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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:BES.2018.79 (AG.2018.460)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid BES.2018.79 (AG.2018.460) vom 04.06.2018 (BS)
Datum:04.06.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Einsprache als zurückgezogen abgeschrieben (BGer 6B_785/2018 vom 15. Oktober 2018)
Schlagwörter: Schwer; Beschwerde; Gerichts; Beschwerdeführer; Strafgericht; Gerichtssaal; Weibel; Einzelgericht; Verhandlung; Tasche; Werden; Strafgerichts; Gemäss; Einsprache; Basel-Stadt; Verfahrens; Seiner; Weisung; Abschreibung; Hauptverhandlung; Appellationsgericht; Verfügung; Strafbefehl; Ordnung; Strafsachen; Können; Staatsanwaltschaft; Schuldig; Vorliegend; April
Rechtsnorm: Art. 393 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 48 BGG ; Art. 63 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

Einzelgericht



BES.2018.79


ENTSCHEID


vom 4. Juni 2018



Mitwirkende


lic. iur. Liselotte Henz

und a.o. Gerichtsschreiber MLaw Claudio Frick




Beteiligte


A____, [...] Beschwerdeführer

[...] Beschuldigter

gegen


Einzelgericht in Strafsachen Beschwerdegegner

Schützenmattstrasse20, 4009Basel

Staatsanwaltschaft Basel-Stadt

Binningerstrasse 21, 4001 Basel



Gegenstand


Beschwerde gegen eine Verfügung des Einzelgerichts in Strafsachen

vom 17. April 2018


betreffend Abschreibung des Verfahrens infolge Nichterscheinen an Hauptverhandlung


Sachverhalt


Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt vom 15. Dezember 2017 wurde A____ (nachfolgend Beschwerdeführer) unter Auferlegung der Verfahrenskosten in der Höhe von CHF 205.30 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln mit CHF40.- gebüsst (Art. 90 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes [SVG, SR741.01]).


Gegen den Strafbefehl erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2.Januar 2018 Einsprache. Da die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl festhielt, wurde die Einsprache zuständigkeitshalber ans Strafgericht Basel-Stadt überwiesen. Die Verhandlung wurde sodann mit Vorladungsschreiben vom 12. März 2018 auf den 17.April 2018 angesetzt. Mit Verfügung vom 17.April 2018 hat das Einzelgericht in Strafsachen die Einsprache gegen den Strafbefehl gemäss Art.356 Abs.4 StPO als zurückgezogen abgeschrieben. Gegen diese Verfügung hat der Beschwerdeführer zwei identische Schreiben vom 26.April 2018 beim Appellationsgericht und beim Strafgericht Basel-Stadt eingereicht. Am 2. Mai 2018 überwies das Strafgericht die Eingabe noch zuständigkeitshalber an das Appellationsgericht Basel-Stadt. Gemäss Verfügung der Verfahrensleiterin des Appellationsgerichts vom 3. Mai 2018 wurden dem Beschwerdeführer aus den Akten des Strafgerichts Kopien der Seiten 193-196 zugestellt.


Der vorliegende Entscheid ist aufgrund der Akten ergangen. Die Einzelheiten des Sachverhalts und der Parteistandpunkte ergeben sich, soweit sie für den Entscheid von Bedeutung sind, aus den nachfolgenden Erwägungen.



Erwägungen


1.

Mit Beschwerde können nach Massgabe von Art.393 Abs.1 lit.b der Strafprozessordnung (StPO, SR312.0) Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte angefochten werden. Beschwerdegericht ist das Appellationsgericht als Einzelgericht (§88 Abs.1 in Verbindung mit Art. 93 Abs.1 Ziff. 1 des baselstädtischen Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG, SG154.100]). Dieses urteilt nach Art. 393 Abs. 2 StPO mit freier Kognition. Die vorliegende Beschwerde ist entsprechend den Erfordernissen von Art. 396 Abs. 1 StPO schriftlich und begründet eingereicht worden. Praxisgemäss sind an die Begründung der Eingaben juristischer Laien keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. AGE BES.2016.109 vom 19.Juli 2016 E. 1.2, BES.2015.86 vom 31. August 2015 E. 3). Auch wenn die als Beschwerde zu qualifizierende Eingabe über weite Teile weitschweifig und nur schwer verständlich ist, legt der Beschwerdeführer aus seiner Sicht sinngemäss dar, dass und weshalb er mit der Abschreibungsverfügung nicht einverstanden ist, was den Anforderungen einer Laienbeschwerde genügt.


