1. Ist die geistige Erkrankung einer Person nicht Ursache, sondern Folge eines chronischen Alkoholmissbrauchs, ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Vormundschaft nach Artikel 370 ZGB anzuordnen. Wurde in einem solchen Fall eine Vormundschaft nach Artikel 369 ZGB (wegen Geistesschwäche) angeordnet, beruht sie auf einer falschen Rechtsanwendung und ist aufzuheben.
2. Es stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Bevormundung nach Artikel 370 ZGB vorliegen. Nach Artikel 370 ZGB ist unter anderem zu bevormunden, wer sich oder seine Familie infolge Trunksucht der Gefahr eines Notstandes oder der Verarmung aussetzt, zu seinem Schutz dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet. Bei einer Bevormundung nach Artikel 370 ZGB geht es vor allem um die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen, aber auch um die persönliche Fürsorge. In diesem Sinne muss eine besondere Schutzbedürftigkeit vorliegen, und es muss voraussehbar sein, dass die betreffende Person ohne diesen besonderen vormundschaftlichen Schutz dem Ruin entgegengeht. Kann das erwähnte Schutzbedürfnis auch mit einer milderen vormundschaftlichen Massnahme erreicht werden, darf eine Bevormundung nicht angeordnet werden. Es gilt der Grundsatz, dass vormundschaftliche Massnahmen verhältnismässig sein müssen.
Die Beistandschaft auf eigenes Begehren stellt eine sowohl die Vermögensals auch die Personensorge betreffende Dauermassnahme dar, ohne indessen die rechtliche Handlungsfähigkeit zu beschränken und die übrigen an die Entmündigung geknüpften zivilund öffentlich-rechtlichen Wirkungen auszulösen. Sie ist als die mildeste auf Dauer und umfassende Fürsorge angelegte vormundschaftliche Massnahme zu betrachten. Sie beinhaltet sowohl eine umfassende Vermögenssorge als auch eine umfassende Personensorge. Der Erfolg der Beistandschaft auf eigenes Begehren hängt jedoch weitestgehend von der auf Freiwilligkeit beruhenden Kooperationsbereitschaft des oder der Verbeiständeten ab, weil die Handlungsfähigkeit weder entzogen noch beschränkt wird. Sie versagt somit immer dann, wenn der oder die Verbeiständete mit dem Beistand nicht kooperieren will und dessen Anordnungen durchkreuzt, wenn er oder sie mit anderen Worten die eigenen Schwächen und die Gefahren aus der verbleibenden Handlungsfähigkeit nicht zu erkennen vermag. Der Beistand nach Artikel 394 ZGB kann einen ebenso umfassenden Aufgabenbereich wie der Vormund haben. Der Vorteil der Beistandschaft auf eigenes Begehren liegt jedoch darin, dass sie eigentlich wie eine Entmündigung wirkt, ohne deren einschneidende Wirkungen auszulösen (Schnyder/Murer, Berner Kommentar, N. 7ff. zu Artikel 394 ZGB). In der Regel ist die Beistandschaft auf eigenes Begehren bei Trunksucht zu schwach. Verspricht jedoch die vom oder von der Alkoholkranken freiwillig dem Beistand überlassene Lohnoder Rentenverwaltung Aussicht auf Erfolg, so ist dennoch von einer Entmündigung abzusehen (Schnyder/Murer, a.a.O., N. 220 zu Artikel 370 ZGB).
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen?
Hier geht es zur Registrierung.