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Urteil Verwaltungsrekurskommission (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:IV-2018/152
Instanz:Verwaltungsrekurskommission
Abteilung:Verkehr
Verwaltungsrekurskommission Entscheid IV-2018/152 vom 28.02.2019 (SG)
Datum:28.02.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 16c Abs. 1 lit. a, Art. 31 Abs. 1 SVG (SR 741.01), Art. 3 Abs. 1 VRV (SR
Schlagwörter: Rekurrent; Strasse; Widerhandlung; Fahrzeug; Schwere; Verfügung; Verkehr; Strassenverkehrs; Führer; Führerausweis; Rekurrenten; Urteil; Vorinstanz; Gefahr; Recht; Zigarette; Führerausweisentzug; Vorfall; Verschulden; Rekurs; Strassenverkehrsamt; Person; Verfahren; Verletzung; Fahrt; Grobe; Sicherheit; Selbstunfall
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ; Art. 16a SVG ; Art. 16b SVG ; Art. 16c SVG ; Art. 3 VRV ; Art. 31 SVG ; Art. 49 StGB ; Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:111 Ia 2; 142 IV 93;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
741.11), Art. 49 Abs. 2 StGB (SR 311.0). Der Rekurrent wollte auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h eine Zigarette drehen. Dabei verlor er die Herrschaft über das Fahrzeug, das sich überschlug und auf einer Rastplatzausfahrt quer zur Fahrtrichtung zum Stillstand kam. Es ist von einer schweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften auszugehen. Anwendungsfall retrospektiver Konkurrenz (Verwaltungsrekurskommission, Abteilung IV, 28. Februar 2019, IV-2018/152).

Präsident Urs Gmünder, Richter Urs Früh und Beat Fritsche, Gerichtsschreiber Norbert Kissling

X, Rekurrent,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, Abteilung Administrativmassnahmen,

Frongartenstrasse 5, 9001 St. Gallen, Vorinstanz,

betreffend

Führerausweisentzug (Warnungsentzug)

Sachverhalt:

A.- X besitzt den Führerausweis für die Kategorien B, BE und die Unterkategorien D1 sowie D1E seit 26. August 1974. Seit 6. August 1974 ist er zudem für die Kategorie A fahrberechtigt. Im Informationssystem über die Verkehrszulassung (IVZ; früher: Administrativmassnahmen-Register) ist X bislang nicht verzeichnet.

B.- Am 21. April 2017, ca. 17.00 Uhr, lenkte X einen auf seine Mutter eingelösten Personenwagen auf der Autobahn A1 von Winterthur in Richtung St. Gallen. Kurz vor der Rastplatzausfahrt Hexentobel Süd auf dem Gemeindegebiet Wängi verursachte er bei einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h einen Selbstunfall, als er sich während der Fahrt eine Zigarette drehen wollte. Dabei kam X von der Normalspur ab, überfuhr den Pannenstreifen, touchierte den Randstein und kam wiederum auf die Überholspur. Sodann kam der Wagen erneut rechts ab, überschlug sich und kam schliesslich auf der Rastplatzausfahrt quer zur Fahrtrichtung auf den Rädern zum Stillstand. Am Fahrzeug entstand ein Sachschaden in der Höhe von rund

Fr. 5'000.–; Personen kamen keine zu Schaden.

C.- Am 25. Januar 2018 parkte X einen wiederum auf seine Mutter eingelösten Personenwagen in St. Gallen an der Gartenstrasse auf der Höhe des Raiffeisenplatzes auf dem gegenüberliegenden Trottoir. Während er sich in der Schalterhalle der Raiffeisenbank aufhielt, rollte das ungenügend gesicherte Fahrzeug rückwärts in die Gartenstrasse und touchierte nach rund 30 Metern auf der anderen Strassenseite mit der hinteren linken Fahrzeugecke die Gebäudefassade der Liegenschaft Raiffeisenplatz 4. Ohne sich um den entstandenen Sachschaden zu kümmern, verliess X den Unfallort. An der Fassade und am Fahrzeug entstand Sachschaden in der Höhe von insgesamt rund Fr. 3'000.–. Auch bei diesem Ereignis kam es zu keinem Personenschaden. In der polizeilichen Einvernahme einen Tag nach dem Unfallereignis erklärte X, sich an den Vorfall nicht mehr erinnern zu können. Die hierauf vom Strassenverkehrsamt angeordnete verkehrsmedizinische Untersuchung (Stufe 3) ergab am 17. April 2018 keine Hinweise auf eine fehlende Fahreignung.

