Kanton: | ZH |
Fallnummer: | SB190122 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Strafkammer |
Datum: | 28.06.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Schuldig; Beschuldigte; Fahrzeug; Verteidigung; Dashcam; Person; Beschuldigten; Aufzeichnung; Recht; Barkeit; Urteil; Verwertbar; Verfahren; Einvernahme; Berufung; Personen; Staatsanwalt; Interesse; Staatsanwaltschaft; Überholmanöver; Video; Maeder; Beweismittel; Grobe; Erkennbar; Fahrzeuges; Zeitpunkt |
Rechtsnorm: | Art. 10 SVG ; Art. 10 StGB ; Art. 12 DSG ; Art. 13 DSG ; Art. 130 StPO ; Art. 131 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 141 StPO ; Art. 307 StPO ; Art. 32 SVG ; Art. 4 DSG ; Art. 402 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 90 SVG ; |
Referenz BGE: | 109 Ia 244; 136 II 508; |
Kommentar zugewiesen: | Schmid, Jositsch, Praxiskommentar StPO, Art. 428 StPO, 2018 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer
Geschäfts-Nr.: SB190122-O/U/gs
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. Spiess, Präsident, Oberrichterin lic. iur. Bertschi und Ersatzoberrichter lic. iur. Vesely sowie die Gerichtsschreiberin MLaw Höchli
Urteil vom 28. Juni 2019
in Sachen
Anklägerin und Berufungsklägerin
gegen
Beschuldigter und Berufungsbeklagter
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt MLaw X.
betreffend qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln
Anklage:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 28. März 2018 (Urk. 31) ist diesem Urteil beigeheftet.
Urteil der Vorinstanz:
(Urk. 58)
Der Beschuldigte ist nicht schuldig und wird freigesprochen.
Die Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz, die übrigen Verfahrenskosten
werden auf die Gerichtskasse genommen.
Dem Beschuldigten wird keine Umtriebsentschädigung zugesprochen.
Nachtragsbeschluss der Vorinstanz:
(Urk. 54)
1. Die Sachkaution Nr. 33461 (Dashcam Aiptek mit Ladekabel, USB Stick, Bedienungsanleitung) wird der Auskunftsperson B. nach Rechtskraft des Urteils auf erstes Verlangen herausgegeben. Werden die Gegenstände nicht innert drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils beansprucht, werden sie ohne Mitteilung durch die Lagerbehörde vernichtet.
Berufungsanträge:
Der Verteidigung des Beschuldigten: (Urk. 69 S. 2 f.)
Hauptstandpunkt:
Es sei die Berufung der Anklägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom 25. Oktober 2018 (DG180015) vollumfänglich abzuweisen und der vorinstanzliche Freispruch sei vollumfänglich zu bestä- tigen.
Es seien die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung (inkl. MwSt.) für das Berufungsverfahren auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Es sei der amtliche Verteidiger des Beschuldigten aus der Gerichtskasse gemäss eingereichter und heute ergänzter Honorarnote angemessen zu entschädigen.
Eventualstandpunkt:
Für den Fall, dass das Obergericht des Kantons Zürich die Berufung der Anklägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom
ktober 2018 (DG180015) gutheissen sollte und das Urteil aufhebt, sei das Verfahren zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht Hinwil zurückweisen.
Es seien die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung (inkl. MwSt.) für das Berufungsverfahren auch diesfalls auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Subeventualstandpunkt:
Für den Fall, dass das Obergericht des Kantons Zürich die Berufung der Anklägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hinwil vom
ktober 2018 (DG180015) gutheissen sollte und den Eventualantrag der Verteidigung gleichzeitig abweisen sollte, sei der Beschuldigte subeventualiter wegen qualifizierter groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c in Verbindung mit
Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV schuldig zu sprechen und zu bestrafen.
Es sei der Beschuldigte mit einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten zu bestrafen.
Es sei die Freiheitsstrafe bei einer Probezeit von 2 Jahren bedingt auszusprechen.
Es seien die Untersuchungsund Berufungsgerichtskosten sowie die Kosten der amtlichen Verteidigung (inkl. MwSt.) dem Beschuldigten aufzuerlegen, jedoch sofort definitiv abzuschreiben.
Der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat: (Urk. 67 S. 1)
Der Beschuldigte sei der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und 4 lit. c SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV schuldig zu sprechen.
Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten zu bestrafen.
Die Kosten seien, mit Ausnahme derjenigen für die amtliche Verteidigung, dem Beschuldigten aufzuerlegen.
Die Kosten der amtlichen Verteidigung seien auf die Staatskasse zu nehmen, unter Vorbehalt einer Nachforderung gemäss Art. 135 Abs. 4 StPO.
Erwägungen:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hinwil vom 25. Oktober 2018 wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV freigesprochen. Ausserdem wurden die Kostenund Entschädigungsfolgen geregelt (Urk. 58).
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 2. November 2018 Berufung angemeldet (Urk. 50) und mit Eingabe vom 11. Februar 2019 fristgerecht die Berufungserklärung eingereicht (Urk. 55; Urk. 61). Sie beantragt einen anklagegemässen Schuldspruch sowie eine Bestrafung des Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten (Urk. 61 S. 2).
Dem Beschuldigten wurde mit Präsidialverfügung vom 11. März 2019 Frist angesetzt, um Anschlussberufung zu erklären oder einen begründeten Nichteintretensantrag zu stellen (Urk. 62). Diese Frist liess der Beschuldigte unbenutzt verstreichen.
Gemäss Art. 402 StPO in Verbindung mit Art. 437 StPO wird die Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Anfechtung gehemmt. Nicht angefochten und in Rechtskraft erwachsen sind das vorinstanzliche Urteil damit einzig hinsichtlich der Dispositivziffer 3 (keine Umtriebsentschädigung für den Beschuldigten) sowie der Nachtragsbeschluss vom 17. Januar 2019 hinsichtlich der Dispositivziffer 1 (Herausgabe der Dashcam an die Auskunftsperson), was vorab mittels Beschluss festzustellen ist.
Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahme
Ausgangslage
Das anklagegegenständliche Delikt wurde am 7. September 2015 von B. zur Anzeige gebracht. Er wandte sich damals mit einer Videoaufnahme an die Kantonspolizei Zürich, Polizeistation C. , welche von einer in seinem Auto befestigten Dashcam aufgezeichnet wurde (Urk. 1 S. 3; Urk. 43 S. 1). Auf jener Videoaufnahme ist unter anderem das der Anklage zugrundeliegende Überholmanöver des Personenwagens mit dem Kontrollschild ZH vom 3. September 2015 zu sehen (Urk. 8; Urk. 9). Da sich weder B. , der Lenker des überholten Autos, dessen Beifahrerin noch die Lenkerin des entgegenkommenden Autos zum Zeitpunkt des Überholmanövers das Kontrollschild des überholenden Fahrzeugs merken konnten (Urk. 2 S. 1; Urk. 3 S. 3; Urk. 4 S. 4), war es alleine gestützt auf diese Videoaufnahme möglich, D. als Halterin jenes Personenwagens ausfindig zu machen.
