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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:IV-2019/176
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verkehr
Verwaltungsrekurskommission Entscheid IV-2019/176 vom 27.02.2020 (SG)
Datum:27.02.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 16 Abs. 3, Art. 16a Abs. 1 lit. a, Art. 16c Abs. 1 lit. a, Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG (SR 741.01); Art. 45 Abs. 1 VZV (SR 741.51); Art. 49 Abs. 1 StGB (SR
Schlagwörter: Führerausweis; Widerhandlung; Rekurrent; Aberkennung; Strassenverkehrs; Aberkennungsdauer; Leichte; Schwere; Führerausweise; Rekurs; Recht; Rekurrenten; Vorinstanz; Führerausweises; Recht; Massnahme; Fahrzeug; Verwarnung; Strassenverkehrsamt; Schweren; Aberkannt; Verfügung; Abgekürzt:; Ausländische; Strassenverkehrsvorschriften; Erhöht; Atemalkoholkonzentration; Honorar; Ausserorts; Sanktionsempfindlichkeit
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ; Art. 16a SVG ; Art. 16b SVG ; Art. 16c SVG ; Art. 49 StGB ;
Referenz BGE:120 Ib 54; 123 II 572; 124 II 39; 135 II 334;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
311.0). Der Rekurrent beging eine leichte Widerhandlung (Geschwindigkeitsüberschreitung ausserorts von 22 km/h) und eine schwere Widerhandlung (Fahren in fahrunfähigem Zustand mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,68 mg/l). Bei der Bemessung der Aberkennungsdauer führt die leichte Widerhandlung nicht zu einer Erhöhung, weil diese eine Verwarnung zur Folge gehabt hätte und dies eine andere Massnahmeart darstellt. Reduktion der Aberkennungsdauer von sechs auf vier Monate, weil die Einsatzmassnahmedauer zu hoch angesetzt wurde und (im Rekursverfahren) eine erhöhte Sanktionsempfindlichkeit nachgewiesen wurde (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung IV, 27. Februar 2020, IV-2019/176).

Präsident Urs Gmünder, Richter Urs Früh und Beat Fritsche, Gerichtsschreiberin Susanne Schmid Etter

X, Rekurrent,

vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Manfred Dähler, SwissLegal asg.advocati,

Kreuzackerstrasse 9, 9000 St. Gallen,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Abteilung Administrativmassnahmen,

Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,

betreffend

Aberkennung des ausländischen Führerausweises (Warnungsaberkennung)

Sachverhalt:

A.- X stammt aus Kuba. Er ist im Besitz eines kubanischen Führerausweises. Am

11. April 2019 lenkte er ausserorts in A. einen Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von 102 km/h. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen stellte ihm aufgrund der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 22 km/h (leichte Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften) mit Schreiben vom 20. Juni 2019 eine Verwarnung in Aussicht.

Am frühen Samstagmorgen, 13. Juli 2019, wurde X anlässlich einer Verkehrskontrolle auf der Autobahn A1 in Zürich um 04.00 Uhr angehalten und kontrolliert. Die Atemalkoholmessung ergab um 04.04 Uhr einen Wert von 0,57 mg/l. Um 04.42 Uhr wurde bei der Polizeistation Dübendorf eine beweissichere Atemalkoholprobe durchgeführt, die einen Wert von 0,68 mg/l ergab. X anerkannte diesen Wert. Der Führerausweis wurde ihm auf der Stelle abgenommen. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 12. August 2019 wurde er wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 30.– und zu einer Busse von Fr. 300.– verurteilt.

B.- Am 30. August 2019 informierte das Strassenverkehrsamt X darüber, dass aufgrund der beiden Vorfälle (Geschwindigkeitsüberschreitung und Fahren in angetrunkenem Zustand) vorgesehen sei, eine Gesamtverfügung zu erlassen und ihm den Führerausweis für mindestens drei Monate abzuerkennen. Es gab ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme, auf die er stillschweigend verzichtete. Am 2. Oktober 2019 verfügte das Strassenverkehrsamt wegen einer leichten und einer schweren Widerhandlung eine Aberkennung des Führerausweises für die Dauer von sechs Monaten.

