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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:V-2013/167
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Kindes- und Erwachsenenschutz
Verwaltungsrekurskommission Entscheid V-2013/167 vom 13.06.2013 (SG)
Datum:13.06.2013
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 426, Art. 428 Abs. 1, Art. 440 Abs. 2, Art. 445, Art. 446 Abs. 1 und 2, Art.
Schlagwörter: Beschwerde; Unterbringung; Beschwerdeführerin; Fürsorgerische; Person; Störung; Verfügung; Recht; Vorinstanz; Fürsorgerischen; Massnahme; EG-KES; Verfahren; Erwachsenenschutz; Zuständig; Psychische; Gehör; Schutz; Entlassung; Entscheid; Demenz; Angefochtene; Betreuung; Anhörung; Verfahrens; Geeignete; Genügend; Psychischen; Geistige; Behandlung
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 426 ZGB ; Art. 428 ZGB ; Art. 429 ZGB ; Art. 440 ZGB ; Art. 442 ZGB ; Art. 445 ZGB ; Art. 446 ZGB ; Art. 447 ZGB ; Art. 450 ZGB ; Art. 450a ZGB ; Art. 450b ZGB ;
Referenz BGE:122 II 469; 130 III 729; 137 I 195;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
447 Abs. 2 ZGB (SR 210); Art. 16, 18, 19, 20 EG-KES (sGS 912.5). Ordnet die

KESB eine fürsorgerische Unterbringung an, ist dazu die Kollegialbehörde sachlich zuständig, und nicht ein Einzelmitglied. Persönliche Anhörung der betroffenen Person. Voraussetzungen der fürsorgerischen Unterbringung bei einer Person mit Alzheimerdemenz bejaht, da sie nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung V,

13. Juni 2013, V-2013/167).

Präsident Urs Gmünder, Fachrichter Heinz Erismann und Sieglinde Marte; Gerichtsschreiberin Susanne Schmid Etter

X, zurzeit Kantonale Psychiatrische Klinik Wil, Zürcherstrasse 30, 9501 Wil,

Beschwerdeführerin, Beistand: Y,

gegen

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, Vorinstanz, betreffend

fürsorgerische Unterbringung (KPK Wil) Sachverständiger: K, Facharzt für Allgemeinmedizin

Sachverhalt:

A.- X ist im Jahr 1932 geboren und lebt allein in A. Sie hat vier erwachsene Kinder, wovon eines verstorben ist, und ist seit mehreren Jahren verwitwet.

B.- Mit Schreiben vom 10. April 2013 wandte sich Z, ein Sohn von X, an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (nachfolgend: KESB). Er schilderte darin, dass seine Mutter seit einigen Jahren an fortschreitender Demenz leide. Seit Anfang 2013 habe sich der psychische Gesundheitszustand massiv verschlechtert. Sie habe die Rechnungen nicht mehr bezahlt, worauf der Strom abgestellt worden sei, sich nicht mehr genügend ernährt und massiv an Gewicht verloren. Am 6. Mai 2013 teilte die Pro Senectute der KESB mit, dass der Kontakt zu X abgebrochen sei. Sie lasse niemanden mehr in ihre Wohnung. Die KESB informierte X gleichentags schriftlich, es werde beabsichtigt, für sie eine Beistandschaft zu errichten. Am 4. Juni 2013 verlangte Z bei der KESB die sofortige Einweisung seiner Mutter in ein Heim, nachdem diese ihn in der Nacht zwanzig Mal angerufen habe in der irrigen Meinung, ihr Mann sei soeben verstorben.

C.- Mit Verfügung vom 5. Juni 2013 ordnete der Präsident der KESB gegenüber X eine Beistandschaft nach Art. 394, 395 und 396 ZGB sowie die fürsorgerische Unterbringung in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik (nachfolgend: KPK) Wil an. In den Erwägungen wurde ausgeführt, es sei als erwiesen zu betrachten, dass X an einer geistigen Störung leide. Da sie den Kontakt zu externen Stellen abgebrochen habe, sei es unumgänglich, sie in eine geeignete Einrichtung einzuweisen. Gegen diese Verfügung erhob X mit Eingabe vom 5. Juni 2013 Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission.