D.- Am 4. Mai 2018 teilte das Strassenverkehrsamt X mit, dass zur administrativrechtlichen Beurteilung des Vorfalles vom 25. Januar 2018 der Abschluss des Strafverfahrens abgewartet werde. Nach Eingang des rechtskräftigen Strafbefehls vom 3. April 2018 gewährte ihm das Strassenverkehrsamt am 18. Mai 2018 das rechtliche Gehör. Es entzog ihm in der Folge den Führerausweis mit Verfügung vom

15. Juni 2018 wegen mittelschwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für die Dauer eines Monats. Den dagegen erhobenen Rekurs vom 9. Juli 2018 zog X am 23. Juli 2018 wieder zurück. Der Vollzug des Führerausweisentzugs dauerte vom 20. August bis 19. September 2018.

E.- In der Zwischenzeit wurde X mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Thurgau, Abteilung für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität, vom 4. Juli 2018 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln (Vorfall vom 21. April 2017) und Unterlassung der Buchführung zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 40.– und einer Busse von Fr. 700.– verurteilt. Der Strafbefehl erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Nach Eingang des rechtskräftigen Strafbefehls stellte das Strassenverkehrsamt des

Kantons St. Gallen X am 16. August 2018 einen Führerausweisentzug von drei,

respektive zwei Monaten im Zusatz zur Verfügung vom 15. Juni 2018 in Aussicht und gab ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme. Hierzu äusserte sich X am 25. August 2018 zusammengefasst dahingehend, dass er aus beruflichen und privaten Gründen auf den Führerausweis angewiesen und bei jenem Vorfall kein anderes Fahrzeug in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Im Zusatz zur Verfügung vom 15. Juni 2018 entzog ihm das Strassenverkehrsamt am 17. September 2018 den Führerausweis wegen schwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften für die Dauer von zwei Monaten.

F.- Gegen diese Verfügung erhob X am 29. September 2018 Rekurs bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (VRK) mit dem sinngemässen Antrag, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und von einem Führerausweisentzug abzusehen. Die Vorinstanz verzichtete am 17. Oktober 2018 auf eine Vernehmlassung.

Auf die Ausführungen des Rekurrenten wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Erwägungen:

1.- Die Eintretensvoraussetzungen sind von Amtes wegen zu prüfen. Die VRK ist zum Sachentscheid zuständig. Die Befugnis zur Rekurserhebung ist gegeben. Der Rekurs vom 29. September 2018 ist rechtzeitig eingereicht worden und erfüllt in formeller und materieller Hinsicht die Anforderungen von Art. 41 lit. gbis, 45, 47 und 48 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (sGS 951.1, abgekürzt: VRP). Auf den Rekurs ist einzutreten.

2.- Der Rekurrent macht sinngemäss eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Wie es sich damit verhält, ist im Folgenden zu prüfen.

  1. Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung, SR 101) verlangt, dass die Behörde die Vorbringen der von der Verfügung in ihrer Rechtsstellung betroffenen Person tatsächlich hört, prüft und in der Verfügung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihre Verfügung zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich abhandelt. Vielmehr kann sie sich auf die für die Verfügung wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss aber so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite der Verfügung Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an eine höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf die sich ihre Verfügung stützt (statt vieler Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1C_50/2017 vom 16. Mai 2017 E. 3.2). Der Umfang der Begründungspflicht richtet sich grundsätzlich nach der Komplexität des zu beurteilenden Sachverhalts (BGE 111 Ia 2

    E. 4b). Bei klarer Sachlage und bestimmten Normen können Hinweise auf die Rechtsgrundlagen genügen, während ein weiter Spielraum der Behörde – aufgrund von Ermessen oder unbestimmten Rechtsbegriffen – und eine Vielzahl von in Betracht fallenden Sachverhaltselementen eine ausführliche Begründung gebieten (Steinmann, Die Schweizerische Bundesverfassung – St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 29

    N 49 mit Hinweisen). Der st. gallische Gesetzgeber hält die Begründungspflicht für Verfügungen in Art. 24 Abs. 1 lit. a VRP ausdrücklich fest.

