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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2019.270 (AG.2021.242)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2019.270 (AG.2021.242) vom 16.02.2021 (BS)
Datum:16.02.2021
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Verfahrenseinstellung
Schlagwörter: Beschwerde; Beschwerdeführer; Beschwerdegegner; Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Werden; Amtliche; Advokat; Verfahrens; Honorar; Dezember; Verteidiger; Advokat; Einstellung; Amtlichen; Auslagen; Beschwerdeführers; Insgesamt; Gemäss; Aussagen; Beschwerdeverfahren; Zulasten; Rechtsmittel; Verfügung; Geltend; Zugesprochen; Hinweisen; Einstellungsverfügung
Rechtsnorm: Art. 2 StPO ; Art. 30 StPO ; Art. 319 StPO ; Art. 323 StPO ; Art. 324 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 393 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 48 BGG ;
Referenz BGE:117 Ia 22; 137 I 23; 137 IV 1; 141 I 124; 143 IV 241;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2019.270

BES.2019.271

BES.2019.273

BES.2019.274


ENTSCHEID


vom 16. Februar 2021



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und Gerichtsschreiber Dr. Nicola Inglese




Beteiligte


A____, geb. [...] Beschwerdeführer 1

[...] Beschuldigter 1

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


B____, geb. [...] Beschwerdeführer 2

[...] Beschuldigter 2

vertreten durch [...], Advokat,

[...]

gegen


Staatsanwaltschaft Basel-Stadt Beschwerdegegnerin

Binningerstrasse 21, 4001 Basel


C____, geb. [...] Beschwerdegegner 1

[...] Beschuldigter 3

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


D____, geb. [...] Beschwerdegegner 2

[...] Beschuldigter 4

vertreten durch [...], Advokat,

[...]


Gegenstand


Beschwerde gegen die Verfügungen der Staatsanwaltschaft

vom 16. Dezember 2019


betreffend Verfahrenseinstellung



Sachverhalt


Aufgrund einer gewalttätigen Auseinandersetzung einer Personengruppe vor dem Club «E____» auf dem [...] am 14.April 2019 wurde u.a. gegen A____ und B____ (Beschwerdeführer) sowie C____ und D____ (Beschwerdegegner) ein Strafverfahren wegen Raufhandels eröffnet. Die Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen, dem Zwangsmassnahmengericht vorgeführt und zwischenzeitlich in Untersuchungshaft gebracht. Im April und Mai 2019 fanden diverse Einvernahmen und Konfrontationseinvernahmen statt. Mit Schreiben vom 22.Mai2019 kündigte die Staatsanwaltschaft die Anklageerhebung an und gewährte den Beschuldigten Frist zur Einreichung von Beweisanträgen, welche die Beschwerdeführer mit Eingaben vom 31. Mai 2019 wahrnahmen. Mit Verfügungen vom 16.Dezember 2019 stellte die Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen die Beschwerdegegner mangels hinreichenden Tatverdachts kostenlos ein.


Gegen diese Verfahrenseinstellungen erhoben die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25. bzw. 27. Dezember 2019 Beschwerde am Appellationsgericht und beantragten im Wesentlichen deren Aufhebung. Im Rahmen ihrer Vernehmlassung vom 7.April 2020 beantragte die Staatsanwaltschaft die Gutheissung der Beschwerden. Mit Verfügung vom 9. Juni 2020 kündigte die Verfahrensleiterin mit Frist zur fakultativen Replik und mit der Bitte um Zustellung der Honorarnoten den Abschluss des Schriftenwechsels an. Mit Verfügung vom 30. Juni 2020 bewilligte die Verfahrensleiterin dem Beschwerdegegner 2 die amtliche Verteidigung mit Advokat [...]. Mit Verfügung vom 9.Juli2020 setzte die Verfahrensleiterin Advokat [...] als amtlichen Verteidiger für den Beschwerdegegner 1 ein. Mit Verfügung vom 14. Juli 2020 bewilligte die Verfahrensleiterin dem Beschwerdeführer 2 für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege mit Advokat [...]. Mit Eingabe vom 10.August2020 verzichtete der Beschwerdegegner 1 auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 28. September 2020 beantragte der Beschwerdegegner 2 die Abweisung der Beschwerden. Mit Eingaben vom 21. bzw. 30.November2020 liessen sich die Beschwerdeführer replicando vernehmen. Mit Schreiben vom 28.Dezember 2020 nahm der Beschwerdegegner 2 hierzu triplicando Stellung. Mit Schreiben («Schlussbemerkung») vom 29. Dezember 2020 liess sich der Beschwerdeführer 2 abermals vernehmen. In Bezug auf den genauen Schriftverkehr wird der Vollständigkeit halber auf die Akten in den Verfahren BES.2019.270, BES.2019.271, BES.2019.273 und BES.2019.274 verwiesen.


