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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:SB180161
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:I. Strafkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid SB180161 vom 04.04.2019 (ZH)
Datum:04.04.2019
Rechtskraft:Weiterzug ans Bundesgericht, 6B_617/2019
Leitsatz/Stichwort:Versuchte schwere Körperverletzung
Schlagwörter : Schuldig; Beschuldigte; Beschuldigten; Vatkläger; Privatkläger; Urteil; Notwehr; Berufung; Körper; Recht; Körperverletzung; Geldstrafe; Griff; Privatklägers; Bundesgericht; Verteidigung; Staatsanwalt; Behandlung; Staatsanwaltschaft; Schwere; Gericht; Stoss; Verfahren; Therapie; Angriff
Rechtsnorm: Art. 122 StGB ; Art. 123 StGB ; Art. 138 StPO ; Art. 15 StGB ; Art. 16 StGB ; Art. 2 StGB ; Art. 22 StGB ; Art. 34 StGB ; Art. 391 StPO ; Art. 41 OR ; Art. 42 StGB ; Art. 426 StPO ; Art. 428 StPO ; Art. 431 StPO ; Art. 437 StPO ; Art. 49 StGB ; Art. 63 StGB ;
Referenz BGE:101 IV 285; 123 IV 1; 134 IV 60; 135 IV 180; 136 IV 49; 137 IV 57; 139 IV 243; 143 IV 214; 81 IV 209;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer

Geschäfts-Nr.: SB180161-O/U/cwo

Mitwirkend: die Oberrichter lic. iur. R. Naef, Präsident, lic. iur. M. Langmeier, und Ersatzoberrichterin lic. iur. C. Keller sowie der Gerichtsschreiber

lic. iur. R. Bretscher

Urteil vom 4. April 2019

in Sachen

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, vertreten durch Staatsanwalt lic. iur. U. Krättli,

Anklägerin und I. Berufungsklägerin

sowie

  1. ,

    Privatkläger und III. Berufungskläger (Rückzug) unentgeltlich vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.

    gegen

  2. ,

Beschuldigter und II. Berufungskläger sowie Anschlussberufungskläger amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt lic. iur. Y.

betreffend versuchte schwere Körperverletzung

(Rückweisung der strafrechtlichen Abteilung des Schweiz. Bundesgerichts)
Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 3. Abteilung, vom 19. September 2016 (DG160175)
Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Juli 2017 (SB170043)
Urteil der strafrechtlichen Abteilung des Schweiz. Bundesgerichts vom 15. März 2018 (6B_908/2017)

Anklage:

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 3. Juni 2016 (Urk. 23) ist diesem Urteil beigeheftet.

Urteil der Vorinstanz:

(Urk. 114 S. 30 ff.)

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit 12 Monaten Freiheitsstrafe, wovon 108 Tage durch Untersuchungsund Sicherheitshaft erstanden sind.

  3. Die Freiheitsstrafe wird vollzogen.

  4. Es wird eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) angeordnet.

  5. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wird zum Zweck der ambulanten Behandlung aufgeschoben.

  6. Sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien werden der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung überlassen.

  7. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger A. aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  8. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers A. wird abgewiesen.

  9. Das erstinstanzliche Kostenund Entschädigungsdispositiv (Ziff. 10-13) wird bestätigt.

  10. Die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf: Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 8'100.-- amtliche Verteidigung

    Fr. 400.-- unentgeltliche Verbeiständung Fr. 250.-- Kosten Therapiebericht C. Fr. 169.-- Laborkosten.

  11. Die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft, werden dem Beschuldigten zur Hälfte auferlegt und zur Hälfte auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft werden einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten für die die Hälfte dieser Kosten bleibt gemäss Art. 135 Abs. 4 und Art. 138 Abs. 1 StPO vorbehalten.

  12. (Mitteilung)

  13. (Rechtsmittel)

Berufungsanträge:

(Prot. II S. 7 f.)

  1. Der Staatsanwaltschaft: (Urk. 131 S. 1; Urk. 168 S. 1)

    1. Der Beschuldigte B. sei der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.

    2. Der Beschuldigte sei mit einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten unbedingt zu bestrafen.

    3. Die erstandene Haft sei auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe anzurechnen.

    4. Es sei eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) anzuordnen.

    5. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe sei zugunsten der ambulanten Behandlung aufzuschieben.

