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Urteil Regierungsrat (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 2364
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 2364 vom 03.09.1991 (LU)
Datum:03.09.1991
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Führerausweisentzug. Geschwindigkeitsüberschreitung. Art. 16 Abs. 2 und 3 lit. a SVG; Art. 32 Abs. 2 VZV. Bei einem Tierarzt, der zu einem Notfall eilt, liegt kein Grund vor, der die Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertigt. - Die berufliche Notwendigkeit, ein Fahrzeug zu führen, verhindert einen Führerausweisentzug nicht.

Schlagwörter: Verkehr; Verkehrs; Geschwindigkeit; Führer; Höchstgeschwindigkeit; Beschwerdeführer; Geschwindigkeitsüberschreitung; Motorfahrzeug; Notfall; Ausweis; Sinne; Führerausweis; Umstände; Strassen; Gefährdung; Gesetzliche; Beruflich; Fahrzeug; Ausweisentzug; Akute; Verkehrsteilnehmer; Angewiesen; Verhält; Erhöht-abstrakte; Verkehrsgefährdung; überschritt; Entzug; Umständen; Verwarnung
Rechtsnorm: Art. 16 SVG ;
Referenz BGE:103 Ib 39; 105 Ib 258; 113 Ib 143;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid
Der Tierarzt A überschritt als Führer eines Personenwagens auf der Fahrt zu einem Notfall auf einer Nebenstrasse in X die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 33 km/h (nach Abzug einer Sicherheitsmarge von 6 km/h).

Das Strassenverkehrsamt entzog A wegen Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit um 33 km/h den Führerausweis für die Dauer eines Monates. Die dagegen eingereichte Verwaltungsbeschwerde wies der Regierungsrat aus folgenden Gründen ab:

Nach Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führerausweis entzogen werden, wenn der Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere belästigt hat. In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen werden. Hat der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet, so ist der Entzug des Führerausweises gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG obligatorisch.

Gemäss Art. 4 a Abs. 1 lit. b VRV beträgt die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge ausserhalb von Ortschaften, ausgenommen auf Autobahnen und Autostrassen (unter günstigen Strassen-, Verkehrsund Sichtverhältnissen), 80 km/h.

Auf der vom Beschwerdeführer befahrenen Nebenstrasse beträgt die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit demnach 80 km/h. Durch Radarmessung ist festgestellt worden und auch nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer mit einer Geschwindigkeit von 113 km/h (nach Abzug von 6 km/h Toleranz) gefahren ist. Der Beschwerdeführer hat damit die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h missachtet und um 33 km/h überschritten.

Den Verkehr im Sinne von Art. 16 Abs. 2 SVG gefährdet ein Führer, der durch eine Verletzung von Verkehrsregeln einen Dritten einer akuten Gefahr für Leib und Leben aussetzt (konkrete Gefährdung) oder dessen regelwidrige Fahrweise nach den Umständen geeignet ist, andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden (erhöht-abstrakte oder virtuelle Gefährdung, vgl. BGE 103 Ib 39 und 104 Ib 51). Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen steigt die verursachte Gefahr mit zunehmender Geschwindigkeit kontinuierlich an. Nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichtes bewirkt eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 15 km/h auch bei optimalen Strassenund Verkehrsverhältnissen stets eine erhöht-abstrakte Gefährdung, und bei einer Überschreitung von mehr als 30 km/h ist diese bereits derart intensiv, dass in solchen Fällen der Führerausweis zu entziehen ist (BGE 113 Ib 143f., insb. S. 146f.).

Nur in leichten Fällen im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG kann von einer Massnahme abgesehen oder eine Verwarnung ausgesprochen werden (BGE 105 Ib 258). Bei der Beurteilung, ob ein Fall leicht ist und eine Verwarnung an die Stelle eines Ausweisentzuges treten kann, sind in erster Linie die Schwere der Verkehrsgefährdung und die Schwere des Verschuldens, daneben aber auch der automobilistische Leumund zu würdigen. Dagegen ist die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, bei dieser Beurteilung nicht zu berücksichtigen (Art. 32 Abs. 2 VZV).

