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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2019.86 (AG.2019.890)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2019.86 (AG.2019.890) vom 10.12.2019 (BS)
Datum:10.12.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Verlängerung der stationären psychiatrischen Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 4 StGB
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Massnahme; Werden; Gutachten; Therapie; Verfahren; Stationäre; Welche; Behandlung; Strafgericht; Vollzug; Beschwerdeführers; Gemäss; Verlängerung; Urteil; Gutachterin; Gericht; Weitere; Schizophrenie; Entscheid; Massnahmenvollzug; Strafund; Kosten; Basel-Stadt; Aufgrund; Gestellt; Psychiatrische; Bestehende; Psychische
Rechtsnorm: Art. 125 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 184 StPO ; Art. 185 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 313 StPO ; Art. 383 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 48 BGG ; Art. 59 StGB ; Art. 62 StGB ;
Referenz BGE:127 I 54; 135 I 91; 135 IV 139; 139 I 138; 141 IV 396;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Dreiergericht



BES.2019.86


ENTSCHEID


vom 10. Dezember 2019



Mitwirkende


lic. iur. Gabriella Matefi, lic. iur. Lucienne Renaud,

Dr. phil. und MLaw Jacqueline Frossard

und Gerichtsschreiber Dr. Beat Jucker




Beteiligte


A____, [...] Beschwerdeführer

c/o Psychiatrische Dienste Aargau AG,

Klinik für Forensische Psychiatrie,

Zürcherstrasse241, 5210Windisch

vertreten durch B____, Advokat,

[...]

gegen


Amt für Justizvollzug, Beschwerdegegnerin 1

Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug

Spiegelgasse12, 4001Basel

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin 2

Binningerstrasse 21, 4001 Basel


Gegenstand


Beschwerde gegen einen Beschluss des Strafdreiergerichts

vom 5. April 2019


betreffend Verlängerung einer stationären psychiatrischen Massnahme


Sachverhalt


A____ (nachfolgend Beschwerdeführer) wurde mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 28. April 2014 der versuchten schweren Körperverletzung, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, des mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz sowie der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes schuldig erklärt und neben einer Busse in Höhe von CHF 300.- zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gestützt auf ein forensisch-psychiatrisches Gutachten von C____ und D____ vom 14. April 2014, in welchem bei A____ eine kombinierte schizoide und dissoziale Persönlichkeitsstörung mit deutlich ausgeprägten psychopathischen Zügen (ICD-10 F61.0), Abhängigkeit von multiplen Substanzen (ICD-10 F19.2) und eventuell eine adulte ADHS (lCD-10 F90.0) diagnostiziert wurden, schob das Strafgericht den Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe auf und ordnete dafür eine stationäre psychiatrische Behandlung im Sinne von Art. 59 Abs.1 des Strafgesetzbuches (StGB, SR311.0) an.


Mit Beschluss vom 5. April 2019 hat das Strafdreiergericht auf Antrag der Strafvollzugsbehörde die stationäre Massnahme um zwei weitere Jahre verlängert. Hiergegen richtet sich die vorliegend zu beurteilende Beschwerde, mit der A____ beantragt, es sei der angefochtene Beschluss des Strafdreiergerichts Basel-Stadt vom 5. April 2019 kosten- und entschädigungsfällig aufzuheben und stattdessen ein Folgeprogramm mit betreutem Wohnen in einem Wohnheim für Haftentlassene sowie eine ambulante Therapie mit Beteiligung des Beschwerdeführers an der Auswahl der Therapieform und des Therapeuten anzuordnen. Eventualiter sei die Haft bis zur Aufgleisung eines Folgeprogramms angemessen zu verlängern. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vollzugsbehörde und die Staatsanwaltschaft ersuchen mit Eingaben vom 4. und vom 5. Juni 2019 um kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 27. Juni 2019 repliziert.


Der vorliegende Entscheid ist im schriftlichen Verfahren auf dem Zirkulationsweg ergangen. Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich soweit für den Entscheid von Relevanz aus dem erstinstanzlichen Urteil und aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 In selbständigen nachträglichen Entscheiden geht es - wie vorliegend - um die nachträgliche Abänderung oder Ergänzung der Sanktionsfolgen von rechtskräftigen Strafurteilen. Dieses Verfahren kommt nur dann zum Zug, wenn gegen den Verurteilten nicht ein neues Strafverfahren durchgeführt werden muss. Kommt es aufgrund erneuter Delikte zu einer Anklage, übernimmt das dafür zuständige Gericht auch die Abänderungen und Ergänzungen des vorherigen Urteils (Schwarzenegger, in:Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 2.Auflage, Zürich 2014, Art. 363 N 1).

