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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:IV 2017/391
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:IV - Invalidenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid IV 2017/391 vom 03.03.2020 (SG)
Datum:03.03.2020
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 53 Abs. 2 ATSG. Art. 28 IVG. Art. 16 ATSG. Wiedererwägung einer formell rechtskräftig zugesprochenen Rente der Invalidenversicherung. Frage nach der Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit in der freien Wirtschaft oder in einem geschützten Rahmen bei einer Minderintelligenz (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. März 2020, IV 2017/391).
Schlagwörter: Beschwerde; Arbeit; Beschwerdeführer; IV-act; Arbeite; IV-Stelle; Beschwerdegegnerin; Fähig; Verfügung; Arbeitgeber; Durchschnittlich; Beschwerdeführers; Rente; Leistung; Erhalte; Sachverhalt; Unterdurchschnittlich; Recht; Ständig; Müsse; Recht; Franken; Sachbearbeiter; Ursprüngliche; Sinne; Gutachten; Arbeitsfähigkeit; Tätigkeiten
Rechtsnorm: Art. 17 ATSG ; Art. 43 ATSG ; Art. 53 ATSG ;
Referenz BGE:141 V 405;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Entscheid vom 3. März 2020

Besetzung

Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber- Studerus; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. IV 2017/391

Parteien

A. ,

Beschwerdeführer,

vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Nadja D'Amico, c/o Procap Schweiz,

Frohburgstrasse 4, Postfach, 4601 Olten,

gegen

IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin,

Gegenstand

Rentenrevision (Einstellung) Sachverhalt

A.

    1. A. wurde im März 1999 unter Hinweis auf ein psycho-organisches Syndrom zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet (IV-act. 2). Im April 1999 berichtete der Kinderarzt Dr. med. B. (IV-act. 3), beim Versicherten liege ein Geburtsgebrechen im Sinne der Ziff. 404 Anh. GgV vor. Dieses äussere sich in einer Beeinträchtigung der Affektivität und der Kontaktfähigkeit, in Stimmungs- und Leistungsschwankungen, in einer Aggressivität, in einer übermässigen Geschwisterrivalität, in Regressionstendenzen mit schweren Affektdurchbrüchen, in einer massiven Hyperaktivität und in einer stark gestörten Konzentrationsfähigkeit. Der Versicherte befinde sich bereits in einer logopädischen Therapie. Zudem sei er in der Einführungsklasse eingeschult worden. Aufgrund seines Verhaltens sei er dort aber nur knapp tragbar. Mit einer Verfügung vom 11. Mai 1999 anerkannte die IV-Stelle das Vorliegen des Geburtsgebrechens Ziff. 404 Anh. GgV (IV-act. 5).

    2. Im Februar 2001 berichtete Dr. B. (IV-act. 8), dass der Versicherte seit der letzten Berichterstattung im April 1999 gewisse Fortschritte erzielt habe. Wegen seiner massiven Sprachprobleme habe er allerdings in eine Kleinklasse wechseln müssen; die Angehörigen hätten einen Wechsel in eine Sprachheilschule abgelehnt. Im Februar 2003 teilte Dr. B. mit (IV-act. 12), der Versicherte leide weiterhin unter seinen Teilleistungsstörungen und seiner Unkonzentriertheit. Sein Sozialverhalten sei stark auffällig. Selbst in der Psychomotorik-Therapie sei es keine leichte Aufgabe gewesen, ihn in eine Zweiergruppe zu integrieren. Im Juni 2004 hielt die Schulpsychologin lic. phil. C. fest (IV-act. 25), der Versicherte sei aufgrund von Disziplinproblemen und eines aggressiven Sozialverhaltens kurzfristig vom Schulbesuch dispensiert und zur

      schulpsychologischen Abklärung angemeldet worden. Schon bei der letzten schulpsychologischen Abklärung im Jahr 2000 sei dringend eine interne Sonderschulung empfohlen worden, was aber von den Angehörigen des Versicherten vehement abgelehnt worden sei. Bereits damals hätten sich schon Verwahrlosungstendenzen in der erzieherischen Situation gezeigt. Zwischenzeitlich hätten sich nun die ungünstigen Entwicklungen sowohl im sozial-emotionalen als auch im intellektuellen Bereich gezeigt. Der Versicherte habe nur ungenügende Entwicklungsfortschritte machen können. In der Untersuchung sei ein kaum adäquates Sozialverhalten mit einem „recht flegelhaften“ Benehmen aufgefallen. Unter einer strikten, klaren Führung habe der Versicherte zur Mitarbeit motiviert werden können. Die Konzentration und die Ausdauer seien trotzdem gering gewesen. Der Versicherte habe wenig Impulskontrolle gezeigt und es sei ihm kaum gelungen, Aufgaben reflektiert zu lösen. Der Selbstwert erscheine als labil, was der Versicherte durch provokatives und aggressives Verhalten zu kompensieren versuche. Es hätten sich auch deutliche Zeichen einer emotionalen Verwahrlosung gezeigt. Auch die kognitive Entwicklung sei nicht altersgemäss. Die Auffassungsgabe sei langsam und schwerfällig. Angesichts dieser Befunde sei eine interne Sonderschulung im Sonderschulheim für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche zu empfehlen. Im Auftrag der IV-Stelle erstattete die Kinderpsychiaterin Dr. med. D. im September 2004 ein fachärztliches Gutachten (IV-act. 41). Sie hielt fest, der Versicherte leide an einem frühkindlichen psycho-organischen Syndrom mit einer zentralen Sprachschwäche und mit Beeinträchtigungen im Bereich der Motorik, der auditiven Erfassungsspanne sowie der Verhaltenssteuerung. Angesichts der massiv ausgeprägten Symptomatik sei ein Volksschulbesuch des Versicherten weder jetzt noch in naher Zukunft denkbar. Die Sonderschulbedürftigkeit sei also ausgewiesen. Mit einer Mitteilung vom 24. Januar 2005 erteilte die IV-Stelle eine Kostengutsprache für interne Sonderschulmassnahmen (IV-act. 47).

    3. Im August 2006 berichtete Dr. med. E. (IV-act. 53), der Versicherte leide an einem psycho-organischen Syndrom mit einer verminderten Aufmerksamkeit und Ausdauer bei einer gesteigerten Impulsivität. Er sei vom Alltag und dessen Anforderungen rasch überfordert, weiche gerne aus und flüchte sich in Alkohol, Kiffen oder Aggressivität. Im August 2007 begann der Versicherte mit einer Maurer-Anlehre

      (vgl. IV-act. 56). Eine Berufsberaterin der IV-Stelle empfahl einen begleitenden Stützunterricht (IV-act. 59), der von der IV-Stelle mit einer Mitteilung vom 19. Juli 2007 bewilligt wurde (IV-act. 62). Im November 2008 teilte die Unterrichtsperson mit (IV-act. 63), seit Februar 2008 sei der Versicherte nur noch selten zum Unterricht erschienen. Er habe immer wieder auf die Termine aufmerksam gemacht werden müssen. Telefongespräche mit seinem Vater und dem Lehrmeister hätten die Situation jeweils nur vorübergehend verändert. Seit dem 23. August 2008 sei der Versicherte gar nicht mehr zum Unterricht erschienen. Diese Situation sei unbefriedigend, weshalb die Unterrichtsperson den Unterricht nicht weiterführen wolle. Eine Eingliederungsverantwortliche der IV-Stelle versuchte im September 2009 ohne Erfolg, den Versicherten zu erreichen. Sie schloss die Berufsberatung deshalb am 25. September 2009 mit der Annahme ab, dass der Versicherte die Anlehre erfolgreich abgeschlossen habe und dass er nun rentenausschliessend eingegliedert sei (IV-act. 65 und 67).