    6. Im Übrigen sei das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom

      19. September 2016 [DG160175] zu bestätigen (Dispositiv-Ziffer 3 ff.).

    7. Die Anträge des Beschuldigten/II. Berufungsklägers seien abzuweisen.

  2. Der Verteidigung des Beschuldigten:

    (Urk. 135 S. 1 f. sinngemäss; Prot. II S. 13)

    1. Das erstinstanzliche Urteil sei aufzuheben.

    2. Der Beschuldigte sei vollumfänglich freizusprechen.

    3. Dem Beschuldigten sei eine Genugtuung von Fr. 25'000.- und Schadenersatz von Fr. 30'000.- zuzusprechen.

    4. Ausgangsgemäss sei auf Zivilforderungen nicht einzutreten.

    5. Alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen (zahlbar an den Rechtsvertreter, zuzüglich Mehrwertsteuer) für das erstund zweitinstanzliche Verfahren zu Lasten der Staatskasse.

  3. Der Privatklägerschaft A. : (Urk. 139 S. 1; Urk. 160)

  1. Der Beschuldigte sei anklagegemäss schuldig zu sprechen und das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom

    19. September 2016 (Geschäfts-Nr. DG160175) sei zu bestätigen.

  2. Unter Kostenund Entschädigungsfolgen zuzüglich MWSt. zu Lasten des Beschuldigten, eventualiter des Staates.

Erwägungen:

  1. Prozessgeschichte

    1. Mit vorstehend wiedergegebenem Urteil vom 6. Juli 2017 wurde der Beschuldigte in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils der versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten bestraft, woran 108 durch Haft erstandene Tage angerechnet wurden. Es wurde eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) angeordnet und der Vollzug der Freiheitsstrafe zum Zweck dieser Behandlung aufgeschoben. Schliesslich wurde festgestellt, dass der Beschuldigte gegen- über dem Privatkläger A. aus dem angeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers wurde abgewiesen (Urk. 114 S. 30 ff.).

    2. In Gutheissung einer vom Beschuldigten gegen dieses Urteil erhobenen Beschwerde hob das Bundesgericht am 15. März 2018 das obergerichtliche Urteil auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Urk. 126; Urteil 6B_908/2017). Das Bundesgericht bemängelte zur Hauptsache, dass die Kammer im aufgehobenen Urteil im Rahmen der rechtlichen Würdigung von einem anderen Sachverhalt ausgegangen sei als demjenigen, den sie als erstellt erachtet habe.

    3. Nach Wiedereingang der Akten beim Obergericht wurde im Einverständnis mit den Parteien (Urk. 128) für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens zunächst das schriftliche Verfahren angeordnet und mit Verfügung vom 8. Mai 2018 der Staatsanwaltschaft Frist angesetzt, ihre Berufungsanträge zu stellen und zu begründen sowie letztmals allfällige Beweisanträge zu stellen (Urk. 129). Am 4. Juni 2018 stellte die Staatsanwaltschaft die obgenannten Anträge (Urk. 131 S. 1). Mit Präsidialverfügung vom 7. Juni 2018 wurde dem Beschuldigten Frist zur Begrün- dung der eigenen Berufung und Beantwortung der Berufung der Staatsanwalt-

      schaft angesetzt (Urk. 133). Hierauf liess der Beschuldigte am 12. Juni 2018 die ebenfalls vorstehend angeführten Anträge stellen. Im Weiteren widerrief die Verteidigung das Einverständnis zum schriftlichen Verfahren für den Fall, dass die Kammer ernsthaft ein anderes Ergebnis [als einen Freispruch] in Erwägung ziehen sollte. Diesfalls seien neben dem Privatkläger auch noch vier Zeugen gerichtlich zu befragen (Urk. 135 S. 2). Mit Verfügung vom 14. Juni 2018 wurde diese Rechtsschrift der Staatsanwaltschaft und dem Privatkläger zur Stellungnahme zugestellt (Urk. 137). Der Privatkläger liess daraufhin am 5. Juli 2018 beantragen, es sei der Beschuldigte anklagegemäss und in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils schuldig zu sprechen. Weitere Beweisabnahmen hätten nicht zu erfolgen, und entsprechend sei auch ein Rückwechsel zum mündlichen Verfahren nicht indiziert (Urk. 139). Die Staatsanwaltschaft beantragte gleichentags die Abweisung der Berufung des Beschuldigten und von dessen Beweisanträgen. Hingegen wandte sich die Staatsanwaltschaft nicht gegen die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (Urk. 141).