C.- Gegen die Verfügung des Strassenverkehrsamts vom 2. Oktober 2019 erhob X mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 16. Oktober 2019 und Ergänzung vom

31. Oktober 2019 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen

(VRK). Er beantragt die Reduktion der Entzugsdauer (Aberkennungsdauer) auf vier Monate, eventualiter drei Monate bei zusätzlicher Verpflichtung zur Teilnahme am Verkehrsunterricht, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Mit Schreiben vom

20. November 2019 verzichtete die Vorinstanz auf eine Vernehmlassung. Am

22. November 2019 reichte der Rechtsvertreter eine Kostennote ein.

Auf die Ausführungen im Rekurs wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die VRK ist zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur Rechtsmittelerhebung ist gegeben. Der Rekurs vom 16. Oktober 2019 ist rechtzeitig eingereicht worden und erfüllt zusammen mit der Ergänzung vom 31. Oktober 2019 in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen (Art. 41 lit. gbis, 45, 47 und 48 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Auf den Rekurs ist einzutreten.

2.- a) Gemäss Art. 16 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SR 741.01, abgekürzt: SVG) wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz (SR 741.03, abgekürzt: OBG) ausgeschlossen ist, der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen. Das Gesetz unterscheidet zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittelschweren (Art. 16b SVG) und schweren Widerhandlungen (Art. 16c SVG). Eine leichte Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). Eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begeht unter anderem, wer in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration ein Motorfahrzeug lenkt (Art. 16c Abs. 1 lit. b SVG). Als qualifiziert gilt eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 Gewichtspromille oder mehr bzw. eine Atemalkoholkonzentration von 0,4 mg Alkohol oder mehr pro Liter Atemluft (Art. 2 der Verordnung der Bundesversammlung über Alkoholgrenzwerte im Strassenverkehr, SR 741.13, in Verbindung mit Art. 55

Abs. 6 lit. b SVG).

b) Nach ständiger Rechtsprechung liegt ungeachtet der konkreten Umstände objektiv eine leichte Widerhandlung vor, wenn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit jeweils ausserorts um 20 bis 24 km/h überschritten wird. Indem der Rekurrent am 11. April 2019 ausserorts ein Fahrzeug mit einer rechtlich relevanten Geschwindigkeit von 102 km/h lenkte, beging er daher eine leichte Widerhandlung, was von ihm nicht bestritten wird. Ebenso ist nicht streitig, dass er am 13. Juli 2019 ein Fahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,68 mg/l lenkte und damit eine schwere Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. b SVG beging.

3.- Strittig ist indessen, für welche Dauer der Führerausweis dem Rekurrenten aufgrund

der Vorfälle vom 11. April und 13. Juli 2019 abzuerkennen ist.

  1. Der Rekurrent macht geltend, er weile erst seit kurzem in der Schweiz. Die Aberkennungsdauer für die von ihm begangenen Verkehrsregelverletzungen habe ihn sehr überrascht. Als Ersttäter empfinde er diese unverhältnismässig hoch. Zudem sei er an seinem Arbeitsplatz, den er erst gerade angetreten habe, auf den Führerausweis angewiesen. Seit Oktober 2019 sei er als Monteur angestellt und müsse mit dem Fahrzeug selbständig zu auswärtigen Baustellen gelangen. Wenn dies nicht möglich sei, erleide er erhebliche Einkommenseinbussen. Seine Hauptaufgabe sei der Transport von Material, den er ohne Führerausweis nicht verrichten könne, weshalb er derzeit nur im Stundenlohn angestellt sei. Seine Sanktionsempfindlichkeit sei daher besonders hoch. Ausgehend von einer Einsatzmassnahme von fünf Monaten sei die Aberkennungsdauer deswegen auf drei oder höchstens dreieinhalb Monate zu senken, allenfalls ergänzt durch den Besuch des Verkehrsunterrichts.

    Die Vorinstanz führte in der angefochtenen Verfügung aus, der Rekurrent habe eine leichte und eine schwere Widerhandlung begangen. Mit zunehmender Blutalkoholkonzentration steige das Unfallrisiko. Die hohe Blutalkoholkonzentration von 1,36 Gewichtspromille im Zusammenhang mit dem Verschulden und der Widerhandlung vom 11. April 2019 führe zu einer Erhöhung der Aberkennungsdauer.

  2. Bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweisentzugs sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die

berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Diese Zumessungsfaktoren sind gesamthaft zu würdigen und die Entzugsdauer ist im Einzelfall so festzusetzen, dass die mit der Massnahme beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird. Bei der Bemessung der Entzugsdauer kommt der Behörde ein Ermessensspielraum zu (Ph. Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl. 2015, Art. 16 SVG N 27).

