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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB200432
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB200432 vom 21.05.2021 (ZH)
Datum:21.05.2021
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_932/2021
Leitsatz/Stichwort:Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Landes; Beschuldigten; Weisung; Landesverweisung; Urteil; Schweiz; Berufung; Persönliche; Härte; Bundesgericht; Härtefall; Kosten; Beziehung; Wieder; Betäubungsmittel; Staatsanwaltschaft; Persönlichen; Positiv; Interesse; Ehemann; Dispositiv; Jahren; Dispositivziffer; Vorinstanz; Bundesgerichts; Strafe; Arbeit
Rechtsnorm: Art. 13 BV ; Art. 135 StPO ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 5 BV ; Art. 66a StGB ; Art. 8 EMRK ; Art. 82 StGB ;
Referenz BGE:139 I 16; 144 II 1; 144 VI 332; 145 IV 364; 146 IV 105; 146 V 105;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB200432-O/U/as

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichter lic. iur. Wenker und Oberrichterin lic. iur. Haus Stebler sowie Gerichtsschreiber MLaw Andres

Urteil vom 21. Mai 2021

in Sachen

A. ,

Beschuldigte und Berufungsklägerin

verteidigt durch Rechtsanwalt Dr. iur. X1. ,

bis 3. November 2020 amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. X2. ,

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,

Anklägerin und Berufungsbeklagte

betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz

Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Bülach vom 26. August 2020 (DG200024)

Anklage

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Winterthur / Unterland vom 3. Juni 2020 (Urk. 20) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

  1. Die Beschuldigte ist schuldig des Verbrechens gegen das Betäubungsmit- telgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und lit. d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG.

  2. Die Beschuldigte wird bestraft mit 16 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 66 Tage durch Haft erstanden sind.

  3. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.

  4. Die Beschuldigte wird in Anwendung von Art. 66a StGB für 5 Jahre des Landes verwiesen.

  5. Es wird die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informati- onssystem angeordnet.

  6. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 30. Au- gust 2019 (act. 6/8) beschlagnahmte Barschaft von Fr. 3'400.- wird zur De- ckung der Verfahrenskosten ein- und herangezogen.

  7. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom

    1. März 2020 (act. 6/18) beschlagnahmte Barschaft von Fr. 200.- (A012'961'249) wird eingezogen und verfällt dem Staat.

  8. Die mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom

    1. März 2020 (act. 6/18) beschlagnahmten Betäubungsmittel und Betäu- bungsmittelutensilien (A012'961'250; B02591-2019; A012'961'261; B02591- 2019; A012'977'718; B02591-2019; A012'961'272; A012'961'294;

      A012'961'329; A012'961'307; A012'961'318) werden eingezogen und sind nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils durch die Kantonspolizei Zürich zu vernichten.

  9. Das mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom

    30. August 2019 (act. 6/8) beschlagnahmte Mobiltelefon (A012'961'147) wird der Beschuldigten nach Eintritt der Rechtskraft auf erstes Verlangen hin wieder herausgegeben.

    Wird es nicht innert 30 Tagen herausverlangt, so wird der Verzicht ange- nommen.

  10. Die Entscheidgebühr wird festgesetzt auf:

    Fr. 4'000.-; die weiteren Auslagen betragen: Fr. 2'100.- Gebühr für das Vorverfahren

    Fr. 40.- Auslagen Vorverfahren (Zeugenentschädigung) Fr. 990.- Auslagen Vorverfahren (Gutachten FOR)

    Fr. 1'220.- Auslagen Polizei

    Fr. 7'200.- amtl. Verteidigungskosten (inkl. MwSt.) Allfällige weitere Auslagen bleiben vorbehalten.

    Wird auf eine schriftliche Begründung des Urteils verzichtet, so reduziert

    sich die Entscheidgebühr um einen Drittel.

  11. Die Kosten der Untersuchung und des gerichtlichen Verfahrens werden der Beschuldigten auferlegt; davon ausgenommen sind die Kosten der amtlichen Verteidigung, welche einstweilen und unter dem Vorbehalt von Art. 135 Abs. 4 StPO von der Gerichtskasse übernommen werden.

  12. [Mitteilungen]

  13. [Rechtsmittel]

Berufungsanträge:

  1. Der Verteidigung der Beschuldigten:

    (Urk. 58 S. 6, sinngemäss; Beschränkung der Berufung vgl. unten S. 17 f.)

    • - Aufhebung der Dispositivziffern 4 und 5 des vorinstanzlichen Ur- teils und Verzicht auf eine Landesverweisung,

    • - unter Kosten- und Entschädigungsfolgen gemäss gesetzlicher Vorschrift.

  2. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland: (Urk. 49, schriftlich)

Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte und Prozessuales
    1. Prozessgeschichte

      1.1.

      Der Verfahrensgang bis zum Erlass des erstinstanzlichen Entscheids kann

      dem vorinstanzlichen Urteil entnommen werden (Urk. 42 S. 4, Art. 82 Abs. 4 StGB). Die Hauptverhandlung vor Vorinstanz fand am 26. August 2020 statt (Prot. I S. 4 ff.).

