Kanton: | ZH |
Fallnummer: | UE190178 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | III. Strafkammer |
Datum: | 30.01.2020 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Einstellung |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdegegner; Kinder; Beschwerdeführer; Staatsanwaltschaft; Verfahren; Verfahren; Einstellung; Aussagen; Beschwerdegegners; Beizugsakten; Fachperson; Lichkeiten; Video; Opfer; Psychiatrische; Onkel; Tätlichkeiten; Universitätsklinik; Beschwerdeführers; Sachen; Gerichtsgebühr; Prozesskaution; Opferangehörige; Rechtsmittel; Verfahrens; Vorwürfe; Bundesgericht; Kantons; Befragt |
Rechtsnorm: | Art. 116 StPO ; Art. 117 StPO ; Art. 118 StPO ; Art. 319 StPO ; Art. 382 StPO ; Art. 428 StPO ; |
Referenz BGE: | 143 IV 241; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: UE190178-O/U/WID
Verfügung vom 30. Januar 2020
in Sachen
Beschwerdeführer
vertreten durch Rechtsanwalt MLaw X.
gegen
1 verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. Y.
betreffend Einstellung
Erwägungen:
A. erstattete am 23. Juli 2018 gegen seinen Schwager B. Strafanzeige wegen Tätlichkeiten zum Nachteil seiner beiden minderjährigen Kinder C. (geboren am tt.mm.2011) und D. (genannt D'. ) (geboren am tt.mm.2013). Der Beschuldigte soll die Kinder am 19. Juli 2018 an seinem Wohnort am E. -weg in F. tätlich angegangen haben. D'.
habe er auf Kopf, Arme und Beine geschlagen und an den
Haaren gezogen. Ausserdem soll er C. während dem Fernsehschauen entlang der Arme und Beine und am Bauch berührt haben. Der geäusserte Verdacht kam auch im Rahmen einer eheschutzrichterlich angeordneten psychologischen Begutachtung in der Familienangelegenheit A. C. D. durch Fachpersonen der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zur Sprache.
Die Anzeige stützt sich im Wesentlichen auf die Schilderungen der Kinder, welche der Anzeigeerstatter am 20. Juli 2018 auf einem Video aufgezeichnet hatte.
Mit Verfügung vom 10. Mai 2019 entschied die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland die Einstellung des Strafverfahrens betreffend Tätlichkeiten (Urk. 4).
Ebenfalls am 10. Mai 2019 verfügte die Staatsanwaltschaft, eine Strafuntersuchung wegen sexuellen Handlungen mit Kindern nicht an die Hand zu nehmen.
A. (nachfolgend: Beschwerdeführer) erhob mit Eingabe vom 31. Mai 2019 sowohl gegen die Nichtanhandnahmeverfügung betreffend sexuelle Handlungen mit Kindern als auch gegen die Einstellungsverfügung betreffend Tätlichkeiten bei der III. Strafkammer des Obergerichts Zürich Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtenen Verfügungen seien aufzuheben und es sei die Sache zur Eröffnung bzw. Weiterführung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen; alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (inkl. MWST) zulasten des Kantons Zürich (Urk. 2).
Die hiesige Kammer entschied, das vorliegende Verfahren gegen die Einstellungsverfügung unter der Geschäftsnummer UE190178, dasjenige gegen die Nichtanhandnahmeverfügung unter der Geschäftsnummer UE190177 zu führen (vgl. Urk. 7).
Dem Beschwerdeführer wurde Frist zur Leistung einer Prozesskaution in der Höhe von CHF 2'000.-- angesetzt. Die Kaution ging rechtzeitig bei der Gerichtskasse ein (vgl. Urk. 11).
B.
(nachfolgend: Beschwerdegegner 1) beantragte die Einforderung
einer weiteren Prozesskaution in der Höhe von CHF 2'000.-- zwecks Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung (Urk. 9). Dieses Gesuch wurde einstweilen abgewiesen (Urk. 12).
Die Staatsanwaltschaft und der Beschwerdegegner 1 liessen sich am 29.
August 2019 resp. am 9. September 2019 vernehmen mit dem Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen (Urk. 15 und Urk. 18).
Der Beschwerdeführer liess sich nicht mehr vernehmen.
1.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den Vater von C.
und
D'. . Laut Strafanzeige sollen Tätlichkeiten gegen sie verübt worden sein. Die Kinder sind demnach Opfer im Sinne von Art. 116 Abs. 1 StPO. Der Beschwerdeführer gehört zum Kreis der Opferangehörigen (Art. 116 Abs. 2 StPO).
