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Urteil Verwaltungsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:A 95 1
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Abgaberechtliche Abteilung
Verwaltungsgericht Entscheid A 95 1 vom 30.05.1995 (LU)
Datum:30.05.1995
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:§ 28 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 StG. Sozialabzüge; Unterstützungsabzug; Kinderabzug. Unterstützungsbedürftig ist, wer nicht über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügt, um selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können. Das Erfordernis der Unterstützungsbedürftigkeit erfüllt, wer wegen seines Alters, seiner Gesundheit oder allenfalls wegen Arbeitslosigkeit keine bezahlte Arbeit annehmen oder nur ein ungenügendes Einkommen verdienen kann (Erw. 2). Anspruch auf den Kinderabzug besteht nicht nur für die Dauer der ersten Ausbildung, sondern auch für eine Zweitausbildung, und zwar unbesehen darum, dass die Eltern zivilrechtlich grundsätzlich nur für eine Ausbildung unterhaltspflichtig sind. Voraussetzung ist, dass es sich dabei um einen neuen Beruf handelt und nicht bloss um eine Weiterausbildung (Erw. 3).
Schlagwörter: Ausbildung; Kinde; Beruf; Unterhalt; Kinder; Berufs; Unterstützung; Eltern; Abzug; Kinderabzug; Berufliche; Erwerb; Recht; Weiterbildung; Kindes; Einkommen; Lebensunterhalt; Rechtsprechung; Steuerpflicht; Unterhaltspflicht; Lehre; Person; Steuerpflichtigen; Gesetzlich; Erwerbstätigkeit; Ausbildung; Finanziell; Mündigkeit; Bestreiten; Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung
Rechtsnorm: Art. 276 ZGB ; Art. 277 ZGB ; Art. 35 DBG ;
Referenz BGE:107 II 408; 107 II 409; 115 II 126; 118 II 98;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
Die Steuerbehörde veranlagte das Ehepaar A für die Staatsund Gemeindesteuern 1993/94 zu einem steuerbaren Einkommen von Fr. ... und zu einem steuerbaren Vermö-gen von Fr. ... Die dagegen erhobene Einsprache mit dem Antrag, der in der Steuererklärung geltend gemachte Kinderabzug für den in beruflicher Ausbildung stehenden Sohn B (Fr. 3800.-) und die Unterstützungsbeiträge an Sohn C und dessen Frau (gesamthaft Fr. 4400.-) seien anzuerkennen, wies die Steuerkommission ab.

Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde mit folgender Begründung teilweise gutgeheissen:

1. - Gemäss § 28 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 StG in der hier anwendbaren Fassung vom 22. September 1992 werden vom Reineinkommen natürlicher Personen als Steuererleichterungen abgezogen:

«...

4. für jedes nicht erwerbstätige Kind unter 18 Jahren oder in beruflicher Ausbil-dung stehende Kind, für dessen Unterhalt die Steuerpflichtigen sorgen, Fr. 3800.-; für das dritte und jedes weitere Kind erhöht sich der Abzug auf Fr. 4300.-. Muss das Kind wegen Besuchs einer Mitteloder Hochschule, eines Technikums oder einer dem Technikum vergleichbaren Schule auswärts wohnen, erhöht sich der Abzug um Fr. 3600.-.

5. für jede unterstützungsbedürftige Person, an deren Unterhalt der Steuerpflichtige mindestens einen Beitrag in der Höhe des Abzuges leistet, Fr. 2200.-. Der Abzug kann nicht beansprucht werden für den Ehegatten und für Kinder, für die den Steuerpflichtigen ein Abzug gemäss Ziff. 4 zusteht».

§ 23 StG umschreibt die Abzüge für Berufsunkosten von unselbständig Erwerbstätigen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können als besondere Berufsauslagen nebst den Wegund Mehrkosten für die auswärtige Verpflegung auch die mit der Ausübung des Berufs unmittelbar zusammenhängenden Weiterbildungsund Umschulungskosten von höchstens Fr. 2000.- und die Kosten für die Umschulung auf einen neuen Beruf von maximal Fr. 5000.- abgezogen werden.

