Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SU170045 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | I. Strafkammer |
Datum: | 05.04.2018 |
Rechtskraft: | Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_509/2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz |
Schlagwörter : | BetmG; Cannabis; Berufung; Bungsmittel; Schuldig; Betäubungsmittel; Konsum; Beschuldigte; Urteil; Verfahren; Besitz; Gramm; Menge; Jugendliche; Konsum; Beschuldigten; Geringfügige; Kanton; Berufungsklägerin; Ordnungsbusse; Ordnungsbussenverfahren; Oberjugendanwalt; Oberjugendanwaltschaft; Verfahren; Bundesgericht; Vorinstanz; Widerhandlung; Kantons; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 1 StGB ; Art. 104 StGB ; Art. 381 StPO ; Art. 398 StPO ; Art. 399 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 403 StPO ; Art. 404 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 82 StPO ; Art. 97 StGB ; |
Referenz BGE: | 124 IV 184; 135 IV 196; 136 I 229; 138 IV 81; 139 IV 62; 143 IV 49; 95 IV 179; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | Stephan Schlegel; |
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SU170045-O/U/cwo
Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. S. Volken und lic. iur. B. Gut sowie die Gerichtsschreiberin lic. iur. N. Anner
Urteil vom 5. April 2018
in Sachen
vertreten durch Oberjugendanwalt Dr. iur. Sven Zimmerlin,
Anklägerin und Berufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und Berufungsbeklagter verteidigt durch Rechtsanwältin X.
betreffend
Strafbefehl:
Der Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Winterthur vom 23. Januar 2017 ist diesem Urteil beigeheftet (Urk. 3).
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 24 S. 11 f.)
1. Der Beschuldigte A. ist der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die am 8. Januar 2017 sichergestellten und bei der Kantonspolizei Zürich aufbewahrten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien (BM LagerNummer B00047-2017) werden eingezogen und vernichtet.
Die Entscheidgebühr fällt ausser Ansatz; die übrigen Kosten (Verfahrenskosten von Fr. 120.-) werden auf die Gerichtskasse genommen.
Der Beschuldigte wird mit Fr. 3'468.95 (inkl. MWST) für seine Umtriebe (Verteidigungskosten) aus der Staatskasse entschädigt, zahlbar direkt an die Verteidigung.
(Mitteilungen).
(Rechtsmittel).
Berufungsanträge:
der Oberjugendanwaltschaft Kanton Zürich:
(Urk. 26 S. 9 f.; Urk. 40)
Die Berufung sei im schriftlichen Verfahren zu behandeln, da nur Rechtsfragen zu entscheiden sind (Art. 406 Abs. 1 lit. a StPO).
Das Urteil des Jugendgerichts Winterthur vom 29. Juni 2017 sei mit Ausnahme von Dispositiv Ziff. 2 (Einziehung und Vernichtung des Betäubungsmittels sowie der Betäubungsmittelutensilien) aufzuheben.
Der Beschuldigte A. sei schuldig zu sprechen der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG.
Der Beschuldigte sei mit einem Verweis zu bestrafen (Art. 22 Abs. 1 JStG).
Die Kosten des Verfahrens seien dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1, Art. 426 Abs. 1 StPO); die Eltern des Beschuldigten seien diesbezüglich für solidarisch haftbar zu erklären (Art. 44 Abs. 3 JStPO).
Von einer Entschädigung zugunsten des Beschuldigten sei abzusehen (Art. 429 Abs. 1 StPO).
Der Sachverhalt ist unbestritten, mithin erstellt; seine Feststellung erfolgte weder offensichtlich unrichtig noch rechtsfehlerhaft. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden. Deshalb werden keine Beweisanträge gestellt.
der Verteidigung:
(Urk. 45 S. 2 f.)
Die Berufung der Berufungsklägerin sei abzuweisen und es sei das Urteil GJ170002 der Vorinstanz vom 29. Juni 2017 zu bestätigen.
Es sei der Berufungsbeklagte der Widerhandlung gegen das Betäu- bungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziffer 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG nicht schuldig zu sprechen.
Ungeachtet des Verfahrensausgangs sei dem Beschuldigten für das gesamte Verfahren eine angemessene Entschädigung zuzusprechen und sämtliche Kosten der Anklägerin aufzuerlegen.
Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten des Staates.
Erwägungen:
Der Prozessverlauf bis zum erstinstanzlichen Urteil ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Urk. 24 S. 3).