Machen die Opferangehörigen Zivilansprüche geltend, so stehen ihnen die gleichen Rechte zu wie dem Opfer (Art. 117 Abs. 3 StPO). Dabei muss es sich um eigene Ansprüche der Opferangehörigen handeln (N IKLAUS SCHMID/
DANIEL JOSITSCH, Praxiskommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 3. Aufl. 2018, Art. 117 N. 6). Opferangehörige haben unter der genannten Voraussetzung Parteistellung (Art. 104 Abs. 1 li. b StPO), wenn sie sich als Privatkläger konstituieren (Art. 118 Abs. 1 StPO). Als Privatkläger sind sie zur Einlegung von Rechtsmitteln befugt (Art. 382 Abs. 1 StPO).
Der Beschwerdeführer machte im Vorverfahren Schadenersatzund Genugtuungsansprüche geltend, behielt sich die genaue Bezifferung der Ansprü- che aber vor (vgl. Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/13/5
S. 3). Dabei handelt es sich um eigene Ansprüche des Beschwerdeführers, die er mit den ihn persönlich treffenden finanziellen Folgen der Teilnahme im Strafverfahren und den seelischen Belastungen aufgrund der angeblichen Übergriffe auf seine Kinder begründete. Der Beschwerdeführer teilte der Staatsanwaltschaft mit, dass er sich im Strafverfahren als Privatkläger konstituieren wolle (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/13/5
S. 3). Er ist demnach legitimiert, gegen die Nichtanhandnahmeverfügung Beschwerde zu erheben.
Die übrigen Voraussetzungen des Sachentscheids sind ebenfalls gegeben.
Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
2. Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 319 Abs. 1 StPO unter anderem die Einstellung des Strafverfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a) oder wenn kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b). Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz in dubio pro duriore zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1; 138 IV 186 E. 4.1; 138 IV 86 E. 4.1).
3.
Gemäss der Einstellungsverfügung habe der Beschwerdegegner 1 die Vorwürfe in Abrede gestellt. Die Kinder seien im Rahmen eines Eheschutzverfahrens von einer Fachperson der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich in Einzelgesprächen zu ihren auf den Videoaufzeichnungen festgehaltenen Aussagen befragt worden. Die Kinder hätten angegeben, dass sie vom Beschwerdeführer (Vater) gezwungen worden seien, böse Sachen über den Beschwerdegegner 1 (Onkel) zu sagen. Diese Sachen würden aber nicht stimmen. Es werde davon abgesehen, die Kinder von einer Fachperson der Polizei nochmals zu befragen, da ihre Aussagen nicht zuverlässig erschienen und ihnen ohnehin die Aussagen des Beschwerdegegners 1 entgegenstünden. Die Aussagen des Beschwerdegegners 1 liessen sich nicht rechtsgenügend widerlegen, weshalb das Verfahren betreffend den Vorwurf der Tätlichkeiten einzustellen sei (Urk. 4 S. 2).
Der Beschwerdeführer liess einwenden, die Staatsanwaltschaft habe den Sachverhalt nicht genügend abgeklärt und den Untersuchungsgrundsatz verletzt, indem sie es unterlassen habe, die Kinder zu den Vorwürfen zu befragen. Die Kinder seien in ihrem Aussageverhalten wankelhaft. Dies sei gerade ein Grund für und nicht gegen die Befragung der Kinder (Urk. 2 S. 3-4).
Die Staatsanwaltschaft führte in der Stellungnahme zur Beschwerde aus, die Kinder seien zwar nicht durch eine Fachperson der Kantonspolizei befragt worden, jedoch seien die Videoaufnahmen und die Beziehung der Kinder zum Beschwerdegegner 1 im Rahmen der vom Bezirksgericht Meilen angeordneten Begutachtung durch die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich besprochen worden. Die Kinder hätten in Einzelgesprächen vor ausgebildeten Fachpersonen zu den Videoaufnahmen sowie zu ihrem Verhältnis zum Beschwerdegegner 1 bereits Aussagen gemacht. Dabei hätten sie ihre Aussagen in den vom Beschwerdeführer erstellten Videoaufnahmen stark relativiert oder gar als unwahr erklärt. Weitere Ermittlungen seien daher nicht angezeigt (Urk. 15 S. 1-2).