Ausländische Führerausweise können nach den gleichen Bestimmungen aberkannt werden, die für den Entzug des schweizerischen Führerausweises gelten (Art. 45 Abs. 1 der Verkehrszulassungsverordnung, SR 741.51, abgekürzt: VZV). Dadurch wird dem Inhaber des ausländischen Führerausweises das Recht aberkannt, diesen auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz zu verwenden (siehe Art. 42 Abs. 1 Ingress des Übereinkommens über den Strassenverkehr, SR 0.741.10). Demgegenüber hat die Verwarnung gemäss Art. 16a Abs. 3 SVG kein Fahrverbot zur Folge. Ein zufolge einer leichten Widerhandlung verwarnter Fahrzeuglenker ist weiterhin fahrberechtigt und muss den Führerausweis nicht abgeben. Dies erklärt auch, weshalb die Verwarnung in Art. 45 Abs. 1 VZV im Unterschied zur

Aberkennung des ausländischen Führerausweises nicht erwähnt ist (vgl. dazu auch VerwGE B 2011/186 vom 15. Dezember 2011 E. 4.2., im Internet abrufbar unter: www.sg.ch/recht/gerichte und dort unter Rechtsprechung).

Nach einer schweren Widerhandlung wird der ausländische Führerausweis für mindestens drei Monate aberkannt (Art. 45 VZV in Verbindung mit Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG). Die Mindestaberkennungsdauer darf nach der Rechtsprechung bei einer schweren Widerhandlung unter keinen Umständen unterschritten werden (vgl. BGE 135 II 334 E. 2.2, 132 II 234 E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1C_585/2008 vom

14. Mai 2009 E. 2.1 mit Hinweisen). Ein längerer Führerausweisentzug bzw. eine längere Aberkennung kann ausgesprochen werden, wenn die Angetrunkenheit deutlich mehr als 0,8 Gewichtspromille beträgt oder der Betroffene auf seiner Fahrt weitere Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen hat (Weissenberger, a.a.O., Art. 16c SVG N 29; vgl. auch BGer 1C_135/2008 vom

13. August 2008 E. 3.2.2). Nach einer leichten Widerhandlung wird die fehlbare Person verwarnt, wenn in den vergangenen zwei Jahren der Ausweis nicht entzogen war und keine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (Art. 16a Abs. 3 SVG).

Hat der Betroffene mehrere Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen, sind diese gemeinsam zu beurteilen und ist Art. 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (SR 311.0; abgekürzt: StGB) analog anzuwenden (BSK Strafrecht I- Ackermann, Art. 49 N 40; BGer 6A.74/2005 vom 15. März 2006 E. 5.3). Nach dieser Bestimmung ist im Strafrecht ein Täter, welcher durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, für die schwerste Straftat zu bestrafen; die Strafe ist angemessen zu erhöhen, jedoch darf das Höchstmass der angedrohten Strafe maximal um die Hälfte erhöht werden und das gesetzliche Höchstmass ist zu beachten (BGE 120 Ib 54 E. 2a). Folglich ist nicht für jede Verkehrsregelverletzung eine einzelne Massnahme anzuordnen. Vielmehr ist die für die schwerere Verletzung verfügte Massnahme angemessen zu verschärfen, um so zu einer Gesamtmassnahme zu gelangen, welche allen Verfehlungen Rechnung trägt (vgl. BGE 124 II 39 E. 3).

c) Die Trunkenheitsfahrt vom 13. Juli 2019 stellt eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG) mit einer Mindestaberkennungsdauer von drei Monaten dar (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG), während die Widerhandlung vom 11. April 2019 eine leichte war. Für die Bemessung der Aberkennungsdauer ist deshalb von der schweren Widerhandlung auszugehen.

Der Tatbestand einer schweren Widerhandlung setzt von Gesetzes wegen eine ernstliche Gefährdung und ein schwerwiegendes Verschulden voraus. Beim Rekurrenten wurde bei der Kontrolle vom 13. Juli 2019 eine Atemalkoholkonzentration von 0,68 mg/l festgestellt. Diese liegt deutlich (mehr als 50 Prozent) über dem Wert von 0,4 mg/l, ab dem eine qualifizierte Atemalkoholkonzentration gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmungs- sowie die Reaktionsfähigkeit innerhalb dieser Differenz nochmals entscheidend abnehmen. Dadurch wird die Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer zusätzlich erhöht. Zudem war der Rekurrent nachts bei Dunkelheit unterwegs; die Sichtverhältnisse waren also ohnehin bereits schlechter als tagsüber. Gemäss den Richtlinien der Vorinstanz beträgt die Entzugs- bzw. Aberkennungsdauer bei einer Atemalkoholkonzentration zwischen 0,65 bis 0,79 mg/l fünf Monate. Dementsprechend erscheint es angemessen, die Aberkennungsdauer für die Trunkenheitsfahrt vom 13. Juli 2019 aufgrund der konkreten Umstände auf fünf Monate zu erhöhen.