Die Einzelheiten der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

1.1 Verfahrenseinstellungen der Staatsanwaltschaft können grundsätzlich innert zehn Tagen mit Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art.393 Abs. 1 lit. a sowie Art. 319 in Verbindung mit Art. 322 Abs. 2 der Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]). Zuständiges Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§§ 88 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Ziff. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG; SG 154.100]).


1.2 Zur vereinfachten administrativen Bearbeitung im Interesse der Prozessökonomie und zur besseren Übersicht können die unter verschiedenen Aktenzeichen angelegten Beschwerden BES.2019.270 (Beschwerde des Beschwerdeführers 1 gegen die Einstellungsverfügung vom 16. Dezember 2019 betreffend Beschwerdegegner 1 [VT.2019.9609]), BES.2019.271 (Beschwerde des Beschwerdeführers 1 gegen die Einstellungsverfügung vom 16. Dezember 2019 betreffend Beschwerdegegner 2 [VT.2019.9414]), BES.2019.273 (Beschwerde des Beschwerdeführers 2 gegen die Einstellungsverfügung vom 16. Dezember 2019 betreffend Beschwerdegegner 1 [VT.2019.9609]) und BES.2019.274 (Beschwerde des Beschwerdeführers 2 gegen die Einstellungsverfügung vom 16. Dezember 2019 betreffend Beschwerdegegner 2 [VT.2019.9414]) welche den fast gleichen Streitgegenstand zum Inhalt haben, gemäss Art. 30 StPO zusammengelegt bzw. vereint werden. Dies ist auch im Sinne der betroffenen Beschwerdeführer und Beschwerdegegner.


1.3

1.3.1

1.3.1.1 Die Beschwerdeführer sind im laufenden Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner - wegen des in der vorliegenden Konstellation unübersichtlichen Raufhandels (vgl. unten E. 2.2.2) - Mitbeschuldigte und haben sich als Privatkläger im Straf- und Zivilpunkt konstituiert. Folglich haben sie gemäss Art.104Abs.1lit. a undb i.V.m. Art. 115 und 118 Abs. 1 StPO Parteistellung und sind zur Beschwerde gegen die Einstellungsverfügungen legitimiert.


1.3.1.2 Als Mitbeschuldigte und namentlich als Privatkläger im Straf- und im Zivilpunkt haben sie grundsätzlich auch ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung der Einstellungsverfügungen (Art. 382 Abs. 1 StPO). Zur Beurteilung der Beschwerde nach Art. 393 StPO bedarf es jedoch eines aktuellen Rechtsschutzinteresses der Beschwerdeführer an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. Die Beschwerdeführer müssen also im Zeitpunkt des Rechtsmittelentscheides (noch) beschwert sein (Lieber, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 3.Auflage 2020, Art. 382 N 7 und 13; Schmid/Jositsch, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3.Auflage, Zürich2017, N 1458). Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, wenn das schutzwürdige Interesse schon bei der Beschwerdeeinreichung gefehlt hat. Demgegenüber ist das Verfahren als gegenstandslos abzuschreiben, wenn das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahinfällt (vgl. BGE 137 I 23 E.1.3.1 S. 24 f.; Ziegler/Keller, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art. 382 StPO N 2; Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Diss. Zürich2011, N554; vgl. zum Ganzen AGE BES.2020.109 vom 8. September 2020 E. 1.1; jeweils mit Hinweisen). Im Falle eines Abschreibungsbeschlusses vermag der angefochtene und allenfalls unrichtige staatliche Akt nicht in materielle Rechtskraft zu treten; er entfaltet - anders als bei einem Nichteintretensbeschluss - keine Wirkung mehr (vgl. BGer 2C_140/2012 vom 2. August 2012 E. 3.3).