Die Verteidigung stellt sich wie bereits vor Vorinstanz auch im Berufungsverfahren auf den Standpunkt, dass weder die Aufzeichnungen der Dashcam noch die weiteren Beweiserhebungen, welche lediglich aufgrund der Videoaufnahmen überhaupt möglich geworden seien, in diesem Strafverfahren verwertet werden dürften (Urk. 44 S. 3 ff.; Urk. 69 S. 4, 6 ff.). Zum Schluss, dass sich die Aufnahmen der Dashcam als unverwertbar erweisen würden, gelangte auch die Vorinstanz
(Urk. 58 S. 12). Die Staatsanwaltschaft macht demgegenüber geltend, dass keine Gründe für eine Unverwertbarkeit dieser Aufzeichnungen vorliegen würden und verweist diesbezüglich auf ein Urteil der hiesigen Kammer (SB180251) vom
9. Oktober 2018 (Urk. 61 S. 3; Urk. 67 S. 2 f.).
Rechtliche Grundlagen
Die in Frage stehende Videosequenz wurde von einer Privatperson und nicht durch die Strafverfolgungsbehörde erlangt. Auch wenn sich in der Strafprozessordnung keine Regelung zur Beurteilung der Verwertbarkeit von durch Privatpersonen erlangten Beweismitteln findet, bedeutet dies nicht, dass eine Verwertbarkeit solcher Beweismittel grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Liegen privat gesammelte Beweismittel vor, ist jedoch zunächst zu prüfen, ob diese rechtmässig oder in Verletzung einer geltenden Rechtsvorschrift erlangt wurden. Erfolgte die Erhebung rechtmässig, und mithin ohne Verletzung einer strafrechtlichen, persön- lichkeitsrechtlichen, datenschutzrechtlichen oder einer anderen geltenden Rechtsnorm oder unter Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds, so dürfen die so erlangten Beweismittel grundsätzlich auch von den Strafverfolgungsbehörden verwertet werden (Gless, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK-Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2014, N 40c zu Art. 141; Maeder, Verwertbarkeit privater DashcamAufzeichnungen im Strafprozess, AJP 2018 S. 155; S. 157). Wurde ein Beweismittel von einer Privatperson hingegen rechtswidrig erlangt, ist zur Beurteilung der Verwertbarkeit gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung weiter zu prüfen, ob die Strafverfolgungsbehörden das fragliche Beweismittel selbst rechtmässig hät- ten erlangen können und ob eine Interessenabwägung für die Verwertbarkeit des Beweismittels spricht (Urteil des Bundesgerichts 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012,
E. 2.4.4; Urteil des Bundesgerichts 1B_76/2016 vom 30. März 2016, E. 2.2; Gless, a.a.O., N 40c zu Art. 141; Maeder, a.a.O., S. 159).
Rechtmässigkeit der Videoaufzeichnung
Was die Beurteilung betrifft, ob die Aufzeichnung des Überholmanövers mit der Dashcam in Verletzung einer geltenden Rechtsnorm erfolgte, stellt sich zunächst die Frage, ob diesbezüglich eine Verletzung des Geheimund Privatbereichs durch Aufnahmegeräte im Sinne von Art. 179quater StGB vorliegt. Diese Strafbestimmung umfasst nur Tatsachen, welche den Geheimbereich betreffen oder nicht jedermann ohne Weiteres zugängliche Tatsachen aus dem Privatbereich (Donatsch, in: Donatsch/Heimgartner/Isenring/Weder [Hrsg.], StGB Kommentar,
20. Aufl. 2018, N 1 zu Art. 179quater). Da das Fahrzeuginnere des Personenwa-
gens mit dem Kontrollschild ZH auf der in Frage stehende DashcamAufzeichnung nicht erkennbar ist und diese Aufzeichnung daher lediglich Aufnahmen einer öffentlichen Strasse enthält, ist eine Strafbarkeit der Aufzeichnung
im Sinne von Art. 179quater StGB zu verneinen (vgl. Donatsch, a.a.O., N 4 zu Art. 179quater).
Weiter ist zu prüfen, ob die Dashcam-Aufzeichnung auch in Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen erfolgte. Art. 12 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes sieht vor, dass die Persönlichkeit der betroffenen Personen bei der Bearbeitung von Personendaten nicht widerrechtlich verletzt werden darf. Gemäss Abs. 2 lit. a dieser Bestimmung dürfen Personendaten insbesondere nicht entgegen den Grundsätzen der Artikel 4, 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 DSG bearbeitet werden. So liegt unter anderem eine widerrechtliche Persönlichkeitesverletzung vor, wenn die Bearbeitung von Personendaten wider Treu und Glauben und nicht verhältnismässig erfolgt (Art. 4 Abs. 2 DSG) oder wenn die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person nicht erkennbar sind (Transparenzprinzip; Art. 4 Abs. 4 DSG), es sei denn, es habe dafür ein Rechtfertigungsgrund bestanden. So sind gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG Persön- lichkeitsverletzungen dann nicht widerrechtlich, wenn sie durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt sind.
Auch wenn in der fraglichen Dashcam-Filmsequenz keine Personen zu erkennen sind, so stellt bereits die Aufzeichnung der Fahrzeugkontrollschilder eine Bearbeitung von Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes dar (Maeder, a.a.O.,
S. 162; Arnosti, Dashcam: Risiko oder Garant im (Rechts)Verkehr, Zürich/Basel/Genf 2019, S. 15). Die in Frage stehende Dashcam war an der Frontscheibe des überholten Fahrzeugs befestigt und somit für den Lenker des überholenden Fahrzeugs, welches zunächst hinter demjenigen von B. unterwegs war, nicht erkennbar. Da die heimliche Beschaffung von Personendaten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und somit gegen Art. 4 Abs. 2 DSG sowie gegen das Erfordernis der Erkennbarkeit der Beschaffung von Personendaten und des Zwecks ihrer Bearbeitung für die betroffene Person gemäss Art. 4 Abs. 4 DSG verstösst, liegt hinsichtlich der Dashcam-Aufnahme eine Persönlichkeitsverletzung vor. Zwar ist das Anbringen von Dashcams in Fahrzeugen und damit auch das Filmen Privater auf öffentlichen Strassen immer weiter verbreitet. Die Bekanntheit des Umstands, dass solche Dashcams in Gebrauch sind, ändert jedoch nichts daran, dass Kameras grundsätzlich so angebracht werden müssen, dass sie für die betroffenen Personen erkennbar sind. Andernfalls müsste deutlich mit Hinweisschildern über die Videoüberwachung informiert werden (vgl. Maeder, a.a.O., S. 163; Maurer-Lambrou/Steiner, in: Maurer-Lambrou/Brechta [Hrsg.], BSK-Datenschutzgesetz, 3. Aufl. 2014, N 38 zu Art. 4 DSG; Arnosti, a.a.O., S. 36 ff.). Hinsichtlich der Dashcam-Aufzeichnung liegt somit eine Persönlichkeitsverletzung wegen mangelnder Transparenz der Aufzeichnung vor.