1.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ergehen selbständige nachträgliche Entscheide in Form einer Verfügung bzw. eines Beschlusses gemäss Art.80 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0), weshalb die Beschwerde nach Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO das zur Anfechtung zulässige Rechtsmittel ist (BGE 141 IV 396 E. 4.6 und 4.7 S. 406 f.; AGE BES.2017.142 vom 11. September 2018 E. 1.1; Keller, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 2.Auflage, Zürich 2014, Art.393 N 21). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Dreiergericht (§ 92 Abs. 1 Ziff. 4 lit. a des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]).


1.3 Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weshalb er zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist (Art.382 Abs.1 StPO). Auf die nach Art.396 Abs.1StPO frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten. Das Beschwerdegericht beschliesst nach Art.393 Abs.2 StPO mit voller Kognition.


1.4 Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 27. Juni 2019 - nach Hinweis durch die Verfahrensleiterin, dass er eine mündliche Verhandlung wünschen könne - ausdrücklich auf eine solche verzichtet. Der vorliegende Entscheid kann daher in Analogie zu Art. 406 Abs.2 lit. a StPO im schriftlichen Verfahren auf dem Zirkulationsweg ergehen (vgl.dazu Eugster, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art.406 StPO N 6; Schmid/Jositsch, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Auflage, Zürich 2017, N 1570). Die (definitive) Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch das Gesamtgericht muss praxisgemäss nicht in einem separaten Entscheid erfolgen, vielmehr genügt ein entsprechender Hinweis im Sachentscheid (AGESB.2018.136 vom 5.April 2019 E. 1.2, SB.2016.59 vom 23. April 2017 E.1.2).


2.

Nach Art. 59 Abs. 4 StGB kann die Verlängerung einer stationären psychiatrischen Massnahme nach Ablauf der Höchstdauer angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gemäss Art.62 StGB nicht gegeben sind, dem Täter also noch keine günstige Prognose gestellt werden kann. Weiter muss erwartet werden, dass durch die Fortführung der Massnahme der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnet werden kann. Vorausgesetzt ist demnach, dass die psychische Störung, in deren Zusammenhang die Anlasstat begangen wurde, beim Beschwerdeführer immer noch besteht und weitere gleichartige Delikte zu erwarten wären, wenn die Massnahme nicht fortgesetzt würde. Zudem muss die Verlängerung der Massnahme im Sinne von Art.56 Abs. 2 StGB auch verhältnismässig sein (BGE 135 IV 139 E. 2 S.141 ff.; BGer6B_1143/2018 vom 22.März 2019 E. 2.3.1, 6B_596/2011 vom 19.Januar 2012 E. 3.2.2; Heer, in:Basler Kommentar, 4.Auflage 2019, Art. 59 StGB N 123 ff.; Pauen Borer/Trechsel, in: Trechsel/Pieth [Hrsg.], Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art. 59 N 15).


3.

3.1 B____ macht mit seiner Beschwerde bzw. in seiner Replik wie bereits vor Strafgericht geltend, dem ergänzend bei E____ eingeholten Gutachten komme kein Beweiswert zu. Die Erstellung eines Aktengutachtens sei nur dann möglich, wenn der Beschwerdeführer das Gespräch definitiv bzw. nach mehrmaligen Gesprächsversuchen verweigert habe. Ein bloss einzelner Gesprächsversuch, der im Übrigen bloss fünf Minuten gedauert habe, reiche nicht aus. Zudem sei es gewagt, wenn E____ in ihrem Gutachten - entgegen demjenigen aus dem Jahr 2014 - von einer Schizophrenie ausgehe, zumal der damalige Experte, D____, den Betroffenen ernsthaft untersucht und eine Schizophrenie zum Tatzeitpunkt verneint habe.


