Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SR140029 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 09.03.2015 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Nichtmitführen des Führerausweises etc. |
Schlagwörter : | Gesuchsteller; Revision; Revisions; Befehl; Bezirk; Recht; Schuldig; Entscheid; Statthalteramt; Meilen; Verfahren; Einsprache; Tatsache; Revisionsgr; Liegende; Gesuchstellers; Befehls; Rechtskraft; Revisionsgesuch; StPO; Liegenden; Statthalteramtes; Urteil; Kantons; Schmid; Verfahrens; Gesprochen |
Rechtsnorm: | Art. 355 StPO ; Art. 413 StPO ; Art. 415 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 436 StPO ; |
Referenz BGE: | 130 IV 72; |
Kommentar zugewiesen: | Heer, Praxiskommentar, 2. Aufl., 2014 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SR140029-O/U/hb
Mitwirkend: die Oberrichter Dr. Bussmann, Vorsitzender, lic. iur Burger und lic. iur. Stiefel sowie der Gerichtsschreiber lic. iur. Höfliger
Urteil vom 9. März 2015
in Sachen
,
Gesuchsteller
verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X._
gegen
Gesuchsgegner
betreffend Nichtmitführen des Führerausweises etc.
Erwägungen:
Mit Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Oktober 2012 wurde der Gesuchsteller des Missachtens von mit dem Führerausweis im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. a SVG sowie des Nichtmitführens des Führerausweises im Sinne von Art. 10 Abs. 4
i.V.m. Art. 99 Ziff. 3 SVG schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 150.- bestraft (Urk. 4/2).
Nachdem der Gesuchsteller dagegen am 25. Oktober 2012 Einsprache erhoben hatte (Urk. 4/3), in der Folge aber der auf den 27. November 2012 angesetzten Einvernahme unentschuldigt fernblieb, stellte das Statthalteramt mit Erledigungsverfügung vom 5. Dezember 2012 fest, dass der Strafbefehl vom 24. Oktober 2012 in Rechtskraft erwachsen sei (Urk. 4/12). Eine dagegen erhobene Beschwerde des Gesuchstellers wies die III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich mit Verfügung vom 1. März 2013 ab (Urk. 4/20). Diese Verfügung ist rechtskräftig (vgl. die Rechtskraftbescheinigung a.a.O. S. 1).
Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Oktober 2012 ist demnach in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schreiben vom 30. September 2014 liess der Gesuchsteller ein Wiedererwägungsgesuch an das Statthalteramt Bezirk Meilen stellen mit dem Antrag auf Aufhebung des Strafbefehls vom 24. Oktober 2012 (Urk. 2/4), worauf dieses dem Vertreter des Gesuchstellers telefonisch mitgeteilt habe, dass es eine Aufhebung des Entscheids wiedererwägungsweise ablehne (vgl. Urk. 1 S. 4).
Mit Eingabe vom 20. November 2014, hier eingegangen am 24. November 2014, liess der Gesuchsteller durch seinen Verteidiger ein Revisionsgesuch stellen mit dem Antrag, der Strafbefehl vom 5. Dezember 2012 [recte: 24. Oktober 2012] sei aufzuheben und der Gesuchsteller sei vom Vorwurf des Missachtens
der mit dem Führerausweis im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. a SVG sowie des Nichtmitführens des Füh- rerausweises im Sinne von Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 99 Ziff. 3 SVG freizusprechen (Urk. 1).
Das Statthalteramt verzichtete auf eine Stellungnahme zum Revisionsgesuch (vgl. Urk. 5).
Einleitung
Bei den sog. verfahrensleitenden Entscheiden verlangt die Rechtssicherheit nicht, dass diese unangetastet bleiben, sondern dieselbe Entscheidbehörde darf und muss diese bei wesentlich geänderten Umständen oder neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln in Wiedererwägung ziehen, auch wenn die StPO diesen Rechtsbehelf nicht nennt. Anders liegen die Dinge bei verurteilenden oder freisprechenden Sachentscheiden im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 1 StPO; diese werden aus Gründen der Rechtssicherheit mit Eintreten der Rechtskraft verbindlich und unabänderlich für die beteiligten Behörden und Parteien. Die Rechtskraft solcher Sachentscheide kann nur ausnahmsweise, so bei neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln, durchbrochen werden; zu entscheiden hat hier nicht das Erstgericht, sondern eine davon unabhängige Revisionsinstanz (vgl. Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl. N 1838-1840, 1604 und 109).