Das Jugendgericht Winterthur sprach den Beschuldigten mit Urteil vom
29. Juni 2017 vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19a Ziffer 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG frei. Das sichergestellte Betäubungsmittel sowie die Betäubungsmittelutensilien wurden eingezogen und vernichtet. Die Kosten wurden auf die Gerichtskasse genommen und dem Beschuldigten wurde eine Entschädigung zugesprochen (Urk. 24 S. 11).
Gegen dieses Urteil meldete die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich mit Eingabe vom 6. Juli 2017 rechtzeitig Berufung an (Urk. 10; Urk. 12; Art. 3 Abs. 1 JStPO i.V.m. Art. 381 Abs. 2 StPO und § 114 Abs. 3 lit. d GOG). Das begründete Urteil wurde den Parteien am 13. bzw. 14. September 2017 zugestellt (Urk. 15). Die Berufungserklärung der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich vom 27. September 2017 (Urk. 26) ging ebenfalls innert Frist ein (Art. 399 Abs. 3 StPO). Darin wird im Wesentlichen ein Schuldspruch wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Artikel 19a Ziffer 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG und die Bestrafung mit einem Verweis beantragt (Urk. 26 S. 9 f.). Mit Präsidialverfügung vom 9. Oktober 2017 wurde dem Beschuldigten Frist angesetzt, um zu erklären, ob er Anschlussberufung
erhebe oder ein Nichteintreten auf die Berufung beantrage (Urk. 28). Mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 reichte die Verteidigerin einen begründeten Nichteintretensantrag ein (Urk. 30, Urk. 32/1-2). Dazu liess sich die Oberjugendanwaltschaft mit Eingabe vom 7. November 2017 vernehmen (Urk. 35; Urk. 37).
Mit Beschluss vom 21. November 2017 traf das Gericht in Anwendung von Art. 403 Abs. 4 StPO die Anordnungen zur Durchführung des weiteren Berufungsverfahrens, indem es das schriftliche Verfahren anordnete (Urk. 38). In der Folge verwies die Oberjugendanwaltschaft zur Begründung der Berufung mit Schreiben vom 29. November 2017 (Urk. 40) auf die Berufungserklärung vom 27. September 2017 (Urk. 26). Die Verteidigerin reichte innert angesetzter Frist (Urk. 42) mit Eingabe vom 22. Dezember 2017 eine Berufungsantwort ein (Urk. 45), welche der Oberjugendanwaltschaft mit Schreiben vom 28. Dezember 2017 zur Kenntnis gebracht wurde. Die Vorinstanz verzichtete auf die ihr freigestellte Vernehmlassung (Urk. 44).
Gemäss Art. 398 Abs. 1 StPO ist die Berufung zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist. Die Berufungsinstanz überprüft den vorinstanzlichen Entscheid bezüg- lich sämtlicher Tat-, Rechtsund Ermessensfragen üblicherweise frei (Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO). Bildeten jedoch ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so schränkt Art. 398 Abs. 4 StPO die Kognition der Berufungsinstanz ein. In diesen Fällen wird das angefochtene Urteil lediglich dahingehend überprüft, ob es rechtsfehlerhaft ist oder ob eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz gegeben ist (vgl. Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, Art. 398 N 11 ff.; BSK StPO-Eugster, 2. Aufl. 2014, Art. 398 N 3 f.). Es ist somit zu überprüfen, ob das vorinstanzliche Urteil im Bereich der zulässigen Kognition Fehler aufweist.
Die urteilende Instanz muss sich nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen.
Vielmehr kann sich das Gericht auf die seiner Auffassung nach wesentlichen und massgeblichen Vorbringen der Parteien beschränken (BGE 138 IV 81 E. 2.2; BGE 136 I 229 E. 5.2).
Mit Ausnahme von Dispositivziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils (Einziehung und Vernichtung der sichergestellten Betäubungsmittel und -utensilien) sowie der zutreffenden Erstellung des unbestrittenen Sachverhalts beschränkte die Oberjugendanwaltschaft ihre Berufung nicht (Urk. 26 S. 1). Der Beschuldigte hat keine Anschlussberufung erhoben (Urk. 30; Urk. 45).
Es ist daher vorab mittels Beschluss festzustellen, dass die unangefochten gebliebene Dispositivziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils in Rechtskraft erwachsen ist (Art. 3 Abs. 1 JStPO und Art. 404 Abs. 1 StPO in Verbindung mit Art. 402 StPO).