      1.2.

      Mit eingangs wiedergegebenem Urteil vom 26. August 2020 (Urk. 42 S. 19

      f.) sprach das Bezirksgericht Bülach, I. Abteilung, die Beschuldigte des Verbre- chens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c und d BetmG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG schuldig. Die Beschuldigte wurde - unter Ansetzung einer Probezeit von drei Jahren - mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten bestraft, woran 66 Tage erstandene Haft ange- rechnet wurden. Ferner wurde die Beschuldigte in Anwendung von Art. 66a StGB für fünf Jahre des Landes verwiesen. Zusätzlich wurde die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) angeordnet. Weiter wurden die beschlagnahmten Barschaften zur Kostendeckung herangezogen o- der eingezogen. Auch die beschlagnahmten Betäubungsmittel- und Betäubungs- mittelutensilien wurden eingezogen und der Lagerbehörde zur Vernichtung über- lassen. Schliesslich wurde auch die Herausgabe des beschlagnahmten Mobiltele- fons an die Beschuldigte angeordnet. Die Kosten der Untersuchung und des erst- instanzlichen Verfahrens wurden der Beschuldigten auferlegt. Gegen dieses Urteil meldete die Beschuldigte über ihren erbetenen Verteidiger, Rechtsanwalt

      Dr. X1. , mit Eingabe vom 26. August 2020 fristgerecht Berufung an (Urk. 37).

      1.3.

      Das begründete Urteil wurde dem amtlichen Verteidiger Rechtsanwalt

      X2. und dem erbetenen Verteidiger sowie der Staatsanwaltschaft Win- terthur / Unterland (fortan Staatsanwaltschaft) jeweils am 5. Oktober 2020 zuge- stellt (Urk. 41).

      1.4.

      Der erbetene Verteidiger erstattete mit Eingabe vom 23. Oktober 2020

      fristgerecht die Berufungserklärung und beantragte die Reduktion des Strafmas- ses auf höchstens sechs Monate Freiheitsstrafe und Absehen von einer Landes- verweisung; eventualiter beantragte er eine Freiheitsstrafe von höchstens zwölf Monaten unbedingt bei gleichzeitigem Absehen von einer Landesverweisung (Urk. 44). Nach Rücksprache mit dem bisherigen amtlichen Verteidiger, Rechts- anwalt lic. iur. X2. , wurde dieser mit Präsidialverfügung vom 3. November 2020 aus dem amtlichen Mandat entlassen. Gleichzeitig wurde der Staatsanwalt- schaft Frist zur Erhebung einer Anschlussberufung angesetzt (Urk. 47). Diese verzichtete sinngemäss auf Anschlussberufung, beantragte die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils und ersuchte um Dispensation von der Teilnahme an der Berufungsverhandlung (Urk. 49). Am 21. Mai 2021 fand die Berufungsverhand- lung statt, anlässlich welcher die Beschuldigte die eingangs aufgeführten Anträge stellten (Prot. II S. 3 ff.). Das Verfahren erweist sich als spruchreif.

    2. Prozessuales und Umfang der Berufung

    Die Beschuldigte liess das vorinstanzliche Urteil über ihren Verteidiger zunächst nur hinsichtlich der Strafe (Dispositivziffern 2 [Strafzumessung] und 3 [Vollzug]) und der Anordnung der Landesverweisung inklusive Ausschreibung im SIS (Dis- positivziffern 4 und 5) sowie sinngemäss hinsichtlich der Kostenauflage (Disposi- tivziffer 11) anfechten. Im Rahmen der Berufungsverhandlung schränkte die Beschuldigte ihre Berufung dahingehend ein, dass sie die ursprünglich noch ange- fochtene vorinstanzliche Strafe akzeptierte (Prot. II S. 17 f.). Somit sind der Schuldspruch wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Disposi- tivziffer 1), die Strafe (Dispositivziffer 2), der Vollzug (Dispositivziffer 3), die Ein- ziehungen der beschlagnahmten Barschaften, teilweise zur Kostendeckung (Dis- positivziffern 6 und 7), und der Betäubungsmittel- sowie Betäubungsmittelutensi- lien zur Vernichtung (Dispositivziffer 8) und die Herausgabe des beschlagnahm- ten Mobiltelefons (Dispositivziffer 9) an die Beschuldigte sowie die Kostenfestset- zung (Dispositivziffer 10) in Rechtskraft erwachsen, was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.

  2. Landesverweisung
    1. Voraussetzungen der Anordnung bzw. des Absehens von einer Landesver- weisung

      1.1.