Am 11. April 2019 hat der Rekurrent die Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/ h um 22 km/h überschritten. Wäre diese leichte Widerhandlung allein zu sanktionieren gewesen, hätte sie aufgrund des damals noch ungetrübten automobilistischen Leumunds des Rekurrenten lediglich eine Verwarnung und keine Aberkennung des Führerausweises zur Folge gehabt. Für die beiden zu beurteilenden Vorfälle liegen damit zwei unterschiedliche Arten von Sanktionen vor (Verwarnung und Aberkennung). Mangels Vorliegens gleichartiger Massnahmenarten kann Art. 49 Abs. 1 StGB daher vorliegend nicht analog angewendet werden. Dies würde eine unzulässige Verschärfung der Massnahmenart darstellen (vgl. GVP 2010 Nr. 34). Die Erhöhung der Aberkennungsdauer um einen Monat, wie dies die Vorinstanz offenbar getan hat, ist daher nicht gerechtfertigt. Es bleibt damit bei einer Einsatzmassnahmendauer von fünf Monaten.

d) Der Rekurrent macht eine erhöhte Sanktionsempfindlichkeit geltend. Fahrzeuglenker, die berufsmässig auf den Einsatz eines Motorfahrzeugs angewiesen sind, werden wegen der grösseren Massnahmenempfindlichkeit in der Regel schon durch eine kürzere Aberkennungsdauer wirksam von weiteren Widerhandlungen abgehalten. Einem solchen Lenker soll der Führerausweis deshalb weniger lange aberkannt werden als einem, der sein Fahrzeug beruflich nicht benötigt, selbst wenn beide Fahrzeuglenker das gleiche Verschulden trifft (vgl. dazu BGE 123 II 572 E. 2c).

Der Rekurrent ist kein Berufschauffeur, der sein Einkommen mit dem Erbringen von Fahrdiensten erzielt und für den eine Führerausweisaberkennung ein materielles Berufsverbot bedeutet. Er ist als Hilfsarbeiter für Montagen tätig. Um mit dem erforderlichen Material zu den Baustellen zu gelangen, ist er auf einen Führerausweis angewiesen. Müsste er dazu einen Fahrdienst organisieren, wäre dies mit einem gewissen organisatorischen, zeitlichen und finanziellen Mehraufwand verbunden. Er ist folglich mehr als andere von einer Führerausweisaberkennung betroffen; seine Sanktionsempfindlichkeit ist erhöht. Dieser Umstand ist im Umfang eines Monats massnahmemindernd zu berücksichtigen, weshalb sich die Aberkennungsdauer von fünf auf vier Monate reduziert. Dies entspricht einer Gutheissung des Hauptantrags des Rekurrenten.

4.- Dem Rekurrenten wurde der Führerausweis am 13. Juli 2019 von der Polizei abgenommen. Entgegen den Schreiben der Vorinstanz vom 2. wie auch 31. Oktober 2019 wurde ihm der Führerausweis beide Male nicht zugestellt (act. 3/43 und 11). Erst am 11. Dezember 2019 wurde der Führerausweis dem Rekurrenten auf dem Strassenverkehrsamt persönlich ausgehändigt. Die Zeitspanne vom 13. Juli bis

10. Dezember 2019 ist folglich an die Aberkennungsdauer von vier Monaten

anzurechnen, weshalb diese bereits vollständig vollzogen ist.

5.- Die Vorinstanz ordnete in der angefochtenen Verfügung an, dass dem Rekurrenten der Führerausweis aller Kategorien und Unterkategorien sowie der Spezialkategorie F mit Wirkung ab 13. Juli 2019 bis und mit 12. Januar 2020 aberkannt werde. Hierbei handelt es sich um eine vollstreckungsrechtliche Anordnung, die separat hätte verfügt werden müssen. Dies ist bei der Kostenverlegung zu berücksichtigen.

6.- Zusammenfassend ist der Rekurs gutzuheissen, und Ziffer 1 der Verfügung der Vorinstanz vom 2. Oktober 2019 (Aberkennung des ausländischen Führerausweises für sechs Monate) ist bezüglich der Aberkennungsdauer aufzuheben. Der Führerausweis ist dem Rekurrenten für die Dauer von vier Monaten abzuerkennen. Die Aberkennung ist bereits vollzogen.