Vorliegend steht die Aufhebung eines rechtskräftigen Strafbefehls, und damit eines Sachentscheids in Frage. Diese kann, wie vorstehend ausgeführt, nicht wiedererwägungsweise durch die erlassende Behörde, sondern nur auf dem Wege der Revision geprüft werden, weshalb das Statthalteramt Bezirk Meilen die vom Verteidiger angefragte Wiedererwägung zu Recht ablehnte.
Die materielle Prüfung eines Revisionsgesuchs gestaltet sich zweistufig: In einem ersten Schritt prüft das Berufungsgericht, ob die geltend gemachten Revisionsgründe gegeben sind (BSK StPO-Heer, 2. Aufl., 2014, Art. 413 N 5;
Schmid, StPO Praxiskommentar, 2. Aufl., 2013, Art. 413 N 2; hiezu nachstehend Ziff. 2). Erachtet das Berufungsgericht einen Revisionsgrund als gegeben, so hebt es in einem zweiten Schritt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur Neubeurteilung zurück oder fällt - sofern es die Aktenlage erlaubt - selber einen neuen Entscheid in der Sache (Art. 413 Abs. 2 StPO; hiezu nachstehend
Ziff. 3).
Vorliegen eines Revisionsgrundes
Allgemeines
Gemäss Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO kann die Revision (u.a.) dann verlangt werden, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch oder eine wesentlich mildere Bestrafung der verurteilten Person herbeizuführen.
Neu sind Tatsachen oder Beweismittel, wenn diese im Zeitpunkt des zu revidierenden Urteils zwar bereits vorhanden, der Strafbehörde indes nicht bekannt waren oder von ihr in ihrer Massgeblichkeit übersehen wurden, und demzufolge nicht in den Entscheid einflossen (vgl. z.B. Bundesgerichtsurteil 6B_579/ 2012 vom 11. Januar 2013, E. 2.4.2 m.w.H.). Nicht von Bedeutung ist, ob die Strafbehörde effektiv um die Tatsache oder das Beweismittel hätte wissen können oder nicht (BSK StPO-Heer, Art. 410 N 42). Gleichgültig ist deshalb grundsätzlich auch, ob die geltend gemachten Noven dem Gesuchsteller schon von Anfang an bekannt waren; vorbehalten bleibt allein der Rechtsmissbrauch, welcher bei einem gegen einen Strafbefehl gerichteten Revisionsbegehren allerdings bereits dann zu bejahen ist, wenn der Verurteilte die Tatsache ohne berechtigten Grund verschwieg und in einem ordentlichen Einspracheverfahren hätte vorbringen kön- nen (BGE 130 IV 72 E.2).
Neue Tatsachen oder Beweismittel sind erheblich , wenn sie geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 130 IV 72 E.1).
Prüfung des Revisionsgrundes
Der Vertreter des Gesuchstellers begründet das Revisionsgesuch zusammengefasst sinngemäss damit, dass - wie sich nachträglich gerichtlich erwiesen habe - nicht der Gesuchsteller, sondern ein Dritter, nämlich B. , den dem Strafbefehl vom 24. Oktober 2012 zu Grunde liegenden Sachverhalt verwirklicht habe, indem dieser sich anlässlich der Verkehrskontrolle vom 23. September 2012 in Oetwil am See der Identität des Gesuchstellers bedient und sich für ihn ausgegeben habe. Diese Tatsache sei sowohl neu als auch erheblich, weshalb der Revisionsgrund von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO gegeben sei (Urk. 1).