D.- Am 13. Juni 2013 fand in der KPK Wil die mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin teilnahm. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Teilnahme. Der Oberarzt der KPK Wil wurde als Auskunftsperson befragt. K, Facharzt für Allgemeinmedizin, befragte die Beschwerdeführerin und erstattete den gutachterlichen Bericht mündlich (vgl. Verhandlungsprotokoll).

Auf die Ausführungen der Beteiligten ist, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die Verwaltungs- rekurskommission ist zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur

Rechtsmittelerhebung ist gegeben. Die Beschwerde vom 5. Juni 2013 ist rechtzeitig eingereicht worden und erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 450 und 450b ZGB, Art. 27 des Einführungsgesetzes zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht [sGS 912.5; abgekürzt: EG-KES] sowie Art. 41ter des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [sGS 951.1; abgekürzt: VRP]). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.

2.- Die angefochtene Verfügung vom 5. Juni 2013 ist vorab in formeller Hinsicht zu überprüfen.

  1. Die Beschwerdeführerin wohnt in A, weshalb die Vorinstanz zum Erlass einer fürsorgerischen Unterbringung örtlich zuständig ist (Art. 442 Abs. 1 ZGB und Art. 21 EG-KES).

  2. Für die Anordnung der Unterbringung und die Entlassung ist die Erwachsenenschutzbehörde zuständig (Art. 428 Abs. 1 ZGB). Nach Art. 440 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 16 EG-KES handelt und entscheidet die KESB unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen im EG-KES in der Besetzung von drei Mitgliedern. Die abweichenden Einzelzuständigkeiten im Erwachsenenschutz sind in Art. 19 EG-KES abschliessend aufgeführt. Die Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung ist darin nicht enthalten. Nach Art. 20 EG-KES kann der Vorsitzende oder das zuständige Mitglied der KESB für die Dauer des hängigen Verfahrens vorsorgliche Massnahmen nach Art. 445 ZGB verfügen.

    Die angefochtene Verfügung wurde vom Präsidenten der Vorinstanz erlassen. Er berief sich dabei auf die Einzelzuständigkeit nach Art. 19 EG-KES. Dort wird jedoch weder die Anordnung einer Beistandschaft noch einer fürsorgerischen Unterbringung genannt. Es handelt sich auch nicht um eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 445 ZGB; denn die fürsorgerische Unterbringung wurde nicht nur vorläufig – d.h. während der Dauer des hängigen Verfahrens vor der KESB –, sondern definitiv angeordnet. Abgesehen davon ist in der Lehre umstritten, ob die Anordnung einer fürsorgerischen Unterbringung durch die KESB als vorsorgliche Massnahme überhaupt zulässig ist. Wie es sich damit verhält, muss vorliegend nicht geprüft werden. Für dringliche Fälle steht grundsätzlich die ärztliche Unterbringung nach Art. 429 ZGB zur Verfügung (Auer/ Marti, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012, N 12 zu Art. 445 ZGB). Auch auf die Präsidialzuständigkeit gemäss Art. 23 VRP, wonach in Fällen, die keinen Aufschub gestatten und in denen die Gesamtbehörde nicht rechtzeitig einberufen werden kann, der Vorsitzende an deren Stelle verfügt, lässt sich die Verfügung nicht stützen. Nach Art. 10 EG-KES ist das VRP auf Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nur anwendbar, sofern das ZGB oder das EG-KES keine Regelung enthalten. Die Einzelzuständigkeiten werden jedoch im Spezialgesetz EG-KES in Art. 18 f. abschliessend geregelt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Botschaft zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (ABl 2011 S. 2865). Der Präsident der Vorinstanz war folglich sachlich nicht zuständig, die fürsorgerische Unterbringung der Beschwerdeführerin anzuordnen. Dazu wäre ein Entscheid der Kollegialbehörde nötig gewesen. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird jedoch auf eine Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Rückweisung zu neuem Entscheid an die Vorinstanz verzichtet. Bei der Kostenverlegung ist diesem Umstand Rechnung zu tragen.