Eine Einwilligung des Betroffenen und eine gesetzliche Erlaubnis fallen vorliegend als Rechtfertigungsgründe ausser Betracht. So bedeutet der Umstand, dass der Beschuldigte auf einer öffentlichen Strasse fuhr und dabei von anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden konnte noch nicht, dass er damit einverstanden gewesen wäre, bei der Fahrt gefilmt zu werden. Demgegenüber stellt sich die Frage, ob überwiegende private oder öffentliche Interessen vorliegen, die das Datenschutzinteresse des Beschuldigten überwiegen und die Persönlichkeitsverletzung daher zu rechtfertigen vermögen (Art. 13 Abs. 1 DSG). Der Datenbearbeiter kann sowohl private als auch öffentliche Interessen geltend machen, was umgekehrt aber auch für die von der Datenbearbeitung betroffene Person gilt. Massgeblich ist dabei jedoch nicht das Interesse des Beschuldigten, einer Strafe zu entgehen, weil es (noch) nicht um die Frage geht, ob das Beweismittel im Strafverfahren (gegen ihn) verwertet werden kann. Vielmehr geht es vorerst um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Maeder, a.a.O., S. 164). Weiter ist zu beachten, dass eine Rechtfertigung bei Persönlichkeitsverletzungen nach
Art. 12 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 4 DSG grundsätzlich nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist (BGE 136 II 508 E. 5.2.4; Maurer-Lambrou/Steiner, a.a.O., N 9b zu Art. 12 DSG; Maeder, a.a.O., S. 164).
Die zu beurteilende Dashcam-Aufzeichnung erfolgte auf öffentlicher Strasse und zeigt das Überholmanöver des Beschuldigten, wobei er selbst auf der Aufnahme nicht erkennbar ist, sondern nur das Kontrollschild des von ihm gelenkten Personenwagens. Da zum Anbringen eines Kontrollschilds eine gesetzliche Pflicht besteht (Art. 10 Abs. 1 SVG) und sich der Beschuldigte bei seiner Fahrt auf öffentlicher Strasse bewusst sein musste, dass das Kontrollschild des Fahrzeuges seiner Freundin für andere Verkehrsteilnehmer ohnehin sichtbar ist, erweist sich die mit der Aufzeichnung verbundene Persönlichkeitsverletzung in dieser Hinsicht als geringfügig. Demgegenüber ist zu beachten, dass ein bedeutendes gesellschaftliches Interesse daran besteht, auch in der Öffentlichkeit nicht (beliebig oder stän- dig) überwacht zu werden. Vorliegend ist zudem die Transparenz bei der Datenbeschaffung und damit ein Eckpfeiler des Datenschutzes betroffen (Maeder, a.a.O., S. 164).
Diesen Interessen des Beschuldigten sind nun die Datenbearbeitungsinteressen des Urhebers der Dashcam-Aufzeichnung gegenüberzustellen. B. erklärte, dass er bereits zweimal unverschuldete Unfälle gehabt habe und es bei einem der Unfälle im Nachgang zu Problemen mit der Beweislage gekommen sei. Dies habe ihn dazu veranlasst, eine solche Dashcam in seinem Auto zu montieren. Weiter gab er an, dass sich die Kamera einschalte, sobald er die Zündung betätige. Er habe dann aber die Option, sie von Hand wieder auszuschalten, indem er den Stecker aus dem 12 Volt Anschluss in der Mittelkonsole ziehe. Er fügte denn auch an, dass er die Kamera nicht immer eingeschaltet habe (Urk. 2 S. 3). Zwar ist das persönliche Interesse, bei einem Unfall ein Beweismittel zu haben, grundsätzlich als schützenswert zu erachten (in diesem Sinne auch Maeder, a.a.O., S. 165). Da aber die Aufarbeitung von Unfällen grundsätzlich eine Behördenaufgabe darstellt und es aus rechtsstaatlichen Überlegungen heikel erscheint, wenn sich Privatpersonen entsprechende Aufgaben anmassen, vermag ein entsprechendes privates Interesse - weil die Rechtfertigung einer Persönlichkeitsverletzung nach Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG nur mit Zurückhaltung anzunehmen ist - die in Verletzung des Transparenzprinzips erfolgte Dashcam-Aufzeichnung nicht zu rechtfertigen (Haag, Die private Verwendung von Dashcams und der Persönlichkeitsschutz, in: Schaffhauser [Hrsg.], Jahrbuch zum Strassenverkehrsrecht 2016, 171 - 181,
S. 180; Maeder, a.a.O., S. 165).
Fraglich ist schliesslich, ob B. auch öffentliche Interessen an der Aufzeichnung hätte geltend machen können, wie zum Beispiel, dass seine Aufnahme zur allgemeinen Sicherheit im Strassenverkehr beitragen würde. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist dies jedoch problematisch, da es Aufgabe der Behörden (nicht von Privatpersonen) ist, die Sicherheit auf den Strassen zu fördern (Maeder, a.a.O., S. 165). Die Vorinstanz ist deshalb zutreffend zum Schluss gelangt, dass für die durch den Einsatz der Dashcam hervorgerufene Persönlichkeitsverletzung des Beschuldigten keine Rechtfertigungsgründe vorliegen und diese daher als widerrechtlich zu gelten hat (vgl. Urk. 58 S. 12).
Die bei den Akten liegende private Dashcam-Aufzeichnung wurde somit in Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und demnach unrechtmässig erlangt. Ob sich die Aufnahme dennoch als im Strafverfahren zu Lasten des Beschuldigten verwertbar erweist, ist weiter zu prüfen.