3.2 Darüber hinaus seien die Vollzugsfortschritte des Beschwerdeführers (mehrere Jahre dauernde Alkohol- und Drogenabstinenz sowie gute Mitarbeit im Rahmen der Arbeits- und Sporttherapie) zu wenig gewürdigt worden. A____ sei im Sinne einer milderen Massnahme mit einem Folgeprogramm (betreutes Wohnen in einem Wohnheim mit ambulanter Therapie) aus der Massnahme zu entlassen, zumal die stationäre Therapie aufgrund der Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers ohnehin nicht zur Verbesserung der Legalprognose geeignet sei. Schliesslich sei die Verlängerung der stationären Massnahme auch unverhältnismässig. Die angeordnete Freiheitsstrafe von 18 Monaten stehe in einem offenbaren Missverhältnis zur bereits fünf Jahre dauernden stationären Massnahme, welche nun um zwei weitere Jahre verlängert werden soll.


4.

4.1 Im vorliegenden Fall wurde aufgrund von Vorkommnissen, welche psychotisches Erleben des Beschwerdeführers nahe legten, bei E____ ein ergänzendes Gutachten in Auftrag gegeben (Akten SMV S. 313 ff.; vgl. auch Frage 1 an die Gutachterin). Wie das Strafgericht zutreffend festgehalten hat (vorinstanzliches Urteil S. 4), kann ein Gutachten aufgrund der Akten erstellt werden, wenn sich die zu begutachtende Person wie hier einer persönlichen Exploration verweigert (BGE 127 I 54 E. 2f S. 58; BGer 6B_1307/2018 vom 17.September 2019 E.1.3.1; AGESB.2016.94 vom 19.Oktober 2018 E. 5.3; Heer, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 185 StPO N 5). Dies ist vorliegend umso weniger problematisch, als sich die Gutachterin einerseits auf ein Vorgutachten (welches auf eingehender Exploration beruht) und andererseits auf mehrere Verlaufsberichte und Protokolle von Standortgesprächen stützen konnte, die von Personen erstellt worden sind, die in der Vergangenheit intensiv mit dem Beschwerdeführer zusammengearbeitet haben. Darüber hinaus ist E____ aufgrund der umfassenden Dokumentation zum Schluss gelangt, ein Aktengutachten erstellen zu können (Akten SMV S. 437).


4.2 Insoweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, die Gutachterin habe den Beschwerdeführer zu wenig zur Teilnahme an der Exploration motiviert, ist darauf hinzuweisen, dass die mit einer Expertise beauftragte Person nicht in eine therapeutische Beziehung zum Exploranden zu treten hat. Zudem hat nicht nur die Gutachterin den Beschwerdeführer auf die Konsequenz der Gesprächsverweigerung hingewiesen (am 16.November 2018; Akten SMV S.422), sondern hat ihn auch die Vollzugsbehörde am 23.November 2018 nochmals zu motivieren versucht, am Gutachtensgespräch teilzunehmen (Akten SMV S.383; da das Gutachten vom 26.November 2018 datiert, erscheint indes fraglich, ob das Schreiben des SMV den Beschwerdeführer noch rechtzeitig erreicht hat). Als Begründung der Teilnahmeverweigerung kann auch nicht geltend gemacht werden, die Gutachterin habe dem Beschwerdeführer eine Verlängerung der Massnahme um fünf Jahre angedroht. Die Empfehlung wurde erst nach Erstellung des Gutachtens abgegeben und kann für die Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers nicht kausal sein.


4.3

4.3.1 Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die von E____ in ihrem Gutachten vom 26. November 2018 zusätzlich gestellte Diagnose Schizophrenie (ICD-10 F20.9) mit paranoid-wahnhafter Symptomatik gewagt sei, ist zu entgegnen, dass bereits die Psychiatrischen Dienste Aargau AG (PDAG) in ihrem Therapieverlaufsbericht vom 17. September 2018 die Behandlungsdiagnose einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) als definitive Diagnose seit April 2018 aufführen (Akten SMV S. 346 ff.). Dass die Gutachterin den Berichten der PDAG folgend ein seit Oktober 2017 über einen mehrmonatigen Zeitraum bestehendes Beeinträchtigungserleben, welches schliesslich in eine paranoid-wahnhafte Symptomatik übergegangen sei, sowie akustische Halluzinationen, formale Denkstörungen bis hin zu einer zerfahrenen Sprechweise und eine deutliche Negativ-Symptomatik festgestellt und die Diagnose Schizophrenie bestätigt hat, ist verständlich und nachvollziehbar (Akten SMV S. 437 ff.). Ganz entscheidend objektivieren lässt sich die Diagnose Schizophrenie darüber hinaus damit, dass der Beschwerdeführer auf die entsprechende Medikation (Risperdal®) rasch mit einer Besserung angesprochen hat (Akten SMV S. 442). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass A____ gemäss erstem Therapieverlaufsbericht vom 15. Juni 2015 bereits damals ein atypisches Antipsychotikum bezog und sich offenbar gegen dessen Reduktion sträubte (Akten SMV S. 174 f.).


