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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:UH150091
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:III. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid UH150091 vom 22.05.2015 (ZH)
Datum:22.05.2015
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Psychiatrische Begutachtung
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Akten; Verfahren; Gutachten; Gutachter; Staatsanwaltschaft; Akten; Gericht; Gutachtensauftrag; Ufbewahrung; Person; Begutachtung; Aufbewahrung; Recht; Schuldig; Archiv; Unschuldsvermutung; Bundesgericht; Hinweis; Beschwerdeführers; Verfahrens; Vorakten; Verfügung; Verletzung; Frist; Informationen; Rechtliche; Kanton; Verwaltung
Rechtsnorm: Art. 10 StPO ; Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 184 StPO ; Art. 185 StPO ; Art. 29 BV ; Art. 32 BV ; Art. 369 StGB ; Art. 421 StPO ;
Referenz BGE:120 Ia 147; 120 V 357; 135 I 71; 135 IV 87;
Kommentar zugewiesen:
BAERISWYL, Praxiskommentar zum Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Zürich IDG, Zürich, 2012
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: UH150091-O/U/HON

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Th. Meyer, Präsident, Oberrichterin

lic. iur. F. Schorta und Ersatzoberrichter lic. iur. A. Schärer sowie Gerichtsschreiber lic. iur. S. Betschmann

Beschluss vom 22. Mai 2015

in Sachen

A. ,

Beschwerdeführer

amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

gegen

Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl,

Beschwerdegegnerin

betreffend psychiatrische Begutachtung

Beschwerde gegen den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 13. März 2015, GAST3/2014/131104502

Erwägungen:

I.
  1. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt eine Strafuntersuchung gegen A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs (vgl. Urk. 9). Mit Verfügung vom 13. März 2015 ernannte die Staatsanwaltschaft Dr. med. B. zum sachverständigen Gutachter und erteilte ihm

    den Auftrag zur psychiatrischen Begutachtung des Beschwerdeführers (Urk. 3/1 = Urk. 5). Aus den Untersuchungsakten geht nicht hervor, wann diese Verfügung dem Beschwerdeführer zugestellt wurde; es ist deshalb auf dessen Angabe, er habe die Verfügung am 18. März 2015 in Empfang genommen, abzustellen.

  2. Mit Eingabe vom 27. März 2015 erhob der Beschwerdeführer gegen die Verfügung innert Frist Beschwerde und stellte folgende Anträge (Urk. 2 S. 2):

    1. Die Anordnung der psychiatrischen Begutachtung des Beschwerdeführers sei aufzuheben;

    1. Die Gerichtskosten sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung seien auf die Gerichtskasse zu nehmen;

    2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird beantragt, der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.

      Mit Verfügung vom 31. März 2015 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen und der Staatsanwaltschaft Frist zur Stellungnahme und Einreichung der Akten angesetzt (Urk. 6), worauf diese mit Eingabe vom 8. April 2015 die Abweisung der Beschwerde unter Kostenauflage beantragte und die Akten einreichte (Urk. 8 f.). Am 22. April 2015 reichte der Beschwerdeführer seine Replik ein (Urk. 11). Die Staatsanwaltschaft erklärte mit Schreiben vom 24. April 2015 Verzicht auf Duplik (Urk. 16).

  3. Soweit für die Entscheidfindung erforderlich ist nachfolgend auf die Vorbringen der Parteien einzugehen.

II.
  1. Verletzung rechtliches Gehör (Gutachtensauftrag)

    1. Zusammen mit dem Gutachtensauftrag liess die Staatsanwaltschaft

      Dr. med. B. auch die Untersuchungsakten sowie Vorakten der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und der Jugendanwaltschaft Zürich zukommen. Gleichzeitig wurde der Gutachtensauftrag mit dem besonderen Hinweis an die Parteien, dass sie berechtigt sind, sich gegenüber der Verfahrensleitung innert 10 Tagen zur sachverständigen Person und zu den Frage zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen dem Beschwerdeführer resp. dessen Verteidigung zugestellt (vgl. Urk. 3/1 = Urk. 5 S. 4). Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, dem Beschwerdeführer sei im Vorfeld der Bestellung des Gutachters keine Gelegenheit gewährt worden, sich zum Gutachter oder zu den durch den Sachverständigen zu beantwortenden Fragen zu äussern. Die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zulässige nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei lediglich in Einzelfällen vertretbar; im Kanton Zürich sei dieses Vorgehen jedoch Praxis, weshalb es rechtsmissbräuchlich wäre, sich weiterhin auf die Heilungswirkung der nachträglich gewährten Äusserungsmöglichkeit berufen zu können

      (Urk. 2 Ziff. 20 ff.).