Aus dem vom Verteidiger eingereichten Urteil des Bezirksgerichts Zürich (4. Abteilung - Einzelgericht) vom 4. September 2014 und der dazugehörigen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 30. Juli 2014 geht hervor, dass B. , geboren tt. April 1987, im abgekürzten Verfahren wegen (unter anderem) falscher Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 2 StGB schuldig gesprochen wurde, weil er sich anlässlich der Polizeikontrolle vom
23. September 2012, ca. um 10.00 Uhr, an der Bergstrasse in Oetwil am See,
in einem Personenwagen Opel Astra, Kontrollschilder ZH ..., gegenüber den Polizeibeamten als A. ausgegeben hatte (Urk. 2/3 S. 2 und Urk. 2/2 S. 3). Den beigezogenen Verfahrensakten GG140187 (Urk. 8) kann entnommen werden, dass dieser Schuldspruch auf einem entsprechenden Geständnis von
B. beruht, welches dieser am 21. März 2013 vor der Staatsanwaltschaft
Zürich-Limmat abgelegt (Urk. 8/HD 4/3 S. 9) und am 4. September 2014 vor dem Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung - Einzelgericht, bestätigt hatte
(Urk. 8/Protokoll S. 5).
Der dieser Verurteilung von B. zugrunde liegende Sachverhalt ist in Bezug auf den Tatort (Oetwil am See, Bergstrasse ), die Tatzeit (23. September 2012, um ca. 10.00 Uhr), das Anlassgeschehen (die Polizeikontrolle) sowie das vom Kontrollierten gelenkte Fahrzeug (Opel Astra ZH ...) identisch mit dem Sachverhalt aus dem Strafbefehl vom 24. Oktober 2014 (vgl. Urk. 4/2).
Der Gesuchsteller und B. kennen sich offensichtlich, haben früher vorübergehend zusammengewohnt und sind möglicherweise befreundet (gewesen) (vgl. Urk. 4/3 S. 2 und Urk. 8/HD 4/3 S. 9). Aufgrund des Umstandes, dass
B. sich in der Vergangenheit bei Polizeikontrollen eingestandenermassen
bereits mehrmals für den Gesuchsteller ausgegeben hatte (Urk. 8/HD 4/3 S. 10) und diesbezüglich auch schon in einem früheren Fall wegen falscher Anschuldigung verurteilt worden war (vgl. den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ZürichSihl vom 30. Juli 2010 unter den Beilagen der Einsprache vom 25. Oktober 2012 und der Beschwerde vom 5. Dezember 2012 des Beschuldigten
[Urk. 4/3=Urk.4/16/4]), ist nicht davon auszugehen, dass B. mit seinem der Verurteilung vom 4. September 2014 zu Grunde liegenden Geständnis nicht die Wahrheit sagte, sondern etwa lediglich den Gesuchsteller schützen wollte.
Aufgrund all dessen ist nicht bloss glaubhaft gemacht, sondern geradezu erwiesen, dass es sich bei dem am 23. September 2012, ca. um 10.00 Uhr, an der Bergstrasse in Oetwil am See kontrollierten Fahrzeuglenker nicht um den Gesuchsteller handelte, dieser demnach die ihm mit Strafbefehl vom 24. Oktober 2012 vorgeworfenen Delikte nicht begangen hat.
Diese Tatsache ist zweifellos erheblich im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO. Sie ist auch neu im Sinne dieses Artikels, denn sie war der Gesuchsgegnerin im Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls vom 24. Oktober 2012 nicht bekannt, wurde sie vom Gesuchsteller doch erst mit Einsprache vom 25. Oktober 2012 vorgebracht (vgl. Urk.4/3).
Vor Erlass des Strafbefehls hatte der Gesuchsteller keine Gelegenheit, die Gesuchsgegnerin auf diese Tatsache aufmerksam zu machen. Da B. als angeblicher A. sich vor der Polizei geständig zeigte (vgl. Urk. 4/1 S. 3), erfuhr der wahre A. erst mit Zustellung des Strafbefehls von dem gegen ihn angestrengten Verfahren bzw. dem ihm vorgeworfenen Sachverhalt. Insoweit kann dem Gesuchsteller kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden.