Strafprozessuale Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung
Hypothetische rechtmässige Erreichbarkeit
Hinsichtlich dieser durch eine Privatperson unrechtmässig erlangten DashcamAufzeichnung ist nun zu prüfen, ob die Strafverfolgungsbehörden selbst rechtmässig eine Videoaufzeichnung des Überholmanövers hätten erstellen können. Die Beurteilung dieser Frage hängt grundsätzlich davon ab, ob im fraglichen Zeitpunkt ein Tatverdacht die entsprechende Beweiserhebung legitimiert hätte (Maeder, a.a.O., S. 159; Urteil des Bundesgerichts 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012
E. 2.4.4). Dabei ist zu beachten, dass sich das gefilmte Geschehen ausschliesslich auf einer öffentlichen Strasse abspielte, welche von der Polizei bei Kontrollen mit technischen Hilfsmitteln überwacht werden kann (vgl. Art. 9 Abs. 1 SKV; § 32a Abs. 1 PolG ZH). Kontrollen sollen gemäss Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 SKV schwerpunktmässig unter anderem nach sicherheitsrelevantem Fehlverhalten ausgerichtet werden und stichprobenweise, systematisch oder im Rahmen von Grosskontrollen erfolgen. Die Überwachung durch die Polizei mit Audiound Videogeräten im öffentlich zugänglichen Raum in der Weise, dass Personen identifiziert werden können, setzt sodann unter anderem voraus, dass am überwachten Ort Straftaten bereits begangen worden sind oder mit solchen zu rechnen ist (§ 32b Abs. 2 lit. a PolG ZH). Demnach wäre eine abstrakt sicherheitspolizeilich motivierte, aber ansonsten anlasslose, flächendeckende und ständige Aufzeichnung des Strassenverkehrs durch die Polizei unzulässig (Maeder, a.a.O., S. 166). Geht es nur um ein einzelnes Delikt ohne vorangehendes, den hypothetischen Verdacht begrün- dendes Verhalten, so wäre die hypothetisch rechtmässige Erreichbarkeit zu verneinen (Maeder, a.a.O., S. 166).
Im vorliegenden Fall erklärten aber sowohl der Lenker des mit der Dashcam versehenen Fahrzeuges, B. , als auch dessen Beifahrerin, E. , dass sie das in Frage stehende Fahrzeug bereits vor dem Überholmanöver im Rückspiegel bzw. im Aussenspiegel wahrgenommen hätten, da dieses schon mit massiv überhöhter Geschwindigkeit zu ihnen aufgeschlossen sei. Es sei wie aus dem Nichts im Rückspiegel aufgetaucht (Urk. 2 S. 1 f.; Urk. 4 S. 1). Dass es bereits vor dem Ansetzen zum Überholmanöver und mithin innerhalb des Sichtbereichs der Rückspiegel des später überholten Fahrzeuges zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Lenker des in Frage stehenden Fahrzeuges gekommen sein musste, liegt auch angesichts der Geschwindigkeit von 175 km/h, welche dieses Fahrzeug während des mit der Dashcam aufgezeichneten Überholmanövers aufwies, nahe. So wäre es kaum möglich gewesen, dass das in Frage stehende Fahrzeug erst nach dem Ansetzen zum Überholmanöver von den zulässigen 80 km/h auf 175 km/h hätte beschleunigen können. Wäre die Polizei damals vor Ort gewesen und hätte sie anstelle von B. die Geschwindigkeitsübertretung des Beschuldigten im Rückspiegel gesehen, hätte sie bereits konkrete Verdachtsmomente für inkriminiertes Verhalten und damit vor dem Überholmanöver Anlass gehabt, die Aufzeichnung zu starten. Sie hätte die Kamera demnach einschalten dürfen und damit das nachfolgende Überholmanöver rechtmässig filmen können (vgl. Maeder, a.a.O., S. 166). Für die in Frage stehende Dashcam-Aufzeichnung des Überholmanövers ist die hypothetische rechtmässige Erreichbarkeit daher zu bejahen.
nteressenabwägung
Letztlich ist eine Interessenabwägung für oder gegen die Verwertbarkeit der privaten Dashcam-Aufnahme im Strafverfahren vorzunehmen. Das Gericht hat dabei einerseits das Interesse des Staates an der Abklärung eines Verdachts und anderseits die persönlichen Rechte des Beschuldigten gegeneinander abzuwägen
(BGE 109 Ia 244). Bei dieser Interessenabwägung müssen sämtliche Umstände in Betracht gezogen werden. So sind neben der Schwere des Delikts, auf welches sich der Verdacht bezieht, auch die Tauglichkeit bzw. die Zuverlässigkeit des Beweismittels und die Frage, wie schwer der Rechtsverstoss des Privaten wiegt, durch welchen die Beweismittel erlangt wurden, miteinzubeziehen. Schliesslich soll auch kein Anreiz zur Selbstjustiz bei der Beweissammlung bestehen (Gless, a.a.O., N 42 f. zu Art. 141; Maeder, a.a.O., S. 161).
In diesem Fall begründet die Dashcam-Aufzeichnung den Verdacht auf eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c SVG und daher angesichts des für dieses Delikt vorgesehenen Strafrahmens von einem bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe auf ein Verbrechen im Sinne von Art. 10 Abs. 1 StGB. Da dem Täter somit eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe droht, liegt mithin der Verdacht auf ein schweres Delikt vor, womit auch das öffentliche Interesse an einer Abklärung dieses Verdachts als entsprechend hoch einzuschätzen ist. Hinzu kommt, dass auf der Aufzeichnung auch ersichtlich ist, dass vor allem die Lenkerin des dem überholenden entgegenkommenden Fahrzeugs konkret durch das knappe Überholmanöver gefährdet wurde. In Anbetracht dessen, dass Aussagen von Zeugen zu Geschehnissen im Strassenverkehr aufgrund der Schnelligkeit und Unvorhersehbarkeit der Ereignisse gewisse Ungenauigkeiten aufweisen können, ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Videoaufzeichnung im Gegensatz dazu um ein weitgehend verlässliches Beweismittel handelt. Im vorliegenden Fall weist die Dashcam-Aufzeichnung auch eine hohe Bildqualität auf, so dass beispielsweise keine Zweifel an der Lesbarkeit des in Frage stehenden Kontrollschilds aufkommen können.