    2. Gemäss Art. 184 Abs. 3 StPO gibt die Verfahrensleitung den Parteien vorgängig Gelegenheit, sich zur sachverständigen Person und zu den Fragen zu äussern und dazu eigene Anträge zu stellen. Die Strafprozessordnung geht damit weiter, als aus dem übergeordneten Recht abgeleitet werden kann, denn nach konstanter Praxis des Bundesgerichts gewährt Art. 29 Abs. 2 BV keinen entsprechenden Anspruch der Parteien (vgl. HEER, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N 21 zu Art. 184 mit Hinweisen). Das Bundesgericht brachte indessen für den Fall, dass der Betroffene vor Erteilung des Gutachtensauftrags keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur Person des Gutachters und zur konkreten Fragestellung erhalten hatte, zum Ausdruck, dass ein allfälliger Mangel mit einer Orientierung der Parteien zusammen mit der Zustellung des Gutachtensauftrages und der nachfolgenden Gelegenheit zu Einwendungen geheilt sei (vgl. Urteil 6B_298/2012 vom 16. Juli 2012 E. 3.3 und BGE 120 V 357

      E. 2b und c).

      Vorliegend wurde der Beschwerdeführer mit der Zustellung des Gutachtensauftrags am 13. März 2015 über die Person des Gutachters und die konkrete Fragestellung orientiert (Urk. 3/1 = Urk. 5). Der Beschwerdeführer erhielt somit noch vor der vorgesehenen Begutachtung Kenntnis von der Person des Gutachters und hatte die Gelegenheit, entsprechende Einwendungen zu erheben, was er auch tat. Eine allfällige Verletzung von Art. 184 Abs. 3 StPO hat daher als geheilt zu gelten.

      Daran vermag die Kritik des Beschwerdeführers an dieser Praxis nichts zu ändern. Einerseits hat das Bundesgericht die vorerwähnte Rechtsprechung nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern ist diese grundsätzlicher Natur. Andererseits ist vorliegend einzig die angefochtene Verfügung (und nicht eine allfällige generelle Praxis der Staatsanwaltschaften im Kanton Zürich) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Schliesslich bleibt die Beschwerde auch insofern ohne Substanz, als der Beschwerdeführer weder mit Bezug auf die Person des Gutachters noch auf die Fragestellung konkrete Anträge stellt. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als erfolglos.

  2. Verletzung der Unschuldsvermutung

    1. Der Beschwerdeführer rügt weiter, dass dem Gutachter die Vorakten der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland mit der Geschäftsnummer 2004/2478 weitergeleitet worden seien, obwohl diese ein rechtskräftig eingestelltes Verfahren betreffen würden. Der Beizug dieser Akten und die Weiterleitung derselben an den Gutachter verstosse gegen die Unschuldsvermutung gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 10 Abs. 1 StPO. Als Verletzung der Unschuldsvermutung sei sodann auch die explizite Erwähnung dieses eingestellten Verfahrens im Gutachtensauftrag zu qualifizieren, insbesondere der Hinweis, wonach das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren wegen der Rückzüge der Strafanträge eingestellt worden sei, was unweigerlich den Eindruck aufkommen lasse, dass es zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers gekommen wäre,

      wenn die Geschädigten den Strafantrag nicht zurückgezogen hätten (Urk. 2 Ziff. 23 ff.).

    2. Die verfassungsmässig gewährleistete Unschuldsvermutung schreibt vor, dass jede beschuldigte Person bis zum Nachweis ihrer Schuld als unschuldig zu gelten hat. Dies verbietet es, Massnahmen zu ergreifen und/oder die beschuldigte Person in einer Art und Weise zu behandeln, die dann nicht zu rechtfertigen wäre, wenn sich herausstellen sollte, dass die beschuldigte Person in Tat und Wahrheit unschuldig ist. Daraus abgeleitet wird im Rahmen der Beweiswürdigung der Grundsatz, wonach die Strafbehörden verpflichtet sind, den Nachweis der Schuld zu führen (Beweislastregel), und der Grundsatz in dubio pro reo (Beweiswürdigungsregel). Ausserhalb der Beweiswürdigung folgt aus der Unschuldsvermutung insbesondere, dass das Gericht mit seiner Entscheidbegründung bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung nicht zum Ausdruck bringen darf, es halte die beschuldigte Person für schuldig (WOHLERS, in: DONATSCH/HANSJAKOB/LIEBER, StPO-Komm., 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 10 N 2 ff., insb. N 6, 11

      und 20).

      Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern bereits die Formulierung im Gutachtensauftrag bzw. die Weiterleitung der Vorakten der eingestellten Strafuntersuchung die Unschuldsvermutung verletzen sollte. Der Hinweis im Gutachtensauftrag, wonach die Untersuchung aufgrund der Rückzüge der Strafanträge eingestellt worden sei, ist korrekt und objektiv formuliert. Es sind zudem keine Anzeichen ersichtlich und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht, dass aus den beigezogenen Akten eine strafrechtliche Schuld abgeleitet werden könnte.

      Das Bundesgericht erkannte in BGE 120 Ia 147 E. 3, die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Daten verstosse nicht gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Die Aufbewahrung solcher Daten bedeute bloss, dass gegen die betroffene Person einmal der Verdacht einer strafbaren Handlung bestanden habe. Selbst wenn die archivierten Daten in einem späteren Verfahren wieder verwendet würden, liege darin nur eine Verdachtsäusserung, welche die Unschuldsvermutung nicht verletze. Dies hat mutatis mutandis auch für die Akten einer - wie vorliegend - eingestellten Strafuntersuchung zu gelten.

      Erfahren forensische Psychiater überdies im Rahmen ihrer Exploration von inzwischen aus dem Strafregister entfernten Vorstrafen oder sind ihnen solche aus früheren Behandlungen bekannt, so können sie diese gemäss BGE 135 IV 87

      E. 2.5 bei ihrer Begutachtung nicht ausblenden, ohne ein kunstfehlerbehaftetes

      medizinisches Urteil abzugeben. Die Vorgeschichte eines Exploranden gehört zur notwendigen Grundlage einer Beurteilung der Persönlichkeit des Exploranden und ist in Teilbereichen Bestandteil einer gutachterlichen Einschätzung (vgl. BSK StPO-HEER, a.a.O., N 13 zu Art. 185 StPO mit weiteren Hinweisen). Dies trifft auch vorliegend zu, wo im Rahmen der Begutachtung das Bestehen einer psychischen Störung und der Schuldfähigkeit, aber auch die Frage abgeklärt werden soll, ob aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschuldigten eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit bestehe, dass er weitere Delikte begehe (vgl. Urk. 3/1 S. 2).

      Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist auch nicht davon auszugehen, dass sich der Gutachter durch die Formulierung im Gutachtensauftrag beeinflussen lassen würde. Vielmehr ist es dem Gutachter aufgrund der vollständig beigezogenen Akten möglich, sich ein umfassendes Bild über die früheren Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer sowie die Verfahrenseinstellung zu machen. Der Gutachter wird als Fachperson in der Lage sein, den Hinweis richtig zu interpretieren. Bei dieser Sachlage kann den Vorakten sowie dem Gutachtensauftrag keinerlei Schuldvorwurf entnommen werden, welcher mit den genannten verfassungsrechtlichen Garantien im Widerspruch stehen würde.

  3. Aktena ufbewahrung

    1. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, bereits die Aufbewahrung der Vorakten verstosse gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung gemäss Art. 13 Abs. 2 BV, weshalb in der Folge auch deren Beizug und Weiterleitung an den Gutachter als unzulässig zu qualifizieren sei. § 5 Abs. 2 IDG (Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007; LS 170.4) bestimme, dass wenn das öffentliche Organ Informationen und Findmittel für sein Verwaltungshandeln nicht mehr benötige, es diese noch höchstens zehn Jahre aufbewahren dürfe. Deshalb dürfe nach kantonalem Recht bei abgeschlossenen Verfahren die Strafakten noch maximal zehn Jahre aufbewahrt werden (Urk. 2

      Ziff. 27 ff. und Urk. 11 Ziff. 6).

    2. Es ist folglich zu prüfen, ob die Aufbewahrung der Akten der laut Aktenzeichen in den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004 eröffneten Untersuchungen (vgl. Urk. 5 S. 4) gegen das IDG verstossen hat, und sollte dies der Fall sein, welche Konsequenzen daraus im vorliegenden Fall zu ziehen wären.