Mit Erhebung der Einsprache machte der Gesuchsteller die Gesuchsgegnerin in der Folge (am 29. Oktober 2012) zwar auf die relevante Tatsache aufmerksam - vgl. Urk. 4/3: Ich habe eine starke Vermutung wer mir diesen Tatbestand anhängen will: B. , welcher dies schon einmal gemacht hat [ ] - blieb dann aber der Einvernahme unentschuldigt fern, weshalb das Einspracheverfahren ohne Entscheid in der Sache erledigt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das unentschuldigte Nichterscheinen eines Einsprechers zur Einvernahme im Einspracheverfahren - analog zu dem BGE 130 IV 72 zu Grunde liegenden Unbenützt-Verstreichenlassen der Einsprachefrist - als Verschweigen einer Tatsache ohne berechtigten Grund zu qualifizieren ist, womit ein nachträgliches Revisionsbegehren gestützt auf diese Tatsache als rechtsmissbräuchlich im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu qualifizieren wäre. Für eine solche Auffassung spricht, dass ein sachlicher Unterschied zwischen demjenigen, der die Frist zur Einsprache unbenützt verstreichen lässt, und demjenigen, der zwar Einsprache erhebt, in der Folge aber der Einvernahme unentschuldigt fernbleibt (was den Rückzug der Einsprache zur Folge hat: Art. 355 Abs. 2 StPO) grundsätzlich nicht auszumachen ist. In beiden Fällen ist das Ausbleiben einer Reaktion von Seiten des Angeschuldigten als Verzicht auf die Geltendmachung der relevanten Tatsache bzw. als Zustimmung zum Strafbefehl zu betrachten. Hier wie dort würde das System des Strafbefehlsverfahrens kompromittiert, wenn ein Angeschuldigter (nachdem er die Einsprachefrist unbenützt verstreichen liess oder an einer Einvernahme unentschuldigt fernblieb und damit die Einsprache zurückzog) auf seine so gegebene Zustimmung zurückkommen und nach Belieben die Revision des Strafbefehls wegen Tatsachen, die er bereits in einem ordentlichen Verfahren vorzubringen bzw. weiterzuverfolgen in der Lage gewesen wäre, verlangen könnte. Gegen die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit der Revision spricht vorliegend allerdings, dass der Gesuchsteller im Zeitpunkt seiner Einsprache möglicherweise lediglich vermutete, dass B. sich für ihn ausgegeben hatte, und diesbezüglich erst mit Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 4. September 2014 Gewissheit erlangte.
Im konkret vorliegenden Fall ist die Frage des Rechtsmissbrauchs aus nachstehend dargelegten Gründen (Ziff. 2.2.4.) allerdings ohnehin nicht weiter relevant und braucht deshalb nicht abschliessend entschieden zu werden. Ob der vom Gesuchsteller angerufene Revisionsgrund nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO bejaht werden kann, kann somit offen gelassen werden.
a) Die Revisionsinstanz hat zwar nicht von sich aus nach (weiteren) Revisionsgründen zu suchen; vielmehr sind diese vom Gesuchsteller spezifiziert darzutun und genügend zu begründen (vgl. statt vieler BSK StPO-Heer, 2. Aufl., Art. 411 N 6). Ausreichend ist aber, wenn sich ein (vom Gesuchsteller nicht genannter) gesetzlicher Revisionsgrund, wenn auch sinngemäss, ohne Zweifel aus seiner Antragsbegründung entnehmen lässt (ZK-StPO, Fingerhuth, 2. Aufl.,
Art. 411 N 10 m.w.H.).
Der Gesuchsteller hat ausführen lassen, dass durch das Gerichtsurteil vom 4. September 2014 erstellt sei, dass nicht er selber, sondern B. die dem Gesuchsteller vorgeworfenen Delikte begangen habe, und dass der gegen ihn erfolgte Strafbefehl folglich ungerechtfertigt sei (Urk. 1 S. 4 Rz. 8 f.) Damit beruft er sich, jedenfalls sinngemäss, auch auf Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO, wonach ein Revisionsgrund gegeben ist, wenn der angefochtene Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der denselben Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht.
Dieser Revisionstatbestand ist hier ohne Zweifel gegeben: Dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 4. September 2014 liegt der gleiche Lebenssachverhalt zu Grunde wie dem angefochtenen Strafbefehl vom 24. Oktober 2012, nämlich die Polizeikontrolle des Fahrzeuglenkers des Opel Astra ZH ... am
23. September 2012, ca. um 10.00 Uhr, an der Bergstrasse in Oetwil am See
und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Mit dem späteren Strafentscheid des Bezirksgerichts Zürich wurde demnach B. (u.a.) für die gleiche Handlung schuldig gesprochen, für die der Gesuchsteller verurteilt worden war, was als klarer Anwendungsfall eines unverträglichen Widerspruchs im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO anzusehen ist (vgl. BSK StPO-Heer, 2. Aufl., Art. 410 lit. 91 und Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Rz. 1598).
