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Urteil Appellationsgericht (BS)

Kopfdaten
Kanton:BS
Fallnummer:AUS.2017.85 (AG.2017.758)
Instanz:Appellationsgericht
Abteilung:
Appellationsgericht Entscheid AUS.2017.85 (AG.2017.758) vom 20.11.2017 (BS)
Datum:20.11.2017
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Anordnung der Ausschaffungshaft
Schlagwörter: Migrations; Beurteilte; Migrationsamt; Landes; November; Landesverweisung; Ausschaffung; Ausschaffungshaft; Ausländer; Vollzug; Worden; Anordnung; Werden; Kantons; Bereit; Türkei; Weshalb; Verurteilt; Verbrechens; Genommen; Mündliche; Beurteilten; Haftgrund; Migrationsamtes; Untertauchen; Ausgesprochen; IVm; Vorliegend; Einzelrichter; Basel-Stadt
Rechtsnorm: Art. 49a MStG ; Art. 66a StGB ;
Referenz BGE:128 II 241;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Appellationsgericht

des Kantons Basel-Stadt

als Verwaltungsgericht

Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im
Ausländerrecht


AUS.2017.85


URTEIL


vom 20. November 2017




Beteiligte


Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt,

Spiegelgasse 12, 4001 Basel


gegen


A____, geb. [...], von der Türkei,

zurzeit in Haft im Gefängnis Bässlergut,

Freiburgerstrasse48, 4057Basel


Gegenstand


Verfügung des Migrationsamtes vom 18. November 2017


betreffend Anordnung der Ausschaffungshaft


Sachverhalt


Der aus der Türkei stammende A____ ist im Besitz einer bis zum 26. November 2019 gültigen Niederlassungsbewilligung C des Kantons Bern. Am 19. Oktober2016 wurde er wegen des Verdachts auf Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz in Basel festgenommen; seither befand er sich hier in Haft. Mit Urteil des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 17. November 2017 wurde A____ des gewerbs- und bandenmässigen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig erklärt und verurteilt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Überdies wurde er in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. o des Strafgesetzbuches für 5 Jahre des Landes verwiesen. Noch gleichentags wurde A____ zu Handen des Migrationsamtes aus der Sicherheitshaft entlassen. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs verfügte das Migrationsamt eine Ausschaffungshaft von drei Monaten. A____ hat unterschriftlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.



Erwägungen


1.

Gemäss Art. 80 Abs. 2 des Ausländergesetzes (AuG, SR 142.20) sind die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde zu überprüfen, wozu eine Einzelrichterin am Appellationsgericht als Verwaltungsgericht zuständig ist (vgl. § 2 des Gesetzes über den Vollzug der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, SG 122.300). Das Gericht kann auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten, wenn die Ausschaffung voraussichtlich innerhalb von acht Tagen nach der Haftanordnung erfolgen wird und die betroffene Person sich damit schriftlich einverstanden erklärt hat (Art. 80 Abs. 3 AuG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weshalb der Entscheid im schriftlichen Verfahren ergeht.


2.

Seit dem 1. Oktober 2016 kann ein Ausländer nicht nur zur Sicherstellung eines erstinstanzlich ergangenen Wegweisungsentscheids in Haft genommen werden, sondern auch dann, wenn eine erstinstanzliche Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG ausgesprochen worden ist (vgl. Art. 76 Abs. 1 AuG). Vorliegend ist A____ am 17. November 2017 durch das Strafgericht Basel-Stadt zu einer fünfjährigen Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs.1StGB verurteilt worden. Die erste Voraussetzung für die Anordnung von Ausschaffungshaft liegt somit vor.

3.

3.1 Für die Anordnung von Ausschaffungshaft bedarf es nebst dem Wegweisungsentscheid des Vorliegens eines Haftgrundes nach Art. 76 AuG. Ein Ausländer kann insbesondere in Haft genommen werden, wenn er Personen ernsthaft bedroht oder an Leib und Leben erheblich gefährdet und deshalb strafrechtlich verfolgt wird oder verurteilt worden ist (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. g AuG), wenn er wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. h AuG) oder wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er besonderen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG). Dies ist regelmässig der Fall, wenn der Ausländer bereits einmal untergetaucht ist, behördlichen Auflagen keine Folge leistet, hier straffällig geworden ist, durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden zu erschweren versucht oder sonst klar zu erkennen gibt, dass er auf keinen Fall in sein Heimatland zurückzukehren bereit ist (BGE 128 II 241 E. 2.1 S. 243; 125 II 369 E. 3 b/aa S. 375).