  2. Die Vorinstanz nahm auf den Vorfall vom 21. April 2017 und die Stellungnahme des Rekurrenten vom 25. August 2018 Bezug und nannte die wesentlichen Überlegungen, welche letztlich zum Führerausweisentzug führten. Bereits am 18. Mai 2018 hatte das Strassenverkehrsamt den Rekurrenten anlässlich der Gehörsgewährung zum Vorfall vom 25. Januar 2018 darauf hingewiesen, dass für den Vorfall vom 21. April 2017 das Strafverfahren noch abgewartet und je nach Ausgang eine Zusatzmassnahme ausgefällt würde. Die massgebenden Gesetzesgrundlagen wurden korrekt angeführt (vgl. act. 8/37, 49, 65).

Für den Rekurrenten war somit hinreichend nachvollziehbar, woraus sich der Führerausweisentzug ergibt, und es wurde ihm Gelegenheit zu vorgängiger Stellungnahme gewährt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist deshalb nicht ersichtlich. Im Übrigen bringt der Rekurrent nicht konkret vor, inwiefern das rechtliche Gehör verletzt worden sein sollte.

3.- a) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermag ein Strafurteil die Verwaltungsbehörde grundsätzlich nicht zu binden. Allerdings gebietet der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, widersprüchliche Entscheide im Rahmen des Möglichen zu vermeiden. Die Verwaltungsbehörde darf deshalb bei der Verfügung über die Massnahme von den tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters nur abweichen, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrer Verfügung zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren, wenn sie zusätzliche Beweise erhebt oder wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht alle Rechtsfragen abgeklärt, namentlich die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat. In der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts – insbesondere auch des Verschuldens – ist die Verwaltungsbehörde demgegenüber frei, ausser die rechtliche Qualifikation hängt stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt, etwa weil er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat (BGer 1C_169/2014 vom 18. Februar 2015 E. 2.2).

b) Im Strafverfahren zum Vorfall vom 21. April 2017 wurde der Rekurrent mit Strafbefehl vom 4. Juli 2018 wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges (Art. 31 Abs. 1 lit. a des Strassenverkehrsgesetzes, SR 741.01, abgekürzt: SVG; Art. 3 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung, SR 741.11, abgekürzt: VRV) der groben Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG schuldig gesprochen. Der stellvertretende Oberstaatsanwalt ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Rekurrent beim Versuch, eine Zigarette zu drehen, den Blick von der Fahrbahn

abwandte, in der Folge die Beherrschung über das Fahrzeug verlor und einen Selbstunfall verursachte. Das Strafurteil ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Anhaltspunkte, die für eine abweichende Feststellung des Sachverhalts sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Der Rekurrent bestritt den Sachverhalt im Rekursverfahren nicht. Er machte lediglich geltend, beim Unfall in Wängi sei kein anderes Fahrzeug in Mitleidenschaft gezogen worden und es habe weder ein grobes Verschulden noch eine grobe Verkehrsregelverletzung vorgelegen. Gegenüber der Polizei gestand er jedoch ein, dass er während der Fahrt eine Zigarette habe drehen wollen, auf die Beifahrerseite nach dem Zigarettenpapier habe greifen müssen und er vermutlich deshalb von der Fahrbahn abgekommen sei (act. 8/7).

4.- Zu prüfen ist, ob es sich beim vorliegenden Ereignis um eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG handelt.