4.3.2 Die Tatsache, dass im ersten Gutachten noch keine Schizophrenie diagnostiziert wurde, lässt nicht den Schluss zu, das zweite Gutachten sei fachlich nicht korrekt. C____ und D____ konnten den Beschwerdeführer zwar persönlich untersuchen. Indes konnte sich E____ auf einen sehr viel längeren und intensiveren Beobachtungszeitraum stützen. Ihr lagen vier Therapieverlaufsberichte, die im Übrigen von Fachpersonen, die eine konstante Beziehung zu A____ pflegten und ihn während fünf Jahren täglich beobachteten, vor. Dazu kommt, dass die zweite Gutachterin die früher festgestellten Symptome wie Impulsivität, Angespanntheit und übermässige Beschäftigung mit Waffen rückblickend als mit dem aktuellen Verhalten im Vollzug (Beschäftigung mit Modellbauten und Mitnahme derselben sogar zum Essen, da der Beschwerdeführer befürchtete, Spitzel würden ihm diese zerstören), welches den Kriterien der Schizophrenie entspricht, vergleichbar erkannt hat (Akten SMV S.442). Zudem ist festzuhalten, dass die Diagnose Schizophrenie auch im ersten Gutachten intensiv diskutiert wurde. Eine abschliessende Einordnung der beklagten halluzinatorischen Symptomatik wurde als derzeit schwierig bezeichnet und schlussendlich eine kombinierte schizoide und dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert (Akten SMV S. 96 ff.).


4.3.3 Das Gutachten von E____ ist im Ergebnis als präzise, umfassend und vollständig zu bezeichnen. Darüber hinaus sind die Beurteilung sowie die Schlüsse der Expertin als verständlich und nachvollziehbar zu qualifizieren, sodass in allen Teilen auf das Gutachten abgestellt werden kann. Aufgrund des Gesamtkrankheitsbildes ist evident, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an einer schweren psychischen Erkrankung im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB leidet und die von ihm begangenen Delikte mit dieser schweren psychischen Störung im Zusammenhang gestanden haben (vgl. Akten SMV S.348 f., 449, 451).


5.

5.1 Das Rückfallrisiko wird von der Gutachterin in Übereinstimmung mit den behandelnden Therapeuten im gut strukturierten und wohlwollenden Setting bei lückenloser medikamentöser Behandlung (Neuroleptika) und konsequenter Abstinenz von Alkohol und illegalen Substanzen als gering eingeschätzt. Bei raschen Vollzugsöffnungen und bei zu hohen Anforderungen käme es jedoch wegen der geringen Belastbarkeit des Beschwerdeführers zu einer grossen Gefahr einer erneuten Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes. Diesfalls würde sich auch das Risiko zur Begehung von ähnlichen Taten wie der Anlasstaten, deutlich erhöhen (Akten SMV S.354, 449 f., 453). In einem ungeschützten Setting ist daher mit dem Straf- und Massnahmenvollzug (Stellungnahme vom 4. Juni 2019 S. 4) und dem Strafgericht (vgl. vorinstanzliches Urteil S. 7 ff.) nach wie vor von einem hohen Rückfallrisiko auszugehen.


5.2

5.2.1 Die Gutachterin wertet die Behandlungsaussichten insgesamt als günstig. Zur Verbesserung der Legalprognose sei in einem nächsten Schritt das schizophrene Zustandsbild durch eine Optimierung der neuroleptischen Behandlung nachhaltig zu stabilisieren. Weiter seien insbesondere eine vertiefte Psychoedukation mit entsprechendem Risikomanagement zu installieren sowie die Aufrechterhaltung der Abstinenz von Drogen und Alkohol sowie der bestehenden Medikamentencompliance (inklusive allfällige Umstellung auf ein Depotpräparat) sicherzustellen. Ferner sollten die Wiederaufnahme der Arbeitstherapie und schrittweise Vollzugslockerungen eingeführt werden, um das Fernziel eines betreuten Wohn- und Arbeitssettings zu erreichen. A____ werde aufgrund seiner kognitiven Beeinträchtigung indes langfristig auf Unterstützung angewiesen sein (Akten S. 444 ff., 449 f., 453 f.).