1.3.2

1.3.2.1 Der Staatsanwaltschaft ist es unbenommen, während eines hängigen Beschwerdeverfahrens auf ihre Verfahrensanordnungen zurückzukommen (OGer ZH UE130103-O vom 24. Januar 2014 E. 3.3, in: ZR 113/2014 S. 28). Eine Wiedererwägung der von ihr angeordneten Entscheide ist grundsätzlich jederzeit möglich (BGer 1B_566/2020 vom 2. Februar 2021 E. 2.2, mit Hinweisen). Bekannt gewordene Wiederaufnahmegründe während der Beschwerdefrist oder während des Beschwerdeverfahrens sind von den Behörden von Amtes wegen zu berücksichtigen. Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, derartige Gründe den Beschwerdeinstanzen zu melden (Landshut, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3.Auflage, Zürich 2020, Art.323 N4; OGer ZH UE130103-O vom 24. Januar 2014 E. 3.3, in: ZR 113/2014 S. 28).


1.3.2.2 Mit den angefochtenen Verfügungen hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren betreffend Raufhandel gegen die Beschwerdegegner zunächst eingestellt. Nach der Beschwerdeerhebung beantragte die Staatsanwaltschaft mit Stellungnahme vom 7. April 2020, dass die Beschwerden gutzuheissen seien, so dass die entsprechenden Verfahren weitergeführt werden könnten. Angesichts dieses Antrags hat sie es als nicht erforderlich erachtet, dem Appellationsgericht die Akten zuzustellen. Mit diesen Ausführungen hat die Staatsanwaltschaft - mit Blick auf die nachstehenden Ausführungen zu Recht (vgl. E. 2) - zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verfahren gegen die Beschwerdegegner fälschlicherweise eingestellt hat. Sie hat damit die angefochtenen Verfügungen implizit in Wiedererwägung gezogen oder zumindest kundgetan, dies zu veranlassen. Die Beschwerdeinstanz ist unter diesen Umständen nicht mehr gehalten, die Beschwerde zu beurteilen.


1.3.2.3 Aus dem Gesagten erhellt, dass mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Gutheissung der Beschwerden das aktuelle Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer dahingefallen ist. Die Beschwerdeverfahren sind daher zufolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerden als erledigt abzuschreiben. Da die Einstellungsverfügungen nicht rechtskräftig sind und auch mit vorliegendem Abschreibungsbeschluss nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. oben E. 1.3.1.2 in fine), ist der guten Ordnung darauf hinzuweisen, dass die entsprechenden Wiedererwägungen im Sinne von Art.309 Abs. 3 StPO nicht anfechtbar sind (vgl. Grädel/Heiniger, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art. 323 StPO N 22).


2.

Damit bleibt ausschliesslich über die Kosten und die Entschädigungen des Beschwerdeverfahrens zu befinden.


2.1 Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens von den Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens zu tragen. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht. Wird ein Rechtsmittelverfahren aus Gründen gegenstandslos, die erst nach Ergreifen des Rechtsmittels eingetreten sind, ist über die Verfahrenskosten mit summarischer Begründung auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden. Bei der Beurteilung der Kostenfolgen ist in erster Line auf den mutmasslichen Ausgang des Verfahrens abzustellen, ohne unter Verursachung weiterer Umtriebe die Prozessaussichten im Einzelnen zu prüfen. Dabei soll es bei einer knappen Beurteilung der Aktenlage sein Bewenden haben. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (vgl. AGE HB.2019.31 vom 28. Mai 2019 E.2.1, HB.2015.13 vom 1. April 2015 E. 2; BGer 6B.109/2010 vom 22. Februar 2011 E.4.1; Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, in: BBl 2006 S.1328; Domeisen, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art. 428 StPO N 14). Lässt sich dieser im konkreten Fall nicht feststellen, so sind allgemeine prozessrechtliche Kriterien heranzuziehen. Danach wird jene Partei kostenpflichtig, welche das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder in welcher die Gründe eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass der Prozess gegenstandslos geworden ist (vgl. AGE BES.2020.84 vom 20. Mai 2020 E. 2.1, BES.2018.22 vom 5.Dezember2018 E. 2.1).


2.2 Streitgegenstand bildete vorliegend die Frage, ob die Staatsanwaltschaft berechtigt war, die Verfahren gegen die Beschwerdegegner einzustellen.