  1. Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG wird nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz ausgeschlossen ist, der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen. Das Gesetz unterscheidet zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittelschweren (Art. 16b SVG) und schweren Widerhandlungen (Art. 16c SVG). Eine leichte Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG). Ist die Verletzung der Verkehrsregeln grob und wird dadurch eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen, ist die Widerhandlung schwer (Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG). Eine mittelschwere Widerhandlung begeht, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG). Von einer mittelschweren Widerhandlung ist immer dann auszugehen, wenn nicht alle privilegierenden Elemente einer leichten und nicht alle

    qualifizierenden Bestandteile einer schweren Widerhandlung erfüllt sind (vgl. Botschaft,

    in: BBl 1999 S. 4487).

  2. Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV muss der Führer das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden und darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Ferner hat er dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Die Staatsanwaltschaft Thurgau verurteilte den Rekurrenten gestützt auf Art. 90 Abs. 2 SVG. Sie ging demnach hinsichtlich des Nichtbeherrschens des Fahrzeuges von einer groben Verkehrsregelverletzung aus. Art. 90 Abs. 2 SVG entspricht administrativrechtlich einer schweren Widerhandlung gemäss Art. 16c SVG (vgl.

    Ph. Weissenberger, Kommentar SVG und OBG, 2. Aufl. 2015, Art. 90 SVG N 24, 55). Das Beherrschen des Fahrzeuges und die Aufmerksamkeit nach Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV stellen grundlegende Verkehrsvorschriften dar

    (Ph. Weissenberger, a.a.O., Art. 90 SVG N 63 mit Hinweisen). Gestützt auf die

    strafrechtliche Beurteilung qualifizierte die

    Vorinstanz den Vorfall vom 21. April 2017 als schwere Widerhandlung nach Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG. Sie erwog, durch sein Fehlverhalten habe der Rekurrent grob schuldhaft einen Selbstunfall verursacht und dabei eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen.

  3. Eine Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 16a bis c SVG ist bei einer konkreten oder auch bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung zu bejahen. Wesentliches Kriterium für die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefahr ist die Nähe der Verwirklichung; in Anbetracht der jeweiligen Verhältnisse des Einzelfalls muss mithin der Eintritt einer konkreten Gefährdung oder gar einer Verletzung naheliegen (BGer 1C_422/2016 vom 9. Januar 2017 E. 3.1, BGE 142 IV 93 E. 3.1).

Das Bundesgericht erkannte beispielsweise eine erhöhte abstrakte Gefährdung und damit eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer, als ein Lenker eines Personenwagens bei guter nächtlicher Sicht und wenig befahrener Strasse während der Fahrt eine Nachricht auf seinem Mobiltelefon schrieb, in der Folge von der Strasse abkam und mit einem Zaun am Strassenrand kollidierte. Es begründete dies damit, dass der Fahrzeuglenker nicht in der Lage gewesen wäre, einen Zusammenstoss zu verhindern, wenn sich an der betreffenden Stelle ein Fahrradfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer befunden hätten (BGer 6B_666/2009 vom 24. September 2009

E. 1.4). Die Fahrt auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h verlangt selbst bei geringem Verkehr die volle Aufmerksamkeit des Fahrzeuglenkers, weshalb ablenkende Verrichtungen zu unterbleiben haben (vgl. BGer 6B_894/2016 vom