Dem öffentlichen Interesse an der weiteren Abklärung dieser Tat steht das Interesse des Beschuldigten an der Unverwertbarkeit der Aufnahme entgegen. Angesichts der ihm unter Umständen drohenden Strafe von einem bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe ist auch dieses persönliche Interesse des Beschuldigten als erheblich zu erachten.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass auf der Videoaufzeichnung nur das Kennzeichen des überholenden Fahrzeuges zu erkennen ist. Da weder der Lenker noch
allfällige weitere Fahrzeuginsassen zu erkennen sind, wiegt die durch die Aufzeichnung begangene Persönlichkeitsverletzung wie bereits erwogen nicht besonders schwer. Weiter liegen in Anbetracht dessen, dass es sich um einen gravierenden Vorfall handelte, der aufgezeichnet wurde, auch keine Anzeichen dafür vor, dass der Inhaber der Dashcam beliebig Beweismaterial gesammelt hätte, um dieses den Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Dass es nicht das Ziel von B. war, beliebig andere Strassenverkehrsteilnehmer bei den Strafverfolgungsbehörden anzuschwärzen, sondern er sich mit der Aufnahme an die Polizei wandte, weil er das Fahrmanöver des in Frage stehenden Fahrzeuges konkret als grosse Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer erachtete (vgl. Urk. 2 S. 2 f.), zeigt auch der Umstand, dass er das Video der Polizei übergab, obwohl anhand der Aufnahmen erkennbar ist, dass auch er die vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit überschritten hatte (Urk. 13 S. 4; Urk. 16 S. 1). Vor diesem Hintergrund würde durch eine Interessenabwägung zugunsten der strafrechtlichen Verwertbarkeit auch kein Anreiz zur Selbstjustiz geschaffen werden, was durchaus problematisch wäre (Haag, a.a.O., S. 180; Maeder, a.a.O., S. 165).
Insbesondere in Anbetracht dessen, dass die mit der Aufzeichnung begangene widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung nicht besonders schwer wiegt, überwiegt vorliegend das erhebliche öffentliche Interesse an der weiteren Abklärung des Verdachts das persönliche Interesse des Beschuldigten an einer Unverwertbarkeit. Die bei den Akten liegende Dashcam-Aufzeichnung des der Anklage zugrundeliegenden Überholmanövers erweist sich demnach als in diesem Strafverfahren verwertbares Beweismittel.
Verwertbarkeit der Einvernahmen
Ausgangslage
Am 14. September 2015 wurde D. , welche aufgrund der verwertbaren Dashcam-Aufnahme als Halterin des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen ZH ermittelt wurde, erstmals durch die Polizei als beschuldigte Person zum Vorwurf einer am 3. September 2015 begangenen groben Verkehrsregelverletzung befragt. Jene Einvernahme, in welcher sie erklärte, dass nicht sie, sondern ihr
Freund, der Beschuldigte, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt habe, fand ohne die Anwesenheit einer Verteidigung statt (Urk. 5 S. 1 ff.).
Die Verteidigung des Beschuldigten bestreitet die Verwertbarkeit dieser Einvernahme zulasten des Beschuldigten. Sie vertritt die Auffassung, es habe aufgrund des Vorwurfs einer krassen Verkehrsregelverletzung bzw. aufgrund des D. vorgehaltenen Videos von Anfang an ein Fall einer notwendigen Verteidigung bestanden und es hätte ihr daher vorgängig eine Verteidigung bestellt werden müs- sen (Urk. 44 S. 11; Urk. 69 S. 7). Die Vorinstanz gelangte ebenfalls zum Schluss, dass bei pflichtgemässer Sorgfalt objektiv erkennbar gewesen wäre, dass ein Fall notwendiger Verteidigung vorgelegen habe, und ihr daher eine Verteidigung sicherzustellen gewesen wäre (Urk. 58 S. 10). Weiter erwog die Vorinstanz, dass sich ihre Aussagen daher als unverwertbar erweisen würden, da D. nicht im Sinne von Art. 131 Abs. 3 StPO auf eine Wiederholung der Beweisabnahme verzichtet habe (Urk. 58 S. 10 f.). Die Staatsanwaltschaft macht hingegen geltend, dass gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO eine Ausnahme von der Regel, dass unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhobene Beweismittel grundsätzlich nicht verwertet werden dürften, bestehe. So gelte diese Regel nicht, wenn die Verwertung solcher Beweismittel zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich sei. Da vorliegend eine qualifizierte grobe Verkehrsregelverletzung und mithin ein Verbrechen zu beurteilen sei, liege ein solcher Ausnahmefall vor. Angesichts der extrem grossen verursachten Gefahr und des sehr schweren Verschuldens erweise es sich daher als verhältnismässig, die Beweise trotz Verwertungsverbot zu verwenden (Urk. 61 S. 2; Urk. 67 S. 2).
Verwertbarkeit der Einvernahme von D.
Die Vorinstanz wies bereits in zutreffender Weise darauf hin, dass die Verfahrensleitung gemäss Art. 131 Abs. 1 StPO darauf zu achten hat, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird, wenn ein Fall einer notwendiger Verteidigung vorliegt. Auch legte sie dar, dass grundsätzlich verlangt wird, dass der beschuldigten Person im Falle einer notwendigen Verteidigung diese spätestens zum Zeitpunkt der Untersuchungseröffnung beigegeben werden muss (Urk. 58 S. 7; Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 und 6B_191/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 2.2.1).
Eine formelle Untersuchungseröffnung ist in diesem Fall aus den Akten nicht ersichtlich. Aus dem Polizeirapport vom 20. Oktober 2015 geht lediglich hervor, dass die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl am 17. September 2015 telefonisch informiert worden sei (Urk. 1 S. 4). Der Umstand, dass keine formelle Untersuchungseröffnung dokumentiert ist, bleibt bei der Beurteilung, ob D. vor ihrer polizeilichen Einvernahme im Sinne von Art. 131 Abs. 1 StPO eine Verteidigung hätte bestellt werden müssen, jedoch unbeachtlich, da dies nicht zu ihrem Nachteil gereichen darf. Die fragliche Verfügung erfolgt denn auch nur amtsintern und hat rein deklaratorische Bedeutung ohne eine materiell-prozessrechtliche Funktion (Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 und 6B_191/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 2.5).
Weiter wies die Vorinstanz auch bereits zutreffend darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO eine Untersuchung eröffnet, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt. Auch zeigte sie auf, dass dabei erhebliche Gründe verlangt werden, die für einen Tatverdacht sprechen, nicht aber notwendigerweise für einen dringenden Tatverdacht (Urk. 58 S. 7 f.; Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 und 6B_191/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 2.2.2).