2. - a) Der Unterstützungsabzug im Sinn von § 28 Abs. 1 Ziff. 5 StG (analog Art. 25 Abs. 1 lit. c BdBSt) kann nach konstanter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts für jede Person beansprucht werden, die zu Beginn der subjektiven Steuerpflicht des Abzugsberechtigten, in der Regel zu Beginn der Veranlagungsperiode, unterstützungsbedürftig gewesen und vom Steuerpflichtigen bzw. dessen Ehefrau zumindest im Umfang des gesetzlich vorgesehenen Abzuges auch tatsächlich unterhalten worden ist (LGVE 1987 II Nr. 9 Erw. 2a/bb, 1985 II Nr. 17 Erw. 2b und Nr. 18 Erw. 3b). Unterstützungsbedürftig ist, wer nicht über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfügt, um selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können (LGVE 1985 II Nr. 18 Erw. 3b; Urteil T. vom 9.9.1991; Känzig, Wehrsteuer, [Direkte Bundessteuer], I. Teil, 2. Aufl., Basel 1982, N 4 zu Art. 25 Abs. 1 lit. c BdBSt). Das Erfordernis der Unterstützungsbedürftigkeit erfüllt, wer wegen seines Alters, seiner Gesundheit oder allenfalls wegen Arbeitslosigkeit keine bezahlte Arbeit annehmen oder nur ein ungenügendes Einkommen verdienen kann. Das können aber auch Personen sein, die an sich erwerbsfähig sind, aus irgendwelchen Gründen aber keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können und dadurch unterstützungsbedürftig sind, wie beispielsweise alleinstehende Frauen mit Kindern (Känzig, a.a.O., N 4 zu Art. 25 Abs. 1 lit. c BdBSt; ferner Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Muri-Bern 1991, N 77 zu § 30 lit. d StG AG). Der Steuerpflichtige kann den Unterstützungsabzug für Personen beanspruchen, die ihren Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht selber bestreiten können (Agner/Jung/Steinmann, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 1995, N 3 zu Art. 35 DBG). Das Kriterium Lebensunterhalt beurteilt sich nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, d.h. nach den persönlichen Bedürfnissen des Empfängers, sondern nach objektiven Grundsätzen (BVR 1984, S. 114). Bei in der Schweiz lebenden unterstützten Personen kann für die Beurteilung der Bedürftigkeit auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt werden (Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, a.a.O., N 78 zu § 30 lit. d StG AG). Für die Bejahung der materiellen Unterstützungsbedürftigkeit eines Kindes ist entscheidend, ob das Kind seinen Lebensunterhalt im wesentlichen selbst bestreiten kann, oder ob es dem Steuerpflichtigen zur Last fällt. Nicht von Belang ist, ob sein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit oder aus einem Vermögensertrag herrührt. Dem geschiedenen Ehemann beispielsweise sind die Unterstützungsabzüge im Sinn von § 28 Abs. 1 Ziff. 5 StG so lange zu gewähren, als er gestützt auf Art. 276 Abs. 2 ZGB zur Zahlung von Beiträgen an den Unterhalt von Kindern verpflichtet ist. Diese Unterstützungspflicht dauert so lange, als dem Kinde nicht zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten (Art. 276 Abs. 3 ZGB; Fellmann, Leitsätze zum Luzerner Steuergesetz, Bern 1988, N 32f. zu § 28).

b) Die Beschwerdeführer bringen zur Untermauerung des geltend gemachten Unterstützungsabzuges vor, ihr heute 33jähriger Sohn C, von Beruf Hochbauzeichner, habe nach dem Durchlaufen der militärischen Karriere sich dazu entschlossen, auf privater Basis das Berufspilotenbrevet zu erwerben. Ohne die Unterstützung der Eltern wäre ihm diese Ausbildung, die nebst grossem zeitlichem Aufwand auch enorme finanzielle Mittel bedinge, nicht möglich gewesen, zumal er für seine Ehefrau und zwei nicht schulpflichtige Kinder zu sorgen habe.