      Gemäss Art. 66a Abs. 1 StGB verweist das Gericht einen Ausländer, der

      eine Katalogtat im Sinne Art. 66a Abs. 1 lit. a - o StGB begangen hat, unabhängig von der Höhe der Strafe für die Dauer von 5 - 15 Jahren des Landes. Die Landes- verweisung greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere. Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch ge- blieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt

      (BGE 146 V 105 E. 3.4.1; 144 IV 168 E. 1.4.1 und Urteil des Bundesgerichtes 6B_1194/2020 vom 8. Februar 2021 E. 1.1.). Ein Verzicht auf eine Landesverwei- sung ist nur ausnahmsweise dann möglich, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB). Gemäss Bundesgerichtsentscheid 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 ist die Landesverwei- sung zunächst nach schweizerischem Recht zu prüfen und erst in zweiter Linie, ob eine Staatsvertrag bzw. Völkerrecht einer Ausweisung entgegen stehe, wobei die Kriterien der EMRK regelmässig bereits bei der Härtefallbeurteilung zu prüfen seien (E. 2.1).

      1.2.

      Die Vorinstanz hat zutreffend fest gehalten, dass alle objektiven Voraussetzungen (qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 2 BetmG [= Katalogtat] und ausländische Staatsbürger- schaft) vorliegend erfüllt sind. Dies wird auch von der Verteidigung und der Beschuldigten akzeptiert. Mithin ist zu prüfen, ob für die Beschuldigte durch die Lan- desverweisung ein schwerer persönlicher Härtefall entsteht.

    2. Härtefallprüfung

    2.1.

    Die sogenannte Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismäs-

    sigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332

    E. 3.1.2; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 VI 332

    E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den schwerwiegenden persönlichen Härtefall in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbs- tätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich fami- liärer Bindungen der ausländischen Person in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen hier sowie im Heimatstaat. Es ist zur Beurteilung der Integration im weiteren Sinne das Sozialverhalten insgesamt zu berücksichtigen und der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rech- nung zu tragen. Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a

    StGB begangene Straftaten berücksichtigen. Gelöschte Strafen dürfen in der Ge- samtbetrachtung berücksichtigt werden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1 und 144 IV 332

    E. 3.3.2 sowie Urteile des Bundesgerichts 6B_587/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 2.1.1 und 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.4.1 und E. 2.6).

    2.2.

    Die Vorinstanz stellte zunächst die Argumente der Staatsanwaltschaft dar,

    welche ihren Antrag auf Anordnung einer Landesverweisung im Wesentlichen damit begründete, dass zwischen der Beschuldigten und ihrem Mann keine geleb- te familiäre Beziehung mehr, sondern vielmehr eine Ehe auf Papier bestehe. Ihr Sohn sei volljährig, weshalb dessen Anwesenheit in der Schweiz ebenfalls keinen Härtefall begründe. Sodann könne von einer gelungenen Integration keine Rede sein, da die Beschuldigte kaum deutsch spreche, in der Schweiz nie eine feste Anstellung gehabt habe und sich ihre sozialen Kontakte auf Mitglieder der Afri- can Community beschränkten. Vom Migrationsamt sei sie mehrfach verwarnt worden aufgrund ihrer wiederholten Straffälligkeit. Angesichts regelmässiger Kon- takte in ihr Heimatland und Besuche in Kamerun dürfte ihr auch eine Wiederein- gliederung in Kamerun keine besonderen Schwierigkeiten bereiten (Urk. 42 S. 14 Ziff. 2.3).

    2.3.

    Hernach zeigte die Vorinstanz die Argumente des erbetenen Verteidigers

    auf, welcher einen Härtefall geltend machte, auf: Die Beschuldigte befinde sich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz und habe sich seit über sieben Jahren (ihrer letzten Verurteilung) wohl verhalten. Auch die Ehe zwischen der Beschuldigten und ihrem Ehemann existiere sehr wohl und zwar seit längerer Zeit. Die wohl wichtigste Beziehung sei diejenige zu ihrem Sohn und der Enkeltochter. Die Beschuldigte habe keine direkte Verwandtschaft mehr in Kamerun. Eine Ausschaf- fung nach 20 Jahren sei nahezu rassistisch. Die Beschuldigte sei bestrebt, sich voll zu integrieren, insbesondere auch in den Arbeitsmarkt. Der frühere amtliche Verteidiger wies darauf hin, der Lebensinhalt der Beschuldigten bestehe weithin in der Betreuung der Enkeltochter und Probleme seien programmiert, da eine richti- ge Betreuung der Enkeltochter nicht mehr gewährleistet werden könne, wenn der Sohn arbeiten gehe (Urk. 42 S. 14 f. Ziff. 2.4 und 2.5).

    2.4.

    Die Vorinstanz führte die Vorgeschichte und die persönlichen Verhältnisse

    und Lebensumstände der Beschuldigten bereits zutreffend auf (Urk. 42 S. 15

    Ziff. 2.6). Sodann wurde die Beschuldigte an der Berufungsverhandlung erneut zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt (Prot. II S. 5 ff.):