2.2.1 Gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens, wenn (lit.a) kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt, (lit.b) kein Straftatbestand erfüllt ist, (lit.c) Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen, (lit.d) Prozessvoraussetzungen definitiv nicht erfüllt werden können oder Prozesshindernisse aufgetreten sind oder (lit.e) nach gesetzlicher Vorschrift auf Strafverfolgung oder Bestrafung verzichtet werden kann. Die Staatsanwaltschaft hat sich beim Entscheid über eine Einstellung des Verfahrens in Zurückhaltung zu üben. In Beachtung des ungeschriebenen, sich aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV, SR 101] und Art. 2 Abs. 1 StPO) sowie indirekt aus Art. 319 i.V.m. Art. 324 Abs. 1 StPO ergebenden Grundsatzes «in dubio pro duriore» ist das Verfahren im Zweifelsfall weiterzuführen und an das Gericht zu überweisen. Der Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1 S. 243, 138 IV 186 E. 4 S. 191 ff.; AGEBES.2020.75 vom 23. Dezember 2020 E. 3.1, BES.2020.38 vom 18. Mai 2020 E. 2.1, BES.2019.131 vom 14.August 2019 E.2.1; jeweils mit Hinweisen). Dabei ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Situationen, in welchen sich gegensätzliche Aussagen gegenüberstehen und es nicht möglich ist, die einzelnen Aussagen als glaubhafter oder weniger glaubhaft zu bewerten, nach dem Grundsatz «in dubio pro duriore» in der Regel Anklage zu erheben ist (vgl. BGE 143 IV 241 E. 2.2.2 S. 243). Hintergrund bildet der Umstand, dass die Aussagen in der Regel vom urteilenden Gericht, nicht der Staatsanwaltschaft, zu würdigen sind. Wie das Sachgericht die erhobenen Beweise würdigt, kann die Staatsanwaltschaft nicht vorhersehen, zumal sie keine verbindliche Beweiswürdigung vornimmt (vgl. AGE BES.2019.95 vom 25. September 2019 E. 3.2, mit Hinweisen).


2.2.2 In sachverhaltlicher Hinsicht lag den eingestellten Verfahren eine Massenschlägerei vor dem Club «E____» auf dem [...] in den Morgenstunden des 14.April2019 zu Grunde, wobei aus den vorliegenden Akten hervorgeht, dass es mehrere Verletzte gab. Die Kantonspolizei rückte dorthin aus, nachdem der Beschwerdeführer 1 diese um 3:30 Uhr über die Einsatzzentrale darüber informiert hatte, dass der Beschwerdeführer 2, sein Bruder, mit einem Messer am Hals verletzt worden sei und am Hals und am rechten Bein stark blutete. Der Beschwerdeführer 2 musste deshalb mit der Sanität ins Kantonsspital gebracht werden. Er wies am Hals rechts eine 15 cm lange Schnittverletzung auf. Ferner fanden sich am linken Oberschenkel auf der Höhe der Leiste zwei Stichverletzungen sowie diverse Schnittverletzungen am linken Unterarm in Richtung Finger verlaufend. Die Knie wiesen diverse Schürfungen und die Schulter eine Bissverletzung auf. Kurz zuvor war auch F____, ein Bruder der Beschwerdegegner, mit Stichverletzungen am rechten Daumen und Schnittverletzungen am rechten Unterschenkel ins Kantonsspital verbracht worden. Der Beschwerdeführer 1 seinerseits wies am linken Auge sowie am Oberkörper diverse Hämatome von stumpfer Gewalt auf. Der Beschwerdegegner 2 hatte kleine Verletzungen an den Fingerkuppen. Unbestritten ist zudem, dass die Beschwerdeführer das Lokal verlassen hatten, als es draussen zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit F____ und weiteren Personen gekommen ist. Da die Aussagen der Beteiligten stark divergieren, war unklar, wie es zu der Auseinandersetzung vor dem Club gekommen ist, wie diese genau abgelaufen ist, wer wen zuerst provoziert und angegriffen und wer zuerst ein Messer ins Spiel gebracht hatte. Die Beschwerdeführer haben dabei im Zuge ihrer Befragungen im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beschwerdegegner und ihr Bruder mit weiteren Beteiligten tätlich auf sie eingewirkt hätten, wobei F____ derjenige gewesen sei, welcher ein Messer bei sich trug und dieses tatkräftig, namentlich gegen den Beschwerdeführer 2, eingesetzt habe.