  3. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs dient einerseits der Sachaufklärung, andrerseits stellt sie ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht der Verfahrensbeteiligten dar. Der Umfang des Anspruchs wird zunächst durch das kantonale Verfahrensrecht umschrieben. Wo dieser kantonale Rechtsschutz sich als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV folgenden Minimalgarantien (Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, Rz. 3). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wurde zunächst für das Gerichtsverfahren entwickelt. Er gilt jedoch – zumindest in seinem

    Kerngehalt – auch in Verfahren vor Verwaltungsbehörden. Art. 15 Abs. 2 VRP sieht vor, dass Verfügungen, die erheblich belasten, nur zulässig sind, wenn die Betroffenen den wesentlichen Sachverhalt kennen und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Ein allgemeiner Anspruch auf persönliche Anhörung und mündliche Äusserung vor Erlass einer Verfügung ergibt sich weder aus kantonalem noch aus Bundesrecht. Eine mündliche Anhörung drängt sich jedoch auf, soweit persönlichkeitsbezogene Verhältnisse zu beurteilen sind, namentlich wenn der persönliche Eindruck von der Partei und Auskünfte über deren Lebensweise für die zu treffende Entscheidung wesentlich sind (Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., N 20 zu § 8 VRG). Art. 447 Abs. 2 ZGB bestimmt, dass im Fall einer fürsorgerischen Unterbringung die betroffene Person vorgängig in der Regel durch die Kollegialbehörde anzuhören ist. Die Anhörung kann nur ausnahmsweise an ein Einzelmitglied der KESB delegiert werden, etwa wenn Gefahr im Verzug ist, wenn sich der Betroffene weigert, einer Vorladung Folge zu leisten, oder wenn sie durch den gesamten Spruchkörper wegen Krankheit oder anderen persönlichkeitsbedingten Gründen seitens der betroffenen Person nicht geboten ist. Ist die betroffene Person infolge Alters, Krankheit oder anderer ernsthafter Gründe in ihrer Wohnung oder an ihrem Aufenthaltsort anzuhören, kann es im Interesse der Prozessökonomie ebenfalls zulässig sein, die Anhörung ausnahmsweise nicht im Kollegium durchzuführen. Schliesslich ist eine Delegation an ein einzelnes Behördenmitglied denkbar, falls die Mitglieder den Betroffenen aus früheren Verfahren bereits gut kennen und sich lediglich über die eingetretenen Veränderungen ein Bild machen müssen (C. Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011, Rz. 512). Ein Absehen von der persönlichen Anhörung fällt höchstens in

    Betracht, wenn sich die betroffene Person weigert oder die Anhörung aus anderen Gründen, wie etwa Bewusstlosigkeit, nicht möglich ist (Auer/Marti, a.a.O., N 34 ff. zu Art. 447 ZGB). Die betroffene Person muss nicht urteilsfähig sein, um persönlich angehört zu werden (Auer/Marti, a.a.O., N 14 zu Art. 447 ZGB).

    Die Gewährung des rechtlichen Gehörs ist formeller Natur und die Verletzung dieses Grundsatzes hat in der Regel die Aufhebung der angefochtenen Verfügung zur Folge (L. Kneubühler, Gehörsverletzung und Heilung, in: ZBl 99/1998 S. 101; BGE 122 II 469, 121 I 232 je mit Hinweisen; GVP 1988 Nr. 37). Eine Heilung dieses Verfahrensmangels kann somit nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden. Wesentliche Kriterien, die gegen eine Heilung sprechen, sind unter anderem dann gegeben, wenn die