    4. Am 17. Juli 2018 ordnete die Verfahrensleitung die mündliche Fortsetzung des Berufungsverfahrens an und wies die Beweisanträge des Beschuldigten ab (Urk. 143).

    5. Schliesslich fand am 4. April 2019 die Berufungsverhandlung statt. Es erschienen der zuständige Staatsanwalt sowie der Beschuldigte in Begleitung seines amtlichen Verteidigers (Prot. II S. 7). Das Urteil erging im Anschluss an die Berufungsverhandlung (Prot. II S. 15 ff.).

  2. Prozessuales

    1. Durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache an die Kammer wird das Verfahren in den Stand versetzt, in welchem es sich vor der Fällung des damaligen Urteils befunden hat. Damit ist heute nochmals umfassend über alles zu entscheiden, was bereits Gegenstand des ersten Berufungsverfahrens SB170043 war. Allerdings darf dabei inhaltlich nur auf jene Punkte zurückgekommen werden, die zur Aufhebung des ersten Urteils geführt haben: Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist nach einer Rückweisung vom

      Bundesgericht auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt (BGE 123 IV 1 E. 1; BGE 143 IV 214 E. 5.2.1 S. 220 mit Hinweisen). Dabei kann sich die neue Entscheidung in den Grenzen des Verbots der reformatio in peius aber auch auf Punkte beziehen, die vor Bundesgericht nicht angefochten waren, sofern dies der Sachzusammenhang erfordert (BGE 123 IV 1 E. 1 S. 3; Urteile des Bundesgerichts 6B_278/2017 vom 12. Februar 2018 E. 1.3 und 6B_1031/2016 vom

      23. März 2017 E. 4.1; je mit Hinweisen).

    2. Entsprechend ist zunächst - wie im aufgehobenen Urteil (Urk. 114 S. 7) - festzuhalten, dass das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, 3. Abteilung, vom

      19. September 2016 vollumfänglich angefochten und in keinem Punkt in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. Prot. II S. 9).

    3. Unverändert zu verweisen ist auch auf die Erwägungen im aufgehobenen Urteil, was die Rügen der Verteidigung zum Anklageprinzip betrifft. Das Anklageprinzip ist nicht verletzt (Urk. 114 S. 8).

    4. Und Gleiches gilt schliesslich betreffend die - ein weiteres Mal unverändert gestellten - Beweisanträge der Verteidigung auf Befragung von D. , E. , F. und G. (Prot. II S. 10 f.). Schon mehrfach wurde dargelegt, dass für eine erneute Einvernahme der genannten Personen im Berufungsverfahren kein Anlass besteht (vgl. Präsidialverfügung vom 27. März 2017, Urk. 98; aufgehobenes Urteil SB170043, Urk. 114 S. 9; Präsidialverfügung vom

17. Juli 2018, Urk. 143 S. 3). Daran hat sich nichts geändert.

  1. Sachverhalt

    1. Die Kammer hat im aufgehobenen Urteil zum Sachverhalt ausführliche Erwägungen angestellt und ist nach Würdigung der Beweismittel zu folgendem Schluss gelangt (Urk. 114 S. 9-16):

      Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass gestützt auf die vorhandenen Beweismittel der folgende Sachverhalt gemäss Eventualanklage als erstellt bezeichnet werden kann: Der Beschuldigte und der Privatkläger besuchten in der Tatnacht die H. Bar in Zürich. Die beiden trafen im Verlaufe der Nacht aufeinander. Schliesslich kam es zur Eskalation, als sie sich einige Meter voneinander entfernt an der Bar des besagten Lokals befanden. Der Beschuldigte sagte zum Privatkläger eher provokativ-unterstellend als fragend etwas im Sinne von bist du schwul, worauf der Privatkläger zum Beschuldigten hinging und ihn zur Rede stellte. Dabei trat er nahe an den Beschuldigten heran, rempelte ihn an bzw. machte eine Stossbewegung mit seinem Kopf gegen den Beschuldigten, wobei er ihn am Oberkörper im Halsoder Brustbereich traf. Beim Anrempeln trat der Privatkläger dem Beschuldigten zudem gegen das rechte Schienbein. In der Folge führte der Beschuldigte willentlich mit der Hand, in welcher er eine Bierflasche hielt, einen wuchtigen Stoss gegen das Gesicht des Privatklägers. Der Privatkläger erlitt dadurch an der Stirn links, nahe der Nase durch die linke Augenbraue, zum Augenoberlid ausgerichtet, eine ca. 4 cm lange, in Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde mit vereinzelten, bis max. 0.5 cm langen, glattrandigen, oberflächlichen Ausläufern.