Aufgrund der bei den beiden Beschwerdeführern festgestellten Verletzungen und aufgrund der die Beschwerdegegner konkret belastenden und nicht per se unglaubwürdigen Aussagen der Beschwerdeführer hätte das Verfahren gegen die beiden mitbeteiligten Beschwerdegegner in diesem Stadium der Untersuchung nicht eingestellt werden dürfen, zumal von den Rechtsvertretern der Beschwerdeführer verschiedene Beweisanträge gestellt wurden, die von der Staatsanwaltschaft offenbar weder behandelt, geschweige denn umgesetzt worden sind. Was die Aussagen der Beteiligten und die Verdachtslage angeht, kann auf die Ausführungen der Beschwerdeführer verwiesen werden. Demnach war etwa zu beachten, dass F____ und die Beschwerdegegner, seine Brüder, zumindest ihre Anwesenheit vor Ort in der Tatnacht bestätigt haben (vgl. Einvernahmeprotokolle vom 15., 24. und 25. April 2019). Schliesslich machte der Beschwerdegegner 1 in seinen Einvernahmen vom 24. und 25. April 2019 betreffend seine Anwesenheit vor Ort in der Tatnacht widersprüchliche Aussagen, was durchaus Einfluss auf dessen Glaubwürdigkeit haben konnte. So machte er zunächst geltend, gar nicht anwesend gewesen zu sein und widerrief in der Folge seine Aussage, wobei er mit dem Beschwerdegegner 2 lediglich schlichtend auf die Auseinandersetzung eingewirkt haben soll. Gestützt darauf steht jedenfalls fest, dass die Aussagen der Beschwerdegegner nicht glaubhafter erscheinen als die Angaben der Beschwerdeführer.


Bei Raufhändelsachverhalten ist eine Einstellung von Verfahren gegen Mitbeteiligte im Übrigen ohnehin nur mit Zurückhaltung anzuordnen. Ein Raufhandel gemäss Art.133Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0) ist eine wechselseitige tätliche Auseinandersetzung von mindestens drei Personen, die den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat. Ein Streit zwischen zwei Personen wird zum Raufhandel, wenn ein Dritter tätlich eingreift. Tätliche Auseinandersetzungen zwischen mehr als zwei Personen sind oft derart unübersichtlich, dass sich nicht nachweisen lässt, wer die Körperverletzung oder den Tod einer Person verursacht hat. Sinn und Zweck von Art.133 StGB ist es gerade, in solchen Situationen zu verhindern, dass die Verantwortlichen straflos bleiben. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten ist bereits die Beteiligung am Raufhandel unter Strafe gestellt. Es handelt sich beim Raufhandel mithin um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, obschon ein Erfolg eintreten muss. Dieser Verletzungserfolg ist objektive Strafbarkeitsbedingung (BGE 137 IV 1 E. 4.2.2 S.3 f.; AGE SB.2018.79 vom 20. November 2020 E. 4.1, BES.2020.71 vom 21.April2020 E. 2.4; jeweils mit Hinweisen). Die Sachverhaltsfeststellung obliegt grundsätzlich dem urteilenden Gericht. Zu beachten ist weiter, dass hier eine «Aussage gegen Aussage»-Situation vorlag, die vom Sachgericht zu beurteilen ist. Die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanz dürfen der Beweiswürdigung durch das Sachgericht bei einer unklaren Beweislage nicht vorgreifen (vgl. BGE 143 IV 241 E. 2.2.2 S. 243; BGer 6B_698/2016 vom 10. April 2017 E. 2.4.3). Der Einwand des Beschwerdegegners 2, wonach in casu keine Indizienkette vorliege, zielt damit ins Leere. Eine Ausnahme besteht allenfalls dann, wenn die Ermittlungen klar und eindeutig ergeben, dass eine Person ausschliesslich abgewehrt oder die Streitenden getrennt hat. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr standen nach dem damaligen Ermittlungsstand die Aussagen der Beschwerdeführer den Aussagen der Beschwerdegegner gegenüber, sodass sich eine gemeinsame Anklage geradezu aufgedrängt hatte.