    4. Am 30. April 2010 meldete sich der Versicherte zum Leistungsbezug bei der IV- Stelle an (IV-act. 68). Im Anmeldeformular wies er darauf hin, dass er die Anlehre im Juli 2009 erfolgreich abgeschlossen habe. In einem Begleitschreiben bat er um Massnahmen zur Erhaltung seines aktuellen Arbeitsplatzes in einem Landwirtschaftsbetrieb (IV-act. 69–1). Sein Arbeitgeber hatte festgehalten (IV-act. 69– 2), angesichts der schwankenden Arbeitsmotivation und der sehr unregelmässigen, von einem Tag bis zu mehreren Wochen dauernden Absenzen liege die Arbeitsleistung des Versicherten nur bei rund 20 Prozent. Der Lohn sei deshalb auf 1’300 Franken plus

      Kost und Logis festgesetzt worden. Nachdem der Versicherte auf mehrere Rückfragen der IV-Stelle nicht reagiert hatte, forderte diese ihn mit einem Schreiben vom 3. Dezember 2010 auf (IV-act. 82), die verlangten Auskünfte bis spätestens am 17. Dezember 2010 zu erteilen. Andernfalls werde sie sein Leistungsbegehren wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsabklärung nicht behandeln. Der Arbeitgeber des Versicherten teilte der IV-Stelle am 10. Dezember 2010 telefonisch mit (IV-act. 83), aufgrund der Persönlichkeit des Versicherten sei es jeweils sehr schwierig, Informationen von ihm zu bekommen. Im täglichen Umgang mit dem Versicherten ergäben sich gravierende Probleme. Der Arbeitgeber könne sich nicht vorstellen, dass der Versicherte in einem anderen Berufsfeld besser tragbar sei. Im Januar 2011 gab

      der Arbeitgeber des Versicherten telefonisch an (IV-act. 85), er habe mehrere Ärzte angefragt, den Versicherten mit Blick auf das laufende IV-Verfahren zu untersuchen. Die angefragten Ärzte hätten wenig Begeisterung gezeigt, weil ihnen die Situation zu komplex gewesen sei. Im Februar 2011 informierte der Arbeitgeber die IV-Stelle darüber, dass Dr. med. F. bereit sei, den Versicherten zu untersuchen (IV-act. 86). Am 10. Februar 2011 gab Dr. F. Dr. med. G. vom IV-internen regionalen ärztlichen Dienst (RAD) telefonisch an (IV-act. 89), bisher sei keine dem auffälligen Verhalten des Versicherten zugrunde liegende Diagnose gestellt worden. Offenbar befinde sich der Versicherte nicht in einer fachärztlichen Behandlung. Allerdings bestehe der Verdacht auf eine Minderintelligenz. Bezüglich einer allfälligen Suchtproblematik stehe lediglich allenfalls ein „Quartalssäufertum“ zur Diskussion. Gemäss den Angaben des Arbeitgebers sei der Versicherte sozial auffällig, das heisst sozial nicht integrierbar, deutlich verlangsamt, unzuverlässig und eingeschränkt leistungsfähig. Zudem benötige er eine enge Führung. Er, Dr. F. , wisse jedoch nichts über besondere Auffälligkeiten des Versicherten in der Kindheit. Die RAD-Ärztin Dr. G. notierte, aus ihrer Sicht liege kein medizinischer Gesundheitsschaden vor (IV- act. 88). Im März 2011 teilte der Arbeitgeber des Versicherten mit (IV-act. 93), dass der Versicherte die Arbeitsstelle gewechselt habe und dass er jegliche Kommunikation mit dem bisherigen Arbeitgeber verweigere. Ein Eingliederungsverantwortlicher der IV- Stelle hielt im Mai 2011 fest (IV-act. 97), es sei kaum möglich gewesen, mit dem Versicherten zu kommunizieren, weil dieser nicht verstanden habe, was gesagt worden sei. Während des Gesprächs habe er nur ständig mit der Visitenkarte des Eingliederungsverantwortlichen gespielt. Auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen habe er nur gelacht, den Eingliederungsverantwortlich gross angeschaut und gesagt, dass er keine habe. Weiter habe er angegeben, dass er nie als Maurer gearbeitet habe. Er wolle arbeiten und genug Geld zum Leben verdienen. Er könne klar strukturierte Tätigkeiten unter enger Anleitung korrekt ausführen. Aktuell erhalte er 300 Franken Lohn pro Woche als Hilfsarbeiter in einem Landwirtschaftsbetrieb. Er könne bei seinem Arbeitgeber essen. Der Arbeitgeber habe angegeben, dass er nicht mehr als 300 Franken pro Woche bezahlen könne, weil dieser Lohn der effektiven Arbeitsleistung entspreche. Im Juli 2011 führte eine Berufsberaterin der IV-Stelle einen IQ-Test durch (vgl. IV-act. 101). Sie notierte (IV-act. 102), die fluide Intelligenz, die die kognitive Leistungsfähigkeit widerspiegle, liege im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich. Die

      kristalline Intelligenz, die das Sachwissen und die sprachliche Leistungsfähigkeit widerspiegle, liege ebenfalls im unterdurchschnittlichen Bereich. Es sei von einem sehr tiefen IQ-Wert von maximal 54 auszugehen. Die Bearbeitungsgeschwindigkeit liege ebenfalls im tief unterdurchschnittlichen Bereich (IQ-Wert von 56), weshalb auch bei praktischen Arbeiten eine enorme Einschränkung vorliege. Die IV-Stelle verglich das im Art. 26 IVV für Frühinvalide vorgesehene Einkommen mit dem vom Versicherten effektiv erzielten Lohn von 14’400 Franken pro Jahr, was einen Invaliditätsgrad von 73 Prozent ergab (IV-act. 103). Mit einer Verfügung vom 13. März 2012 sprach die IV-Stelle dem Versicherten mit Wirkung ab dem 1. Februar 2011 eine ausserordentliche ganze Rente zu (IV-act. 114). Diese Verfügung erwuchs unangefochten in formelle Rechtskraft.

    5. Im Juni 2015 erhielt die IV-Stelle einen anonymen telefonischen Hinweis. Der Hinweisgeber führte aus (IV-act. 120), der Versicherte arbeite an zwei Arbeitsstellen: Er arbeite schwarz in einer Autogarage; zudem arbeite er in einem Bauernbetrieb. Er habe sich in die Garage eingemietet und richte dort Autos, erledige Reparaturen, kaufe und verkaufe Autos. Teilweise arbeite er selbständig und teilweise arbeite er im Auftrag des Garagenbetriebs. Montags bis freitags halte er sich jeweils bis 21 oder 22 Uhr, teilweise sogar bis 23 Uhr in der Garage auf. Er arbeite auch samstags und sonntags. Der Bauernbetrieb, in dem er den Stall ausmiste, befinde sich am selben Standort wie die Garage. Der Versicherte wohne nur 500 Meter entfernt. Ihm sei der Führerausweis entzogen worden, aber er fahre trotzdem Auto. In einem Fragebogen zur Überprüfung des Rentenanspruchs gab der Versicherte mit der Hilfe seines Beistandes an (IV-act. 123), sein Gesundheitszustand habe sich nicht verändert. Er sei bei einem Landwirt angestellt. Die Präsenzzeit betrage etwa 35 Stunden pro Woche. Die Arbeitsleistung belaufe sich geschätzt auf 25 Prozent. Körperlich bestünden keine Einschränkungen. Er verfüge aber nur über eine geringe Konzentrationsfähigkeit und über eine ungenügende Konstanz respektive Ausdauer. Seine Auffassungsgabe sei eingeschränkt, weshalb er im Arbeitsprozess sehr eng begleitet werden müsse. Er sei deutlich verlangsamt und unzuverlässig. Aktuell stehe eine weitere Lohnreduktion im Raum, weil der Versicherte immer mehr Begleitung benötige. Es sei wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis das Arbeitsverhältnis aufgelöst werde. Danach komme nur noch ein geschützter Rahmen mit einer professionellen Begleitung in Frage. Der Versicherte führe seinen eigenen Haushalt in einer Wohnung. Dabei komme es seitens der