5.2.2 Wenn der Beschwerdeführer die Unzweckmässigkeit der Massnahme rügt, ist zwar zutreffend, dass es Ende September 2018, nachdem mit A____ die Sinnhaftigkeit einer allfälligen Verlängerung der Massnahme diskutiert worden ist, zu einem erneuten Rückzug des Beschwerdeführers gekommen ist. Dieser Rückzug beruhte jedoch auf einer allgemeinen Ablehnungs- und Abwehrhaltung mit Verweigerung der Teilnahme an sämtlichen Therapieangeboten und ist laut den Experten nicht auf eine psychotische Dekompensation zurückzuführen (Akten SMV S.363, 452; Stellungnahme Straf- und Massnahmenvollzug S. 4). Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer gemäss Kurzbericht der PDAG vom 3.Juni 2019 ab der Woche vom 29. April 2019 wieder auf sämtliche Therapien eingelassen hat. Gemäss vorgenanntem Bericht nehme er nunmehr insbesondere an der Arbeitstherapie, Bewegungs- und Sporttherapie und Kunsttherapie zuverlässig teil. Darüber hinaus besuche er auch die wöchentlichen psychotherapeutischen Einzelsitzungen sowie die zwei Gruppentherapien betreffend Substanzkonsum und metakognitives Training bei Psychose. Der Beschwerdeführer beteilige sich konstruktiv an der gemeinsamen Zielvereinbarung und akzeptiere, dass es gewisse Ziele unter anderem Absprachefähigkeit und psychopathologische Stabilität zu erreichen und erhalten gelte, bevor weitere Lockerungen möglich und sinnvoll seien. Die Massnahme kann daher weiterhin als zur Verbesserung der Legalprognose geeignet bezeichnet werden.


5.3

5.3.1 Wie aus den Akten erhellt und sowohl der Straf- und Massnahmenvollzug als auch das Strafgericht zu Recht festgehalten haben (erstinstanzliche Plädoyer-Notizen des Straf- und Massnahmenvollzugs S. 4; vorinstanzliches Urteil S. 11 f.), ist der Beschwerdeführer in psychischer Hinsicht zurzeit noch nicht genügend stabil, um selbständig mit allfällig auftretenden Problemen oder Risikosituationen umgehen zu können. Bevor eine bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme und eine Platzierung in einem betreuten Wohnheim (allenfalls mit ambulanter Therapie) in Frage kommt, müssen zunächst weitere Vollzugslockerungen im Sinne von unbegleiteten Ausgängen inner- und ausserhalb des Klinikareals bewilligt und längerfristig erprobt sowie die lückenlose medikamentöse Behandlung sowie Drogen- und Alkoholabstinenz sichergestellt werden und eine vertiefte Psychoedukation stattfinden. Es gilt nun, das bisher unter geschützten Bedingungen Erlernte im Rahmen weiterer Vollzugslockerungen zu konsolidieren und sich (weiterhin) zu bewähren bzw. sich (auch) unter diesen neuen Bedingungen absprachefähig zu zeigen.


5.3.2 Die am 28. April 2014 vom Strafgericht Basel-Stadt angeordnete stationäre psychiatrische Massnahme hat ihre (vorläufige) Höchstdauer am 27. April 2019 erreicht. Eine Umwandlung derselben in ein ambulantes Setting ist damit mangels vorbestehender Massnahme zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich nicht möglich (vgl. dazu AGE BES.2019.10 vom 11.Oktober 2019 E. 5.3). Dazu kommt, dass ein ambulantes Setting auch nicht zweckmässig erscheint. Das Strafgericht hat diesbezüglich zutreffend festgehalten (vgl.vorinstanzliches Urteil S.11 f.), dass eine ambulante Massnahme neben einem Therapiewillen auch eine Zuverlässigkeit und Absprachefähigkeit bedingt. Solches liegt bei A____ aktuell aber (noch) nicht vor, zumal er sowohl an Therapietermine als auch an die Medikamenteneinnahme öfters erinnert werden muss (erstinstanzliche Plädoyer-Notizen des Straf- und Massnahmenvollzugs S. 6; Bericht der PDAG vom 3. Juni 2019 S. 2). Ferner hat der Beschwerdeführer seine Absprachefähigkeit in Zukunft zunächst in einem offeneren Rahmen unter Beweis zu stellen (vgl. dazu schon E. 5.3.1). Schliesslich verfügt A____ - soweit ersichtlich - über keinerlei sozialen Empfangsraum oder sonstige gefestigte Strukturen in seinem Alltag, erfordert die Behandlung seiner psychischen Erkrankung jedoch mitunter genau eine solche Struktur.


