Kanton: | BS |
Fallnummer: | DGS.2019.24 (AG.2019.491) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 04.07.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Gesuch Akteneinsicht und Aktenlöschung |
Schlagwörter: | Gesuch; Appellationsgericht; Gesuchstellerin; Basel-Stadt; Person; Verfahren; Staatsanwaltschaft; Februar; Gericht; Personendaten; Gerichts; Kosten; Kanton; Aufbewahrung; Kantons; öffentliche; Rechtsmittel; Appellationsgerichts; Gesetzliche; Gemäss; Schreiben; Appellationsgerichtspräsident; Gemäss; Rechtskräftig; Betreffend; Bundesgericht; Abgeschlossene; Kommen; Voraussetzungen; Sperrung |
Rechtsnorm: | Art. 103 StPO ; Art. 113 BGG ; Art. 194 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 73 StPO ; |
Referenz BGE: | 136 I 80; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Appellationsgerichtspräsidentin |
DGS.2019.24
ENTSCHEID
vom 4. Juli 2019
Mitwirkende
lic. iur. Gabriella Matefi
und Gerichtsschreiber Dr. Urs Thönen
Beteiligte
A____ Gesuchstellerin
[...]
gegen
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Gesuchsgegnerin
Binningerstrasse21, 4001Basel
Gegenstand
Gesuch um Aktenlöschung
im Verfahren SG.2009.516 (AS.2010.95)
Sachverhalt
Am 6. Februar 2019 beantragte die Gesuchstellerin beim Strafgericht Basel-Stadt Einsicht in die Akten des Strafverfahrens SG.2009.516 und stellte ein Gesuch um anschliessende Datenlöschung und deren Bestätigung. Mit Schreiben vom 7. Februar 2019 leitete das Strafgericht das Schreiben der Gesuchstellerin zuständigkeitshalber an das Appellationsgericht Basel-Stadt weiter.
Mit Verfügung vom 12. Februar 2019 hat die Appellationsgerichtspräsidentin das Akteneinsichtsgesuch grundsätzlich bewilligt. Mit Schreiben vom 14. Februar 2019 reichte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt dem Appellationsgericht die mit der Gesuchstellerin geführte Korrespondenz im Strafverfahren VT.2018.30940 ein. Am 25.Februar 2019 nahm die Gesuchstellerin am Appellationsgericht Einsicht in die Akten. Noch am gleichen Tag beantragte sie, die Unterlagen, welche die Staatsanwaltschaft dem Appellationsgericht eingereicht hat, aus den Akten zu entfernen, und wiederholte ihr Gesuch um Datenlöschung und deren Bestätigung vom 6. Februar 2019. Die Appellationsgerichtspräsidentin hat auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet.
Erwägungen
1.
Nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft richtet sich die Bearbeitung und Aufbewahrung von Personendaten im kantonalen Verfahren nach den Bestimmungen des Datenschutzrechts des betreffenden Kantons (Art. 99 Abs. 1 der Strafprozessordnung [StPO, SR 312.0]; Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich/St. Gallen 2018, Art. 99 N 1). Gemäss § 3 Abs.1 lit. a in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. b des Informations- und Datenschutzgesetzes (IDG, SG 153.260) e contrario ist das Appellationsgericht als Organisationseinheit des Kantons, die öffentliche Aufgaben erfüllt, ein öffentliches Organ im Sinne des IDG und für die Bearbeitung und Aufbewahrung der Akten der bei ihm rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren zuständig. Das Gleiche gilt für die Staatsanwaltschaft. In Bezug auf die bei ihr rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ist sie für die Aktenaufbewahrung zuständig.
Das Verfahren betreffend Einsicht in rechtskräftig abgeschlossene Fälle ist verwaltungsrechtlicher Natur (BGE 136 I 80 E 2.1 S. 83; Schmid/Jositsch, a.a.O., Art.102 N 11). Sieht das Gesetz keine andere Vorschrift über die Zusammensetzung des Gerichts der betreffenden Instanz vor, so entscheidet eine Präsidentin oder ein Präsident als Einzelrichterin oder Einzelrichter (§ 40 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]).
2.