3.2 Das gegen den Beurteilten ergangene Strafurteil ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen, weshalb der Haftgrund Verurteilung wegen eines Verbrechens (noch) nicht zur Anwendung gelangen kann. Hingegen beinhaltet der gewerbs- und bandenmässige Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz eine erhebliche Gefährdung von Leib und Leben von Personen, weshalb der Haftgrund von Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. g AuG gegeben ist. Dafür, dass auch Untertauchensgefahr vorliegt, sind in den Akten keine Anhaltspunkte vorhanden. Das Migrationsamt begründet denn auch nicht näher, weshalb trotz der in der Befragung gemachten Äusserung des Beurteilten, schnellstmöglich in die Türkei zurückkehren zu wollen, aufgrund der Schwere des begangenen Verbrechens ein Untertauchen wahrscheinlich erscheine. Dass der Beurteilte seit 2009 in der Schweiz lebt und hier bestens vernetzt ist, könnte ihm zwar ein (vorübergehendes) Untertauchen erleichtern. Nur weil ihm ein solches möglich wäre, heisst das noch nicht, dass die Gefahr auch tatsächlich besteht. Dafür müssen im Einzelfall konkrete Anzeichen vorhanden sein, was vorliegend nicht der Fall ist. Es steht somit fest, dass der Beurteilte einzig den Haftgrund von Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. g AuG erfüllt.


4.

Die Anordnung von Ausschaffungshaft ist nur zulässig, wenn der Vollzug der Wegweisung absehbar erscheint. Diesbezüglich ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Beurteilte ist im Besitz einer bis zum 26. November 2019 gültigen Niederlassungsbewilligung C des Kantons Bern. Die Aussage des Migrationsamtes, wonach mit der gerichtlich ausgesprochenen Landesverweisung jegliche Art von Aufenthaltstitel erlischt, ist nicht ganz korrekt. Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit e AuG erlöschen Bewilligungen erst mit der rechtskräftigen Landesverweisung nach Art. 66a StGB oder Art. 49a MStG. Dass die gegenüber dem Beurteilten ausgesprochene Landesverweisung bereits in Rechtskraft erwachsen sei, macht das Migrationsamt nicht geltend. Eine amtliche Erkundigung der Einzelrichterin bei der Staatsanwaltschaft und bei der Verteidigerin des Beschuldigten im Strafverfahren hat ergeben, dass keine der beiden Parteien das Urteil direkt nach dessen mündlicher Eröffnung angenommen hat. Beide Parteien können deshalb noch Berufung erklären. Wann und ob überhaupt die ausgesprochene Landesverweisung rechtskräftig wird, steht somit zurzeit nicht fest. Vorerst ist der Beurteilte jedenfalls weiterhin im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung und kann nicht aus der Schweiz ausgeschafft werden. Ob unter diesen Umständen der Vollzug absehbar erscheint, ist fraglich, kann aber offenbleiben. Denn es ist festzustellen, dass die Anordnung von Haft auch unverhältnismässig ist. Das Migrationsamt ist in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Meinung, dass eine regelmässige Meldepflicht als mildere Massnahme für die Sicherstellung des Vollzugs der Landesverweisung nicht zweckdienlich erscheint. Wie bereits dargelegt worden ist, ist vorliegend eine Untertauchensgefahr nicht genügend nachgewiesen. Auch in der Befragung des Migrationsamtes hat sich der Beurteilte nicht gegen seine Rückkehr in die Türkei gestellt, sondern ausgeführt, im Falle einer Freilassung würde er in die Türkei gehen, was solle er sonst machen? Er sei bereit, am 22. November 2017 mit dem für ihn gebuchten Flug zu reisen, brauche aber dringend seinen Nüfus und Effekten, die er bei [...] in Deutschland zurückgelassen habe. Bei dieser Situation ist davon auszugehen, dass eine Inhaftierung des Beurteilten nicht notwendig ist, um den Vollzug der Landesverweisung sicherzustellen, sondern dass eine regelmässige Meldepflicht genügt. Ob der Beurteilte tatsächlich am 22. November 2017 die Schweiz verlässt oder ob er es vorzieht, erst bei Rechtskraft der Landesverweisung, welche zur Erlöschung der Niederlassungsbewilligung führt, auszureisen, bleibt ihm überlassen. Jedenfalls könnte ihm ein Nichtantritt der durch das Migrationsamt für den 22. November 2017 organisierten Reise nicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgelegt werden, da er vorerst gar keine Pflicht zur Ausreise hat.


5.

Nach dem Gesagten erweist sich die Anordnung von Ausschaffungshaft als unzulässig , weshalb der Beurteilte aus der Haft zu entlassen ist. Bei dieser Situation erübrigt es sich, die Dauer der verfügten Haft von drei Monaten auf das im vorliegenden Fall (Verzicht auf mündliche Verhandlung) mögliche Mass von 12 Tagen zu kürzen (vgl. dazu statt vieler AGE AUS.2016.91 vom 7. November 2016).



Demgemäss erkennt die Einzelrichterin:


://: Die über A____ angeordnete Ausschaffungshaft ist unzulässig. A____ ist aus der Haft zu entlassen.


Es werden keine Kosten erhoben.


Mitteilung an:

- Migrationsamt

- A____

- Staatssekretariat für Migrations


VERWALTUNGSGERICHT BASEL-STADT


Die Gerichtsschreiberin

lic. iur. Saskia Schärer



Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Diese ist mit einem Antrag und einer Begründung zu versehen. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.



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