Als Folge der Abschreibung des Strafverfahrens ES.2018.58 erwüchse der Strafbefehl vom 15. Dezember 2017, mit welchem der Beschwerdeführer der einfachen Verkehrsregelverletzung schuldig erklärt wurde, in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer hat somit ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung, weshalb er zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist (Art.382 Abs.1StPO). Auf die frist- und formgerechte Beschwerde ist somit einzutreten.


2.

2.1 Das Strafgericht stützt seine Abschreibungsverfügung auf die Anwendung der Rückzugsfiktion gemäss Art.356 Abs.4 StPO. Diese Bestimmung besagt, dass eine Einsprache als zurückgezogen gilt, wenn die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich nicht vertreten lässt.


2.2 Der Beschwerdeführer wurde am 12. März 2018 schriftlich an die Verhandlung vor dem Einzelgericht vorgeladen und holte die Vorladung am 14.März 2018 auch persönlich am Postschalter ab (Akten S. 141). Laut Verhandlungsprotokoll vom 17.April 2018 meldete der Weibel, dass der Beschwerdeführer wieder gegangen sei, als ihm beschieden wurde, dass er seine Tasche am Eingang deponieren müsse (AktenS. 196). Das Einzelgericht stellte darauf die Abwesenheit des Beschwerdeführers fest und verfügte die Abschreibung der Einsprache gemäss Art.356 Abs. 4 StPO.


2.3 Der Beschwerdeführer wendet dagegen sinngemäss ein, es sei falsch anzunehmen, dass er der Hauptverhandlung am 17. April 2018 aus freiem Willen fernblieb. Vielmehr sei er nach einer Anweisung des Gerichtspräsidenten B____ und den Weibeln des Gerichts nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Die Verweigerung der Zulassung zur Hauptverhandlung durch die Gerichtsweibel sei willkürlich und diskriminierend erfolgt und zwar aufgrund seiner fehlenden Bereitschaft, seine Tasche an der Eingangspforte abzugeben. Besagte Tasche sei bei seinen früheren Besuchen im Gebäude des Strafgerichts Basel-Stadt noch nie ein Beanstandungsgrund gewesen.


2.4 Gemäss Aktennotiz des zuständigen Weibels (Akten S. 193) habe der Beschwerdeführer sich bei der Eingangskontrolle geweigert, die Tasche zu deponieren und lediglich mit den Unterlagen in den Gerichtssaal zu gehen. Der zuständige Gerichtspräsident hat diese Weisung auf Anfrage explizit bekräftigt (Verhandlungsprotokoll, Akten S. 196).


2.5 Gemäss §48 GOG gehören zum Gerichtsbetrieb auch die Gerichtsweibel. Ihre Befugnisse werden im Organisationsreglement des Strafgerichts umschrieben. Gemäss §9 des Organisationsreglements des Strafgerichts (SG 154.180) sorgen die Weibel für den Ordnungs- Sicherheits- und Saaldienst im Gerichtsgebäude. Der Weibeldienst hat im Rahmen seiner Aufgaben gegenüber Parteien und dem Publikum Weisungsbefugnis. Für die Gewährleistung, dass beschuldigte Personen keine Mappen oder sonstige Gegenständen, mit welchen sie irgendwelche sicherheitsgefährdenden Objekte oder Aufnahmegeräte in den Gerichtssaal schmuggeln können, sind somit die Weibel verantwortlich. Sie können sich dabei auf das besagte Reglement berufen. Die Anweisung an den Beschwerdeführer, dass er seine Mappe nicht in den Saal mitnehmen dürfe, beruht somit nicht auf einer willkürlichen Schikane seitens des Weibels, sondern auf den im Reglement umschriebenen Obliegenheiten.


Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Weibel wegen der Mappe mit dem zuständigen Strafgerichtspräsidenten Rücksprache gehalten hat und dieser die Lage genau gleich beurteilt hat. Überdies war das Vorgehen in Bezug auf die Mitnahme von allfälligen Mappen und Taschen in den Gerichtssaal auch schon im Jahr 2016 ein Thema, mit welchem sich der Vorsitz des Strafgerichts (Aufsichtsstelle des Weibeldienstes, vgl. GOG § 48) befasst und entschieden hatte, dass Taschen und Mappen nicht in den Gerichtssaal mitgenommen werden dürfen (vgl. Akten S. 194). Der Strafgerichtspräsident sorgt als Verfahrensleiter für Sicherheit, Ruhe und Ordnung während der Verhandlungen (Art. 63 Abs. 1 StPO). Es liegt insoweit auch im Rahmen seiner entsprechenden Kompetenz, die Mitnahme von Mappen und Taschen in den Gerichtssaal zu untersagen.


Vorliegend ist ausserdem angesichts des Tonfalls und des Inhalts der Schreiben des Beschwerdeführers die Befürchtung einer Störung der Gerichtsverhandlung konkret begründet. So führte er in seinem vom 11. April 2018 datierenden Affidavit B____1 S. 8 Ziff. 39 beispielsweise aus: Der B____ ist inkompetent und schwachsinnig, da er unfähig ist die Fiktion der PERSON und das geistig sittliche, beseelte Wesen aus Fleisch und Blut, den lebenden und souveränen Mann :A____ zu unterscheiden (Akten S. 181).


Die Anordnung, die Mappe am Eingang zu deponieren und die darin befindlichen Unterlagen ohne entsprechendes Behältnis in den Gerichtssaal mitzunehmen, stellt ausserdem keine schwerwiegende Massnahme dar und ist geeignet, die Sicherheit und Ordnung im Gerichtssaal während der Verhandlung zu gewährleisten. Denn es kann auf diese Weise sicher verhindert werden, dass beispielsweise gefährliche oder ungebührliche Gegenstände oder Abhörgeräte in den Gerichtssaal befördert werden. Die Weisung ist somit nicht zu beanstanden.


Dass Anwälte einer solchen Weisung nicht unterstehen, ist im Übrigen gerechtfertigt. Sie bedürfen einer Bewilligung zur Berufsausübung und unterstehen einer strengen Disziplinarordnung. Sie würden im Falle, dass sie gefährliche oder unangemessene Gegenstände in den Gerichtssaal schmuggeln, empfindliche Disziplinarmassnahmen bis hin zu einem Berufungsausübungsverbot riskieren.


Ob der Beschwerdeführer, wie er behauptet aber nicht substantiiert, zu anderen Verhandlungen seine Mappe hat mitnehmen können, kann hier offen bleiben, denn es geht vorliegend konkret um die Verhandlung vom 17. April 2018.


3.

Mit anderen Worten hat sich der Weibel in keiner Weise schikanös oder willkürlich gegenüber dem Beschwerdeführer verhalten, sondern er hat sich strikt an seinem Auftrag, im Gerichtssaal für Ruhe und Ordnung zu sorgen, gehalten und die Mitnahme der Mappe zu Recht verweigert. Er hat dabei von seiner Weisungsbefugnis gegenüber den Parteien Gebrauch gemacht und sich auf die Anordnung der Verfahrensleitung gestützt.


Dass der Beschwerdeführer dies als schikanös empfand und deshalb das Gerichtsgebäude offenbar wutentbrannt verlassen hat, anstatt mit dem Papierinhalt seiner Mappe an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen und gegebenenfalls mit einem Rechtsmittel gegen die Weisung vorzugehen, hat er sich selber zuzuschreiben. Sein Verhalten ist als Nichterscheinen zur Hauptverhandlung im Sinne von Art.356 Abs.4 StPO zu qualifizieren. Der Einzelrichter hat somit zu Recht gestützt auf diese Bestimmung die Abschreibung der Einsprache verfügt.


4.

Aus dem Gesagten erhellt, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer dessen Kosten in der Höhe von CHF400.- zu tragen (vgl. § 11 Verordnung über die Gerichtsgebühren [SG154.810]).



Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Einzelgericht):


://: Die Beschwerde wird abgewiesen.


Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens mit einer Gebühr von CHF 400.-.


Mitteilung an:

- Beschwerdeführer

- Strafgericht

- Staatsanwaltschaft


APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT


Die Präsidentin Der a.o. Gerichtsschreiber

lic. iur. Liselotte Henz MLaw Claudio Frick

Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerdeschrift muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht (1000 Lausanne 14) eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung der Schweiz im Ausland übergeben werden (Art. 48 Abs. 1 BGG). Für die Anforderungen an den Inhalt der Beschwerdeschrift wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.



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