14. März 2017 E. 3.3.1 und 1C_478/2014 vom 14. Juli 2015 E. 2.3).

  1. Der Rekurrent wollte auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von 110 bis 120 km/h eine Zigarette für die Heimfahrt drehen, weshalb er auf der Ablage vor dem Beifahrersitz nach dem benötigten Zigarettenpapier griff und die Herrschaft über das Fahrzeug verlor. Damit rief er eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervor. Gerade auch angesichts des um jene Tageszeit einsetzenden Feierabendverkehrs und der auf der Autobahn gefahrenen Geschwindigkeiten besteht für die anderen Verkehrsteilnehmer eine erhebliche Gefahr, wenn ein Auto unkontrolliert über die ganze Fahrbahnbreite schlingert und sich überschlägt. Dies gilt auch dann, wenn das Auto abseits der Autobahn und somit (vermeintlich) ausserhalb des Gefahrenbereichs zum Stehen kommt. Entgegen der Auffassung des Rekurrenten schliesst dies eine Gefahr für Dritte keineswegs aus, zumal sich in Unfallnähe nachweislich weitere Personen – darunter die ebenfalls befragte Auskunftsperson (act. 8/10) – aufgehalten haben. Zudem ist im Bereich einer Rastplatz-Wegfahrt jederzeit mit Verkehrsteilnehmern zu rechnen, welche durch die unberechenbare Situation auf sehr gefährliche Weise hätten überrascht und irritiert werden können. Bei gesamthafter Betrachtung ist deshalb nicht mehr nur von einer konkreten Selbstgefährdung des Rekurrenten auszugehen, die sich in einem Unfall mit Sachschaden realisiert hat, sondern zusätzlich von einer erhöhten abstrakten Gefährdung und damit ernstlichen Gefahr auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer.

  2. Bei der Beurteilung des Verschuldens sind das Ausmass der Unaufmerksamkeit des Fahrzeuglenkers und allfällige Begleitumstände, die zur Verkehrsregelverletzung beitrugen, zu berücksichtigen (BSK SVG-Rütsche/Weber, Basel 2014, Art. 16a N 8 und Art. 16b N 12 mit weiteren Hinweisen). War die Gefährlichkeit des verkehrsregelwidrigen Verhaltens für einen durchschnittlich verständigen Fahrzeuglenker erkennbar, liegt ein mittelschweres Verschulden vor (vgl. BGer 1C_813/2013 vom 9. Januar 2014, E. 3.3; BSK SVG-Rütsche/ Weber, Art. 16b N 12). Ein schweres Verschulden ist gegeben, wenn dem fehlbaren Fahrzeuglenker aufgrund eines rücksichtslosen oder sonst wie schwerwiegend regelwidrigen Verhaltens zumindest eine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (BGer 1C_144/2011 vom 26. Oktober 2011, E. 3.3). Das Strafurteil muss sich im Administrativverfahren nicht nur der Fahrzeugführer entgegenhalten lassen; es ist auch vom Strassenverkehrsamt zu beachten. Die Verwaltungsbehörde ist gehalten, sich einer vertretbaren Ermessensausübung des Strafrichters anzuschliessen, auch wenn sie das Verschulden selber anders beurteilen würde (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts B 2015/108 vom 17. Dezember 2015 E. 3.3.2, im Internet abrufbar unter www.gerichte.sg.ch).

    Die Vorinstanz qualifizierte das Fehlverhalten des Rekurrenten in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung nach Art. 90 Abs. 2 SVG als grob schuldhaft. Dabei ist unbestritten, dass es zum Selbstunfall kam, weil sich der Rekurrent während der Fahrt eine Zigarette drehen wollte und deshalb nach dem Zigarettenpapier auf der Ablage vor dem Beifahrersitz griff. Die besondere Gefährlichkeit seines Handelns musste ihm bewusst sein. Selbst wenn der Rekurrent die allgemeine Gefährlichkeit seines verkehrsregelwidrigen Verhaltens nicht bedacht haben sollte, hätte er sich zumindest bedenkenlos über die Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer hinweggesetzt und in einem Ausmass gedankenlos gehandelt, das ihm als grobe Fahrlässigkeit und damit als schweres Verschulden im Sinn von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG anzulasten wäre.

  3. Zusammenfassend ist somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Selbstunfall vom 21. April 2017 als schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinn von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG qualifizierte.

5.- a) Bei der Festsetzung der Dauer des Führerausweisentzugs sind gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindestentzugsdauer darf jedoch nicht unterschritten werden. Diese beträgt nach einer schweren Wiederhandlung mindestens drei Monate (Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG).

b) Der Rekurrent beging innerhalb kurzer Zeit zwei Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsregeln, und zwar am 21. April 2017 (Selbstunfall auf der Autobahn A1 bei Wängi; schwere Widerhandlung) und am 25. Januar 2018 (Wegrollen des ungenügend gesicherten Fahrzeugs; mittelschwere Widerhandlung). Am 15. Juni 2018 setzte die Vorinstanz für das Ereignis vom 25. Januar 2018 einen einmonatigen Führerausweisentzug fest und am 17. September 2018 für den Selbstunfall vom