      Hausverwaltung immer wieder zu Beanstandungen. Er habe keine Hobbies, aber er reise gern. Das Strassenverkehrsamt habe dem Versicherten mit einer Verfügung vom

      18. August 2014 den Führerausweis entzogen. Auch das Führen von landwirtschaftlichen Fahrzeugen sei ihm untersagt worden, obwohl dies praktisch einem Berufsverbot gleichkomme. Im Juli 2015 sei der Versicherte Vater geworden; das Kind stamme aus einer eher losen Beziehung. Die Kindsmutter wohne bei ihren Eltern. Der Versicherte könne nicht beschreiben, welche Rolle er als Kindsvater spiele. Oft sei der Versicherte zu gutmütig und zu leichtgläubig. Gegen ihn sei noch ein Strafverfahren aus dem Jahr 2013 wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung und mehrfachen Hausfriedensbruchs offen. Mit einer Mitteilung vom 14. September 2015 gab die IV-Stelle dem Versicherten bekannt, dass er weiterhin einen unveränderten Anspruch auf die bisherige Invalidenrente habe (IV-act. 128).

    6. Am 30. September 2015 erhielt die IV-Stelle einen zweiten anonymen Hinweis (IV- act. 130). Der Hinweisgeber teilte mit, dass der Versicherte zusammen mit einem Kollegen einen Autohandel führe. Aktuell stünden etwa 40 Fahrzeuge vor der Garage zum Verkauf. Der Versicherte arbeite jeweils von 11 Uhr bis 15 Uhr dort. Daneben arbeite er noch auf einem Bauernhof. Eine Sachbearbeiterin der IV-Stelle notierte am

      28. Januar 2016 (IV-act. 135), das Unternehmen K. sei beauftragt worden, einen Augenschein vor Ort zu nehmen und den Betrieb des Versicherten zu lokalisieren. Eine Fotodokumentation zeigte Aufnahmen vom Abstellplatz mit zahlreichen Fahrzeugen (IV-act. 133). Im Januar 2016 brannte das Gebäude nieder (vgl. IV-act. 134). Am 28. Januar 2016 nahm ein Mitarbeiter der IV-Stelle einen Augenschein der Brandstelle vor. Er hielt fest (IV-act. 137), gemäss den Aussagen eines Feuerwehrmannes und eines Anwohners hätten zwei junge Männer aus dem Dorf im abgebrannten Gebäude einen

      „Chlütteribetrieb“ geführt; sie hätten dort an Autos herumgebastelt. Dabei habe sich Benzin entzündet, was als die Ursache des Grossbrandes anzusehen sei. Im März 2016 füllte der Versicherte (wieder mit der Hilfe seines Beistandes) einen weiteren Fragebogen zur Überprüfung des Rentenanspruchs aus. Er gab an (IV-act. 142), sein Gesundheitszustand habe sich nicht verändert. Er arbeite immer noch im selben Landwirtschaftsbetrieb. Sein Lohn sei im August 2015 von 1’200 Franken auf 600 Franken gekürzt worden. Zum Zeitvertrieb bastle er an Autos, damit er „keinen Mist

      baue“. Die RAD-Ärztin Dr. med. H. notierte am 31. Mai 2016 (IV-act. 145), es sei bemerkenswert, dass der Versicherte trotz seines niedrigen IQ in der Lage gewesen sei, einen Führerschein zu erwerben, da dies doch gewisse intellektuelle Fähigkeiten und ein gutes Konzentrationsvermögen vorausgesetzt habe. Ausserdem erstaune es, dass der Versicherte an Autos bastle, denn auch diese Tätigkeit setze intellektuelle und praktische Fähigkeiten voraus. Es sei schwer vorstellbar, dass der Versicherte mit den von seinem Beistand angeführten Einschränkungen in der Lage sei, das in diesem Zusammenhang notwendige mechanische Verständnis und Geschick aufzubringen, gleichzeitig aber nicht fähig sei, selbständig einfache Arbeiten in der Landwirtschaft auszuführen. Die medizinische Sachlage müsse angesichts dieser Ungereimtheiten eingehend abgeklärt werden. Am 21. Juni 2016 wurde der Versicherte von einem Mitarbeiter der IV-Stelle befragt (IV-act. 146). Er gab an, ihm gehe es gut. Er sei zu faul, um zu arbeiten. Ihm fehle momentan die Lust. Manchmal sei er einfach müde. Er schlafe zehn Stunden und sei immer noch müde. Er könne nicht erklären, weshalb ihm gewisse Dinge schwer fielen. Viele Arbeiten erforderten eine hohe Konzentration. Er brauche länger, um entsprechende Arbeiten auszuführen. Wenn beispielsweise ein Kälbli nicht recht trinke, werde er aggressiv. Früher habe er viel „Scheisse gebaut“. Er sei ohne Ausweis gefahren, habe „e bitzeli“ etwas gestohlen und habe aus Versehen

      „öpis angezündet“. Den Führerschein habe er im Jahr 2012 erworben. Er habe viel geübt und sowohl die theoretische als auch die praktische Prüfung beim ersten Versuch bestanden. Man könne schon sagen, dass bei ihm eher die Motivation als das Können das Problem sei. Insgesamt arbeite er pro Tag sieben Stunden. Der Lohn sei aber aus für ihn unerklärlichen Gründen halbiert worden, sodass er nur noch 600 Franken pro Monat verdiene. Er würde eigentlich schon gerne eine andere Arbeit verrichten, „mal was anderes sehen“, aber er wisse nicht, was er arbeiten könnte. Auf die Frage des IV-Sachbearbeiters, welche Arbeiten er selbständig ausführen könne, antwortete der Versicherte, dass er den Boden wischen könne. Auf die Entgegnung, er könne mehr, erwiderte er, dass er schon einige Dinge könne, aber er müsse überlegen, was das sei. Komplizierte Sachen könne er nicht. Aber zum Beispiel Räder wechseln oder ein Auto waschen könne er. Er könnte auch einen Service an einem Auto machen. Das habe er auch schon gemacht. Er sei an einer „Clubgarage“ beteiligt gewesen: Sieben Personen hätten gemeinsam eine Garage mit zwei Autoliften und einer Spritzkabine gemietet; jeder habe dort „sein Zeug“ machen können. Dabei habe

      niemand etwas verdient. Arbeitsmässig sei vielleicht einmal pro Woche etwas gelaufen. Die übrige Zeit habe man mit Spielkonsolen gespielt, etwas getrunken und

      „abgehängt“. Er wisse, dass man ihn bei der IV „verpfiffen“ habe. Er sei aber kein Autohändler. Er kaufe vielleicht zweimal pro Monat ein Auto. Das sei eine Freizeitbeschäftigung, die ihn davon abhalte, Blödsinn zu machen. Er habe auch nie schwarz für eine andere Garage gearbeitet. Ab und zu habe er in einer anderen Garage sein Auto reparieren dürfen. Im Gegenzug habe er etwas geholfen, zum Beispiel Reifen gewechselt oder andere kleinere Dinge erledigt. Die Clubgarage habe man seit August 2015 betrieben. Es sei hauptsächlich darum gegangen, mit Kollegen zusammen zu sein. So habe man seine Ruhe gehabt. Strategiespiele habe der Versicherte nie gespielt. Lesen könne er zwar, aber er lese nur den „Blick“, um zu wissen, was gerade so passiert sei. Von den Artikeln verstehe er jeweils nur den Anfang. Gegen den Schluss „checke“ er es oft nicht mehr. Er habe dann ein Durcheinander.