Der Beschwerdegegner 1 wies in der Beschwerdeantwort ebenfalls auf die Befragung der Kinder im Eheschutzverfahren hin. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Kinder nochmals befragt werden sollten. Es lägen keine weiteren Beweise vor, die ein Fehlverhalten des Beschwerdegegners
1 belegen würden (Urk. 18 S. 4). Der Beschwerdegegner 1 vermute, dass der Beschwerdeführer sich mit der Strafanzeige an ihm rächen wolle, weil er im Jahr 2017 einst eine Strafanzeige wegen falscher Anschuldigung gegen ihn eingereicht habe (Urk. 18 S. 6).
Der Beschwerdeführer erstellte Videoaufzeichnungen (selbst gedrehte Handy-Filme), auf denen Aussagen seiner Kinder zum Verhalten ihres Onkels aufgezeichnet sind (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk.
16/10). Der Sohn D'.
gab an, vom Beschwerdegegner 1 geschlagen
und an den Haaren gezogen worden zu sein.
Dem Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ist dagegen zu entnehmen, dass die Kinder das Verhältnis zu ihrem Onkel als positiv beschrieben (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/11/4 S. 37-
38) und angaben, vom Vater gezwungen worden zu sein, über den Onkel böse Sachen zu erzählen, die nicht stimmen würden (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/11/4 S. 40-41).
Der Beschwerdegegner 1 seinerseits bestritt die Vorwürfe (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/2 Frage/Antwort 28 ff.). Die Ausfüh- rungen des Beschwerdeführers, wonach der Beschwerdegegner 1 und dessen Mutter in einzelnen Punkten (Reisedaten des Beschwerdegegners 1, Dauer des Aufenthalts von C. im Zimmer des Beschwerdegegners 1) widersprüchliche Aussagen gemacht haben sollen und der Beschwerdegegner 1 die Angelegenheit bagatellisiert habe (vgl. Urk. 2 S. 5-7), sind nicht sachrelevant.
Die Mutter des Beschwerdegegners 1 äusserte sich dahingehend, dass dieser den Kindern nie ein Haar krümmen würde (Beizugsakten aus dem Verfahren UE190177, Urk. 16/1 S. 4; Urk. 16/5 Frage/Antwort 17 ff.).
Bei dieser Sachlage gibt es - abgesehen von den Aussagen des Sohnes D'. auf den Handy-Filmen - keine Hinweise, dass am Vorwurf der Tät- lichkeiten etwas dran sein könnte. Da die Kinder von einer Fachperson der
Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich zum Verhältnis zu ihrem Onkel bereits befragt worden sind und sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen, entschied die Staatsanwaltschaft zu Recht, keine zweite Befragung durchzufüh- ren und das Strafverfahren einzustellen.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Gerichtsgebühr ist unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls und des Zeitaufwands für das Gericht, namentlich unter Berücksichtigung, dass sich die Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren UE190177 und UE190178 weitgehend decken, auf CHF 500.-- festzusetzen (§ 2 Abs. 1 lit. b-d und § 17 Abs. 1 GebV OG). Ausserdem hat der Beschwerdeführer dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner 1 eine Prozessentschädigung zu bezahlen. Diese ist unter Berücksichtigung der Bedeutung und Schwierigkeit des Falls, der Verantwortung und des notwendigen Zeitaufwands für den Anwalt auf CHF 1'500.-- (inkl. MWST) festzusetzen. Die Gerichtsgebühr und die Entschädigung sind von der geleisteten Prozesskaution zu beziehen.
Es wird verfügt:
(Oberrichter lic. iur. A. Flury)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Gerichtsgebühr wird auf CHF 500.-- festgesetzt und dem Beschwerdeführer auferlegt.
Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, dem Beschwerdegegner 1 eine Entschädigung von CHF 1'500.-- (inkl. MWST) zu bezahlen.
Die Gerichtsgebühr und die Entschädigung werden von der geleisteten Prozesskaution bezogen.
Schriftliche Mitteilung an:
den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, zweifach, für sich und zuhanden des Beschwerdeführers (per Gerichtsurkunde);
den Verteidiger des Beschwerdegegners 1, zweifach, für sich und zuhanden des Beschwerdegegners 1 (per Gerichtsurkunde);
die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, ad C-3/2018/10028020 (gegen Empfangsbestätigung);
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel an:
die Zentrale Inkassostelle der Gerichte.
Gegen diesen Entscheid kann Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen. Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Zürich, 30. Januar 2020
Obergericht des Kantons Zürich
III. Strafkammer
Präsident:
lic. iur. A. Flury
Gerichtsschreiberin:
Dr. iur. C. Schoder
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