Dem Beschuldigten wird eine Übertretung, begangen am 8. Januar 2017, vorgeworfen (Urk. 3 S. 2). Für das Jugendstrafrecht sind in Art. 36 Abs. 1 JStG erheblich verkürzte Verjährungsfristen festgelegt. Gemäss dieser Bestimmung verjähren Übertretungen von Jugendlichen bereits nach einem Jahr. Entgegen dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 lit. j JStG gilt Art. 97 Abs. 3 StGB auch im Jugendstrafrecht (BGE 143 IV 49 E 1.9). Demnach tritt die Verjährung auch in einem Jugendstrafverfahren nicht mehr ein, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind unter erstinstanzlichen Urteilen im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB nicht nur verurteilende, sondern auch freisprechende Erkenntnisse zu verstehen (BGE 139 IV 62 E. 1.5). Art. 97 Abs. 3 StGB gelangt über den Verweis von Art. 104 StGB zudem auch bei Übertretungen zur Anwendung (BGE 135 IV 196
E. 2). Der angefochtene Entscheid datiert vom 29. Juni 2017. Der vorliegend zu beurteilende Übertretungsvorwurf ist somit noch nicht verjährt.
Im Übrigen ist auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz hinsichtlich der Anwendung des Jugendstrafgesetzes, der Prozessvoraussetzungen und der Prozesshindernisse zu verweisen (Urk. 24 S. 3 f.).
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, bei einer am 8. Januar 2017, gegen
01.30 Uhr, an der B. -gasse in [Ort] durch Beamte der Stadtpolizei Winterthur durchgeführten Personenund Effektenkontrolle 1.4 Gramm Marihuana bzw. Cannabis (Nettogewicht), das für den Eigenkonsum bestimmt gewesen sei, auf sich getragen zu haben (Urk. 3 S. 2).
Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festhielt, hat der Beschuldigte den Sachverhalt in der Untersuchung und anlässlich der Befragung vor Vorinstanz vollständig anerkannt (Urk. 2/2, Urk. 2/13 S. 3; Prot. I S. 7 f.; Urk. 24 S. 5). Der Sachverhalt ist vorliegend unbestritten (Urk. 26 S. 1 f.; Urk. 30 S. 3). Entsprechend ist für die rechtliche Würdigung vom Sachverhalt gemäss Strafbefehl vom
23. Januar 2017 auszugehen.
Die Jugendanwaltschaft Winterthur bzw. die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich als Berufungsklägerin qualifiziert das Verhalten des Beschuldigten gemäss erstelltem Sachverhalt als Übertretung im Sinne von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG (Urk. 3 S. 1; Urk. 26 S. 1 und
S. 9; Urk. 40). Dahingegen hat ihn die Vorinstanz von diesem Vorwurf freigesprochen, weil sie in Übereinstimmung mit der Verteidigung davon ausgeht, dass gemäss Art. 19b Abs. 1 und 2 BetmG der blosse Besitz einer geringfügigen Menge eines Betäubungsmittels, bzw. von bis zu 10 Gramm Cannabis, nicht strafbar sei. In ihrer Berufungserklärung rügt die Oberjugendanwaltschaft, die Vorinstanz habe Art. 19a und Art. 19b BetmG unzutreffend ausgelegt und damit Bundesrecht verletzt (Urk. 26 S. 9).
Die Vorinstanz hat unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, Literatur und Materialien zur Entstehung der Gesetzesbestimmungen einlässlich und zutreffend begründet, weshalb der Beschuldigte grundsätzlich den Tatbestand von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d
BetmG erfüllt habe, da jedoch 1.4 Gramm Cannabis als geringfügige Menge und deren Besitz zum Eigenkonsum als straffreie Vorbereitungshandlung im Sinne von Art. 19b Abs. 1 BetmG zu qualifizieren seien, ein Freispruch zu ergehen habe (Urk. 24 S. 5 ff.). Auf diese Ausführungen kann vorab verwiesen werden (Art. 82 Abs. 4 StPO).
Zusammenfassend und ergänzend ergibt sich Folgendes:
Wer Betäubungsmittel unbefugt besitzt (resp. aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt), wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG). Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 BetmG begeht, wird mit Busse bestraft (Art. 19a Ziff. 1 BetmG). In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden. Es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden (Art. 19a Ziff. 2 BetmG). Wer nur eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels für den eigenen Konsum vorbereitet (oder zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums einer Person von mehr als 18 Jahren unentgeltlich abgibt), ist nicht strafbar (Art. 19b Abs. 1 BetmG). 10 Gramm eines Betäubungsmittels des Wirkungstyps Cannabis gelten als geringfügige Menge (Art. 19b Abs. 2 BetmG).