    7. Im Auftrag der IV-Stelle erstattete der Psychiater Dr. med. I. am 31. Oktober 2016 ein psychiatrisches Gutachten, das auch die Ergebnisse einer von Dr. phil. J. durchgeführten neuropsychologischen Testung enthielt (IV-act. 155). Letzterer hatte festgehalten, der Versicherte habe bereitwillig Auskunft erteilt, die Aufgabenstellungen aber meist nicht zuverlässig auf Anhieb verstanden. Teilweise habe er bereits während der Instruktion mit der Bearbeitung begonnen. Beim Abruf von Wörtern sei die Bearbeitungszeit hoch gewesen. Das Vorgehen sei oft suboptimal gewesen; wiederholt hätten Korrekturen vorgenommen werden müssen. Bei einer Reaktionszeitaufgabe habe der Versicherte etwas gelangweilt gewirkt. Bei den Übungen zur phasischen Alertness habe er bereits häufiger schon auf das Tonsignal reagiert. Zeitweise habe er mit dem Fuss gewippt. Teilweise habe er sich derb ausgedrückt. Er habe Schwierigkeiten bemerkt, oft jedoch nicht zuverlässig. Die Beschwerdevalidierungstests hätten unauffällige Ergebnisse gezeitigt. Die Ergebnisse der Tests zur Aufmerksamkeitsleistung seien teilweise unterdurchschnittlich gewesen. Die Testergebnisse zum verbalen Lernen und zum Gedächtnis seien unterdurchschnittlich gewesen. Die Fähigkeiten des Versicherten bezüglich des visuell- figurativen Lernens und des Gedächtnisses seien leicht unterdurchschnittlich, jene zur räumlich-perzeptiven Analyse und zur räumlich-konstruktiven Verarbeitung teilweise unterdurchschnittlich gewesen. Die Tests betreffend die komplexe Denkleistung und

      die Exekutivfunktionen hätten überwiegend unterdurchschnittliche Ergebnisse gezeitigt. Die Intelligenzleistung des Versicherten habe im Verbalteil einem IQ von 64, im Handlungsteil einem IQ von 69, hinsichtlich des Sprachverständnisses einem IQ von 65, bezüglich der Wahrnehmungsorganisation einem IQ von 71, betreffend das Arbeitsgedächtnis einem IQ von 62 und mit Blick auf die Arbeitsgeschwindigkeit einem IQ von 81 entsprochen. Der Gesamt-IQ betrage 64. Dies stimme mit dem klinischen Eindruck und mit den anamnestischen Angaben überein. Die kognitive Leistung des Versicherten liege damit im Bereich einer leichten Intelligenzminderung (IQ 50–69). Gesamthaft seien auch die Kriterien für das Vorliegen einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung knapp erfüllt. Die aktuellen Befunde fielen besser aus als das Resultat der Voruntersuchung durch eine Eingliederungsverantwortliche der IV- Stelle. Damals sei aber das Prüfsystem für die Schul- und Bildungsberatung zum Einsatz gebracht worden, das für die Testung der Intelligenzleistung einer erwachsenen Person nicht optimal geeignet sei. Die Differenz zwischen den Resultaten der Voruntersuchung und der aktuellen Untersuchung sei nicht gravierend. Es sei jedoch auch möglich, dass es im Zeitraum zwischen den beiden Untersuchungen zu gewissen Leistungsveränderungen gekommen sei. Die Befunde legten den Schluss nahe, dass die Mindestvoraussetzungen zum sicheren Führen eines Fahrzeugs nicht gegeben seien. Im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit sei zu bedenken, dass der Versicherte aus neuropsychologischer Sicht Anleitung und Begleitung benötige, da er aufgrund der verminderten Intelligenzleistungen und der weiteren Einschränkungen nicht zuverlässig in der Lage sei, selbständig Arbeitsaufträge zu erfassen und auszuführen. Die Arbeitsaufträge sollten beim unmittelbaren Behalten bei Bedarf wiederholt gegeben werden und nur wenige Informationseinheiten beinhalten. Einfache Arbeitsaufträge, die nur wenige Arbeitsschritte beinhalteten, könne der Versicherte in der Regel gut erfassen. Die Lernanforderungen sollten insgesamt leicht unterdurchschnittlich sein. Handlungsanweisungen sollten einfach und klar formuliert sein. Erwerbliche Tätigkeiten sollten geringe intellektuelle und sprachliche Anforderungen mit sich bringen. Mathematische Anforderungen sollten leicht unterdurchschnittlich sein. Aufgrund der verminderten Fähigkeit zur Fehlerkontrolle sei eine gewisse Fehlertoleranz erforderlich. Die Tempoanforderungen sollten leicht unterdurchschnittlich sein. Besondere Schwierigkeiten seien zu erwarten, wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeitet werden müssten oder wenn auf mehrere Reize gleichzeitig geachtet werden müsse.

      Hinsichtlich der Präsenzzeit bestünden keine Einschränkungen. Der psychiatrische Sachverständige führte aus, aus psychiatrischer Sicht seien die vom Neuropsychologen gestellten Diagnosen – leichte Intelligenzminderung sowie Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung – zu bestätigen. Für die Arbeitsfähigkeitsschätzung seien insbesondere die damit einhergehenden neuropsychologischen Defizite ausschlaggebend. Auch in der psychiatrischen Exploration hätten keine Anzeichen für eine Aggravation oder für eine Simulation vorgelegen. Invaliditätsfremde Faktoren spielten keine Rolle. Eine Suchterkrankung liege nicht vor. Eine psychiatrische Behandlung finde zwar nicht statt, eine solche hätte aber auch keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Aus psychiatrischer Sicht spreche nichts gegen eine ganztägige Präsenz an einem Arbeitsplatz. Für die erlernte Tätigkeit als Maurer müsse von einer verminderten Leistungsfähigkeit ausgegangen werden, weil der Versicherte ein deutlich erhöhtes Mass an Anleitung und Begleitung benötige, weil er nur gewisse Arbeiten ausführen könne und weil eine gewisse Fehlertoleranz einkalkuliert werden müsse. Der Arbeitsfähigkeitsgrad sei auf 50 Prozent zu schätzen. Als leidensadaptiert seien Tätigkeiten zu qualifizieren, bei denen Arbeitsaufträge bei Bedarf wiederholt erteilt würden und bei denen diese Aufträge auch nur wenige Informationseinheiten beinhalteten. Die Lernanforderungen sollten insgesamt leicht unterdurchschnittlich sein. Die Handlungsanweisungen sollten einfach und klar formuliert sein. Die erwerblichen Tätigkeiten sollten nur geringe intellektuelle und sprachliche Anforderungen mit sich bringen. Eine gewisse Fehlertoleranz sei erforderlich. Die Tempoanforderungen sollten insgesamt leicht unterdurchschnittlich sein. Am besten geeignet sei ein strukturiertes Arbeitssetting mit wenig wechselnden, einfachen und repetitiven Arbeitsabläufen. Sofern all diese Kriterien erfüllt seien, bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Die Anforderungen an einen leidensadaptierten Arbeitsplatz seien „recht hoch“, aber es sei die Sache der IV-Stelle zu entscheiden, welches Einkommen in einer solchen Tätigkeit erzielt werden könne. Die beschriebenen Einschränkungen bestünden unverändert seit der beruflichen Ausbildung. Die RAD-Ärztin Dr. med. H. qualifizierte das Gutachten als überzeugend (IV-act. 156).