Die Geschwindigkeitsüberschreitung ist auf einer Nebenstrasse abends um 20.22 Uhr erfolgt. Hinweise, dass Dritte einer konkreten Gefährdung ausgesetzt gewesen wären, liegen nicht vor. Bei der Geschwindigkeitsüberschreitung von 33 km/h ist trotzdem von einer nicht leichten erhöht-abstrakten oder virtuellen Verkehrsgefährdung auszugehen.

Der Beschwerdeführer hat auf dem fraglichen Teilstück die Geschwindigkeit um 33 km/h überschritten. Er hat es unterlassen, die Geschwindigkeit der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit anzupassen, weshalb ihm ein fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist. Unter den gegebenen Umständen, dass er als Tierarzt zu einem Notfall gerufen worden ist, kann das Verschulden als eher leicht bezeichnet werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er zu einem Notfall unterwegs gewesen sei. Aufgrund eines ihm am Telefon geschilderten Krankheitsbildes sei er überzeugt gewesen, dass es sich um einen akuten Notfall gehandelt habe. Tatsächlich habe er dann bei der Untersuchung des erkrankten Pferdes eine akute Hufrehe feststellen müssen.

Im Verhältnis zum bescheidenen Zeitgewinn für die Behandlung des Tieres ist die mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung bewirkte Verkehrsgefährdung stärker zu gewichten. Es darf nicht ausser acht gelassen werden, dass die Verkehrsteilnehmer sich nach dem Vertrauensprinzip darauf verlassen können, dass die andern Verkehrsteilnehmer sich an die Verkehrsvorschriften halten. Würde der bescheidene Zeitgewinn höher eingeschätzt, müsste die Sicherheit im Strassenverkehr in Frage gestellt werden. Bei dieser Betrachtungsweise vermag der geltend gemachte Notfall nicht einen Notstand zu rechtfertigen.

Der Beschwerdeführer bringt im weitern vor, dass ein Führerausweisentzug einem faktischen Berufsverbot gleichkomme. Unter diesen Umständen müsste von einem Ausweisentzug abgesehen werden.

Wie das Bundesgericht im Entscheid 105 Ib 259 festgehalten hat, werden berufsmässig auf ein Fahrzeug angewiesene Fahrzeugführer wegen der grösseren Massnahmeempfindlichkeit in der Regel schon durch eine kürzere Entzugsdauer wirksam gewarnt und von weiteren Widerhandlungen abgehalten. Aus Rechtsgleichheitsgründen rechtfertigt es sich deshalb, dieses Kriterium bei der Zumessung der Entzugsdauer zu berücksichtigen. Anders verhält es sich beim Grundsatzentscheid, ob der Ausweis entzogen werden soll oder nicht. Personen, die beruflich auf ihr Motorfahrzeug angewiesen sind, sollen nicht in dem Sinne vor andern Motorfahrzeugführern bevorzugt werden, dass sie sich schwerwiegendere Verfehlungen zuschulden kommen lassen können, bis ein Ausweisentzug verfügt wird. Eine verkehrsgefährdende Verkehrsregelverletzung scheint weder objektiv noch subjektiv als leicht, wenn sie von einem Führer begangen wird, der beruflich auf das Fahrzeug angewiesen ist.

Unter Würdigung der gesamten Umstände kann die vorliegende Geschwindigkeitsüberschreitung trotz gutem Leumund als Motorfahrzeugführer nicht mehr als leicht im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG bezeichnet werden. Auf einen Ausweisentzug kann daher nicht verzichtet werden.

Von der Vorinstanz ist im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG der gesetzliche Minimalentzug von einem Monat verfügt worden. Die berufliche Verwendung des Motorfahrzeuges kann deshalb nicht mehr weiter berücksichtigt werden.



Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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