    Gehörsverletzung schwer wiegt, wenn sie in einem Verfahren erfolgt, welches einen empfindlichen Eingriff in eine Grundrechtsposition der betroffenen Person bewirkt, und wenn bei der Vorinstanz eine Tendenz zur regelmässigen Gehörsverletzung besteht (Kneubühler, a.a.O., S. 116). Das Bundesgericht lässt in Ausnahmefällen die Heilung des Anspruches auf rechtliches Gehör im Rechtsmittelverfahren zu, um einen prozessualen Leerlauf und damit verbunden eine zeitliche Verzögerung zu vermeiden (BGE 137 I 195 E. 2.3.2). Vorausgesetzt wird, dass der betroffenen Partei daraus kein Nachteil erwächst, d.h. dass sie ihre Rechte im Beschwerdeverfahren voll wahrnehmen und die zweite Instanz alle Tat- und Rechtsfragen frei nachprüfen kann (Häfelin/Müller/ Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 1709).

    Die Beschwerdeführerin wurde von der Vorinstanz zur in Aussicht stehenden fürsorgerischen Unterbringung nicht – wie vom Gesetz vorgeschrieben – persönlich angehört. Die Einladung zur schriftlichen Stellungnahme vom 6. Mai 2013 bezog sich sodann nur auf eine allfällige Verbeiständung (vgl. act. 5/5). Von einer fürsorgerischen Unterbringung war darin nicht die Rede. Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde damit erheblich verletzt. Die Voraussetzungen für eine Heilung des Mangels im Beschwerdeverfahren sind jedoch erfüllt. Die Beschwerdeführerin konnte vollumfänglich Einsicht in die Akten und dazu auch Stellung nehmen. Die Verwaltungsrekurskommission, welche über dieselbe Kognition wie die Vorinstanz verfügt, hörte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingehend persönlich an. Eine Rückweisung zu neuer Verfügung an die Vorinstanz erweist sich sowohl aus verfahrensökonomischen als auch zeitlichen Gründen nicht als zweckmässig. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz wird jedoch bei der Kostenverlegung zu berücksichtigen sein.

  4. Nach Art. 446 Abs. 1 ZGB erforscht die KESB den Sachverhalt von Amtes wegen. Sie zieht die erforderlichen Erkundigungen ein und erhebt die notwendigen Beweise. Sie kann eine geeignete Person oder Stelle mit Abklärungen beauftragen. Nötigenfalls ordnet sie das Gutachten einer sachverständigen Person an (Art. 446 Abs. 2 ZGB). Ein Sachverständigengutachten ist insbesondere anzuordnen, wenn der KESB das nötige Fachwissen fehlt, um über eine in Frage stehende Massnahme zu entscheiden. Erforderlich wird der Beizug von externem Fachwissen insbesondere bei der fürsorgerischen Unterbringung. Soweit die KESB jedoch selbst über das nötige

    Fachwissen verfügt, indem sie z.B. einen Arzt mit genügenden Fachkenntnissen in Psychiatrie im Spruchkörper hat, kann und soll sie die Beurteilung der in Frage stehenden Voraussetzungen direkt selbst vornehmen (Auer/Marti, a.a.O., N 19 zu Art. 446 ZGB).

    Der Präsident der Vorinstanz ist in der angefochtenen Verfügung davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin an einer geistigen Störung leide. Für die Feststellung derselben hat er jedoch entgegen Art. 446 Abs. 2 ZGB keinen medizinischen Sachverständigen beigezogen, sondern die geistige Störung ohne präzisierende Erwägungen als erwiesen erachtet. Damit hat er weder den Sachverhalt genügend abgeklärt noch die Verfügung hinreichend begründet. Auch darin liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die jedoch im vorliegenden Verfahren geheilt werden kann.

  5. Gegen Entscheide der KESB kann Beschwerde beim zuständigen Gericht erhoben werden (Art. 450 Abs. 1 ZGB). Bei einem Entscheid auf dem Gebiet der fürsorgerischen Unterbringung beträgt die Beschwerdefrist zehn Tage seit Mitteilung des Entscheids (Art. 450b Abs. 2 ZGB).