      1. Gemäss § 2 Abs. 1 IDG gilt dieses Gesetz für die öffentlichen Organe. Für die Gerichte gilt es nur, soweit sie Verwaltungsaufgaben erfüllen. Massgebend ist die Frage, ob es sich um einen Sachverhalt handelt, der Teil des hängigen Verfahrens ist und deshalb vom Geltungsbereich des IDG ausgeschlossen ist. In den Geltungsbereich des IDG fällt damit die gesamte Personaladministration der Gerichte sowie die Aufbewahrung von Akten (BAERISWYL, in: BAERISWYL/RUDIN, Praxiskommentar zum Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Zürich (IDG), Zürich 2012, § 2 N 6). Damit fallen die vorliegend zu prüfenden Akten der Staatsanwaltschaft bzw. Jugendanwaltschaft ohne Weiteres unter den Geltungsbereich des IDG.

      2. Benötigt das öffentliche Organ Informationen und Findmittel für sein Verwaltungshandeln nicht mehr, so bewahrt es diese gemäss § 5 Abs. 2 IDG noch höchstens zehn Jahre lang auf. Die Regelung des IDG ist eine allgemeine Bestimmung, von der mit bereichsspezifischen Vorschriften abgewichen werden kann. Die Aufbewahrung betrifft den Umgang mit den Informationen im Zwischenstadium zwischen der Verwendung im Verwaltungshandeln und der Archivierung. Solange das öffentliche Organ die Informationen für das Verwaltungshandeln benötigt, beginnt die Frist nicht zu laufen. In Übereinstimmung mit § 8 Abs. 1 Archivgesetz (LS 170.6) sind die Informationen und Findmittel nach Ablauf der Aufbewahrungsdauer gemäss § 5 Abs. 3 IDG dem zuständigen Archiv anzubieten. Eine Archivierung kann auch vor Ablauf der Aufbewahrungsdauer erfolgen. Werden die angebotenen Informationen und Findmittel vom Archiv nicht übernommen, sind sie zu vernichten (BAERISWYL, in: BAERISWYL/RUDIN, a.a.O., § 5 N 11 ff.).

        Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt sich aus § 5 Abs. 2 IDG nicht ableiten, dass die Strafakten abgeschlossener Verfahren grundsätzlich noch maximal zehn Jahre aufbewahrt werden dürfen. Vielmehr bestimmt § 5 Abs. 2 IDG in Übereinstimmung mit § 8 Abs. 1 Archivgesetz lediglich, dass Akten zehn Jahre ab dem Zeitpunkt, ab dem das öffentliche Organ diese nicht mehr benötigt, entweder dem Archiv angeboten oder vernichtet werden müssen. Für die Aktenverwaltung im Jugendstrafverfahren bestimmt die Weisung der Jugendstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 15. März 2010 (A2320_04) in Ziff. 4.1., dass Akten erledigter Verfahren während 15 Jahren separat zu verwalten seien, soweit keine abweichende Bestimmung zutreffe. Gemäss Anhang zur vorerwähnten Weisung stehen die Akten während dieser Zeit der separaten Verwaltung für Wiederaufnahmen, Nachverfahren, Einspracheverfahren, Aktenbeizug, Revisionsverfahren, etc. zur Verfügung. Im Bereich Strafverfolgung Erwachsene gilt eine analoge Regelung (vgl. dazu http://www.staatsanwaltschaften.zh.ch/i nternet/ justiz_inneres/staatsanwaltschaften/de/org_ueber_uns/info_datensch/ infobest.html; abgerufen am 19. Mai 2015). Ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Erledigung eines Verfahrens werden die Strafakten demzufolge durch die Behör- den noch während 15 Jahren für die vorerwähnten Zwecke benötigt, womit die Frist von § 5 Abs. 2 IDG bzw. § 8 Abs. 1 Archivgesetz erst nach deren Verstreichen beginnt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich dabei nicht um eine ungenügende gesetzliche Grundlage zur Aktenaufbewahrung über die Frist von § 5 Abs. 2 IDG hinaus, sondern lediglich um eine Konkretisierung dessen Terminologie (Zeitpunkt, ab dem die Akten nicht mehr benötigt werden).