c) Im Lichte der in Erw. 2a dargelegten Grundsätze kann bei der unterstützten Familie nicht von Bedürftigkeit im Sinn des Steuerrechts gesprochen werden. C ist weder altersnoch gesundheitsbedingt oder aus einem andern objektiven Grunde verhindert, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Damit ist eine der anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht erfüllt. Aufgrund seines erlernten Berufes und seiner Anstellung ist er durchaus in der Lage, einen ausreichenden Verdienst zur Bestreitung des Lebensunterhaltes für sich und seine Familie zu erzielen. Er war denn auch in den Jahren 1991 und 1992 als Hochbauzeichner erwerbstätig. Wie aus der eingereichten Steuererkläung 1993/94 ersichtlich, beliefen sich seine Einkünfte auf Fr. 47975.- (1991) bzw. Fr. 55385.- (1992), was einem Durchschnittseinkommen von Fr. 51680.- entspricht. Diesem ist als Vergleichsgrösse das betreibungsrechtliche Existenzminimum gegenüberzustellen. Laut Weisung vom 19. März 1992 der Schuldbetreibungsund Konkurskommission des Obergerichts (publiziert in LGVE 1992 I Nr. 51) betrug der monatliche Grundbetrag (Nahrung, Kleidung, Wäsche, Körperund Gesundheitspflege, Auslagen für Beleuchtung, Kochstrom, Kulturelles) ab 1. April 1992 für ein Ehepaar Fr. 1250.- und für den Unterhalt von Kindern bis 6 Jahren Fr. 180.-. Das ergibt für die vierköpfige Familie einen jährlichen Notbedarf von Fr. 19320.-. Hinzu kommen jährliche Ausgaben für Mietzins (Fr. 12420.-), Krankenkasse (Fr. 3487.- laut Ziff. 23.4 der Steuererklärung 1993/94) und berufsnotwendige Ausgaben (Fr. 8148.- pro 1992 gemäss Ziffern 1 und 2 des Steuerformulars «Zusammenstellung Berufsauslagen»). Die geltend gemachten Kosten für die Ausbildung zum Linienpilot gehören, wie die Kantonale Steuerverwaltung zutreffend bemerkt, nicht zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum. Somit beträgt der Notbedarf für das Jahr 1992 total Fr. 43375.-. Selbst wenn man die in der Replik angegebenen Umschulungskosten von 12357.- hinzurechnet, übersteigen die Gesamtaufwendungen von Fr. 55732.- nur unbedeutend die Einkünfte 1992 von Fr. 55385.-. Auch unter diesem Aspekt muss eine Unterstützungsbedürftigkeit im steuerrechtlichen Sinn verneint werden. Von ausschlaggebender Bedeutung ist indessen, dass in grundsätzlicher Hinsicht keine Bedürftigkeit vorliegt, weil der Sohn C aufgrund seiner ersten Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit auszuüben in der Lage ist und durch eigenen Arbeitserwerb über ein existenzsicherndes Einkommen verfügt. Dass die Beschwerdeführer ihrem Sohn und dessen Familie finanziell beistehen und ihm damit ermöglichen, unter weniger angespannten finanziellen Verhältnissen eine Zweitaus-bildung zum erwünschten Pilotenberuf zu absolvieren, leuchtet aus verwandtschaftlicher Sicht durchaus ein, vermag jedoch an der fehlenden Bedürftigkeit nach steuerrechtlichen Massstäben nichts zu ändern. Somit besteht kein Anspruch auf den Abzug des Unterstützungsbetrages von Fr. 4400.- für C und seine Frau.