    8. Am 28. Februar 2017 fand eine weitere Befragung des Versicherten statt. Dieser

      gab an (IV-act. 164), er sei nicht direkt „faul“; für ihn seien gewisse Dinge einfach zu

      anstrengend. Für solche anstrengenden Dinge fehle ihm die Motivation. Er arbeite immer noch im selben Betrieb, schraube aber nur noch an einem Auto. Im Betrieb könne er gewisse Arbeiten selbständig ausführen, nämlich jene, die er schon lange verrichte. Der Betriebsleiter sei jeweils nur nachmittags anwesend. Dann sage er dem Versicherten, was dieser zu tun habe. Jede Stunde tauche er einmal auf, um den Versicherten zu kontrollieren. Bei gewissen Arbeiten sage ihm der Versicherte, dass er diese Arbeiten nicht ausführen könne. Das seien Arbeiten, die der Betriebsleiter zu kompliziert erkläre. Dann sage der Versicherte einfach, dass er das nicht könne. Das habe er auch schon gesagt, wenn er keine Lust gehabt habe. Aber wenn der Betriebsleiter viele Sachen gleichzeitig sage, bekomme der Versicherte ein Durcheinander. Nur bei Dingen, die immer gleich seien, gehe es gut. Bei der neuropsychologischen Testung sei er vielleicht nicht ganz auf die Sache konzentriert gewesen, denn diese sei an einem Morgen durchgeführt worden und morgens sei er einfach nicht konzentriert. Auf die Nachfrage des IV-Sachbearbeiters, ob das bedeute, dass er folglich morgens auch nicht Auto fahren könne, erwiderte der Versicherte, dass er keine Lust auf diese Tests gehabt habe. Der IV-Sachbearbeiter konfrontierte den Versicherten daraufhin mit der Aussage, dass sich der Versicherte nun in einer Zwickmühle befinde, und er frage den Versicherten, worin diese Zwickmühle bestehe. Der Versicherte antwortete, die Zwickmühle heisse „Führerschein oder IV-Rente“. Auf die Frage, mit welchem Verhalten der Versicherte versucht habe, das Testergebnis zu verfälschen, antwortete der Versicherte, dass er bei einigen Tests Worte habe im Kopf behalten müssen; er habe ein Durcheinander im Kopf bekommen und dann habe er die schwierigen Worte nicht mehr aussprechen können. Auf weitere Nachfragen hin gab der Versicherte an, er habe beim Zeichnen eines Hauses extra ein wenig „gehudelt“. Bei den Reaktionstests habe er einfach unkonzentriert gedrückt, wann er Lust gehabt habe.

    9. Mit einem Vorbescheid vom 22. August 2017 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, dass sie die Aufhebung der laufenden Rente vorsehe (IV-act. 165). Dagegen liess der nun vertretene Versicherte am 22. September 2017 einwenden (IV-act. 169), das Gutachten der Dres. I. und J. belege eindeutig eine Intelligenzminderung mit einer tiefen Leistungsfähigkeit. Die Anstellungen in der Vergangenheit zeigten, dass der Versicherte nur durch starke Führung eine verwertbare Arbeitsleistung an einem

Nischenarbeitsplatz erbringen könne. Die Affinität zum Hobby „Auto“ habe es dem Versicherten nicht erlaubt, wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Der Grossbrand spreche gegen eine Professionalität im Umgang mit Autos. Die Offenheit des Versicherten in den beiden Verhören durch die IV-Stelle spreche ebenfalls für die Minderintelligenz des Versicherten, denn keiner normal intelligenten Person wäre es in den Sinn gekommen, sich wiederholt als faul zu bezeichnen. Zu bemängeln sei auch, dass die IV-Stelle im zweiten Verhör versucht habe, den Versicherten dazu zu bringen, entgegen der klaren Ausführungen im Gutachten eine Simulation zu bestätigen. Zwischenzeitlich habe der Versicherte seine Arbeitsstelle verloren, weil die Situation am Arbeitsplatz unzumutbar geworden sei. Sein sozial eingestellter ehemaliger Arbeitgeber habe ihm aber einen Praktikumsplatz in der Gipserunternehmung angeboten, bei der er Mitinhaber sei. Am

27. September 2017 gab der Arbeitgeber an (IV-act. 174), dass der Versicherte einfache Tätigkeiten ausführen könne, dass er aber ständig genau überwacht werden müsse. Arbeiten unter Druck seien unmöglich. Auf dem freien Arbeitsmarkt könnte der Versicherte ganz klar nicht bestehen. Was er aktuell mache, sei ein Nischenarbeitsplatz mit sozialen Hintergedanken. Die Leistungsfähigkeit sei äusserst gering. Man müsse ihn als eine Hilfskraft eines Hilfsarbeiters bezeichnen. Mit einer Verfügung vom 29. September 2017 hob die IV-Stelle die laufende Rente auf (IV-act. 176). Bezugnehmend auf die Einwände des Versicherten führte sie aus, zum Vorwurf, der Versicherte sei

„verhört“ worden, werde sie sich nicht äussern. Angesichts der Intensität, mit der der Versicherte Autos gehandelt und repariert habe, könne nicht von einer Freizeitbeschäftigung gesprochen werden. Letztlich fehle es nur an der Motivation des Versicherten.

B.

    1. Am 26. Oktober 2017 liess der Versicherte (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen die Verfügung vom 29. September 2017 erheben (act. G 1 und G 3). Seine Rechtsvertreterin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Weiterausrichtung der ganzen Rente und eventualiter die Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin). Zur Begründung führte sie aus, es liege kein Revisionsgrund im Sinne des Art. 17 ATSG vor. Das Gutachten von Dr. I. bestätige einen unveränderten Gesundheitszustand.

    2. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 5. Februar 2018 die Abweisung der Beschwerde (act. G 5). Zur Begründung führte sie an, die Korrektur des Rentenanspruchs umfasse hier verfahrensrechtlich Aspekte der Wiedererwägung im Sinne des Art. 53 Abs. 2 ATSG und der Anpassung im Sinne des Art. 17 ATSG. Die ursprüngliche Rentenzusprache habe nämlich wesentlich auf den Aussagen des damaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers und auf dem Ergebnis einer IQ- Testung basiert. Der Arbeitgeber habe den Beschwerdeführer zu einem sehr tiefen Lohn beschäftigt. Er habe folglich ein Interesse daran, dass sich nichts ändere. Seine Aussage habe daher kaum einen Beweiswert. Die IQ-Testung sei nicht durch eine Fachperson durchgeführt worden. Damit habe keine verlässliche Arbeitsfähigkeitsschätzung vorgelegen. Der Sachverhalt sei offensichtlich unzureichend abgeklärt worden, weshalb die ursprüngliche Rentenzusprache offensichtlich unrichtig sei. Folglich sei es zulässig gewesen, den IV-Grad im Rahmen einer Wiedererwägung ex nunc et pro futuro neu festzusetzen. Gleichzeitig seien auch die Voraussetzungen für eine Anpassung gegeben, denn der erwerbliche Sachverhalt habe sich mit der Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit wesentlich verändert; zudem seien die Kriterien für die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung nur noch knapp erfüllt. Die gutachterlich umschriebenen Adaptionskriterien seien nicht so eng umschrieben, dass die Arbeitsfähigkeit nur in einem geschützten Rahmen verwertet werden könnte.

    3. Der Beschwerdeführer liess am 28. Februar 2018 an seinen Anträgen festhalten (act. G 8). Am 4. April 2018 liess er darauf hinweisen, dass die Fahreignung verneint worden sei (act. G 12).