Die Vorinsanz hat in der Rechtsmittelbelehrung eine Rechtsmittelfrist von 30 Tagen genannt. Diese gilt jedoch nur für die gleichzeitig angeordnete Verbeiständung (vgl. Art. 450a Abs. 1 ZGB), nicht aber für die fürsorgerische Unterbringung, wo die Beschwerde innerhalb von zehn Tagen zu ergreifen ist. Der Beschwerdeführerin ist daraus jedoch kein Nachteil entstanden, da sie unmittelbar nach der Einweisung Beschwerde erhoben hat.

3.- Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB setzt die fürsorgerische Unterbringung in materieller Hinsicht voraus, dass die davon betroffene Person entweder an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist und deswegen der Behandlung oder Betreuung bedarf, die ihr nicht anders als durch die Einweisung in eine geeignete Einrichtung der tatsächlich gewählten Art erwiesen werden kann. Dabei ist auch die Belastung und der Schutz von Angehörigen und Dritten zu berücksichtigen (Abs. 2).

  1. Die Vorinstanz führte aus, dass die Beschwerdeführerin an einer geistigen Störung leide. Sie verfüge über ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen und leide unter Wahnvorstellungen (act. 2).

  2. Der Begriff der psychischen Störung umfasst die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie, das heisst Psychosen und Psychopathien, seien sie körperlich begründbar oder nicht, sowie Demenz, insbesondere Altersdemenz (vgl. Botschaft zur Änderung des ZGB, BBl 2006 7043). Bei einer psychischen Störung handelt es sich um einen klinisch erkennbaren Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten, die auf der individuellen Ebene mit Belastung und Beeinträchtigung von Funktionen verbunden sind. Soziale Abweichungen oder Konflikte allein werden nicht als psychische Störungen angesehen. Persönliche Beeinträchtigungen können sich aber auch auf der sozialen Ebene auswirken. In der Regel muss eine gestörte Lebensfunktion als Beeinträchtigung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit sowie der Fähigkeit der Daseinsbewältigung vorliegen. Jede Störung muss einen gewissen Schwellenwert überschreiten und eine Zeitdimension aufweisen (Beginn und Verlauf). Wenn die Störungszeichen immer wieder einsetzen (Schübe) oder chronisch sind, die Beeinträchtigung also nicht nur vorübergehend auftritt, sondern dauerhaftes Merkmal einer Persönlichkeit ist, wird von einer psychischen Störung gesprochen. Dabei handelt es sich um erhebliche, objektiv feststellbare Abweichungen vom normalen Erleben oder Verhalten, wobei Denken, Fühlen und Handeln betroffen sind. Eine Störung ist stets geprägt durch charakteristische Symptome, die in bestimmter Beziehung zueinander stehen, wodurch sich eine spezifische Struktur ergibt. Massgebend für die Zulässigkeit einer fürsorgerischen Unterbringung wegen einer psychischen Störung ist dabei die ICD-10 Klassifikation mit den Klassen F 00-99 (vgl. Christof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Rz. 268 ff.).

    Im mündlich erstatteten Bericht hält der Sachverständige fest, dass die Beschwerdeführerin einem Gespräch einigermassen zu folgen vermöge, die zeitliche Orientierung falle ihr jedoch schwer. Sie leide an einer erheblichen Demenz, was von ihr jedoch abgestritten werde. Als Folge ihrer Erkrankung habe sie sich nicht mehr genügend ernährt und stark an Gewicht verloren. Wenn sie zuhause auf sich allein gestellt sei, bestehe die Gefahr der Verwahrlosung. Zudem könne sie sich verirren oder eine Herdplatte brennen lassen. Die ambulanten Massnahmen hätten aufgrund der

    nicht vorhandenen Krankheitseinsicht nicht dauerhaft installiert werden können (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 6 f.).