3. - a) § 28 Abs. 1 Ziff. 4 StG will mit dem Kinderabzug unter anderem der Belastung Rechnung tragen, die dem Steuerpflichtigen durch ein noch in Ausbildung stehendes Kind erwächst, das seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann. Erforderlich ist deshalb, dass das Kind auf den Unterhaltsbeitrag angewiesen ist (Fellmann, a.a.O., N 20 zu § 28 Abs. 1 Ziff. 4 StG mit Hinweis auf LGVE 1985 II Nr. 18). Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert gemäss Art. 277 ZGB im allgemeinen bis zur Mündigkeit des Kindes (Abs. 1); befindet es sich dann noch in Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt weiterhin aufzukommen, bis diese Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Abs. 2). Diesfalls dauert die Unterhaltspflicht bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Kinder. Die Eltern sind von der Unterhaltspflicht in dem Masse befreit, als dem Kinde zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Arbeitserwerb oder andern Mitteln zu bestreiten (Art. 276 Abs. 3 ZGB). Für Kinder über 18 Jahren ist der Kinderabzug praxisgemäss nur so lange möglich, als sich das Kind tatsächlich in der Ausbildung befindet und auf finanzielle Beiträge der Eltern angewiesen ist (Känzig, a.a.O., N 3 zu Art. 25 Abs. 1 lit. b BdBSt). Wie das Bundesgericht in seiner konstanten Rechtsprechung zum Unterhaltsanspruch des mündigen Kindes gegenüber den Eltern erkannt hat, kommt der über die Mündigkeit des Kindes hinausgehenden Unterhaltspflicht der Eltern Ausnahmecharakter zu (BGE 118 II 98). Dies zeige sich einmal darin, dass Unterhalt nur geschuldet sei, wenn sich der Jugendliche noch in Ausbildung befinde und diese beruflichen Charakter habe (BGE 115 II 126). Zudem bestehe eine Unterhaltspflicht nur für eine berufliche Ausbildung; Zweitausbildung, Weiterbildung und Zusatzausbildung fielen grundsätzlich nicht darunter, auch wenn sie als nützlich angesehen werden könnten. Anders verhalte es sich jedoch, wenn es um die erste eigentliche Berufsausbildung gehe, selbst wenn sie erst begonnen werde, nachdem der Jugendliche bereits erwerbstätig gewesen sei (BGE 107 II 409 Erw. 2a). Die Ausbildung müsse überdies einem - zumindest in seinen Grundzügen (vgl. BGE 107 II 408f.) - bereits vor der Mündigkeit angelegten Lebensplan entsprechen.

Das Gesetz unterscheidet zwischen den als Gewinnungskosten abziehbaren Auslagen für Weiterbildung und Umschulung (§ 23 Abs. 2 Ziff. 3 StG) sowie den im Rahmen der gesetzlichen Sozialabzüge zu berücksichtigenden Ausbildungskosten (§ 28 Abs. 1 Ziff. 4 StG). Die Ausbildung gehört grundsätzlich zum nicht abziehbaren Lebensaufwand (§ 30 Ziff. 1 und 3 StV); der Ausbildungskostenabzug ist damit eine Ausnahme vom Verbot des Abzugs von Lebenshaltungskosten. Nach der Lehre wird unter Ausbildung der Erwerb von Allgemeinwissen und die Erlernung eines Berufes verstanden, wozu vorab der Abschluss der ersten Berufsausbildung gehört. Ausbildung im weiteren Sinn dient als Oberbegriff für sämtliche denkbaren Bildungsvorgänge. Unter Ausbildung im engeren Sinn (i.e.S.) sind diejenigen Bildungsvorgänge zu verstehen, die nicht mit einer bereits ausgeübten Erwerbstätigkeit im Zusammenhang stehen. Sinn und Zweck der Ausbildung i.e.S. liegen in der Erlernung neuer Fähigkeiten und Kenntnisse. Sie umfassen aber auch die Verbesserung der Allgemeinbildung oder spezieller Kenntnisse. Sie dienen insoweit der eigentlichen Berufsausbildung im Sinn von Grundschulung (StE 1994 B 27.4 Nr. 10; Zehnder, Die Behandlung der Kosten für Ausbildung und berufliche Weiterbildung im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Zürich, 1985, S. 34ff.; Funk, Der Begriff der Gewinnungskosten nach schweizerischem Einkommenssteuerrecht, St.Galler Diss. 1989, S. 95 mit Hinweisen). Weiterbildung bedeutet dagegen Erweiterung der bereits erworbenen Kenntnisse in einem bestimmten Beruf. Es ist diejenige Art von Ausbildung, die jemand auf sich nimmt, um in einem Beruf, in dem er tätig ist, auf dem laufenden zu bleiben, um m.a.W. den steigenden Anforderungen einer beruflichen Stellung gewachsen zu bleiben. Berufliche Weiterbildungskosten werden in Aufwendungen zur Erhaltung und Sicherung der Stellung im Beruf einerseits und die Aufwendungen für den Aufstieg anderseits gegliedert. Ihre Kosten sind nur als Gewinnungskosten abziehbar, sofern sich die Bildung auf das Gebiet jenes Berufes beschränkt, den der Steuerpflichtige gerade ausübt und aus dem er die steuerbaren Einkünfte bezieht (StE 1994 B 27.4 Nr. 10 Erw. 3b; Höhn, Steuerrecht, 7. Aufl., Bern 1993, § 14 Rz 52 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; Funk, a.a.O., S. 96ff.; Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, a.a.O., N 323 zu § 24 lit. c Ziff. 5 und N 61 zu § 30 lit. c Ziff. 2 StG AG).