Auf der Dashcam-Aufzeichnung, welche B. am 7. September 2015 der Kantonspolizei Zürich übergeben hatte (Urk. 1 S. 3), ist unter anderem zu erkennen, dass der Personenwagen mit dem Kennzeichen ZH das Überholmanöver trotz eines entgegenkommenden Fahrzeuges nicht abgebrochen hatte. Weiter ist darauf auch zu erkennen, dass das in Frage stehende Fahrzeug nur äusserst knapp vor einem Aufprall mit dem entgegenkommenden Fahrzeug wieder auf die rechte Fahrspur zurückschwenken konnte. Die Videoaufnahme zeigt mithin ein Überholmanöver hinsichtlich welchem nahe liegt, dass es die Voraussetzungen eines waghalsigen Überholens im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG in Verbindung mit
Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG erfüllen würde. Ausserdem fällt bereits bei einer Sichtung des Videos auf, dass das überholende Fahrzeug eine viel höhere Geschwindigkeit aufwies als das überholte und das entgegenkommende Fahrzeug (Urk. 8).
Dass das Fahrzeug tatsächlich mit einer massiv höheren als der eigentlich auf der gefahrenen Strecke erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs war, zeigte sich sodann spätestens nach den Einvernahmen von F. (Lenkerin des entgegenkommenden Fahrzeuges) und von E. (Beifahrerin des überholten Fahrzeuges) vom 14. September 2015. Sie bestätigten den Eindruck von B. , welcher anlässlich seiner Einvernahme vom 7. September 2015 erklärte, davon auszugehen, dass das in Frage stehende Fahrzeug im Minimum mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h gefahren sei (Urk. 2 S. 2; Urk. 4 S. 3). Dabei schätzten sie beide die gefahrene Geschwindigkeit noch höher ein. So erklärte E. , dass sie denke, es seien ca. 140 km/h gewesen (Urk. 4 S. 3) und F. gab gar an, dass es eine Geschwindigkeit von 140 km/h bis 160 km/h gewesen sein könnte (Urk. 3 S. 2). Insbesondere angesichts der Videoaufnahme handelte es sich bei diesen Hinweisen auf ein strafbares Verhalten nicht um bloss vage Vermutungen. Da der Fahrzeuglenker auf der Dashcam-Aufzeichnung nicht erkennbar ist, stand zu jenem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit fest, dass D. als Halterin des Fahrzeuges dieses auch lenkte. Dass andere Personen somit noch nicht als Täter ausgeschlossen werden konnten, ändert jedoch nichts am Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts gegen D. (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 und 6B_191/2017 vom 25. Oktober 2017, E. 2.4). Sie wurde denn auch von der Polizei als beschuldigte Person einvernommen (Urk. 5 S. 1). Da demnach spätestens nach der Einvernahme von E. am 14. September 2015 um 15.02 Uhr ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung einer qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung bestand, erweisen sich die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft gemäss Art. 307 Abs. 1 StPO am 17. September 2015 (Urk. 1 S. 4) und mithin auch die Untersuchungseröffnung als verspätet.
Wird die Staatsanwaltschaft im Sinne von Art. 307 Abs. 1 und 3 StPO verspätet informiert oder die Untersuchung verspätet eröffnet und die erkennbar notwendige Verteidigung zu spät sichergestellt, unterliegen die nach dem für die Untersuchungseröffnung relevanten Zeitpunkt erhobenen Beweise der Beweisverwertungseinschränkung von Art. 131 Abs. 3 StPO (Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 2.6; Ruckstuhl, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], BSK-Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2014, N. 5a zu Art. 131). Nachdem
feststeht, dass die Staatsanwaltschaft verspätetet informiert und die Untersuchung verspätet eröffnet worden waren, stellt sich weiter die Frage, ob erkennbar gewesen wäre, dass ein Fall einer notwendigen Verteidigung vorlag.
Die Frage der Erkennbarkeit betreffend die notwendige Verteidigung orientiert sich an objektiven Massstäben (Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 vom
25. Oktober 2017 E. 2.6). Unter anderem muss eine beschuldigte Person dann notwendig verteidigt werden, wenn ihr eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht (Art. 130 lit. b StPO). Massgebend ist die konkret drohende Strafe, nicht die abstrakte Strafandrohung (Ruckstuhl, a.a.O., N 18 zu Art. 130).
Art. 90 Abs. 4 lit. c SVG sieht vor, dass Abs. 3 jener Bestimmung und mithin die Voraussetzungen einer qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung in jedem Fall erfüllt sind, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 60 km/h überschritten wird, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt. Sowohl aufgrund der Angaben von E. als auch von F. bestand der Verdacht, dass das überholende Fahrzeug die auf der gefahrenen Strecke geltende Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 60 km/h oder gar mehr überschritten haben könnte. Unabhängig davon, dass ihr zu Beginn der polizeilichen Einvernahme mitgeteilt wurde, es sei gegen sei ein Strafverfahren lediglich wegen grober Verkehrsregelverletzung eingeleitet worden (Urk. 5 S. 1), stand spätestens nach den polizeilichen Einvernahmen von E. und F. aufgrund derer Angaben gar ein hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung einer qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung im Raum. Für dieses Delikt ist ein Strafrahmen von einem bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen (Art. 90 Abs. 3 SVG). Vor dem Hintergrund dass somit bereits vor der polizeilichen Einvernahme von
D. erkennbar gewesen wäre, dass ihr aufgrund des Verdachts der Begehung einer qualifizierten groben Verkehrsregelverletzung die Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr drohte, hätte ihr im Sinne von Art. 131 Abs. 1 StPO auch bereits vor jener Einvernahme eine Verteidigung bestellt werden müssen. Da sie auf eine Wiederholung jener Einvernahme nicht verzichtet hat, erweisen sich ihre Angaben aus jener polizeilichen Einvernahme gemäss Art. 131 Abs. 3 StPO als nicht verwertbar.
Selbst wenn der Argumentation der Staatsanwaltschaft gefolgt würde, wonach im Zeitpunkt der ersten Befragung von D. nur von einer groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG auszugehen war, da noch kein Vorbericht über die gefahrene Geschwindigkeit vorlag (Urk. 43 S. 2 f.), so war angesichts der sich aus den Aufnahmen ergebenden massiven Gefährdung sowohl für die Insassen des entgegenkommenden wie des überholten Fahrzeugs dennoch von einer drohenden Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr auszugehen.