    Mit seiner Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin an einer dementiellen Entwicklung leide, geht der Sachverständige von einer psychischen Störung im Sinn von Art. 426 Abs. 1 ZGB aus. Zusätzlich veranschaulichte er seine Diagnose mit dem Ergebnis des Uhrentests, der es erlaubt, in sehr kurzer Zeit wichtige kognitive Aspekte der Demenz zu untersuchen (vgl. act. 11). Die Einschätzung des Sachverständigen deckt sich mit der Beurteilung des Oberarztes der KPK Wil, der von einer fortgeschrittenen mittelgradigen Demenz spricht, wahrscheinlich Alzheimerdemenz (ICD-10 F00.94). Als Folge der psychischen Störung droht die Beschwerdeführerin zudem zu verwahrlosen. Da die psychische Störung jedoch auch ohne schwere Verwahrlosung als Voraussetzung für die fürsorgerische Unterbringung gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB genügt, kann offenbleiben, ob bei der Beschwerdeführerin das Mass der schweren Verwahrlosung bereits erreicht ist.

  3. Die fürsorgerische Unterbringung dient in jedem Fall dem Schutz der betroffenen Person. Sie ist deshalb nur zulässig, wenn der oder die Betroffene eines besonderen Schutzes bedarf und dieser nur mit einer Freiheitsentziehung erbracht werden kann. Besteht ein Bedürfnis nach persönlicher Fürsorge, liegt eine besondere Schutzbedürftigkeit vor. Die persönliche Fürsorge erfasst einerseits therapeutische Massnahmen und andererseits jede Form von Betreuung, welche eine Person für ein menschenwürdiges Dasein braucht. Die Klinikeinweisung setzt diesfalls allerdings voraus, dass einer der im Gesetz aufgezählten Schwächezustände gegeben und die Unterbringung verhältnismässig ist. Die Behandlung oder Betreuung soll – soweit möglich – die Entlassung aus der Einrichtung innert nützlicher Frist herbeiführen. Welcher Art die persönliche Fürsorge zu sein hat und in welchem Umfang sie zu gewähren ist, hängt von den Umständen und Bedürfnissen des Einzelfalls ab. Darunter fällt so Elementares wie Essen, Körperpflege, Kleidung usw., aber auch ein Mindestmass an persönlicher Beschäftigung sowie medizinische Behandlungen (Geiser/Etzensberger, in: Geiser/Reusser [Hrsg.], Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012, N 8 ff. zu Art. 426 ZGB; Rosch Daniel, in: Rosch/ Büchler/Jakob, Das neue Erwachsenenschutzrecht, Basel 2011, N 9 zu Art. 426 ZGB).

    Die Beschwerdeführerin ist nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Den glaubhaften Schilderungen ihres Sohnes ist zu entnehmen (vgl. act. 3), dass sie ihren Haushalt in den letzten Monaten nicht mehr führen konnte. Sie hat sich nicht mehr hinreichend ernährt und deshalb stark an Gewicht verloren, was zu einer Anämie und einem Eisenmangel geführt hat. Sie tätigte keine Einkäufe mehr, vernachlässigte ihre Körperpflege und kam ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, so dass die Stromlieferung unterbrochen wurde. Der Hauswart des Miethauses, in dem die Beschwerdeführerin wohnt, berichtete, dass es aus deren Wohnung mehrmals nach verbrannten Sachen gerochen habe (act. 12). Der Sohn und die KPK Wil schildern übereinstimmend, dass das Kurzzeitgedächtnis der Beschwerdeführerin stark beeinträchtigt sei. Dieselben Fragen würden nach wenigen Minuten wiederholt. Als Folge der nicht vorhandenen Krankheitseinsicht streitet die Beschwerdeführerin all dies kategorisch ab. Sie hat keinen Hausarzt und war schon seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Mit einer Besserung des gesundheitlichen Zustands ist nicht zu rechnen. Vielmehr ist bei einer dementiellen Entwicklung davon auszugehen, dass sich der geistige Abbau fortsetzen wird. Dies kann dazu führen, dass sie sich ausserhalb der Wohnung verirren oder es aufgrund einer nicht abgeschalteten Herdplatte auch zu einem Brand kommen könnte. Zudem wäre mit einer Verschlimmerung der Verwahrlosung zu rechnen. Ohne Unterstützung durch Dritte, die von der Beschwerdeführerin abgelehnt wird, würde sie sich weiterhin unzureichend ernähren, der Muskelschwund würde zunehmen und es bestände die Gefahr von gefährlichen Stürzen. Die Beschwerdeführerin benötigt folglich dauerhaft Betreuung und Schutz. Die besondere Schutzbedürftigkeit sowie die Selbstgefährdung sind damit ausgewiesen.