Entsprechend ist gemäss Art. 19b Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 BetmG nicht strafbar, wer eine geringfügige Menge eines Betäubungsmittels - insbesondere bis zu 10 Gramm Cannabis - für den eigenen Konsum vorbereitet. Wie die Vorinstanz korrekt angeführt hat (Urk. 24 S. 7), gehört zu den Vorbereitungshandlungen im Sinne von Art. 19b Abs. 1 BetmG gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts, Literatur und Gesetzesmaterialien auch der Besitz (Urteil des Bundesgerichts 6B_1273/2016 vom 6. September 2017 E. 1.5.2.; Urteil des Bundesgerichts 1A.109/2003 vom 3. Juni 2003 E. 4.1 und 4.5; je mit weiteren Hinweisen; Fingerhuth/Schlegel/Jucker, OFK-BetmG, 3. Aufl., Zürich 2016, BetmG 19b N 2 f. und BetmG 19a N 20; Albrecht, Stämpflis Handkommentar, Art. 19-28l BetmG, 3. Aufl., Bern 2016, Art. 19b N 3; Hug-Beeli, BetmG-Komm, Basel 2016, Art. 19b N 41; Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend die Revision des Betäubungsmittelgesetzes [Ordnungs-
bussenverfahren] vom 2. September 2011, BBl 2011 S. 8210; Stellungnahme des
Bundesrates vom 26. Oktober 2011, BBl 2011 S. 8223). Soweit der Besitz von Cannabis bis zu 10 Gramm einzig dem Eigenkonsum dient, eine Gefährdung Dritter mithin ausgeschlossen ist, geht Art. 19b BetmG Art. 19a BetmG vor, welcher den Konsum von Betäubungsmitteln und deren Besitz zum Konsum als Übertretung ahndet (vgl. Fingerhuth/Schlegel/Jucker, a.a.O., BetmG 19b N 2 ff.; HugBeeli, BetmG-Komm, a.a.O., Art. 19b N 42). Abgesehen von Art. 19b BetmG, der den Besitz von geringfügigen Mengen bzw. von bis zu 10 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum für straflos erklärt, ist der Besitz von Cannabis - wie auch dessen (unbefugter) Konsum - jedoch strafbar. Daran hat auch die Revision des Betäu- bungsmittelgesetzes vom 28. September 2012, welche per 1. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, nichts geändert (vgl. Art. 19 Abs. 1 lit. d , Art. 19a und Art. 28b BetmG; Fingerhuth/Schlegel/Jucker, a.a.O., BetmG 19b N 2 ff.; Hug-Beeli, BetmG-Komm, a.a.O., Art. 19b N 40, N 57 f. und N 65).
Beim vorliegend zu beurteilenden Verhalten des Beschuldigten geht es unbestrittenermassen um Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum, nicht um Konsum von Cannabis, der gemäss Art. 19a Ziff. 1 BetmG strafbar wäre. Sodann erfüllt die sichergestellte Menge von 1.4 Gramm die Voraussetzung der geringfügigen Menge im Sinne von Art. 19b Abs. 1 BetmG zweifellos, wird sie doch in Abs. 2 derselben Bestimmung für das Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis explizit mit 10 Gramm definiert. Dies räumt denn auch die Berufungsklägerin selbst ein (Urk. 26 S. 3).
Die Berufungsklägerin stellt sich auf den Standpunkt, nach richtiger Interpretation bedeute Art. 19b BetmG, dass im Ordnungsbussenverfahren nach Art. 28b ff. BetmG bestraft werde, wer als erwachsene Person mit bis zu 10 Gramm Cannabis den eigenen Konsum vorbereite. Wer als jugendliche Person entsprechend handle, werde ordentlich nach Art. 19a Ziff. 1 i.V.m. Art. 19 BetmG verzeigt. Für den Fall, dass der streng grammatikalischen Auslegung von Art. 19b BetmG gefolgt werde, wäre nach Ansicht der Berufungsklägerin der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf erwachsene Besitzer und Konsumenten einzuschränken (Urk. 26 S. 9). Sie verweist darauf, dass Abs. 2 von Art. 19b
BetmG mit der Einführung des Ordnungsbussenverfahrens für den CannabisKonsum durch Erwachsene ins Gesetz eingefügt worden sei. Der Bundesrat habe sich in seiner Stellungnahme zur Einführung des Ordnungsbussenverfahrens bei Cannabiskonsum nicht für die Straffreiheit des Besitzes von 10 Gramm Cannabis ausgesprochen. Der Gesetzgeber habe einen Mittelweg wählen wollen und Cannabis zwar nicht für straflos erklären, wohl aber - ausschliesslich für erwachsene Personen - dem vereinfachten Ordnungsbussenverfahren unterstellen wollen. Auch wenn die an verschiedenen Orten verwendeten Begrifflichkeiten widersprüchlich anmuteten, so spreche es insgesamt dafür, dass der Gesetzgeber in Abs. 2 von Art. 19b BetmG einfach die für das Ordnungsbussenverfahren entscheidende Grenze habe definieren wollen, ohne dabei zu bedenken, dass Abs. 1 derselben Vorschrift von nicht strafbar spreche (Urk. 26 S. 2 ff.).