        1. Den Akten des Migrationsamtes des Kantons Zürich (Urk. 16 S. 33, S. 51,

          S. 72 und 82) sowie den Angaben der Beschuldigten selbst zur Person (Urk. 14/1 und Prot. I S. 6 sowie Prot. II S. 5 ff.) kann zu ihrem Vorleben und ihren persönli- chen Verhältnissen Folgendes entnommen werden: Die Beschuldigte wurde 1970 in B. , Kamerun, geboren und besuchte dort 9 Jahre die Schule (Primar- und Sekundarstufe). Sie absolvierte eine Lehre als Coiffeuse und war in der Folge auch als Coiffeuse und sodann als Haushälterin tätig. Im Jahre 1997 kam sie erstmals in die Schweiz, nach eigenen Angaben deshalb, weil sie dieses Land und seine Geschichte liebe. In der Folge wurde sie allerdings mit einer Einreise- sperre belegt. Im Jahre 2001 heiratete sie ihren heutigen Ehemann C. in Kamerun und reiste am 6. November 2001 in die Schweiz ein. Aus früherer Be- ziehung stammt der 1988 geborene und heute in D. wohnhafte Sohn

          E. , der von ihrem Ehemann adoptiert wurde. Der Sohn hat mit seiner Ehe- frau, mit der er zusammenlebt, eine kleine Tochter, welche die Beschuldigte nach deren Geburt zeitweise betreute. Zurzeit erwarte ihr Sohn mit ihrer Schwieger- tochter ein zweites Kind. Neben ihrem Sohn und ihrer Enkelin wohnt auch noch eine Cousine der Beschuldigten in der Schweiz. Ihre Eltern und ihre Schwester in

          Kamerun sind verstorben, es würden jedoch noch ihre Tanten und die Kinder der Schwester dort leben. Weitere Cousinen würden in Frankreich leben. Die Beschuldigte spricht neben ihrer Muttersprache Französisch auch etwas Englisch und ein wenig Deutsch. Zur Zeit ihrer Verhaftung im August 2019 wohnte die Beschuldigte nicht mit ihrem Ehemann zusammen. Nach der Haftentlassung war sie dann wieder bei diesem in F. wohnhaft; auch heute lebt das Ehepaar zu- sammen. Sie verfügt über die Niederlassungsbewilligung C. Die Beschuldigte war seit ihrer Immigration in die Schweiz nie regulär erwerbstätig und ging eine Zeit lang der Prostitution nach. Auch anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhand- lung gab die Beschuldigte noch an, sie arbeite nicht, sei aber auf Arbeitssuche (Prot. I S. 7). Seit November 2020 ist sie nun in einem Privathaushalt als Kinder- betreuerin angestellt, verrichtet dort Haushaltsarbeiten und reinigt auch die Büro- räumlichkeiten ihrer Arbeitgeberin, welche ihr ein sehr gutes Arbeitszeugnis aus- gestellt hat (Urk. 57). Sie erhält einen Lohn von Fr. 2'700.- brutto für 30 Arbeits- stunden wöchentlich, ausbezahlt werden ihr rund Fr. 2'375.- zuzüglich 13. Mo- natslohn (Urk. 52 und 45/1 sowie 53/1-3; sodann zum Ganzen vgl. Prot. II S. 5 ff.).

        2. Die Beschuldigte ist einschlägig vorbestraft und wurde mit Strafbefehl vom

    7. März 2012 wegen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 BetmG mit 600 Stunden gemeinnütziger Arbeit bestraft (Urk. 43). In der Folge leistete sie vom 3. Juli bis 19. Oktober 2012 während 600 Stunden ge- meinnützige Arbeit (Urk. 34/1). Die zuständige Fallverantwortliche der Bewäh- rungs- und Vollzugsdienste bestätigte, dass der Einsatzort mit der Arbeitsleistung der Beschuldigten sehr zufrieden war und die Zusammenarbeit mit ihr schätzte (Urk. 34/1). Trotz dieser positiven Erfahrung wurde die Beschuldigte - wenn auch erst einige Jahre später - wieder rückfällig.

    2.5.

    Das erstinstanzliche Gericht hielt fest, es seien keine Umstände ersichtlich,

    die auf einen hohen Integrationsgrad der Beschuldigten in der Schweiz schliessen liessen. Integrationsbestrebungen seien weder belegt noch ersichtlich. Demge- genüber seien für den Fall der Rückkehr nach Kamerun keine Integrationsprob- leme zu erwarten, da die Beschuldigte über gute Kontakte verfüge und ihr Spra- che und Kultur bestens vertraut seien. Auch die lange Anwesenheit in der

    Schweiz vermöge keinen Härtefall zu begründen, wäre es doch verfehlt nach ei- ner gewissen Aufenthaltsdauer automatisch auf eine Verwurzelung in der Schweiz zu schliessen. Die Betreuung der Enkeltochter werde bei Abwesenheit des Sohnes auch anderweitig gewährleistet werden können. Durch moderne Kommunikationsmittel könne ebenfalls der Kontakt zu Sohn und Enkeltochter auf- recht erhalten werden. Die Vorinstanz hielt bezüglich des Vorwurfs der Verteidi- gung, wonach eine Landesverweisung nahezu rassistisch sei, fest, dieser ent- behre - angesichts der strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtes im Zu- sammenhang mit Drogendelikten - jeglicher Grundlage. Zusammengefasst erge- be sich, dass aufgrund der Gesamtumstände die Landesverweisung keine be- sondere persönliche Härte für die Beschuldigte darstelle. Folglich wurde eine Landesverweisung ausgesprochen (Urk. 42 S. 15 f. Ziff. 2.6).