  4. Das Vorliegen eines Schwächezustands und einer besonderen Schutzbedürftigkeit für sich allein genügt noch nicht für eine fürsorgerische Unterbringung. Vielmehr kommt diese Massnahme nur in Frage, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann (Art. 426 Abs. 1 ZGB). Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und der Zwecktauglichkeit ist die fürsorgerische Unterbringung demnach nur zulässig, wenn keine weniger einschneidende Massnahme der betroffenen Person genügenden Schutz bietet (vgl. BBl 2006 7062). Es ist nicht notwendig, dass zuerst alle leichteren Massnahmen angeordnet werden und sich diese als unwirksam erweisen. Wenn solche von vornherein als ungenügend erscheinen, darf eine fürsorgerische Unterbringung angeordnet werden. Als verhältnismässig erscheint

eine solche nur, wenn mit ihr das angestrebte Ziel überhaupt erreicht werden kann. Sie soll in erster Linie der Wiedererlangung der Selbständigkeit und der Eigenverantwortung dienen. Ist eine Besserung des Zustandes ausgeschlossen, muss sie die notwendige persönliche Betreuung ermöglichen, um der betroffenen Person ein menschenwürdiges Leben zu sichern (Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 24 f. zu Art. 426 ZGB).

Eine Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihre Wohnung ohne Unterstützung von aussen ist nicht denkbar. Sie ist nicht mehr in der Lage, sich zu pflegen, sich ausreichend zu ernähren und den Haushalt zu besorgen. Die bereits in die Wege geleiteten ambulanten Massnahmen waren nicht erfolgreich. Schon nach wenigen Einsätzen liess die Beschwerdeführerin die Mitarbeiterinnen der Pro Senectute nicht mehr in ihre Wohnung hinein (act. 5/3). Da eine Besserung des Zustandes ausserhalb des betreuten Rahmens grundsätzlich ausgeschlossen ist, kann das Ziel der fürsorgerischen Unterbringung nur noch die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens sein. In der KPK Wil erfährt die Beschwerdeführerin die notwendige Betreuung sowohl in medizinischer Hinsicht als auch in sämtlichen Belangen des täglichen Lebens. Eine angemessene Medikation, Verpflegung und Körperpflege sind sichergestellt; die nötigen medizinischen Abklärungen können hier durchgeführt sowie eine geeignete Unterkunft in einer auf Demenz spezialisierten Einrichtung organisiert werden. Die Verhältnismässigkeit ist somit gegeben.

e) Art. 426 Abs. 1 ZGB setzt schliesslich voraus, dass die Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung zu erfolgen hat. Der Begriff der Einrichtung ist weit auszulegen (BBl 2006 7062). Darunter fällt jede öffentlich-rechtliche oder private offene oder geschlossene Einrichtung, in der dem Betroffenen ohne oder gegen dessen Willen persönliche Fürsorge unter spürbarer Einschränkung der Bewegungsfreiheit erbracht werden kann. Geeignet ist nicht gleichbedeutend mit ideal. Es genügt, wenn die Einrichtung den wesentlichen Bedürfnissen des Schutzbefohlenen in Bezug auf die persönliche Fürsorge entspricht. Lässt sich keine geeignete Einrichtung finden, hat die Unterbringung zu unterbleiben (H. Schmid, Kommentar Erwachsenenschutz, N 13 ff. zu Art. 426 ZGB).

