprechend der Anzeige der Polizei. Es wurde eine Busse von CHF 150.00 verhängt. Der Strafrichter ist also davon ausgegangen, es handle sich um eine Bagatelle. Für das verbotene Linksabbiegen ging er offensichtlich von der dafür vorgesehenen Ordnungsbusse von CHF 100.00 aus, für das Überfahren der Sperrfläche von der dafür im Bussenkatalog vorgesehenen minimalen zusätzlichen Busse von CHF 50.00.
Zwar vermag ein Strafurteil die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zu binden. Allerdings gebietet das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung, widersprüchliche Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden. Die Verwaltungsbehörde darf deshalb beim Entscheid über die Massnahme von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters nur unter bestimmten Voraussetzungen abweichen (BGE 124 II 103 E. 1c/aa S. 106; 119 Ib 158 E. 3c/aa S. 163 f.; je mit Hinweisen). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt es zudem zu verhindern, dass derselbe Lebensvorgang zu voneinander abweichenden Sachverhaltsfeststellungen von Verwaltungsund Justizbehörden führt und insbesondere die erhobenen Beweise in verschiedener Weise gewürdigt und rechtlich beurteilt werden. Die Verwaltungsbehörde hat denn auch - sofern ein Strafverfahren eingeleitet worden ist - mit dem Erlass einer administrativen Massnahme grundsätzlich zuzuwarten, bis ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt, soweit der Sachverhalt oder die rechtliche Qualifikation des in Frage stehenden Verhaltens für das Verwaltungsverfahren von Bedeutung ist (BGE 119 Ib 158 E. 2c/bb S. 161 f.; Urteil 6A.121/2000 vom 7. Juni 2001 E. 3a; Urteil 1C_581/2016).
Weshalb das Departement im vorliegenden Fall das Strafverfahren nicht berücksichtigten, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist klar, weshalb es entgegen der Anzeige der Polizei von einer Gefährdung ausging und das Verschulden höher gewichtete als der Strafrichter, der von einer Bagatelle ausging. Das Argument, der Beschwerdeführer habe nicht nur eine Sperrfläche überfahren, sondern auch eine Wartelinie und einen Radstreifen, hält jedenfalls nicht stand, muss doch jeder Fahrzeuglenker sowohl die Wartelinie wie den Radstreifen überqueren, wenn er in die Querstrasse einbiegt, ob nun korrekt nach rechts oder verbotenerweise nach links. Aus der gefahrenen Geschwindigkeit von maximal 30 km/h ergibt sich ebenfalls nichts Erschwerendes, ist doch diese bei übersichtlichen Verhältnissen auch bei einem Abbiegen nicht zu beanstanden.
7. Zusammenfassend ergibt sich, dass der strafrechtlichen Beurteilung zu folgen und die Beschwerde somit gutzuheissen ist. Es ist keine Administrativmassnahme zu verhängen. Die Verwarnung vom 22. September 2017 ist aufzuheben. Bei diesem Ausgang hat der Kanton Solothurn die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu tragen, die auf CHF 800.00 festzusetzen sind. Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten. Die geltend gemachten CHF 1'148.15 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) erscheinen als angemessen.
Demnach wird erkannt:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Bauund Justizdepartements vom 22. September 2017 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht trägt der Kanton Solothurn.
3. Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von CHF 1'148.15 zu bezahlen.
Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.
Im Namen des Verwaltungsgerichts
Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber
Scherrer Reber Schaad
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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