    4. Die Beschwerdegegnerin hielt in ihrer Duplik vom 16. April 2018 ebenfalls an ihrem Antrag fest (act. G 14).

Erwägungen 1.

Bei der angefochtenen Verfügung vom 29. September 2017 scheint es sich auf den ersten Blick um eine Revisionsverfügung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 ATSG zu handeln, denn die Beschwerdeführerin hat mit dieser Verfügung die am 13. März 2012 formell rechtskräftig zugesprochene Rente mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Der

Verfügungsbegründung lässt sich allerdings entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin diese Rentenaufhebung nicht mit einer für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 ATSG erforderlichen Sachverhaltsveränderung, sondern mit ihrer Verletzung der gesetzlichen Untersuchungspflicht bei der ursprünglichen Rentenzusprache begründet hat. Sie hat explizit darauf hingewiesen, dass dieser Umstand eine Wiedererwägung im Sinne des Art. 53 Abs. 2 ATSG rechtfertige. Eine solche wiedererwägungsweise Korrektur der ursprünglichen rentenzusprechenden Verfügung vom 13. März 2012 hätte zwar mit Wirkung ex tunc erfolgen müssen, weil nur eine solche rückwirkende Korrektur den gesetzmässigen Zustand wiederherstellen und eine Gewähr für die gesetzmässige Anwendung des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG bieten kann, aber die Beschwerdegegnerin hat hinsichtlich des Wirkungszeitpunktes auf die – nicht überzeugend mit einem

Verweis auf den Art. 88bis IVV (bei dem es sich um eine Ausführungsbestimmung zum

Art. 17 ATSG, aber nicht um eine Ausführungsbestimmung zum Art. 53 Abs. 2 ATSG handelt) begründete – bundesgerichtliche Auffassung verwiesen, wonach es im freien Belieben der IV-Stellen stehe, eine Wiedererwägung lediglich ex nunc wirken zu lassen. Die Beschwerdegegnerin hat also keine Revisions-, sondern eine Wiedererwägungsverfügung erlassen. Ihr nachträglicher, in der Beschwerdeantwort vorgebrachter Hinweis, die Verfügung vom 29. September 2017 enthalte auch Elemente einer Revision im Sinne des Art. 17 Abs. 1 ATSG, ändert daran nichts, da es sich dabei offensichtlich um den Versuch einer nachgeschobenen Uminterpretation der Verfügung vom 29. September 2017 handelt. Massgebend ist jedenfalls, dass die Beschwerdegegnerin ihre ursprüngliche rentenzusprechende Verfügung vom 13. März 2012 wiedererwägungsweise hat korrigieren wollen, auch wenn sie dafür einen atypischen Wirkungszeitpunkt – ex nunc et pro futuro statt ex tunc – gewählt hat. In diesem Beschwerdeverfahren ist deshalb nur zu prüfen, ob es rechtmässig gewesen ist, die ursprüngliche rentenzusprechende Verfügung vom 13. März 2012 wiedererwägungsweise durch eine Abweisung des Rentenbegehrens des Beschwerdeführers zu ersetzen.

2.

    1. Laut dem Art. 53 Abs. 2 ATSG kann ein Versicherungsträger auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig ist und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Sowohl der Wortlaut als auch der Sinn und Zweck des Art. 53 Abs. 2 ATSG erfordern bei der Prüfung, ob die Wiedererwägungsvoraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, einen Vergleich zwischen der Rechtsfolgeanordnung der ursprünglichen, formell rechtskräftigen rentenzusprechenden Verfügung und jener Rechtsfolgeanordnung, die richtigerweise

      aus einer sorgfältigen Subsumtion des Sachverhaltes unter die massgebenden Gesetzesbestimmungen hätte resultieren müssen. Denn nur wenn die richtige Rechtsfolgeanordnung anders als die in der ursprünglichen Verfügung angeordnete Rechtsfolge ausfällt, kann die ursprüngliche Verfügung unrichtig sein; auch kann eine Berichtigung nur in diesem Fall von erheblicher Bedeutung sein. Ist eine allfällige Unrichtigkeit der ursprünglichen Rechtsfolgeanordnung auf eine falsche Rechtsanwendung zurückzuführen, handelt es sich ohne Weiteres um eine zweifellose Unrichtigkeit, denn das Recht kann nur entweder richtig oder aber falsch angewendet werden, weshalb jede falsche Rechtsanwendung zweifellos unrichtig sein muss. Ist der Fehler dagegen auf der Sachverhaltsebene zu verorten, kann nicht jeder Fehler als eine zweifellose Unrichtigkeit qualifiziert werden, denn die Sachverhaltsermittlung und die Sachverhaltswürdigung sind in aller Regel mit gewissen Unsicherheiten verbunden, weshalb sich die Rechtsanwendung im Sozialversicherungsrecht auch nicht auf einen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehenden Sachverhalt stützen muss, sondern sich mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit begnügen darf. Das Bundesgericht bedient sich zur Abgrenzung zwischen einer „gewöhnlichen“ und einer zweifellosen sachverhaltlichen Unrichtigkeit der Formel, dass die Annahme einer zweifellosen Unrichtigkeit ausscheide, wenn „ermessensgeprägte Teile der Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung in vertretbarer Weise beurteilt worden“ seien (BGE 141 V 405 E. 5.2 S. 414 f. mit Hinweisen).

    2. Für die Beantwortung der Frage, ob die ursprüngliche rentenzusprechende Verfügung vom 13. März 2012 zweifellos unrichtig im Sinne des Art. 53 Abs. 2 ATSG gewesen ist, ist ausschlaggebend, wie hoch das zumutbarerweise erzielbare Invalideneinkommen gewesen ist. Diesbezüglich ist auf das Gutachten der Dres. I. und J. abzustellen. Die beiden Sachverständigen haben den Beschwerdeführer nämlich umfassend persönlich untersucht und sie haben die relevanten Vorakten eingehend gewürdigt, sodass sie über eine umfassende Kenntnis des medizinischen Sachverhaltes verfügt haben. Beide Sachverständigen haben ein besonderes Augenmerk auf die Prüfung der Zuverlässigkeit der Angaben und der präsentierten Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers gelegt: Dr. J. hat mehrere Symptomvalidierungstests durchgeführt und Dr. I. hat sich eingehend mit der Frage nach Inkonsistenzen oder Diskrepanzen befasst. Beide Sachverständigen sind übereinstimmend zum Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Beschwerdeführers und die von ihm demonstrierte Leistungsfähigkeit zuverlässig respektive authentisch gewesen sind. Daran ändert das Protokoll der Beschwerdegegnerin zur zweiten Befragung des Beschwerdeführers vom 28. Februar 2017 nichts, weil es aus den

folgenden Gründen als ein untaugliches Beweismittel qualifiziert werden muss: Bereits das Protokoll zur ersten Befragung vom 21. Juni 2016, die vom selben Sachbearbeiter wie die zweite Befragung durchgeführt worden war, erweckt den Anschein, dass der Sachbearbeiter nicht durchwegs versucht hat, mit seinen Fragen zur Ermittlung des objektiven Sachverhaltes beizutragen, denn die Gesprächsführung scheint teilweise (einseitig) darauf abgezielt zu haben, dem Beschwerdeführer dessen „Faulheit“ nachzuweisen. Am Ende der Befragung hat der Sachbearbeiter festgehalten:

„Entschuldigen Sie, ich kann mir diese Frage nicht verkneifen; ich möchte es als Frage formulieren: Sind Sie ein fauler Kerl?“ (IV-act. 146–20). Offenbar hat er den Beschwerdeführer also für einen „faulen Kerl“ gehalten und das auch so zum Ausdruck bringen wollen, aber – wohl aus beweistaktischen Gründen – diese Meinung nicht als Aussage, sondern als Frage formuliert („ich will es als Frage formulieren“). Bei der zweiten Befragung vom 28. Februar 2017 hat der Sachbearbeiter – dieses Mal für einen kritischen Leser eindeutig erkennbar – versucht, dem Beschwerdeführer eine Aggravation oder eine Simulation bei der vorgängigen Begutachtung nachzuweisen. Der Sachbearbeiter hat dem Beschwerdeführer nicht nur Suggestivfragen gestellt, sondern er hat mit der Wahl und der Reihenfolge seiner Fragen und Zwischenbemerkungen offensichtlich von Beginn des Gespräches weg versucht, den Beschwerdeführer dahin zu bringen, eine bewusste Verfälschung der Ergebnisse der Begutachtung einzugestehen. Dabei hat er sich eines Druckmittels bedient, nämlich der wiederholten Hinweise auf die im Gutachten erwähnte fragliche Fahreignung des Beschwerdeführers. Das Protokoll vom 28. Februar 2017 lässt darauf schliessen, dass der Sachbearbeiter der Beschwerdegegnerin bereits vor dem Gespräch mit dem Beschwerdeführer davon überzeugt gewesen ist, dass dieser bei der Begutachtung bewusst ein zu tiefes Funktionsniveau gezeigt habe. Das Ziel der Befragung ist nicht eine Erhellung des objektiven Sachverhaltes, sondern die Bestätigung der im Voraus gefassten Überzeugung gewesen. Diese Überzeugung hat aber keine Grundlage in den vorgängigen Akten gefunden, denn sowohl Dr. I. als auch Dr. J. hatten mehrfach und überzeugend darauf hingewiesen, dass eine Aggravation oder eine Simulation bei der Begutachtung hätten ausgeschlossen werden können. Der Sachbearbeiter der Beschwerdegegnerin hat sich also nicht ausschliesslich von sachlichen Motiven, sondern teilweise auch von seiner eigenen Voreingenommenheit leiten lassen, weshalb zusammenfassend der objektive Anschein einer Befangenheit des Sachbearbeiters besteht. Das Protokoll vom 28. Februar 2017 muss folglich als ein untaugliches Beweismittel qualifiziert werden. Bezüglich der Frage nach einer allfälligen bewussten Verfälschung der Gutachtensergebnisse ist deshalb allein auf die Aussagen der Dres.

I. und J. im Gutachten abzustellen. Dr. I. hat darauf hingewiesen, dass eine

Simulation zwar theoretisch möglich, aber extrem unwahrscheinlich sei. Dr. J. hat

angegeben, dass der Beschwerdeführer bei den Reaktionstests vor allem dann versagt habe, wenn ein Warnsignal seine Reaktionsgeschwindigkeit hätte verbessern sollen: In diesen Situationen hat der Beschwerdeführer nicht „wahllos nach Lust“ auf den Knopf gedrückt, sondern jeweils schon dann, wenn das Warnsignal ertönt ist. Dr. J. hat also bei den Reaktionstests keine Beliebigkeit im Verhalten des Beschwerdeführers, sondern vielmehr eine Art „systematisches“ Defizit festgestellt. Zusammenfassend deutet also nichts darauf hin, dass die Überzeugung des Sachbearbeiters der Beschwerdegegnerin, die Angaben des Beschwerdeführers oder die von diesem gezeigten Leistungen in der psychiatrischen Exploration und in der neuropsychologischen Testung seien unzuverlässig gewesen, berechtigt gewesen wäre. Sowohl Dr. J. als auch Dr. I. haben gestützt auf die von ihnen erhobenen objektiven Befunde und unter Berücksichtigung der Vorakten mit einer überzeugenden Begründung dargelegt, dass der Beschwerdeführer an einer leichten Intelligenzminderung und an einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung leidet. Ebenso überzeugend haben die Sachverständigen aufgezeigt, dass keine wesentliche Diskrepanz zum Ergebnis einer früheren, von einer Eingliederungsverantwortlichen der Beschwerdegegnerin durchgeführten IQ-Testung bestand; die Abweichung war auf die Verwendung von unterschiedlichen Testverfahren zurückzuführen. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich auch, dass gemäss dem ICD-10 eine leichte Intelligenzminderung laut den Ausführungen von Dr. J. zu diagnostizieren ist, wenn der IQ zwischen 50 und 69 liegt, und dass sowohl die aktuelle Testung (IQ 64) als auch die frühere Testung (IQ 54) ein innerhalb dieses Bereichs liegendes Ergebnis gezeitigt haben. Die beiden Sachverständigen haben ihre Arbeitsfähigkeitsschätzung ebenfalls überzeugend anhand der von ihnen erhobenen objektiven klinischen Befunde begründet. Auch diesbezüglich besteht eine weitgehende Übereinstimmung mit den Angaben in den Vorakten. Es besteht folglich kein Grund zur Annahme, dass die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in einer ideal leidensadaptierten Tätigkeit eingeschränkt sein könnte. Als ideal leidensadaptiert sind gemäss den Ausführungen der Dres. I. und J. Tätigkeiten zu qualifizieren, bei denen Arbeitsaufträge bei Bedarf wiederholt erteilt werden und bei denen diese Aufträge auch nur wenige Informationseinheiten beinhalten. Die Lernanforderungen sollten insgesamt leicht unterdurchschnittlich sein. Die Handlungsanweisungen sollten einfach und klar formuliert sein. Die erwerblichen Tätigkeiten sollten nur geringe intellektuelle und sprachliche Anforderungen mit sich bringen. Eine gewisse Fehlertoleranz ist erforderlich. Die Tempoanforderungen sollten insgesamt leicht unterdurchschnittlich sein. Am besten geeignet ist ein strukturiertes Arbeitssetting mit wenig wechselnden, einfachen und repetitiven Arbeitsabläufen. Der Sachverständige Dr. I. hat kommentierend angefügt, dass diese Anforderungen doch „recht hoch“

seien und dass die nicht-medizinische Frage zu beantworten bleibe, welchen Lohn ein Arbeitnehmer unter diesen Voraussetzungen erzielen könne. Diese Frage muss aus betriebswirtschaftlich-ökonomischer Sicht beantwortet werden. Der ökonomische Mehrwert, den der Beschwerdeführer in einem strukturierten Arbeitssetting mit wenig wechselnden, einfachen und repetitiven Arbeitsabläufen erzielen könnte, dürfte wohl durchaus im üblichen Rahmen liegen, denn der Beschwerdeführer leidet an keinen somatischen oder psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die seine Arbeitsleistung wesentlich einschränken würden. Ein strikt betriebswirtschaftlich- ökonomisch denkender, selbst dem rauen Wind der Marktwirtschaft ausgesetzter Arbeitgeber muss allerdings auch die Kosten einkalkulieren, mit denen dieser Mehrwert

„erkauft“ werden muss. Diese Kosten dürften im vorliegenden Fall wohl sehr hoch sein, denn der Beschwerdeführer benötigt nicht nur eine überdurchschnittlich intensive Einarbeitung in eine neue Tätigkeit, sondern auch eine lohnkostenintensive ständige Begleitung und Überwachung bei der Ausführung der Arbeiten. Das ergibt sich nicht nur aus dem Gutachten der Dres. I. und J. , sondern auch aus den Angaben betreffend die bisherigen Arbeitsverhältnisse des Beschwerdeführers, bei denen es sich gemäss den Akten de facto um „geschützte Arbeitsplätze“ bei überdurchschnittlich sozial eingestellten Arbeitgebern gehandelt haben dürfte: Der Beschwerdeführer ist an seinen bisherigen Arbeitsplätzen nicht einmal in der Lage gewesen, sämtliche Hilfsarbeiten auszuführen, obwohl Hilfsarbeiten definitionsgemäss nach einer kurzen Einarbeitungszeit grundsätzlich von jedermann ausgeführt werden können. Er hat nur die einfachsten Tätigkeiten ausführen können und selbst dafür hat er eine überdurchschnittlich intensive Einarbeitung benötigt. Aufträge betreffend