2.1 Gemäss § 16 IDG sind vom öffentlichen Organ nicht mehr benötigte Personendaten, die von der gemäss Archivgesetz zuständigen Stelle als nicht archivwürdig beurteilt werden, zu vernichten. Wann ein öffentliches Organ die Personendaten nicht mehr für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, bestimmt es - soweit nicht spezialgesetzliche Aufbewahrungsfristen bestehen - grundsätzlich selber (Rudin, in: Rudin/Baeriswyl [Hrsg.], Praxiskommentar zum Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Basel-Stadt, IDG, Zürich/Basel/Genf 2014, § 16 N 3). Gemäss der spezialgesetzlichen Bestimmung von Art. 103 Abs. 1 StPO sind die Akten mindestens bis zum Ablauf der Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung aufzubewahren. Diese bundesrechtliche Aufbewahrungsfrist ist im vorliegenden Fall abgelaufen. Es handelt sich jedoch nur um eine Mindestfrist, die vom Kanton verlängert werden kann (Schmutz, in: Basler Kommentar StPO, 2. Auflage 2014, Art. 103 N 1). Entsprechend hat die Präsidienkonferenz des Appellationsgerichts mit Beschluss vom 21. April 2005 die Aufbewahrungsfrist von Strafakten auf 30 Jahre festgelegt. Mit dieser Frist wird berücksichtigt, dass jede Person, die durch ein rechtskräftiges Urteil beschwert ist, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dessen Revision verlangen kann (Art.410 StPO). Die Gesuchstellerin ist nicht die einzige, welche die Revision des sie betreffenden Verfahrens verlangen könnte. Dieses Recht hätte unter Umständen auch der Mitbeschuldigte, die Privatklägerschaft und die Staatsanwaltschaft (Heer, in: Basler Kommentar StPO, Art. 410 N 16). Nach Ablauf dieser Frist ist das Appellationsgericht gemäss § 16 IDG verpflichtet, seine Akten dem Staatsarchiv anzubieten. Dieses entscheidet darüber, ob die Akten zu archivieren sind (§ 2 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 lit. a des Archivgesetzes [ArchivG, SG 153.600]). Werden die Akten nicht im Staatsarchiv archiviert, sind sie dannzumal vom Gericht zu vernichten (Rudin, a.a.O., § 16 N 13).
2.2 § 28 IDG regelt die Sperrung der Bekanntgabe von Personendaten. Dies käme dem Anliegen der Gesuchstellerin teilweise entgegen, weshalb diese Möglichkeit auch zu prüfen ist.
Die Sperrung kommt dann nicht in Betracht, wenn ein öffentliches Organ Personendaten nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen bekannt geben darf oder muss (Waldmeier, in: Rudin/Baeriswyl [Hrsg.], Praxiskommentar zum Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Basel-Stadt, § 28 N 2 ff.). Dies ist bei Gerichtsakten der Fall (Art. 73 StPO). Somit würde mit der Sperrung nach § 28 IDG keine weitergehende Geheimhaltungspflicht geschaffen, als sie ohnehin besteht.
Gemäss § 28 Abs. 3 IDG ist die Bekanntgabe trotz Sperrung zudem zulässig, wenn eine gesetzliche Pflicht dazu besteht, wie z.B. gestützt auf Art. 194 StPO, die Bekanntgabe zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe zwingend notwendig ist oder die um Bekanntgabe ersuchende Person glaubhaft macht, dass die Personendaten zur Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche erforderlich sind. Diese Voraussetzungen sind identisch mit jenen, die bei Akteneinsichtsgesuchen bei abgeschlossenen Verfahren zum Zug kommen (vgl. u.a. BGer 1B_68/2012, 1B_70/2012, 1B_72/2012, 1B_74/2012, 1B_76/2012 vom 3. Juli 2012 E. 3).
3.
Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 100 Abs. 1 lit. c StPO für jede Strafsache ein Aktendossier angelegt wird, welches unter anderem die von den Parteien eingereichten Akten enthält. Zu diesen gehören auch die sogenannten Einlegerakten, d.h. solche, die nicht an die Strafbehörde selbst adressiert sind, sondern als Beilagen zu Eingaben eingereicht werden (Brüschweiler, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Auflage, Zürich 2014, Art. 100 N5, mit Hinweis). Das an das Appellationsgericht adressierte Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 14. Februar 2019 und die dazugehörigen Beilagen gehören also zu den Akten.
4.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Gesuch um Aktenlöschung abzuweisen ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen dessen Kosten zu Lasten der Gesuchstellerin. Die Kostenlosigkeit gemäss § 36 Abs. 1 IDG bezieht sich auf das hier nicht einschlägige Öffentlichkeitsprinzip und kommt daher nicht zur Anwendung. Kostenmässig ist das vorliegende Gesuch dem strafrechtlichen Rechtsmittelverfahren der Gesuchstellerin zuzuordnen (Appellationsurteil AS.2010.95 vom 3. Mai 2011), das sich am Grundsatz der Kostentragung nach Massgabe des Unterliegens orientiert (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO; §§ 1 Abs. 1 lit. c, 2 und 21 des Gerichtsgebührenreglements [GGR, SG 154.810]). Die Gebühr wird auf CHF 500.- festgesetzt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
Demgemäss erkennt die Appellationsgerichtspräsidentin:
://: Das Gesuch um Aktenlöschung wird abgewiesen.
Die Gesuchstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit einer Gebühr von CHF 500.-, einschliesslich Auslagen.
Mitteilung an:
- Gesuchstellerin
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber
lic. iur. Gabriella Matefi Dr. Urs Thönen
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.
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