5.4 Aus dem Gesagten folgt, dass A____ ohne das geschützte Umfeld der bestehenden stationären Massnahme keine günstige Rückfallprognose gestellt werden kann, weshalb die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Art. 62 StGB zurzeit noch nicht gegeben sind und die Weiterführung der bestehenden Massnahme im aktuellen Setting sowohl notwendig als auch geeignet ist, um der Rückfallgefahr wirksam zu begegnen.


6.

Das Appellationsgericht anerkennt zwar, dass die Verlängerung der Massnahme für den Beschwerdeführer mit einer erheblichen Freiheitsbeschränkung einhergeht, welche von der schuldangemessenen Strafe nicht mehr abgedeckt ist. Wie das Strafgericht indes absolut zutreffend festgehalten hat (vgl. vorinstanzliches Urteil S. 12 f.), sind spürbare Massnahmenfortschritte bei A____ erst nach der Medikation mit Neuroleptika ab April 2018 eingetreten und drohten bei einer sofortigen Haftentlassung ohne engmaschiges, kontrollierendes Setting und Sicherstellung einer lückenlosen medikamentösen Behandlung mit grosser Wahrscheinlichkeit erneut Gewaltdelikte. Hiergegen hat es die privaten Interessen des Beschwerdeführers sorgfältig abgewogen und zutreffend festgehalten, dass die bestehenden Einschränkungen in der persönlichen Lebensgestaltung bei positivem Verlauf der Therapie bzw. entsprechenden Vollzugslockerungen (welche indes nur bei gebührendem Engagement und guter Kooperation von A____ möglich sind) laufend abnehmen werden. Die aktuell noch bestehende Rückfallgefahr birgt zudem das Risiko in sich, dass aufgrund neuer Straftaten eine erneute und insgesamt deutlich längere Freiheitsbeschränkung erfolgt, welche mittels adäquater Behandlung hätte verhindert werden können. Mit der Vorinstanz ist der Straf- und Massnahmenvollzug darauf hinzuweisen, dass die weitere Verlängerung der Massnahme nun, da die medikamentöse Behandlungsmöglichkeit geklärt ist, dazu genutzt werden muss, Unterstützungsstrukturen in der Freiheit vorzubereiten. Das Appellationsgericht erachtet die Verlängerung der stationären psychiatrischen Massnahme um zwei Jahre nach dem Gesagten nicht als eine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers.


7.

7.1 Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde von A____ abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat er im Grundsatz die ordentlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 426 Abs. 1 StPO bzw. Art.428 Abs. 1 StPO). Indes hat er um unentgeltliche Rechtspflege ersucht.


7.2

7.2.1 Der verfassungsrechtliche Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 29 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV, SR 101) und Art. 6 Ziff. 3 lit. c der Euro-päischen Menschenrechtskonvention (EMRK, SR 0.101) gewährleistet jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation den tatsächlichen Zugang zum Gerichtsverfahren sowie eine effektive und sachkundige Wahrung seiner Rechte (BGE 139 I 138 E.4.2 S.144). Die genannten Bestimmungen verpflichten den Staat aber nicht, endgültig auf die Rückzahlung von Leistungen zu verzichten, die dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege gewährt worden sind (BGE 135 I 91 E.2.4.2 S. 95 ff.). Der verfassungsmässig garantierte Anspruch umfasst nicht auch das Recht, von Verfahrens- oder Vertretungskosten generell befreit zu werden (BGE110 Ia 87 E.4 S.90). Der aus Art.29 Abs.3 BV abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege kann sich deshalb von vornherein nur auf die (einstweilige) Befreiung von Kosten beziehen, welche den Zugang zum Verfahren beschränken oder erschweren. Dazu zählt in erster Linie die Verpflichtung zur Leistung von Kostenvorschüssen oder anderer Sicherheitsleistungen, die vom Gesetz im Hinblick auf die weitere Durchführung des Verfahrens vorgesehen sind. Ist das Verfahren bzw. das Rechtsmittelverfahren abgeschlossen, steht Art. 29 Abs. 3 BV einer Kostenauflage nicht entgegen.