21. April 2017 einen zweimonatigen. Dabei wies sie zu Recht darauf hin, dass Letzterer im Zusatz zur Verfügung vom 15. Juni 2018 erfolge (act. 3/1). Gleich wie im Strafverfahren (Art. 49 Abs. 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, SR 311.0) gilt auch bei Warnungsentzügen im Administrativmassnahmeverfahren die sogenannte retrospektive Konkurrenz. Hat die Behörde eine Widerhandlung gegen Strassenverkehrsvorschriften zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer anderen Tat sanktioniert wurde, so bestimmt sie die Zusatzmassnahme in der Weise, dass der Täter nicht schwerer sanktioniert wird, als wenn die einzelnen Widerhandlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Ausgangspunkt für die Bemessung der Entzugsdauer ist damit Art. 16c Abs. 2 lit. a SVG mit einer Mindestentzugsdauer von drei Monaten. Diese ist für die mittelschwere Widerhandlung vom 25. Januar 2018 zu erhöhen. Unter Berücksichtigung der Vorbringen des Rekurrenten gelangte die Vorinstanz für beide Widerhandlungen auf eine

Gesamtentzugsdauer von drei Monaten. Da für die Widerhandlung vom 25. Januar 2018 bereits ein einmonatiger Warnungsentzug verfügt wurde, hat die Vorinstanz die zusätzliche Massnahmendauer zu Recht auf zwei Monate festgesetzt. Die angefochtene Verfügung ist dementsprechend auch hinsichtlich der Entzugsdauer nicht zu beanstanden.

6.- Die Vorinstanz ordnete in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung an, dass der Rekurrent den Führerausweis und allfällig vorhandene weitere Ausweise bis spätestens am 17. Dezember 2018 abzugeben habe. Hierbei handelt es sich um eine vollstreckungsrechtliche Anordnung, die separat verfügt werden müsste. Darauf ist nicht weiter einzugehen, denn der Abgabetermin ist bereits vorüber, weshalb besagte Anordnung zufolge Gegenstandslosigkeit aufzuheben ist. Die Vorinstanz wird einen neuen Abgabetermin festlegen müssen. Allerdings hätte Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung aufgehoben werden müssen, wenn die Abgabefrist nicht bereits abgelaufen wäre. Dies ist bei der Kostenverlegung zu berücksichtigen.

7.- Zusammenfassend ist der Rekurs teilweise gutzuheissen. Die Kosten des Rekursverfahrens haben die Verfahrensbeteiligten nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Sie sind vom Rekurrenten zu vier Fünfteln und vom Staat zu einem Fünftel zu bezahlen. Denn einerseits unterliegt der Rekurrent in der Hauptsache und andererseits hat die Vorinstanz die materielle Verfügung (Führerausweisentzug) in unzulässiger Weise mit einer Vollzugsanordnung (Abgabetermin des Ausweises) kombiniert. Eine Entscheidgebühr von Fr. 1'200.– (vgl. Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung [sGS 941.12]) erscheint angemessen. Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– ist mit dem Kostenanteil des Rekurrenten in der Höhe von Fr. 960.– zu verrechnen. Der Rest des Kostenvorschusses von Fr. 240.– ist dem Rekurrenten zurückzuerstatten.

Entscheid:

  1. Ziffer 2 der Verfügung des Strassenverkehrsamtes vom 17. September 2018 (Zeitpunkt der Abgabe des Führerausweises) wird zufolge Gegenstandslosigkeit aufgehoben.

    Im Übrigen wird der Rekurs abgewiesen.

  2. Die amtlichen Kosten von Fr. 1'200.– haben der Rekurrent zu vier Fünfteln und der

Staat

zu einem Fünftel zu bezahlen. Der Kostenvorschuss von Fr. 1'200.– wird mit dem Kostenanteil des Rekurrenten von Fr. 960.– verrechnet und im Restbetrag von

Fr. 240.–

zurückerstattet.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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