Die Beschwerdeführerin ist auf der Demenzabteilung der KPK Wil untergebracht. Diese Einrichtung ist auf die Bedürfnisse mittel- bis schwergradig dementer Personen ausgerichtet. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin dort die nötige Behandlung und Betreuung gewährt werden kann und die fürsorgerische Unterbringung tatsächlich geeignet ist, ihr ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

f) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Voraussetzungen von Art. 426 Abs. 1 ZGB für einen zwangsweisen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der KPK Wil im heutigen Zeitpunkt erfüllt sind. Die fürsorgerische Unterbringung ist insbesondere verhältnismässig, d.h. sie stellt eine geeignete, erforderliche und angemessene Massnahme dar, um der Beschwerdeführerin die notwendige persönliche Fürsorge zukommen zu lassen. Trotz der gravierenden formellen Mängel der angefochtenen Verfügung ist die Beschwerde daher abzuweisen.

g) Der Beschwerdeführerin ist es unbenommen, jederzeit – falls nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen für die Entlassung aus der Klinik gegeben sind – ein Entlassungsgesuch zu stellen und bei Verweigerung der Entlassung wieder an das Gericht zu gelangen (Art. 426 Abs. 4, Art. 439 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 450 Abs. 1 ZGB). Auf ein Entlassungsgesuch musste gemäss Rechtsprechung zum alten, bis 31. Dezember 2012 geltenden Recht jedoch nur eingetreten werden, wenn die angefochtene Verfügung in Rechtskraft erwachsen war oder neue Tatsachen geltend gemacht wurden, welche nach der aktuellen Beurteilung eingetreten waren (vgl. zum alten Recht: GVP 2003 Nr. 49, 1993 Nr. 28 und 1989 Nr. 22 mit weiteren Hinweisen). Darüber hinausgehend präzisierte das Bundesgericht, dass kein uneingeschränktes Recht bestehe, Entlassungsgesuche zu stellen und abschlägige Entscheide gerichtlich beurteilen zu lassen. An einem schutzwürdigen Interesse fehle es insbesondere dann, wenn Entlassungsgesuche in unvernünftigen Abständen bzw. in querulatorischer Weise gestellt werden. Jedenfalls erscheine es nicht als verfassungswidrig, wenn über eine Entlassung nicht mehr befunden werde, bevor nicht die Massnahmen getroffen worden seien, die der betroffenen Person zu einem menschenwürdigen Dasein ausserhalb des Klinikrahmens verhelfen könnten (vgl. zum alten Recht: BGE 130 III 729). Es spricht nichts dagegen, diese Praxis auch auf das neue Recht anzuwenden.

Im Fall der Beschwerdeführerin bedeutet dies insbesondere, dass für sie ein Platz in einer Demenzabteilung eines Alters- oder Pflegeheimes organisiert werden muss.

4.- Nach Art. 11 lit. a EG-KES i.V.m. Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz oder teilweise abgewiesen werden. Es gilt der Grundsatz der Kostentragung nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens (Hagmann Werner, Die st. gallische Verwaltungsrechtspflege und das Rechtsmittelverfahren vor dem Regierungsrat, Diss. Zürich 1979, S. 267 f.). Kosten, die ein Beteiligter durch Trölerei oder anderes ungehöriges Verhalten oder durch Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften veranlasst, gehen jedoch zu seinen Lasten (Art. 95 Abs. 2 VRP). Vom Gemeinwesen werden, wenn es nicht überwiegend finanzielle Interessen verfolgt, in der Regel keine amtlichen Kosten erhoben (Art. 95 Abs. 3 VRP).

Die amtlichen Kosten sind der Vorinstanz aufzuerlegen, denn sie hat in der angefochtenen Verfügung mehrere wichtige Verfahrensvorschriften verletzt (vgl. vorne unter E.2). Angemessen erscheint eine Entscheidgebühr von Fr. 1'500.-- (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Da die Vorinstanz jedoch keine finanziellen Interessen verfolgte, ist auf die Erhebung der Kosten zu verzichten.

Entscheid:

  1. Die Beschwerde wird im Sinn der Erwägungen abgewiesen.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'500.-- werden der KESB auferlegt; auf die

Erhebung der

Kosten wird verzichtet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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