2.2.3 Zusammengefasst bestanden im Zeitpunkt der Einstellungen genug personenbezogene Verdachtsgründe gegen die Beschwerdegegner, um das Verfahren gegen diese in dubio pro duriore fortzuführen, gemeinsam mit den Verfahren gegen die Beschwerdeführer zur Anklage zu bringen und die Würdigung des Sachverhalts dem Sachgericht zu überlassen. Dies hat die Staatsanwaltschaft nachträglich selber eingesehen. Unklar bleibt, was den verfahrensleitenden Staatsanwalt zwischenzeitlich dazu verleiten liess, im offensichtlichen Widerspruch zu seinen Ankündigungen im Mai 2019, das Strafverfahren gegen die Beschwerdegegner plötzlich einzustellen. Dieser hat mit seinem nicht nachvollziehbaren Zickzack-Kurs und seiner chaotischen Aktenführung - die Akten wiesen weder ein Verzeichnis auf, noch waren sie paginiert - die alleinige Ursache für das Beschwerdeverfahren gesetzt.

2.3 Nach dem Gesagten wären die Beschwerden im Lichte einer summarischen Prüfung mutmasslich gutgeheissen worden. Der Aufwand für das Verfahren ist vollumfänglich von der Staatsanwaltschaft zu verantworten. Deshalb gehen die Kosten gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO zulasten des Staates und rechtfertigt es sich, den Beschwerdeführern und den Beschwerdegegnern in (analoger) Anwendung von Art.436 Abs. 1 und 3 StPO eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Rechtsmittelverfahren zu Lasten der Staatsanwaltschaft zuzusprechen (vgl. AGE BES.2020.75 vom 23. Dezember 2020 E. 6.2.2, BES.2020.134 vom 16.November 2020 E. 4, BES.2020.109 vom 8. September 2020 E. 3.2; jeweils mit Hinweisen).


2.4

2.4.1 Für die Bemessung der Entschädigung des Beschwerdeführers 1 kann auf die Honorarnoten seines Verteidigers [...], Advokat, vom 19. Juni und 30. November 2020 verwiesen werden, mit der ein angemessener Aufwand von 18,7 Stunden nebst Auslagen und MWST geltend gemacht wird. Dem Verteidiger des Beschwerdeführers 1 wird zulasten der Staatsanwaltschaft somit ein Honorar von insgesamt CHF 4'146.80 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


2.4.2 Der geltend gemachte Aufwand des Verteidigers des Beschwerdeführers 2, [...], Advokat, gemäss Honorarnoten vom 22. Juni und 29. Dezember 2020 von insgesamt 45,4 Stunden - wobei in Bezug auf die erste Honorarnote unklar ist, ob er den dortigen Aufwand von 28,8 Stunden «je Verfahren» nicht sogar doppelt veranschlagt hat - erweist sich im Vergleich dazu als offensichtlich unangemessen. Es fällt auf, dass für die Erstellung der Rechtsschriften - obwohl sich letztere gegenüber den Eingaben des Beschwerdeführers 1 im Umfang und in der Substanz nicht hervorheben -, den Kontakt zum Klienten und das Aktenstudium um einiges mehr Zeit beansprucht wird. Dies ist umso weniger gerechtfertigt, als der Rechtsvertreter ein amtliches Mandat ausübt, der Sachverhalt sich nicht als derart komplex erwies und er spätestens mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft hätte erkennen können, dass das Rechtsschutzbedürfnis stark relativiert war. Vom Staat entschädigt werden müssen im Rahmen eines amtlichen Mandats namentlich nur jene Bemühungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen, und die notwendig und verhältnismässig sind. Obwohl die Entschädigung des amtlichen Anwalts gesamthaft gesehen angemessen sein muss, darf sie tiefer angesetzt werden als bei einem privaten Rechtsanwalt. Sie ist so zu bemessen, dass es den Rechtsanwälten möglich ist, einen bescheidenen - nicht bloss symbolischen - Verdienst zu erzielen (BGE 141 I 124 E. 3.1 S. 126, 132 I 201 E. 8.6 S. 217, 120 Ia 48 E. 2b/bb S. 51; BStGer BB.2020.90 vom 15. Oktober 2020 E. 3.3; vgl. zum Ganzen eingehend AGE BES.2020.143 vom 27. November 2020 E.2.1.1). Praxisgemäss steht der Behörde, welche die Vergütung auszurichten hat, bei der Festsetzung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsvertreters ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 141 IV I 124 E. 3.2 S. 126, 122 I 1 E. 3a S. 2, 118 Ia 133 E. 2d S. 136). Im Rahmen des Ermessens sind die Natur und Wichtigkeit der Sache, deren Schwierigkeit in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, der Umfang der zu bearbeitenden Akten, die Zahl der Besprechungen und Verhandlungen, an denen die Anwältin oder der Anwalt teilgenommen hat, sowie die Last der Verantwortung, die mit dem Mandat verbunden ist, in Anschlag zu bringen (vgl. BGE 117 Ia 22 E. 3a S. 22 f., mit Hinweisen). Vorliegend erweist sich ein Aufwand von 25 Stunden noch als angemessen. Dieser wird bei beantragter amtlicher Verteidigung unabhängig vom Verfahrensausgang unbestrittenermassen zum amtlichen Tarif von CHF 200.-, einschliesslich der geltend gemachten Auslagen von insgesamt CHF 212.05, zuzüglich 7,7 % MWST, entschädigt (vgl. AGE BES.2020.105 vom 14. August 2020 E. 3, mit Hinweisen). Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers 2 wird zulasten der Staatsanwaltschaft somit ein Honorar von insgesamt CHF 5'613.40 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