Das Erfordernis der Ausbildung setzt also einen Zusammenhang mit einer künftigen Berufsausübung voraus. Ein solcher Zusammenhang ist im allgemeinen dann gegeben, wenn sich ein Schüler, Lehrling oder Student durch Schulbesuch, Kursbesuch, Selbststudium, Besuch einer Lehre usw. auf einen Erstberuf vorbereitet oder wenn ein Berufstätiger einen eigentlichen Berufswechsel oder einen Zweitberuf, also nicht einen Aufstieg oder Stellenwechsel im erlernten Beruf ins Auge fasst. Die Gesamtumstände (wie Alter, bisherige Ausbildung, berufliche Tätigkeit, wirtschaftliche und berufliche Aussichten, Berufsziel) müssen dafür sprechen, dass die Studien, der Schuloder Kursbesuch auf einen entsprechenden neuen künftigen Beruf ausgerichtet sind (Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, a.a.O., N 61 zu § 30 lit. c Ziff. 2 StG AG). In der Rechtsprechung wurde beispielsweise als Ausbildungskosten anerkannt: der Aufstieg vom Primarzum Bezirksbzw. Mittelschullehrer, der Besuch von Sprachkursen im Ausland einer nicht Englisch unterrichtenden Primarlehrerin, der Erwerb des Handelslehrerdiploms eines Ökonomen mit Hochschulabschluss (Baur/Klöti-Weber/Koch/Meier/Ursprung, a.a.O., N 63 zu § 30 lit. c Ziff. 2 StG AG mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Ausbildungskosten sind dementsprechend von den Auslagen für die berufliche Weiterbildung abzugrenzen, die mit der gegenwärtigen Berufsausübung zusammenhängen und die nach § 23 Abs. 2 Ziff. 3 StG als Berufsunkosten in Abzug gebracht werden können (vgl. auch Weidmann/Grossmann/Zigerlig, Wegweiser durch das st. gallische Steuerrecht, 5. Aufl., Muri-Bern 1995, S. 145).

b) aa) Laut den Angaben in der Einsprache absolvierte der 1969 geborene Sohn B eine kaufmännische Lehre bei einer Bank. Nach dem Abschluss arbeitete er ab August 1991 ein Jahr lang als Volontär in einer Buchhandlung. Dort begann er am 10. August 1992 eine (verkürzte) zweijährige Lehre als Sortimentsbuchhändler, welche laut Lehrvertrag bis 9. August 1994 dauerte. Die monatliche Lehrlingsentschädigung betrug im ersten Jahr Fr. 700.- bzw. Fr. 900.- im zweiten.