„komplexere“ Hilfsarbeiten hat er nicht ausführen können, weil er die Anweisungen nicht verstanden hat. Das hat er in den Befragungen durch die Beschwerdegegnerin als ein „Durcheinander im Kopf“ bezeichnet, das entstanden sei, wenn der Chef oder die Chefin „viel zu kompliziert“ erklärt habe. Die Schilderung des letzten Arbeitgebers betreffend das Verhalten des Beschwerdeführers in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Hilfskraft in einer Gipserunternehmung bestätigt ebenfalls, dass der Beschwerdeführer nur für einfachste Tätigkeiten eingesetzt werden kann, in den Worten des Arbeitgebers als „Hilfskraft eines Hilfsarbeiters“. Entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin besteht kein Grund, den Aussagen des Arbeitgebers mit einem grundsätzlichen Misstrauen zu begegnen, zumal sie sich mit den Aussagen der früheren Arbeitgeber und mit den Angaben in den übrigen Akten decken. Aus ökonomischer Sicht dürfte aber der ständige Überwachungsbedarf noch stärker ins Gewicht fallen als der überdurchschnittlich hohe Einarbeitungsbedarf, denn die notwendige ständige Überwachung und Kontrolle der Arbeitsleistung des Beschwerdeführers wird wohl den Einsatz von erheblichen personellen Ressourcen erfordern, was bedeutet, dass ein

(besser qualifizierter) Arbeitskollege des Beschwerdeführers einen nicht unerheblichen Teil seiner Arbeitszeit dafür aufwenden muss, den Beschwerdeführer bei der Arbeitsausführung zu überwachen. Ohne eine solche Überwachung würde die Arbeitsleistung des Beschwerdeführers wohl rasch auf ein sich ökonomisch nicht mehr rechnendes Niveau fallen. Auf eine intensive Überwachung hat offenbar nur dort verzichtet werden können, wo der Beschwerdeführer einfachste Tätigkeiten verrichtet hat, die er bereits seit Jahren ausgeführt hatte. Die betriebswirtschaftlich-ökonomisch zwingend zu berücksichtigenden Kosten für die intensive Instruktion und Überwachung des Beschwerdeführers dürften den ökonomischen Mehrwert der Arbeitsleistung des Beschwerdeführers wohl weitgehend aufheben, weil für die Instruktion und für die Überwachung besser qualifiziertes Personal eingesetzt werden muss, das während der Instruktion und der Überwachung des Beschwerdeführers nicht produktiv tätig sein kann. Betriebswirtschaftlich-ökonomisch betrachtet dürfte die Anstellung des Beschwerdeführers für einen potentiellen Arbeitgeber wohl sogar ein „Verlustgeschäft“ darstellen, weil die Instruktions- und Überwachungsmehrkosten den Mehrwert der Arbeitsleistung des Beschwerdeführers übersteigen könnten. Damit stimmt der Umstand überein, dass der offensichtlich überdurchschnittlich sozial eingestellte Arbeitgeber den Lohn des Beschwerdeführers nach Jahren halbiert hat, weil die Arbeitsleistung des Beschwerdeführers ökonomisch gesehen nicht einmal 1’200 Franken pro Monat wert gewesen ist. Daran ändert der Umstand, dass der Beschwerdeführer über eine gewisse Zeit hinweg an Autos „gebastelt“ hat, nichts, denn entgegen der von der Beschwerdegegnerin offenbar vertretenen Ansicht besteht kein Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer dabei komplexere Arbeiten verrichtet hätte. Zwar hat er behauptet, er habe auch schon einen Service an einem Auto ausgeführt, aber diese Behauptung widerspricht der gesamten objektiven Aktenlage. Möglicherweise hat es sich dabei um eine blosse Prahlerei gehandelt. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich, dass der Beschwerdeführer nie alleine an Autos

„gebastelt“ hat. Es ist anzunehmen dass er jeweils bloss die einfacheren Arbeiten wie Radwechsel oder Autowäsche ausgeführt hat. Angesichts der Offenheit, mit der der Beschwerdeführer die Fragen der Beschwerdegegnerin beantwortet hat, besteht auch kein Grund, seine Aussage anzuzweifeln, dass man in der Garage häufiger getrunken, gespielt und „abgehängt“ als gearbeitet hat. Die einzige Unstimmigkeit, die sich aus den Akten ergibt, ist der Umstand, dass es dem Beschwerdeführer gelungen ist, einen Führerausweis zu erlangen. Dabei dürfte allerdings eine gehörige Portion Glück im Spiel gewesen sein, denn immerhin ist dem Beschwerdeführer zwischenzeitlich – bei einer unveränderten medizinischen Sachlage – die Fahreignung definitiv abgesprochen worden. Zusammenfassend bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer seine Arbeitsfähigkeit in der freien Wirtschaft verwerten kann. Die

Akten erlauben es allerdings nicht, die Frage nach der Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit in der freien Wirtschaft mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Diesbezüglich erweist sich der massgebende Sachverhalt als ungenügend abgeklärt, weshalb die angefochtene Verfügung in Verletzung der Untersuchungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ergangen ist und als rechtswidrig aufgehoben werden muss. Die Sache ist an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Diese wird berufsberaterische Abklärungen in die Wege leiten, wobei es ihr überlassen bleibt, die geeigneten Abklärungsmassnahmen (berufsberaterische Aktenwürdigung, berufsberaterische Untersuchungen, BEFAS etc.) zu bestimmen. Wenn mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststeht, ob der Beschwerdeführer seine Arbeitsfähigkeit in der freien Wirtschaft verwerten kann, wird die Beschwerdegegnerin erneut über eine allfällige Wiedererwägung der formell rechtskräftig zugesprochenen Rente verfügen. Im Sinne eines obiter dictum ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdegegnerin das Valideneinkommen in der angefochtenen Verfügung offensichtlich falsch festgesetzt hat, denn die Berücksichtigung eines in Anwendung des Art. 26 Abs. 1 IVV festgesetzten Valideneinkommens bei der ursprünglichen Rentenzusprache kann nicht als zweifellos unrichtig im Sinne des Art. 53 Abs. 2 ATSG angesehen werden, da der Beschwerdeführer als ein Frühinvalider im Sinne des Art. 26 Abs. 1 IVV zu qualifizieren ist.

3.

Die Rückweisung einer Sache zu weiteren Abklärungen gilt rechtsprechungsgemäss als ein vollständiges Obsiegen der beschwerdeführenden Partei. Die Gerichtskosten von 600 Franken sind folglich der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Dem Beschwerdeführer wird der von ihm geleistete Kostenvorschuss von 600 Franken zurückerstattet. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten. Angesichts des als durchschnittlich zu qualifizierenden erforderlichen Vertretungsaufwandes ist die Parteientschädigung auf 3’500 Franken (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festzusetzen.

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung vom

29. September 2017 aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Sachverhaltsabklärung und zur anschliessenden neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.

2.

Die Beschwerdegegnerin hat die Gerichtskosten von 600 Franken zu bezahlen; dem Beschwerdeführer wird der von ihm geleistete Kostenvorschuss von 600 Franken zurückerstattet.

3.

Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer mit 3’500 Franken zu

entschädigen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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