2.4.3 Der Verteidiger des Beschwerdegegners 1, [...], Advokat, macht mit Leistungsverzeichnis vom 10. August 2020 einen angemessenen Aufwand von 6,5 Stunden geltend, der zum amtlichen Tarif von CHF 200.-, zuzüglich 7,7 % MWST, zu entschädigen ist. Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 1 wird zulasten der Staatsanwaltschaft somit ein Honorar von insgesamt CHF1'400.10 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.

2.4.4 Der Verteidiger des Beschwerdegegners 2, [...], Advokat, macht mit Honorarnoten vom 19. Juni, 28. September und 28. Dezember 2020 einen Aufwand von insgesamt 13,44 Stunden geltend, was noch knapp als angemessen betrachtet werden kann. Dieser ist ihm aber angesichts der bewilligten unentgeltlichen Vertretung ebenfalls nur in der Höhe des amtlichen Tarifs von CHF 200.- zu entschädigen. Sodann sind in Bezug auf die geltend gemachten Auslagen die 155Kopiaturen praxisgemäss lediglich zu CHF 0.25 pro Stück zu erstatten. Daraus ergibt sich zusammen mit den übrigen Auslagen ein Betrag von CHF 90.35. Hinzu kommt die MWST von 7,7 %. Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 2 wird zulasten der Staatsanwaltschaft somit ein Honorar von insgesamt CHF 2'992.30 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Die Beschwerdeverfahren BES.2019.270, BES.2019.271, BES.2019.273 und BES.2019.274 werden vereinigt.


Die Beschwerdeverfahren werden zufolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerden als erledigt abgeschrieben.


Für die Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben.


Dem Verteidiger des Beschwerdeführers 1, [...], Advokat, wird zulasten der Staatsanwaltschaft ein Honorar von insgesamt CHF4'146.80 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdeführers 2, [...], Advokat, wird zulasten der Staatsanwaltschaft ein Honorar von insgesamt CHF 5'613.40 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 1, [...], Advokat, wird zulasten der Staatsanwaltschaft ein Honorar von insgesamt CHF 1'400.10 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


Dem amtlichen Verteidiger des Beschwerdegegners 2, [...], Advokat, wird zulasten der Staatsanwaltschaft ein Honorar von insgesamt CHF 2'992.30 (inkl. MWST und Auslagen) zugesprochen.


Mitteilung an:

- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

- Beschwerdeführer 1

- Beschwerdeführer 2

- Beschwerdegegner 1

- Beschwerdegegner 2


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der Gerichtsschreiber

lic. iur. Liselotte Henz Dr. Nicola Inglese

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.


Die amtliche Verteidigung und die unentgeltliche Vertretung der Privatklägerschaft können gegen einen allfälligen Entscheid betreffend ihre Entschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren gemäss Art. 135 Abs. 3 lit. b der Strafprozessordnung (StPO) innert 10 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde beim Bundesstrafgericht (Viale Stefano Franscini 7, Postfach 2720, 6501 Bellinzona) erheben (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_360/2014 vom 30. Oktober 2014).



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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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