      3. Die Aufbewahrung der Akten der Jugendund Erwachsenenstrafverfahren verstösst damit nicht gegen das IDG und ist nicht zu beanstanden. Inwiefern deren Aufbewahrung - unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen - darüber hinaus unverhältnismässig sein sollte, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich.

  4. Aktenbeizug

    1. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, aus dem Strafregister gelöschte Vorstrafen dürften nicht unbesehen für eine medizinische Begutachtung herangezogen werden. Insbesondere hätten die jugendstrafrechtlichen Verfahren, welche bereits viele Jahre zurückliegen würden, keinerlei Zusammenhang zum jetzigen Verfahren. Dementsprechend seien diese für eine Begutachtung auch nicht relevant, weshalb deren Weiterleitung auch unter diesem Gesichtspunkt als unzuläs- sig zu beurteilen sei (Urk. 11 Ziff. 7).

    2. Aus dem Umstand, dass den Betroffenen aus dem Strafregister entfernte Verurteilungen durch das Gericht nicht mehr entgegen gehalten werden dürfen, folgt gemäss Bundesgericht nicht, dass medizinische Sachverständige solche Umstände nicht mehr berücksichtigen dürfen. Zumal dem Betroffenen nach der Botschaft bloss keine negativen Rechtsfolgen aus dem entfernten Urteil mehr erwachsen dürfen (BOTSCHAFT vom 21. September 1998, BBl 1999 2167). Wie bereits unter bisheriger Rechtsprechung ist ein Verwertungsverbot in Bezug auf Gutachten abzulehnen. Im Gegensatz zu den Strafbehörden dürfen die medizinischen Gutachter somit aktenkundige Hinweise auf entfernte Strafen und insbesondere frühere Gutachten berücksichtigen. Es ist insofern zwischen (medizinischer) Realprognose und (gerichtlicher) Legalprognose zu unterscheiden. Um eine Umgehung des gerichtlichen Verwertungsverbots gemäss Art. 369 Abs. 7 StGB zu verhindern, muss in der Begutachtung jedoch offengelegt werden, inwiefern die frühere mit der neu zu beurteilenden Delinquenz in Zusammenhang steht (Konnexität) und wie stark sich diese weit zurückliegenden Taten noch auf das gutachterliche Realprognoseurteil auswirkt (Relevanz). So kann auch für die gerichtliche Beurteilung gewährleistet werden, dass allfällige Schlechtprognosen nur im Umfang der noch eingetragenen Vorverurteilungen berücksichtigt werden (BGE 135 IV 87 E. 2.5). Etwas Gegenteiliges lässt sich auch aus dem vom Beschwerdeführer angeführten BGE 135 I 71 E. 2.10 nicht ableiten.

  5. Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl der Beizug der Vorakten durch die Staatsanwaltschaft als auch deren Weiterleitung zusammen mit dem Gutachtensauftrag an Dr. med. B. nicht zu beanstanden sind. Die Beschwerde ist abzuweisen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Verweigerung der Einsicht in die Vorakten geltend macht, ohne konkrete Anträge zu stellen (vgl. Urk. 2 S. 11), und er sich in der Replik dazu nicht mehr äussert, weshalb sich Ausführungen dazu erübrigen.

III.
  1. Angesichts der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls sowie des Zeitaufwands des Gerichts ist die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren auf Fr. 800.- festzusetzen (§ 17 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 GebV OG).

  2. Über die Kostenverteilung sowie die Höhe der Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird durch die Staatsanwaltschaft oder das urteilende Gericht im Rahmen des Endentscheides zu befinden sein (Art. 421 Abs. 1 StPO und Art. 135 Abs. 2 StPO).

Es wird beschlossen:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf Fr. 800.- festgesetzt.

  3. Der Entscheid über die Kostenverteilung sowie die Höhe der Entschädigung des amtlichen Verteidigers wird dem Endentscheid vorbehalten.

  4. Schriftliche Mitteilung an:

    • Rechtsanwalt lic. iur. X. , zweifach, für sich und den Beschwerdeführer (per Gerichtsurkunde)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl ad GAST3/2014/131104502 unter Rücksendung der beigezogenen Akten (Urk. 9; gegen Empfangsbestä- tigung).

  5. Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Ersten öffentlich-rechtliche n Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Zürich, 22. Mai 2015

Obergericht des Kantons Zürich

III. Strafkammer

Der Präsident:

lic. iur. Th. Meyer

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. S. Betschmann

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