Diese Darstellung der Entstehung der heutigen Gesetzesbestimmungen des Art. 19b BetmG durch die Berufungsklägerin ist indes stark verkürzt und unpräzis: Der erste Absatz von Art. 19b BetmG gelangte bereits mit der Revision 1975 in das Gesetz. Mit dieser Revision wurde die damals bestehende Rechtslage umgestellt: Während vor der Änderung des Gesetzes der Konsum von Betäubungsmitteln straflos war, nach der Rechtsprechung aber bereits der kurzzeitige vor- übergehende Besitz einer Marihuana-Zigarette zum Rauchen bestraft werden konnte (vgl. BGE 95 IV 179), sollte nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr der Konsum selbst bestraft werden. Blosse Vorbereitungshandlungen mit geringen Mengen sollten hingegen straflos sein (BBI 1973 S. 1368). Diese gesetzgeberische Intention wurde dann auch in die Rechtsprechung des Bundesgerichts übernommen (BGE 124 IV 184 E. 2). So hielt das Bundesgericht im Jahr 2003 ausdrücklich fest, dass der Konsum von geringfügigen Drogenmengen unter Art. 19a Ziff. 2 BetmG, der blosse Besitz von geringfügigen Drogenmengen zu Konsumzwecken hingegen unter Art. 19b BetmG falle (BGer 1A.109/2003 vom
3. Juni 2003 E. 4.1 und 4.5). Demnach gilt Art. 19b BetmG grundsätzlich für alle Arten von Betäubungsmitteln. Ungeklärt blieb jedoch, bis zu welchen Mengen von einer geringfügigen Menge auszugehen sei. Als Richtschnur betrachtete man in den parlamentarischen Beratungen teilweise eine Wochenration des jeweiligen Konsumenten. Das Bundesgericht sprach diesbezüglich den kantonalen Behörden einen grossen Ermessensspielraum bei der Festlegung der geringfügigen Menge zu (BGE 124 IV 184 E. 2). Dieser führte z.B. bei Cannabis zu erheblichen Praxisabweichungen zwischen den Kantonen. So reichten die als noch geringfü- gig angesehenen Mengen von 30 Gramm Haschisch, über fünf Hanfpflanzen, bis zu weniger als 0.9 Gramm Marihuana. Mit der Einführung des Ordnungsbussenverfahrens für den Konsum von Cannabis mit den Art. 28b ff. BetmG im Jahr 2013 wurde Art. 19b BetmG um einen Absatz 2 ergänzt. Demnach gelten nun 10 Gramm eines Betäubungsmittels des Wirkungstyps Cannabis als geringfügige Menge (zum Ganzen: Stephan Schlegel in: forumpoenale 1/2017 S. 17 f.). Im Bericht der zuständigen Kommission des Nationalrates wird erläutert: Soll das Ordnungsbussenverfahren bei Cannabiskonsum angewendet werden, müsste die straflose geringfügige Menge des Betäubungsmittels des Wirkungstyps Cannabis festgelegt werden (BBI 2011 S. 8207). Weiter geht daraus hervor, dass die definierte Menge von 10 Gramm Cannabis (auch) darüber entscheiden sollte, ob mit Bezug auf den Konsum das Ordnungsbussenverfahren (Art. 19a BetmG, Konsum und weniger als 10 Gramm Besitz) oder das ordentliche Verfahren (Konsum und mehr als 10 Gramm, Besitz, Art. 19 BetmG: Verdacht auf Betäubungsmittelhandel) zur Anwendung kommt (BBI 2011 S. 8207). In der Stellungnahme des Bundesrats zur damaligen Revision wird festgehalten (BBI 2011 S. 8223): Mit der nun von der SGK-N vorgeschlagenen Einführung eines OBV beim Cannabiskonsum durch Erwachsene und weiteren klärenden Bestimmungen zum Cannabiskonsum und -besitz können die obengenannten Ziele nach Einschätzung des Bundesrates zum Teil erreicht werden. So wird namentlich mit der vorgesehenen Bestimmung der geringfügigen Menge (Art. 19b Abs. 2 nBetmG) der straffreie Besitz von Cannabis neu präzis geregelt, was der Gleichbehandlung der Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten dient.