Im Gegensatz zum Revisionsgrund propter nova (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO) ist der Revisionsgrund der widersprechenden Strafurteile (Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO) ein absoluter; dieser führt also in jedem Fall zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils (ZH StPO-Fingerhuth, 2. Aufl., Art. 410 N 53; Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Rz. 1591). Keine Rolle spielt hier demnach, ob das Verhalten des Gesuchstellers (d.h. sein Stellen eines Revisionsgesuchs nach unentschuldigter Säumnis im Einspracheverfahren) unter Art. 420 Abs. 1 lit a StPO als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren wäre.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall auch der - ebenfalls absolute - Revisionsgrund nach Art. 410 Abs. 1 lit. c StPO zu bejahen wäre, hat sich doch mit der Verurteilung von B. vom 4. September 2014 wegen falscher Anschuldigung ergeben, dass durch eine objektiv und subjektiv erfüllte Straftat auf das Ergebnis des angefochtenen Strafbefehls vom 24. Oktober 2012 eingewirkt wurde (vgl. dazu Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Rz. 1600 f.).
2.3. Fazit
Das Revisionsgesuch des Gesuchstellers ist folglich gutzuheissen, und der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Oktober 2012 ist aufgrund unverträglichen Widerspruchs zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich (4. Abteilung
- Einzelgericht) vom 4. September 2014 im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. b StPO aufzuheben.
Reformatorischer Entscheid
Wie bereits ausgeführt (Ziff. 2.2.2.), ist aufgrund der vorliegenden Aktenlage erwiesen, dass es sich bei dem am 23. September 2012, ca. um 10.00 Uhr, an der Bergstrasse in Oetwil am See kontrollierten Fahrzeuglenker nicht um den Gesuchsteller handelte, er demnach die ihm mit Strafbefehl vom 24. Oktober 2012 vorgeworfenen Delikte nicht begangen hat. Bei dieser Ausgangslage kommt in der Sache nur noch ein Freispruch des Gesuchstellers in Frage.
Aufgrund dessen ist das vorliegende Verfahren im Sinne der Prozessökonomie nicht an das Statthalteramt Bezirk Meilen zurückzuweisen, sondern es ist ein reformatorischer Entscheid zu fällen (vgl. Art. 413 Abs. 2 lit. b StPO; Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Rz. 1620).
Es ist somit festzuhalten, dass der Gesuchsteller der ihm vorgeworfenen Übertretungen (Missachten von mit dem Führerausweis im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. a SVG sowie des Nichtmitführens des Führerausweises im Sinne von Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 99 Ziff. 3 SVG) nicht schuldig und entsprechend freizusprechen ist.
Kosten
Bei Gutheissung des Revisionsgesuchs auferlegt das Berufungsgericht die Kosten des (eigentlichen) Revisionsverfahrens nach dem Obsiegensprinzip gemäss Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO. Fällt das Berufungsgericht nach der Gutheissung des Revisionsgesuchs selber einen neuen Entscheid (Art. 413 Art. 1 lit. b StPO) so befindet es in seinem neuen Entscheid über die Kosten des vor ihm geführten neuen Verfahrens, sowie, nach seinem Ermessen, über die Kosten des ersten, aufgehobenen Verfahrens (Art. 428 Abs. 5 StPO; BSK StPO-Domeisen,
Aufl., Art. 428 N 27; Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl., Rz. 1620).
1.2. a) Vorliegend wurde das Revisionsgesuch des Gesuchstellers gutgeheissen und dieser freigesprochen. Ausgangsgemäss sind somit die Kosten des vorliegenden Verfahrens (in welchem das eigentliche Revisionsund das neue Verfahren zusammenfallen) auf die Gerichtskasse zu nehmen.
b) Sodann sind die Kosten des ersten Verfahrens - also die Strafbefehlskosten in der Höhe von Fr. 150.- (Urk. 4/2; Urk. 4/22), die Kosten der nachträglichen Untersuchung des Statthalteramtes Bezirk Meilen in der Höhe von Fr. 100.- (Urk. 4/22) sowie die Kosten des Beschwerdeentscheids der III. Strafkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. März 2013 in der Höhe von Fr. 300.- (Gerichtsgebühr; Urk. 4/20) - auf die Staatskasse zu nehmen.