Am Beweisverwertungsverbot ändert nichts, dass D. nach dem Hinweis des befragenden Polizeibeamten, dass sie im Sinne von Art. 158 Abs. 1 lit. c StPO jederzeit berechtigt sei, eine Verteidigung zu bestellen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen, nicht von diesem Recht Gebrauch machte (Urk. 5 S. 1). Da Art. 130 StPO einen Verteidigungszwang und eine Fürsorgepflicht des Staates statuiert, steht die notwendige Verteidigung nicht im Belieben der beschuldigten Person. Diese hätte sich vielmehr der notwendigen Verteidigung auch gegen ihren Willen zu unterziehen (Urteil des Bundesgerichts 6B_178/2017 vom 25. Oktober 2017 E. 2.7; vgl. Urteil 1B_699/2012 vom 30. April
2013 E. 2.7).
Im Rahmen der Berufungsverhandlung machte die Staatsanwaltschaft geltend, dass es sich bei den Verteidigungsrechten um ein persönliches Recht jener beschuldigten Person handle, deren Verteidigungsrechte verletzt worden seien. Entsprechend sei nur diese beschuldigte Person legitimiert, diese geltend zu machen, weshalb keine Fernwirkung der Verteidigungsrechte bestehe und die Aussagen von D. folglich uneingeschränkt verwertbar seien (Urk. 67 S. 2). Auch diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Entscheidend ist, dass D. als Beschuldigte einvernommen wurde wie danach auch der Beschuldigte. Die Aussage von D. als Beschuldigte ohne Anwesenheit notwendiger Verteidigung wird nicht verwertbar, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sie nicht als Täterin in Frage kommt.
Ausserdem beschränkt sich die Möglichkeit, sich auf Verwertungsverbote zu berufen, nicht auf diejenige beschuldigte Person, deren Rechtsgüter durch die verfahrenswidrige Beweiserhebung unmittelbar verletzt wurden. Vielmehr sollen sich
sämtliche beschuldigten Personen darauf berufen können (Chen, Der Verzicht auf Verfahrensrechte durch die beschuldigte Person im Schweizerischen Strafprozess, 2014, S. 126; ). Die Unverwertbarkeit ihrer Aussagen bezieht sich somit nicht nur auf das ursprünglich gegen sie geführte Strafverfahren, sondern wirkt sich auch auf das gegen den Beschuldigten geführte Strafverfahren aus.
Die Staatsanwaltschaft macht im Berufungsverfahren zudem geltend, dass es vorliegend aufgrund der verursachten extrem grossen Gefahr und dem sehr schweren Verschulden dennoch verhältnismässig erscheine, die Beweise trotz Verwertungsverbot zu verwenden. So sehe Art. 141 Abs. 2 StPO gerade vor, dass unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhobene Beweise ausnahmsweise doch verwertet werden könnten, wenn deren Verwertung zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich sei (Urk. 61 S. 2; Urk. 67 S. 2). Was dieses Vorbringen betrifft, wies bereits die Vorinstanz in zutreffender Weise darauf hin, dass nicht restlos geklärt sei, ob der Gesetzgeber in Art. 131 Abs. 3 StPO eine Unverwertbarkeit im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO der erhobenen Beweise habe statuieren wollen oder lediglich deren Ungültigkeit im Sinne vom Art. 141 Abs. 2 StPO (Urk. 58 S. 10 f.; vgl. Summers/Garland/Studer, Das Recht auf Verteidigung
- Anspruch und Wirklichkeit, ZStrR 134/2016 133 - 170, S. 162 f.). Die Vorinstanz gelangte weiter auch überzeugend zum Schluss, dass es nicht Sinn und Zweck der Regelung in Art. 131 Abs. 1 StPO - gemäss welcher bei schweren Tatvorwür- fen zwingend eine Verteidigung beizugeben ist - sein könne, dass Beweise für die Aufklärung gerade solcher Straftaten selbst dann verwertet werden dürften, wenn trotz erkennbarer Notwendigkeit keine Verteidigung eingesetzt wurde
(Urk. 58 S. 11; vgl. Ruckstuhl, a.a.O., N 17 zu Art. 131). Die polizeiliche Einvernahme von D. vom 14. September 2015 bleibt daher unverwertbar.
Verwertbarkeit der Folgebeweise
Gemäss Art. 141 Abs. 4 StPO ist ein Beweis, dessen Erhebung durch einen Beweis, der nach Abs. 2 dieser Bestimmung nicht verwertet werden darf, ermöglicht wurde, dann nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre. Zwar ist diese Fernwirkung nur für Beweise, die im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO einem eingeschränkten Beweisverwertungsverbot
unterliegen, ausdrücklich vorgesehen. Aus dem Sinn und Zweck von Beweisverboten ergibt sich jedoch eine Geltung dieser Fernwirkung auch für die absoluten Beweisverwertungsverbote im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO (Gless, a.a.O.,
N 90 zu Art. 141).
Auch der Beschuldigte war in seiner polizeilichen Einvernahme vom 14. September 2015 nicht verteidigt. Da er damals ebenfalls als beschuldigte Person einvernommen und ihm dasselbe Delikt wie D. vorgeworfen wurde (Urk. 6 S. 1 ff.), hätte auch ihm aufgrund des erkennbaren Falls einer notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 131 Abs. 1 StPO vorgängig eine Verteidigung bestellt werden müssen. Abgesehen davon, wären seine Aussagen aber aufgrund der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten wegen der Unverwertbarkeit der Aussagen von D. ohnehin nicht verwertbar. Erst sie bezeichnete den Beschuldigten in ihrer unverwertbaren Einvernahme vom 14. September 2015 als denjenigen, der das in Frage stehende Fahrzeug zum Zeitpunkt der erfolgten Dashcam-Aufnahme gelenkt haben soll (Urk. 5 S. 1 ff.).
Neben der polizeilichen Einvernahme des Beschuldigten vom 14. September 2015 erweisen sich sodann auch die Einvernahmen von G. vom
30. September 2015 und vom 14. März 2018 infolge der Fernwirkung eines Beweisverbotes als in diesem Strafverfahren unverwertbar. So stammen die Hinweise darauf, dass er zum fraglichen Zeitpunkt im Auto von D. mitgefahren war, alleine aus der Einvernahme des Beschuldigten vom 14. September 2015 (Urk. 6 S. 1 f.), welche sich jedoch als unverwertbar herausstellte. Zwar macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass man auch ohne die Angaben von D. zum gesuchten Lenker auf G. gestossen wäre, zumal in einem solchen Fall ihr Mobiltelefon nach Adressen und Kontakten im fraglichen Zeitraum durchsucht worden wäre und eine solche Durchsuchung wahrscheinlich rasch zu Tage gebracht hätte, dass es sich beim Beschuldigten um den einzigen Lernfahrer gehandelt hätte, der als Lenker in Frage gekommen wäre. Über die Kontakte des Beschuldigten hätte dann gemäss der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit bestanden, an G. zu gelangen (Urk. 61 S. 3). Diesem Vorbringen ist jedoch zu entgegnen, dass auf der Dashcam-Aufzeichnung nicht zu erkennen ist, dass sich
zum Zeitpunkt der Deliktsbegehung mehrere Personen im überholenden Auto befanden. Auch war es gemäss den Angaben des Beschuldigten nicht üblich, dass G. auf der in Frage stehenden Strecke jeweils als Mitfahrer dabei war
(Urk. 6 S. 1). Ohne den unverwertbaren Hinweis des Beschuldigten, dass sich gerade zum fraglichen Zeitpunkt noch eine dritte Person mit ihm und D. im Auto befand, hätte daher - entsprechend dem Vorbringen der Verteidigung
(Urk. 69 S. 8) - seitens der Strafverfolgungsbehörden gar keinen Anlass dazu bestanden, neben der Suche nach dem Lenker auch noch aufwändige Nachforschungen nach einem möglichen weiteren Mitfahrer zu tätigen. Dass G. ohne die unverwertbaren Angaben von D. als weiterer Mitfahrer hätte ausfindig gemacht werden können, erweist sich vor diesem Hintergrund als unwahrscheinlich. Es bleibt daher bei der Unverwertbarkeit auch der Einvernahmen von G. .