Damit gibt es entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber bei der Erweiterung des Art. 19b BetmG um Abs. 2 den (bereits seit Jahrzehnten existierenden) Wortlaut und Inhalt von Abs. 1 nicht bedacht haben könnte. Mit Abs. 2 wurde gerade die bereits zuvor straffreie Vorbereitungshandlung in Bezug auf den Begriff geringfügige Menge für das Betäu- bungsmittel Cannabis definiert (Hug-Beeli, a.a.O, Art. 19b N 61). Die Einführung
des Ordnungsbussenverfahrens betraf folglich den Konsum von Cannabis durch Erwachsene, sah aber keine inhaltliche Änderung beim straflosen Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum vor. Die Ergänzung von Art. 19b um den Abs. 2 konkretisierte alsdann den bereits bestehenden Begriff der geringfügigen Menge in Bezug auf Cannabis.
Die Berufungsklägerin verweist weiter auf den Jugendschutz: Nach Art. 28c lit. c BetmG sei das Ordnungsbussenverfahren bei Widerhandlungen von Jugendlichen ausgeschlossen. Zwar befinde sich Art. 19b BetmG systematisch vor den Bestimmungen zum Ordnungsbussenverfahren. Es sei aber zu keinem Zeitpunkt die Absicht des Gesetzgebers gewesen, dass die Straflosigkeit auch Jugendliche, welche bis zu 10 Gramm Cannabis auf sich tragen, treffen soll. Während des ganzen Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung des Ordnungsbussenverfahrens sei immer wieder betont worden, dass sich bei den Minderjährigen bezüglich der Strafbarkeit von Cannabisdelikten nichts ändere. Die Berufungsklägerin gibt zu bedenken, dass Strafverfahren gegen Jugendliche wegen Konsums zur eigentlichen Farce verkommen würden, denn Unrechtsbewusstsein und Präventionsbotschaft liessen sich nicht mehr vermitteln, wenn man eine jugendliche Person, die einen Zug von einem Joint nehme, bestrafe, ihren Kollegen aber, der eine Menge von bis 10 Gramm Cannabis für den späteren Konsum kaufe und mit sich führe, straflos lasse (Urk. 26 S. 6). Die Praxis der Polizeikorps im Kanton Zürich sei zudem ausdrücklich nur für Erwachsene angepasst worden. Auch der dieser Praxisänderung zugrundeliegende Bundesgerichtsentscheid (Urteil vom 6. September 2017 6B_1273/2016, E. 1.6) äussere sich nicht klar zur Auslegung von Art. 19b BetmG, soweit er sich auf jugendliche Cannabis-Delinquenten beziehe (Urk. 35 S. 2).
Zweifelsohne kommt dem Jugendschutz eine wichtige Rolle im BetmG zu. So wird bereits in Art. 1a Abs. 2 BetmG ausdrücklich festgehalten, dass Bund und Kantone bei der Umsetzung des sogenannten Vier-Säulen-Prinzips die Anliegen des allgemeinen Gesundheitsund Jugendschutzes zu berücksichtigen haben. Weiter sieht Art. 3b BetmG vor, dass die Aufklärung und Beratung zur Verhütung von suchtbedingten Störungen und deren negativen gesundheitlichen und sozia-
len Folgen gefördert werde, wobei besondere Aufmerksamkeit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen gelte. Weiter ist in Art. 3c BetmG die Meldebefugnis für Amtsstellen und Fachleute im Erziehungs-, Sozial-, Gesundheits-, Justizund Polizeiwesen vorgesehen. Sie können den zuständigen Behandlungsoder Sozialhilfestellen Fälle von vorliegenden oder drohenden suchtbedingten Störungen, namentlich bei Kindern und Jugendlichen, melden. Betrifft eine Meldung ein Kind oder einen Jugendlichen unter 18 Jahren, so muss auch der gesetzliche Vertreter informiert werden, sofern nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Amtsstellen und Fachleute nach Absatz 1, die erfahren, dass eine ihnen anvertraute Person gegen Artikel 19a verstossen hat, sind nicht zur Anzeige verpflichtet (Abs. 5).