    2.6.

    Den Ausführungen der Vorinstanz kann namentlich aufgrund der im Ur-

    teilszeitpunkt bestehenden Umstände beigepflichtet werden. So ist und war die Beschuldigte in der Schweiz nur wenig integriert, hatte seit ihrer Einreise im Jahre 2001 bis vor kurzem noch nie eine feste Anstellung inne gehabt und benötigte auch nach beinahe zwanzigjährigem Aufenthalt in der Schweiz anlässlich der vo- rinstanzlichen Hauptverhandlung eine Dolmetscherin. An Letzterem hat sich auch an der Berufungsverhandlung nichts geändert (vgl. Prot. II S. 3). Wie gesehen ist die Beschuldigte einschlägig vorbestraft (vgl. Strafbefehl vom 7. März 2012), wo- bei dies schon längere Zeit zurück liegt und die Beschuldigte sich danach bis zu den heute zu beurteilenden Delikten während einigen Jahren strafrechtlich nichts zuschulden kommen liess (Urk. 43). Aus dem in den Vorakten befindlichen Straf- registerauszug vom 14. Dezember 2011 ergibt sich sodann, dass die Beschuldig- te schon in den Jahren 2004 und 2005 wegen Vergehen gegen das Betäubungs- mittelgesetz insgesamt drei Mal hatte bestraft werden müssen; zwei Mal wurden Gefängnisstrafen von vier Monaten und einmal von fünf Monaten ausgesprochen (Urk. HD 10/2 Untersuchungsakten der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl 2011/7248, erledigt mit Strafbefehl vom 7. März 2012): Diese Strafen sind gelöscht, dürfen aber gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.6) im Sinne einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden und belegen, dass die Beschuldigte in der Vergangenheit

    Mühe bekundete, eine legale Erwerbstätigkeit aufzunehmen und sich dauerhaft an die hiesige Gesetzgebung zu halten, sich mithin straflos zu verhalten. Dies ergibt sich im Übrigen bereits angesichts der Vorstrafe aus dem Jahr 2012.

    2.7.

    Ein Eingriff in das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK verankerte Recht auf Achtung des

    Privatlebens kann einen Härtefall begründen, allerdings erst bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite. Dabei genügt selbst eine lange Anwesenheit und eine normale Integration unter diesem Titel für sich noch nicht; erforderlich sind vielmehr besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende pri- vate Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (BGE 146 IV 105

    E. 4.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_1044/2019 vom 17. Februar 2020 E. 2.4.3 und 2.5.2.). Nebst den Kontakten mit den Familienangehörigen scheint die Beschuldigte vor allem Beziehungen zu Bekannten aus ihrem Herkunftsland zu pfle- gen (Prot. II S. 12 f.). Mithin sind keine besonderen Beziehungen, die auf eine In- tegration schliessen lassen, gegeben. Auch ihre berufliche Integration lässt zu wünschen übrig. In den letzten Jahren erzielte sie einzig mit dem Verkauf von af- rikanischem Essen und kleinen Coiffeurarbeiten (Zöpfchen flechten) geringfügige Einkünfte. Indessen ist der mittlerweile erfolgte Einstieg ins Erwerbsleben als po- sitiv zu bewerten. Die Beschuldigte geht mittlerweile seit November 2020 einer Erwerbstätigkeit als Kinderbetreuerin und Haushalts- sowie Reinigungsangestellte nach und dies wie gesagt zur vollen Zufriedenheit ihrer Arbeitgeberin. Bereits frü- her leistete sie im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit offenbar Haushaltsarbeiten, mit denen man im Einsatzbetrieb sehr zufrieden war (vgl. oben E. 2.4. 2.). Durch eine Landesverweisung würde sie - nachdem sie erstmals eine geregelte Ar- beitsstelle innehat - aus dem hiesigen Erwerbsleben gerissen. Eine Eingliederung in ihrem Heimatland dürfte demgegenüber zwar nicht gerade einfach sein, aber erscheint angesichts ihrer Sprachkenntnisse und der Kenntnis der dortigen Ver- hältnisse und Kultur durchaus möglich. Die Beschuldigte ist in Kamerun aufge- wachsen und hat immerhin fast dreissig Jahre - mithin mehr als die Hälfte ihres Lebens - in ihrem Heimatland gelebt, bevor sie in die Schweiz immigrierte. So- dann hat sie auch noch Verwandte in Kamerun (Tanten und Nichten) und besuch- te ihre Heimat zuletzt im Sommer 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie (Prot. II S. 16).