bb) Bei der Lehre des Sortimentsbuchhändlers handelt es sich unbestrittenermassen um eine Ausbildung, in deren Rahmen B einen neuen Beruf erlernte, der sich vom kaufmännischen Beruf wesentlich unterscheidet. Eine solche Zweitausbildung ist im Lichte der in Erw. 3a erörterten Grundsätze unter den Begriff der Ausbildung, und nicht etwa unter den der Weiterbildung zu subsumieren. Der Ausbildungscharakter der zweiten Lehre wird von der Kantonalen Steuerverwaltung denn auch mit Recht nicht bestritten. Sie stellt sich indessen auf den Standpunkt, bei einer einmal abgeschlossenen Ausbildung sei der Kinderabzug zu verweigern, da keine Unterstützungspflicht der Eltern mehr bestehe.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wohl trifft es zu, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 277 Abs. 2 ZGB der mündige Jugendliche bloss Unterhalt beanspruchen kann, bis er eine Ausbildung zum Abschluss gebracht hat. Zivilrechtlich kann er also die Eltern nicht verpflichten, ihm eine Zweitausbildung zu finanzieren. Diese Rechtsprechung lässt sich indessen nicht unbesehen auf § 28 Abs. 1 Ziff. 4 StG übertragen. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung können Steuerpflichtige für Kinder über 18 Jahren, die in beruflicher Ausbildung stehen und für deren Unterhalt sie sorgen, den Kinderabzug beanspruchen. Davon, dass der Kinderabzug nur bis zum Abschluss der ersten Ausbildung gestattet wäre, d.h. nur solange die Eltern zivilrechtlich eine Unterhaltspflicht trifft und sie insoweit für den Unterhalt des Kindes sorgen müssen, lässt sich weder dem Gesetz noch den Materialien entnehmen. So hielt der Regierungsrat in seiner Botschaft vom 17. Dezember 1945 zum Entwurf eines neuen kantonalen Steuergesetzes ausdrücklich fest, im Gegensatz zur Initiative, die wie «das geltende Recht» den Abzug nur gestatten wolle, wenn die Aufwendungen für das Kind auf gesetzlicher Verpflichtung beruhe, sei auf dieses Erfordernis, das sich in der Praxis als hart und unbillig erwiesen habe, verzichtet worden (S. 35 der Botschaft). Die Formulierung der hier relevanten steuerrechtlichen Norm ist denn auch weiter gefasst als Art. 277 Abs. 2 ZGB. Während die Eltern über die Mündigkeit hinaus nur insoweit für den Unterhalt des Kindes aufkommen müssen, als es die im Zeitpunkt des Eintritts der Mündigkeit verfolgte Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen hat, gestattet § 28 Abs. 1 Ziff. 4 StG den Eltern ohne eine gesetzlich stipulierte Altersgrenze des Kindes und unabhängig von einer nach Art. 277 Abs. 2 ZGB bestehenden Verpflichtung den Kinderabzug, wenn das in Ausbildung sich befindende Kind für seinen Lebensunterhalt nicht selbst aufkommen kann und auf finanzielle Hilfe angewiesen ist. Eine Beschränkung des Kinderabzuges auf die erste Ausbildung lässt sich aber auch nicht mit Sinn und Zweck der fraglichen Norm vereinbaren. Mit dem Kinderabzug wollte der Gesetzgeber der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen Rechnung tragen, die durch ein noch in Ausbildung stehendes Kind erwächst. Unter diesem Blickwinkel kommt nichts an, ob sich das Kind in der ersten beruflichen Ausbildung befindet oder ob es noch eine zweite Ausbildung in Angriff nimmt. Jedenfalls lässt sich die Begriffsumschreibung «sorgen» nicht derart eng interpretieren, dass darunter nur die Unterhaltspflicht während der Dauer der Erstausbildung zu verstehen wäre. Der Begriff des «Sorgens» schliesst in sich die umfassende Sorge für das leibliche und geistige Wohl des Kindes; wem Unterhalt und Erziehung direkt obliegen wie den Eltern, sorgt in diesem Sinn für das Kind (vgl. RE 1947/48 Nr. 33). Der Steuerpflichtige «sorgt» für ein Kind vor allem dann, wenn es in seinem Haushalt lebt oder wenn er bei Aufenthalt ausserhalb seines Haushaltes regelmässig bestimmte Leistungen an dasselbe erbringt. Dabei ist nicht die gesetzliche Verpflichtung, sondern die effektiv erfolgende «Sorge» ausschlaggebend (Moser/Steiner, Kommentar zum Neuen Luzernischen Steuergesetz vom 27. Mai 1946, Luzern 1947, N 6 zu § 25 Ziff. 3 [Kinderabzug]). Hätte der Gesetzgeber den Kinderabzug im Sinne der von der Kantonalen Steuerverwaltung vertretenen Meinung begrenzen wollen, hätte dies in der gesetzlichen Bestimmung zum Ausdruck gebracht werden müssen.

Somit ergibt sich, dass B, der Anfang August 1992 eine neue Lehre als Sortimentsbuchhändler begonnen hatte, im massgeblichen Zeitpunkt der streitbetroffenen Veranlagung 1993/94 in Ausbildung stand. Damit ist die primäre anspruchsbegründende Voraussetzung für die Gewährung des Kinderabzuges gegeben. Dass Sohn B in der Bemessungsperiode u.a. ein bescheidenes Einkommen als Volontär erzielte, ändert an der Abzugsberechtigung der Beschwerdeführer nichts, da laut § 28 Abs. 3 StG die Verhältnisse bei Beginn der Steuerperiode massgeblich sind, hier mithin jene am 1. Januar 1993 (LGVE 1975 II Nr. 29; RE 1969/70 Nr. 41).

[Bereits publiziert in StE 1995 B 29.3 Nr. 13]
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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