In den Strafbestimmungen des BetmG wurde der Jugendschutz wie folgt umgesetzt: Gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. d wird der Täter mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann, bestraft, wenn er in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht. Art. 19 bis BetmG bestimmt sodann, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, wer einer Person unter 18 Jahren ohne medizinische Indikation Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
Die Verteidigerin des Beschuldigten weist darauf hin, dass der Jugendschutz in Bezug auf Betäubungsmittel analog dem Jugendschutz in Bezug auf Alkohol und Tabak dadurch garantiert werden solle, dass Jugendliche nicht in den Besitz entsprechender Drogen gelangen könnten. Das Alkoholgesetz und die Tabakverordnung des Kantons Zürich gewährleisteten den Jugendschutz nicht durch die Bestrafung des Jugendlichen, sondern durch Bestrafen desjenigen, der ihm Alkohol und Tabak verkauft und durch Aufklärung (Urk. 45 S. 18).
Der Vergleich mit dem Jugendschutz bei Alkohol und Tabak hinkt jedoch augenscheinlich: Denn der Konsum dieser Substanzen ist nicht wie jener von Betäu- bungsmitteln grundsätzlich unter Strafe gestellt. Die Parallele im Hinblick auf den unter Strafe gestellten Verkauf an Jugendliche ist indes nicht ganz in Abrede zu stellen, die angedrohten Sanktionen bei Widerhandlung unterscheiden sich aber
dennoch deutlich (Art. 19bis BetmG; Art. 41 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 2 AlkG; § 61 Abs. 1 lit. k Gesundheitsgesetz des Kantons Zürich) und werden bei Alkohol und Tabak durch ein Verbot von an Jugendliche gerichtete Werbung ergänzt (Art. 42b Abs. 3 lit. e i.V.m. Art. 57 Abs. 2 AlkG; Art. 18 TabV; § 61 Abs. 1 lit. i und j Gesundheitsgesetz des Kantons Zürich).
Entscheidend ist vorliegend, dass eine Bestrafung des Beschuldigten gegen das Legalitätsgebot im Sinne von Art. 1 Abs. 1 StGB verstossen würde. Als Erfordernis der gesetzlichen Grundlage bedeutet der Grundsatz nulla poena sine lege, dass eine Sanktion nur wegen einer Tat verhängt werden darf, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. Entgegen der Meinung der Berufungsklägerin ist der blosse Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis zum Zweck des Eigenkonsum jedoch - sowohl für erwachsene als auch für minderjährige Personen - nicht unter Strafe gestellt, sondern wird vom Gesetz ausdrücklich als nicht strafbar bezeichnet (Art. 19b BetmG). Die Berufungsklägerin zeigt denn auch nicht auf, auf welche gesetzliche Grundlage sie eine Andersbehandlung von Jugendlichen für den Fall einer grammatikalischen Auslegung des Gesetzes stützen würde. Im Gesetz ist keine Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum für Jugendliche vorgesehen. Auch die von der Berufungsklägerin vorgebrachte Situation des Cannabis-Konsumenten, der neben einem bloss besitzenden Kollegen von der Polizei aufgegriffen wird, gilt genauso für erwachsene Personen. Auch wenn die beiden vom Gesetz vorgesehenen unterschiedlichen Konsequenzen nur schwer einzuleuchten vermögen, bleibt der Wortlaut des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers klar. Die Verteidigung weist im Übrigen zurecht darauf hin, dass der Konsum in einfachen Fällen nach Art. 19a Ziff. 2 straffrei bleiben kann, so dass es nicht in jeden Fall zu einer allenfalls als ungerecht empfundenen Situation kommen muss.
Die Tatsache, dass das Ordnungsbussenverfahren für Jugendliche ausgeschlossen ist, ändert an der gesetzlich vorgesehenen Straffreiheit des blossen Besitzes zum Eigenkonsum von weniger als 10 Gramm Cannabis nichts. Denn das Ordnungsbussenverfahren gemäss Art. 28b BetmG bezieht sich explizit auf Widerhandlungen nach Art. 19a Ziffer 1, begangen durch den Konsum von Be-
täubungsmitteln des Wirkungstyps Cannabis. Vorliegend steht aber nicht Konsum, sondern Besitz zum Eigenkonsum in Frage. So spricht auch der Bericht der zuständigen Kommission des Nationalrates zur neuen Regelung in Art. 28c lit. c BetmG korrekterweise davon, dass Jugendliche, die beim Cannabiskonsum erwischt werden, nicht nach dem Ordnungsbussenverfahren bestraft werden (BBl 2011 S. 8209).