    Vor ihrer Verhaftung im August 2019 hielt sich die Beschuldigte grösstenteils aus- serhalb der ehelichen Wohnung auf. Von einem eigentlichen ehelichen Zusam- menleben konnte nicht die Rede sein. So hatte auch der Ehemann gegenüber der Staatsanwaltschaft in der Einvernahme vom 3. Juni 2020 angegeben, dass seine Ehefrau und er seit sicher acht bis zehn Jahren nicht mehr zusammengelebt hät- ten (Urk. 3/1 S. 3 f., Urk. 4/1 und Urk. 3/5 S. 2 f.); teilweise weilte die Beschuldigte bei ihrem Sohn und ihrer Enkelin in der Westschweiz, aber hielt sich zeitweise auch in der Wohnung, in der die Drogen sichergestellt wurden, auf (vgl. Prot. II

    S. 10 ff.). Wie sich aus den von der Verteidigung eingereichten Unterlagen und der persönlichen Befragung der Beschuldigten anlässlich der Berufungsverhand- lung zeigt, lebt die Beschuldigte nunmehr wieder mit ihrem Ehemann zusammen (Prot. II S. 9, 11 und 13). Dieser hatte anlässlich der Einvernahme gegenüber der Staatsanwaltschaft bereits bestätigt, dass die Beschuldigte nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft (31. Oktober 2019) wieder mit ihm zusammenleben werde und nur manchmal zum Sohn gehe (Urk. 4/1 S. 3).

    2.8.

    Der Umstand, dass ein ausländischer Verurteilter mit seiner Familie in der

    Schweiz lebt, bedeutet für sich allein noch keinen schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB, vielmehr müssen, damit ein schwerer persön- licher Härtefall angenommen werden kann, in der Regel weitere Kriterien hinzu- treten, namentlich eine starke Verwurzelung in der Schweiz und/oder grosse Schwierigkeiten, sich im Heimatland privat und beruflich wieder zurechtzufinden. Insbesondere ist das in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV geschützte Recht auf Fami- lienleben (nur dann) berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhalte- massnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne weiteres möglich oder zumutbar wäre, ihr Familienleben andern- orts zu pflegen. Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfa- milie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern (Ur- teile des Bundesgerichts 6B_841/2019 vom 15. Oktober 2019 E. 2.5.2.; 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.4.; 6B_907/2018 vom 23. November 2018

    E. 2.3.1; 6B_659/2018 vom 20. September 2018 E. 3.4.; 6B_770/2018 vom

    24. September 2018 E. 2.1. und BGE 144 II 1 E. 6.1).

    2.9.

    Wie dargelegt leben der einzige Sohn der Beschuldigten, zu dem sie

    scheinbar eine sehr gute Beziehung und regelmässigen Kontakt pflegt (tägliche Telefonate und etwa monatliche Besuche; Prot. II S. 15), wie auch ihre Enkeltoch- ter hier in der Schweiz. Die Landesverweisung würde diesen persönlichen Kon- takt zweifellos erschweren. Allerdings ist im Lichte der hiervor zitierten Rechtspre- chung relevant, dass ihr Sohn bereits erwachsen und mittlerweile auch nicht mehr auf die Mithilfe der Beschuldigten bei der Kinderbetreuung angewiesen ist. So- dann gibt die Beschuldigte zwar an, mittlerweile wieder eine bessere Beziehung zu ihrem Ehemann, der das Schweizer Bürgerrecht besitzt, zu pflegen als noch zum Tatzeitpunkt. Sie lebt - wie bereits erwähnt - seit ihrer Haftentlassung wieder mit ihm zusammen in F. . Für diesen wäre es mutmasslich sehr schwierig, in Kamerun beruflich Fuss zu fassen. Allerdings bestehen gewichtige Zweifel daran, ob die zwar nach wie vor bestehende eheliche Beziehung als nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung im Sinne der Rechtsprechung zu gelten hat. So war das Eheleben der Beschuldigten und ihres Ehemanns, zumindest vor der Festnahme der Beschuldigten, wie dargelegt jahrelang gar nicht gelebt wor- den, was von ihr auch anlässlich der Berufungsverhandlung - wenn auch etwas abgeschwächt - letztlich bestätigt wurde (Prot. II S. 11 f.). Zudem soll ihr Ehe- mann in der Strafuntersuchung gegenüber der Polizei gar angegeben haben, dass er sich eigentlich von der Beschuldigten scheiden lassen wolle, dass sich diese aber der Scheidung widersetzen würde, weil sie das Schweizer Bürgerrecht erhalten wolle (vgl. Urk. 4/1 S. 4). Dies wird von der Beschuldigten zwar bestritten und es wurde bislang auch kein Scheidungsverfahren eingeleitet (Prot. II S. 10; Urk. 4/1 S. 4). Letztlich anerkennt jedoch sowohl die Beschuldigte als auch die Verteidigung, dass die Beziehung zum Ehemann bisher alles andere als harmo- nisch verlaufen war (vgl. Urk. 58 S. 4; Prot. II S. 17). C. begründete den Umstand, dass die Beschuldigte nun doch wieder bei ihm leben würde, ferner nicht etwa mit einer Verbesserung oder Intensivierung der in den letzten Jahren nicht oder nur spärlich gelebten ehelichen Beziehung, sondern vielmehr damit, dass diese nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft kein (anderes) Dach über dem Kopf mehr hatte. Zur Frage, ob er mit der Beschuldigten nun wieder ein Eheleben führe oder es sich dabei mehr um eine Wohngemeinschaft handle,