Soweit der Gesuchsteller die entsprechenden Beträge bereits bezahlt hat, gilt zusätzlich das unter nachstehender Ziffer 2.2.b. Ausgeführte.
Entschä digung
Wird die beschuldigte Person freigesprochen so hat sie (u.a.) Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO). Die nach einer Revision freigesprochene Person hat laut Art. 436 Abs. 4 StPO Anspruch auf angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Revisionsverfahren. Die zu ersetzenden Aufwendungen erfassen die Vertretungskosten im Revisionsverfahren (d.h. des hier zusammenfallenden eigentlichen Revisionsverfahrens und des neuen Verfahrens), die Vertretungskosten im ersten Verfahren, die Rückerstattung der im ersten Verfahren getragenen Verfahrenskosten sowie die Rückzahlung (vgl. Art. 415 Abs. 2 StPO) allfällig bezahlter Geldstrafen oder Bussen (vgl. BSK StPO-Wehrenberg/Frank, 2. Aufl., Art. 436 N 11, vgl. auch Schmid, Handbuch StPO, 2. Aufl.,
Rz. 1836 und Derselbe, StGB PK, Art. 436 N 7 m.V.a. Art. 429 StPO).
a) Der Gesuchsteller macht mittels Honorarnote seines Vertreters vom
2. März 2015 Vertretungskosten im Revisionsverfahren von Fr. 2'573.- (inkl. Barauslagen und MwSt.) geltend (Urk. 9). Diese Kosten sind ausgewiesen und erscheinen angemessen, weshalb der Gesuchsteller entsprechend zu entschädigen ist.
b) Laut Bussenund Kostenaufstellung des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Juni 2013 hat der Gesuchsteller die Busse des Strafbefehls von
Fr. 150.-, die Gebühren des Strafbefehls von Fr. 150.- sowie diejenigen der nachträglichen Untersuchung von Fr. 100.- bereits bezahlt (Urk. 4/22).
Diese Beträge sind ihm durch das Statthalteramt Bezirk Meilen zurückzuerstatten. Der Gesuchsteller ist darauf hinzuweisen, dass er sich hierfür nach
Rechtskraft des vorliegenden Entscheids unter Vorlage der Bescheinigung der Rechtskraft an das Inkasso des Statthalteramtes Bezirk Meilen zu wenden hat.
Sofern der Gesuchsteller die Gerichtsgebühr des Entscheids der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. März 2013 in der Höhe von Fr. 300.- bereits bezahlt hat, ist ihm auch dieser Betrag zurückzuerstatten. Der Gesuchsteller ist darauf hinzuweisen, dass er sich hierfür nach Rechtskraft des vorliegenden Entscheids unter Vorlage der Bescheinigung der Rechtskraft an das zentrale Inkasso des Obergerichts zu wenden hat.
Es wird beschlossen:
Das Revisionsbegehren des Gesuchstellers wird gutgeheissen.
Der Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Oktober 2012 (ST.212.2126) wird aufgehoben.
Es wird erkannt:
Der vormals Beschuldigte A.
ist des Missachtens von mit dem Führerausweis im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. a SVG sowie des Nichtmitführens des Führerausweises im Sinne von Art. 10 Abs. 4 i.V.m. Art. 99 Ziff. 3 SVG nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die dem Gesuchsteller mit Strafbefehl des Statthalteramtes Bezirk Meilen vom 24. Oktober 2012 (ST.212.2126) auferlegten Busse von Fr. 150.- und Gebühren von Fr. 150.- sowie die Kosten der nachträglichen Untersuchung von Fr. 100.- sind diesem zurückzuerstatten.
Die dem Gesuchsteller mit Verfügung der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. März 2013 (UH120362) auferlegte Gerichtsge-
bühr von Fr. 300.- ist diesem - soweit sie bereits bezahlt wurde - zurückzuerstatten.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Gesuchsteller wird eine Prozessentschädigung von Fr. 2'573.- für anwaltliche Vertretung im Revisionsverfahren zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung in vollständiger Ausfertigung an
den Vertreter des Gesuchstellers im Doppel für sich und zuhanden des Gesuchstellers
das Statthalteramt Bezirk Meilen
die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
das Zentrale Inkasso der Gerichte
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bund esrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Zürich, 9. März 2015
Der Präsident:
Oberrichter Dr. Bussmann
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. Höfliger
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