2.4. Fazit
Als in diesem Strafverfahren unverwertbar erweisen sich somit neben der polizeilichen Einvernahme von D. auch diejenigen des Beschuldigten und von
.
Anklagesachverhalt
Dem Beschuldigten wird in der Anklageschrift zusammengefasst vorgeworfen, am
3. September 2015 um 17.24 Uhr als Lernfahrer den Personenwagen MercedesBenz A45 AMG mit dem Kontrollschild ZH von Mönchaltorf herkommend durch die Mönchaltorferstrasse in Gossau/ZH gelenkt zu haben, wobei seine Freundin und Fahrzeughalterin, D. , die Aufgabe als Begleiterin für diese Lernfahrt inne gehabt haben soll. Dabei soll er mit einer Geschwindigkeit von 175 km/h den von B. gelenkten Personenwagen, welcher mit 95 km/h gefahren sei, überholt haben. Weiter soll es dem Beschuldigten dann nur noch haarscharf möglich gewesen sein, noch vor dem entgegenkommenden durch F. gelenkten
Fahrzeug wieder auf die rechte Fahrbahnhälfte zu wechseln, obwohl F. die Gefahr erkannt und gar noch von 82 auf 65 km/h abgebremst habe. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen soll denn auch bloss 0.7 Sekunden betragen haben, als der Beschuldigte sein Fahrzeug wieder nach rechts gezogen und keine Überdeckung mehr mit dem Auto von F. bestanden habe. Dabei soll er gewusst haben, dass durch die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 95 km/h, insbesondere durch einen Lernfahrer, die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern drastisch erhöht gewesen sei. Schliesslich wird ihm zur Last gelegt, dass er das Überholmanöver selbst dann nicht abgebrochen habe, als er gesehen habe, dass ihm ein Fahrzeug entgegengekommen sei und er durch diese Entscheidung, das Überholmanöver um jeden Preis zu Ende zu führen, wissentlich ein extrem gesteigertes Risiko einer Frontalkollision eingegangen sei.
Sachverhaltserstellung
Auf der verwertbaren Dashcam-Aufnahme ist das in der Anklageschrift umschriebene Überholmanöver, welches der Lenker des Fahrzeuges mit dem Kontrollschild ZH mit einer Geschwindigkeit von bis zu 175 km/h ausführte, zu sehen. Abgesehen vom Kontrollschild ist auf den Videoaufnahmen jedoch weder zu erkennen, wer das in Frage stehende Fahrzeug lenkte, noch wie viele Personen zu jenem Zeitpunkt mit im Fahrzeug waren. Als Halterin dieses Fahrzeuges ist die Freundin des Beschuldigten, D. , eingetragen. Zwar liegen in Anbetracht dessen, dass auf dem Video auch erkennbar ist, dass ein L an jenem Fahrzeug angebracht war, Hinweise dazu vor, dass zum fraglichen Zeitpunkt ein Lernfahrer und nicht die Halterin, welche über einen Führerausweis verfügte, das Fahrzeug lenkte. Verwertbare Angaben dazu, wer dieser Lernfahrer gewesen sein könnte, der das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt hatte, liegen jedoch nicht vor. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht doch die Halterin des Fahrzeuges dieses lenkte und lediglich vergessen hatte, das L vor der Fahrt zu entfernen. Entsprechend verbleiben unüberwindliche Zweifel daran, dass es der Beschuldigte war, der das Fahrzeug entsprechend dem Anklagevorwurf gelenkt haben soll. Der Beschuldigte ist daher in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro
reo vom Vorwurf der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c SVG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV freizusprechen.
Ausgangsgemäss ist das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffer 2) zu bestätigen.
Die Kosten im Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Unterliegt die Untersuchungsbehörde, trägt der verfahrensführende Kanton die Kosten (Schmid/Jositsch, Praxiskommentar StPO, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2018, N 3 zu Art. 428 StPO). Da die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung vollumfänglich unterliegt, sind die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Es wird beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Bezirksgerichtes Hinwil vom
25. Oktober 2018 bezüglich der Dispositivziffer 3 (keine Umtriebsentschädigung für den Beschuldigten) sowie der Nachtragsbeschluss vom 17. Januar 2019 hinsichtlich der Dispositivziffer 1 (Herausgabe der Dashcam an die Auskunftsperson) in Rechtskraft erwachsen sind.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung mit nachfolgendem Urteil.
Es wird erkannt:
Der Beschuldigte A.
wird vom Vorwurf der qualifizierten groben Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. c SVG
in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 SVG, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV freigesprochen.
Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Dispositivziffer 2) wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr fällt ausser Ansatz.
Rechtsanwalt MLaw X. wird für seine Bemühungen als amtlicher Verteidiger im Berufungsverfahren mit Fr. 3'800.- aus der Gerichtskasse entschädigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung, werden auf die Gerichtskasse genommen.
Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (übergeben) sowie in vollständiger Ausfertigung an
die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten
die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an
die Vorinstanz
das Migrationsamt des Kantons Zürich
das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Abteilung Administrativmassnahmen, Richterliche Fahrverbote, 8090 Zürich
die Kantonspolizei Zürich, KDM-ZD, mit separatem Schreiben (§ 54a Abs. 1 PolG)
die Koordinationsstelle VOSTRA zur Entfernung der Daten gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d VOSTRA mittels Kopie von Urk. 59.
Rechtsmittel:
Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.
Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, vom Empfang der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.
Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Strafkammer Zürich, 28. Juni 2019
Der Präsident:
Oberrichter lic. iur. Spiess
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw Höchli
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