    verweigerte er die Aussage (Urk. 4/1 S. 4). Bezeichnenderweise erwähnte die Beschuldigte, als sie an der Berufungsverhandlung nach ihren Zukunftsplänen be- fragt wurde, ihren Ehemann mit keinem Wort und bekundete auch sonst eine auf- fällige Zurückhaltung und Unsicherheit bei der Beantwortung von Fragen zum an- geblich wiederaufgenommenen Eheleben oder gab ausweichende Antworten (vgl. Prot. II S. 12 ff.). Unter Würdigung all dieser Umstände ist der Wiederaufnahme des Zusammenlebens der Beschuldigten mit ihrem Ehemann und der von ihr be- haupteten angeblichen Verbesserung der ehelichen Beziehung - welche nach vielen Jahren zeitlich ausgerechnet mit der Einleitung dieses Strafverfahrens, in welcher die Landesverweisung zum Thema wurde, zusammenfielen - mit einiger Zurückhaltung zu begegnen (vgl. zur Anforderung an eine intakte familiäre Bezie- hung Urteile des Bundesgerichts 6B_1299/2019 vom 28. Januar 2020 E. 3.4.3.; 6B_186/2020 vom 6. Mai 2020 E. 2.3.2.).

    2.10.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein schwerer persönlicher Härte-

    fall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt, auch wenn sich die familiäre und berufliche Situation (eheliche Beziehung und Erwerbstätigkeit) der Beschuldigten in der Zwischenzeit etwas stabilisiert zu haben scheint. Die insgesamt lange Dau- er des Aufenthalts der Beschuldigten in der Schweiz steht im starken Kontrast zur klar unterdurchschnittlichen Integration der Beschuldigten in die hiesige Gesell- schaft. Weder die Beziehung zu ihrem in der Westschweiz lebenden erwachse- nen Sohn und dessen Tochter, noch das erst kürzlich wiederaufgenommene Zu- sammenleben mit ihrem Ehemann vermögen nach dem Gesagten im Falle der Landesverweisung der Beschuldigten einen schweren persönlichen Härtefall zu begründen. Entsprechend ist eine obligatorische Landesverweisung im Sinne von Art. 66a lit. o StGB anzuordnen.

    1. Interessenabwägung

      3.1.

      Doch selbst wenn zu Gunsten der Beschuldigten von einem schweren persönlichen Härtefall ausgegangen würde, würde sich an diesem Ergebnis nichts ändern. Denn auch wenn feststeht, dass die Landesverweisung eine schwere persönlichen Härte bedeuten würde, führt dies für sich noch nicht zu einem Ver- zicht auf deren Anordnung, sondern vielmehr nur dann, wenn nicht die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers oder der Ausländerin am Verbleib in der Schweiz überwiegen (Art. 66a Abs. 2 StGB). Für das öffentliche Interesse wesentlich sind die Art und Schwere der begangenen Delikte, das Verschulden, d.h. die ausgesprochene Strafe, sowie die vom Täter oder der Täterin ausgehende Gefahr, d.h. die Legal- prognose. Für das persönliche Interesse ist neben dem Umstand, wie lange die Person in der Schweiz lebte, insbesondere auch ihre berufliche und familiäre Bin- dung relevant. Je gravierender das Delikt, desto höher hat das persönliche Inte- resse an einem Verbleib zu sein, damit die Härtefallklausel zu einem ausnahms- weisen Verzicht auf eine Landesverweisung führt. Überwiegen die öffentlichen In- teressen, muss die Landesverweisung ausgesprochen werden (BUSSLIN- GER/ÜBERSAX, a.a.O., S. 102 ff.).

      3.2.

      Bei Straftaten gegen das BetmG hat sich das Bundesgericht hinsichtlich

      der Ausweisung zwecks Verhinderung neuer Straftaten zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit stets besonders streng gezeigt: Drogenhandel führt von Verfassungs wegen in der Regel zur Landesverweisung und bei qualifizierten Drogendelikten überwiegt das öffentliche Interesse regelmässig, falls keine be- sonderen persönlichen oder familiären Bindungen im Aufenthaltsstaat bestehen (BGE 139 I 16 ff. E. 2.2.2; 145 IV 364 E. 3.5.2.; Urteile des Bundesgerichtes

      6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 2.2., 6B_680/2018 vom 19. September 2018

      E. 1.4). Auch nach der Praxis des EGMR, in welcher der Drogenhandel als Aus- breitung dieser Geissel der Menschheit (propagation de ce fléau) bezeichnet wird (Urteil des Bundesgerichts 6B_242/2019 vom 18. März 2019 E.1.3), über- wiegt bei Betäubungsmitteldelikten regelmässig das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts, falls keine besonderen persönlichen oder familiären Bindungen im Aufenthaltsstaat bestehen (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 6B_131/2019 vom 27. September 2019 E. 2.6.).

      3.3.