7.2.2 Diesen Überlegungen folgt auch die Strafprozessordnung. Während die Privatklägerschaft zu Sicherheitsleistungen verpflichtet werden kann (für Beweiserhebungen im Zusammenhang mit Zivilklagen [Art. 313 Abs. 2 StPO] oder Gutachten [Art. 184 Abs. 7 StPO], für das Rechtsmittelverfahren [Art. 383 Abs. 1 StPO] oder für die durch die Anträge zum Zivilpunkt verursachten Aufwendungen [Art. 125 StPO]), trifft die beschuldigte Person in keinem Stadium des Verfahrens eine Vorschusspflicht. Für die amtliche Verteidigung konkretisiert Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO den verfassungsmässigen Grundsatz und sieht vor, dass die beschuldigte Person, welche zu den Verfahrenskosten verurteilt wird, zur Rückzahlung der vom Staat geleisteten Entschädigung verpflichtet ist, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben. Nachdem Art.29 Abs.3 BV keine definitive Befreiung von Kosten garantiert, können die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in Anwendung von Art. 428 Abs. 1 StPO daher auch dann auferlegt werden, wenn die Voraussetzungen zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegeben sind (BGer 6B_847/2017 vom 7. Februar 2018 E. 5).


7.3 Nach dem Gesagten trägt der unterliegende Beschwerdeführer gestützt auf Art. 426 Abs. 1 bzw. Art. 428 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 21 Abs. 2 des Gerichtsgebührenreglements (GGR, SG 154.810) die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr (einschliesslich Auslagen) in Höhe von CHF 1000.-.


7.4

7.4.1 Der amtliche Verteidiger, B____, ist aus der Gerichtskasse zu entschädigen. Der von ihm mit Honorarnote vom 13. November 2019 geltend gemachte Zeitaufwand von knapp neun Stunden (zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer) ist nicht zu beanstanden und entsprechend zu entschädigen (Fotokopien werden im Rahmen der amtlichen Verteidigung praxisgemäss bloss mit CHF0.25 pro Seite vergütet [vgl. dazu AGE SB.2016.119 vom 19. Juni 2019 E. 11.1, SB.2017.63 vom 28.Mai 2019 E. 8.1]). Für den genauen Betrag wird auf das Dispositiv verwiesen.


7.4.2 Der Beschwerdeführer ist nach Art. 135 Abs. 4 StPO verpflichtet, dem Gericht das dem amtlichen Verteidiger entrichtete Honorar zurückzuzahlen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):


://: In Abweisung der Beschwerde wird der Beschluss des Strafdreiergerichts Basel-Stadt vom 5. April 2019 bestätigt und die über A____ angeordnete stationäre psychiatrische Behandlung gestützt auf Art. 59 Abs. 4 des Strafgesetzbuches für die (vorläufige) Dauer von zwei Jahren verlängert.


Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF 1000.- (einschliesslich Auslagen).


Dem amtlichen Verteidiger, B____, wird ein Honorar von CHF1733.35 und ein Auslagenersatz von CHF 19.90, zuzüglich Mehrwertsteuer von insgesamt CHF 135.- (7,7 % auf CHF 1753.25), somit total CHF1888.25, aus der Gerichtskasse zugesprochen. Art. 135 Abs. 4 StPO bleibt vorbehalten.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Amt für Justizvollzug, Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Strafgericht Basel-Stadt

- D____

- C____

- E____

- Strafregister-Informationssystem VOSTRA


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Gabriella Matefi Dr. Beat Jucker

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Die amtliche Verteidigung kann gegen den Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art.135 Abs.3 lit.b der Strafprozessordnung (StPO) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde beim Bundesstrafgericht (Viale Stefano Franscini 7, Postfach 2720, 6501 Bellinzona) erheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014).



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