Dass die - von der Berufungsklägerin selbst als restriktiv bezeichnete (Urk. 26 S. 5) - Praxis der Polizeikorps im Kanton Zürich, auch den von der Polizei festgestellten Besitz von einer geringfügigen Menge von Cannabis-Produkten mit einer Ordnungsbusse zu ahnden, nach dem bereits mehrfach zitierten Urteil des Bundesgerichts ausdrücklich nur für Erwachsene angepasst wurde (Urk. 35
S. 2), ändert an der Beurteilung des vorliegenden Falles ebenfalls nichts. Diese - inzwischen nun für Erwachsene geänderte - Praxis beruhte auf einer Einigung resp. Absprache der Übertretungsstrafbehörden (Oberjugendanwaltschaft, Stadtrichteramt Zürich, Stadtrichteramt Winterthur, Vorsitzender der StatthalterKonferenz, Vertreter der Kantonspolizei Zürich, der Stadtpolizei Zürich und der Stadtpolizei Winterthur), welche ausserdem vorsah, dass bei Jugendlichen im Sinne des Jugendschutzes sowohl der Konsum als auch der Besitz von Cannabis im ordentlichen Verfahren (Verzeigung an die Jugendanwaltschaft ) erledigt werde (Protokoll des Stadtrats von Zürich vom 16. November 2016 S. 2 Antwort auf Frage 2). Doch auch eine solche Praxis im Sinne des Jugendschutzes müsste sich klarerweise auf eine gesetzliche Grundlage stützen können, was sie wie gezeigt nicht tut.
Mit Bezug auf die Konsumvorbereitungshandlungen bedeutet die Straflosigkeit, dass die Polizeibehörden keine Verzeigungen zu erstatten haben, die Untersuchungsbehörden keine Anklage zu erheben haben und die urteilenden Behörden bei einer allfälligen entsprechenden Anklage ein freizusprechendes Urteil zu erlassen haben (Hug-Beeli, BetmG-Komm, a.a.O., Art. 19b N 58; Fingerhuth/ Schlegel/Jucker, a.a.O., BetmG 19b N 15).
Des Weiteren ist auch der Einwand der Berufungsklägerin hinsichtlich einer allfälligen Einziehung unbehelflich, steht doch die Einziehung der Betäubungs-
mittel vorliegend gar nicht in Frage. Überdies handelt es sich um eine noch nicht restlos geklärte Frage (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1273/2016 vom
6. September 2017 E. 1.7.2; Entscheid der II. Strafkammer des Obergerichts Zürich SU170048-O vom 15. Januar 2018).
9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Besitz von 1.4 Gramm Marihuana bzw. Cannabis zum Eigenkonsum gemäss Art. 19b BetmG straflos ist, da es sich um eine geringfügige Menge handelt. Die Argumentation der Oberjugendanwaltschaft, wonach diese Gesetzesbestimmung nicht auf Jugendliche anzuwenden sei, zielt ins Leere und verstösst gegen das Legalitätsprinzip, denn das Gesetz sieht für Jugendliche keine anderslautende Bestimmung vor als die für Erwachsene geltende Straflosigkeit. Entsprechend ist das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen und der Beschuldigte ist vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Artikel 19a Ziffer 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG freizusprechen.
Ausgangsgemäss ist die vorinstanzliche Kostenund Entschädigungsregelung zu bestätigen (Dispositivziffern 3 und 4 des angefochtenen Urteils).
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien auch im Bereich des Jugendstrafrechts nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 44 JStPO in Verbindung mit Art. 428 Abs. 1 StPO). Nachdem die Berufungsklägerin mit ihrer Berufung vollumfänglich unterliegt und der Beschuldigte entsprechend obsiegt, sind die Kosten für das vorliegende Verfahren auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Dem Beschuldigten ist gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO eine Entschädigung für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte zuzusprechen. Der von der Verteidigerin des Beschuldigten bezifferte Aufwand für das Berufungsverfahren (Urk. 47/2) erscheint angemessen, so dass dem Beschuldigten eine Prozessentschädigung für anwaltliche Verteidigung von Fr. 3'738.95 (inkl. MwSt.) aus der Gerichtskasse zuzusprechen ist.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Winterthur (Jugendgericht) vom 29. Juni 2017 bezüglich Dispositivziffer 2 (Einziehung und Vernichtung der sichergestellten Betäubungsmittel und -utensilien) in Rechtskraft erwachsen ist.
Schriftliche Mitteilung mit dem nachfolgenden Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Artikel 19a Ziffer 1 BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 lit. d BetmG freigesprochen.
Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Ziff. 3 und 4) wird bestätigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird für das Berufungsverfahren eine Prozessentschä- digung von Fr. 3'738.95 aus der Gerichtskasse zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich
sowie nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Kantonspolizei Zürich, KIA-ZA, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
die Vorinstanz.
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
I. Strafkammer Zürich, 5. April 2018
Der Präsident:
lic. iur. R. Naef
Die Gerichtsschreiberin:
lic. iur. N. Anner
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