      Bei den heute zu beurteilenden Betäubungsmitteldelikten der Beschuldig-

      ten handelt es sich um eine qualifizierte Widerhandlung gemäss Art. 19 Abs. 2 BetmG und der Grenzwert von 18 Gramm reinem Kokain, bei welchem das Vor- liegen eines schweren Falles bejaht wird, wurde deutlich überschritten. Das öffentliche Interesse an einer Ausweisung der Beschuldigten, die mit dem An- und Verkauf einer grösseren Menge von Kokain in Kauf nahm, die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen ernsthaft in Gefahr zu bringen, ist daher erheblich, auch wenn das Verschulden der Beschuldigten innerhalb des qualifizierten Tatbestan- des als noch leicht zu gewichten ist. Die Beschuldigte ist einschlägig vorbestraft und es bestehen gewisse Bedenken, dass sie wieder rückfällig wird, auch wenn ihr die Vorinstanz keine ungünstige Prognose stellte und eine bedingte Strafe aussprach, die im Berufungsverfahren unangefochten geblieben ist. Zusammen- gefasst ist festzuhalten, dass in Nachachtung der strengen Praxis des Bundesge- richtes das öffentliche Interesse gegenüber dem Interesse der Beschuldigten, in der Schweiz bleiben zu können, höher zu gewichten ist. Die Beschuldigte wäre folglich selbst bei Bejahung eines persönlichen Härtefalles in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB des Landes zu verweisen gewesen.

    2. Dauer

      Die von der Vorinstanz ausgesprochene Dauer von 5 Jahren Landesverweisung erweist sich als angemessen. Es kann auf die Begründung im erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden (Urk. 42 S. 17). Ohnehin bestünde im Berufungsverfah- ren kein Spielraum für die Abänderung, nachdem die ausgesprochene Dauer ei- nerseits dem gesetzlich vorgeschriebenen Minimum entspricht und einer Erhö- hung andererseits das Verbot der reformatio in peius entgegenstünde.

      Die Beschuldigte ist im Ergebnis somit in Anwendung von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für 5 Jahre des Landes zu verweisen.

    3. Ausschreibung im Schengener Informationssystem

    Ferner sind die Voraussetzungen für die Ausschreibung der Landesverweisung im Schengener Informationssystem (SIS) erfüllt, da die Beschuldigte Staatsangehö- rige von Kamerun ist, also einem Drittstaat angehört und eine Straftat von einer gewissen Schwere im Sinne von Art. 24 Ziff. 2 lit. a SIS-II-Verordnung vorliegt (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 6B_1178/2019 Urteil vom 10. März 2021

    E. 4.8). Im Übrigen kann auch hier auf die zutreffenden Erwägungen der Vo- rinstanz verwiesen werden (Urk. 42 S. 17).

  3. Kosten- und Entschädigungsfolgen
  1. Untersuchung und erstinstanzliches Verfahren

    Nachdem die Verurteilung der Beschuldigten unangefochten blieb, hat diese die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Verfahrens, mit Ausnahme derjenigen der amtlichen Verteidigung, gemäss Art. 426 Abs. 1 StPO zu tragen. Eine Rückforderung der Kosten der amtlichen Verteidigung, welche einstweilen auf die Gerichtskasse genommen werden, bleibt vorbehalten. Die erstinstanzliche Kostenregelung (Ziffer 11) ist daher zu bestätigen.

  2. Berufungsverfahren

Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Beschuldigte unterliegt

- nachdem sie nunmehr auch die vorinstanzliche Strafe anerkannt hat - im Beru- fungsverfahren vollumfänglich. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind ent- sprechend ihr aufzuerlegen.

Es wird beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichts Bülach vom 26. Au- gust 2020 bezüglich der Dispositivziffern 1 (Schuldpunkt), 2 (Strafe), 3 (Voll- zug), 6 und 7 (Verwendung der beschlagnahmten Barschaften), 8 (Einzie- hung von Betäubungsmitteln und Betäubungsmittelutensilien), 9 (Herausga- be eines Mobiltelefons) und 10 (Kostenfestsetzung) in Rechtskraft erwach- sen ist.

  2. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.

Es wird erkannt:

  1. Die Beschuldigte A.

    wird im Sinne von Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB für 5

    Jahre des Landes verwiesen.

  2. Es wird die Ausschreibung der Landesverweisung (Einreise- und Aufent- haltsverweigerung) im Schengener Informationssystem angeordnet.

  3. Die erstinstanzliche Kostenauflage (Ziff. 11) wird bestätigt.

  4. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf Fr. 2'400.-.

  5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beschuldigten auferlegt.

  6. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden der Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland

    • das Bundesamt für Polizei

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälli- ger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • das Migrationsamt des Kantons Zürich

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit Formular A

    • die Koordinationsstelle VOSTRA/DNA mit dem Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungs- und Löschungsdaten

  7. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Straf- sachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, be- gründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichts- gesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichts- gesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Strafkammer Zürich, 21. Mai 2021

Der Präsident:

Oberrichter lic. iur. Spiess

Der Gerichtsschreiber:

MLaw Andres

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