7.- a) Die amtlichen Kosten werden nach Massgabe des Obsiegens und Unterliegens verlegt (Art. 95 Abs. 1 VRP). Von diesem Grundsatz abweichend hat gemäss Art. 95 Abs. 2 VRP jener Beteiligte die Kosten zu übernehmen, die durch nachträgliches Vorbringen von Begehren, Tatsachen oder Beweismitteln entstehen, deren rechtzeitige Geltendmachung ihm möglich und zumutbar gewesen wäre.

Der Rekurrent obsiegt mit seinem Begehren um Reduktion der Aberkennungsdauer von sechs auf vier Monate. Einerseits setzte die Vorinstanz die Einsatzmassnahme um einen Monat zu hoch an, andrerseits führte die erhöhte Sanktionsempfindlichkeit zur Reduktion um einen weiteren Monat. Letztere hätte der Rekurrent jedoch bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend machen können. Namentlich wurde ihm mit Schreiben vom 30. August 2019 (act. 3/24) der Fragebogen zur beruflichen Angewiesenheit zugestellt. Andererseits hat die Vorinstanz die materielle Verfügung (Führerausweisaberkennung) in unzulässiger Weise mit einer Vollzugsanordnung

(Abgabetermin des Ausweises) kombiniert. Zudem kam es bei der Herausgabe des Führerausweises zu unerklärlichen Verzögerungen. Entsprechend sind die amtlichen Kosten trotz Gutheissung des Rekurses dem Rekurrenten zu einem Drittel aufzuerlegen; zwei Drittel der Kosten trägt der Staat. Eine Entscheidgebühr von

Fr. 1'200.– erscheint angemessen (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– ist bis zum Betrag von Fr. 400.– zu verrechnen und im Restbetrag von Fr. 800.– zurückzuerstatten.

b) Der Rekurrent hat gemäss Art. 98 Abs. 2 und Art. 98bis VRP Anspruch auf eine Entschädigung der ausseramtlichen Kosten, soweit diese als notwendig und angemessen erscheinen. Der Beizug eines Rechtsvertreters war im vorliegenden Rekursverfahren geboten. Im Verfahren vor der VRK wird das Honorar als Pauschale ausgerichtet. Es beträgt zwischen Fr. 1'500.– und Fr. 15'000.– (Art. 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung; sGS 963.75; abgekürzt: HonO). Innerhalb dieses Rahmens wird das Grundhonorar nach den besonderen Umständen, namentlich nach Art und Umfang der Bemühungen, der Schwierigkeiten des Falles und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten bemessen (Art. 19 HonO). Mit Kostennote vom 22. November 2019 macht der Rechtsvertreter ein Honorar von Fr. 3'500.– geltend, was einem Aufwand von 14 Stunden entspricht (act. 17). Anlass für den Rekurs bildete ausschliesslich die Bemessung der Aberkennungsdauer. Die Anlasstaten waren weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht umstritten. Angesichts des stark eingeschränkten Prozessthemas, des geringen Aktenumfangs und der im Rekursverfahren getätigten Aufwendungen erscheint ein Honorar von Fr. 2'100.– als angemessen. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass das geltend gemachte Honorar von Fr. 3'500.- zu hoch ist. Entsprechend der Verlegung der amtlichen Kosten hat der Rekurrent Anspruch auf einen Drittel der Entschädigung, somit Fr. 700.– (Art. 98bis Abs. 1 VRP). Hinzu kommen Fr. 28.– Barauslagen (4 Prozent von Fr. 700.–; Art. 28bis Abs. 1 HonO) und Fr. 56.05 Mehrwertsteuer (7,7 Prozent von Fr. 728.–; Art. 29 HonO). Die ausseramtliche Entschädigung beträgt damit insgesamt Fr. 784.05; entschädigungspflichtig ist der Staat (Strassenverkehrsamt).

Entscheid:

  1. Der Rekurs wird gutgeheissen, und Ziffer 1 der Verfügung des

    Strassenverkehrsamts

    vom 2. Oktober 2019 (Aberkennung des Führerausweises für sechs Monate) wird aufgehoben.

    Der ausländische Führerausweis wird für die Dauer von vier Monaten aberkannt. Die Massnahme ist bereits vollzogen.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'200.– haben der Rekurrent zu einem Drittel und der Staat zu zwei Dritteln zu bezahlen. Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– wird mit dem Kostenanteil des Rekurrenten von Fr. 400.– verrechnet und im Restbetrag von Fr. 800.– zurückerstattet.

  3. Der Staat (Strassenverkehrsamt) hat den Rekurrenten ausseramtlich mit Fr. 784.05 zu entschädigen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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