      Zwischenzeitlich haben sich in sachverhaltlicher Hinsicht keine Weiterungen ergeben. Richtig ist es deshalb, wenn die Verteidigung geltend macht, dass von diesem Sachverhalt, welchen auch das Bundesgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat (Urk. 126 E. B), auch heute auszugehen sei (Prot. II S. 13 f.). Daran än- dert insbesondere nichts, wenn der Privatkläger weiterhin bestreiten lässt, den Beschuldigten mit dem Kopf gestossen oder gegen das Schienbein getreten zu haben (Urk. 139 S. 2). Damit wiederholt er den von ihm in diesem Verfahren schon immer eingenommen Standpunkt, mit welchem er nicht durchzudringen vermag (Urk. 114 S. 12 ff.).

  2. Rechtliche Würdigung

    1. Zu den tatbeständlichen Voraussetzungen einer (versuchten) schweren Körperverletzung kann zunächst auf die Erwägungen im aufgehobenen (Urk. 114

      S. 17 ff.) und im bundesgerichtlichen Urteil (Urk. 126 E. 1.3) verwiesen werden.

    2. Betreffend das aufgehobene Urteil kritisierte das Bundesgericht, dass die Kammer sachverhaltlich im Rahmen der Beweiswürdigung einen Stoss des Beschuldigten mit der Hand, in welcher er eine Bierflasche gehalten habe, als erstellt erachtet habe. Den rechtlichen Erwägungen lege das Obergericht dann aber ein Zuschlagen mit einer Glasflasche zugrunde und begründe damit die Inkaufnahme einer schweren Körperverletzung. Einen Schlag habe das Obergericht jedoch gar nicht festgestellt, und das Risiko, dass die Flasche zerbrechen könnte, sei klarerweise geringer, wenn die Flasche während eines Stosses von der Hand umgeben sei. Warum bei einem blossen Stoss mit einer Flasche in der Hand eine schwere Körperverletzung derart wahrscheinlich gewesen sei, dass vernünftigerweise nur von einer Inkaufnahme einer solchen durch den Beschuldigten ausgegangen werden könne, gehe aus dem Entscheid nicht hervor. Hinzu komme, dass die Kammer zwar einen wuchtigen bzw. heftigen Stoss annehme. Das sei indessen relativ; eine Veranschaulichung des Stosses fehle weitgehend. So habe das Obergericht insbesondere nicht etwa festgestellt, dass der Privatkläger aufgrund des Stosses hingefallen sei oder sonstwie das Gleichgewicht verloren habe; auch sei die Flasche in der Hand des Beschuldigten nicht zerbrochen.

      Vom Wissen um die blosse Möglichkeit einer schweren Körperverletzung - so das Bundesgericht weiter - dürfe nicht auf deren Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssten bei einem bloss möglichen Erfolgseintritt weitere belastende Umstände hinzukommen. Solche zeige die Kammer nicht auf. Vielmehr wäre in diesem Zusammenhang zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, dass er den Stoss als Reaktion auf den körperlichen Angriff durch den Privatkläger ausgeführt und danach von diesem abgelassen habe (Urk. 126 E. 1.4).

    3. Zwar ist es mit der Staatsanwaltschaft effektiv so, dass im aufgehobenen Urteil nur ein einziges Mal von einem Schlag gesprochen wird (Urk. 131 S. 2; Urk. 168 S. 2 f.). Die massgebliche Erwägung lautet: Wer jemandem eine Glasflasche mit einer Intensität ins Gesicht schlägt, dass daraus eine grössere Wunde resultiert, nimmt auch in Kauf, dass die Flasche zerbricht und eine bleibende Entstellung des Gesichts oder das Unbrauchbarmachen eines wichtigen Organs zur Folge haben kann. Somit nahm der Beschuldigte ohne Zweifel lebensgefährliche

      bzw. schwere Verletzungen beim Privatkläger durch seine Handlungen in Kauf und handelte damit eventualvorsätzlich (Urk. 114 S. 19). Nachdem in den ganzen restlichen Erwägungen durchwegs von Stoss, Einwirkung o.ä. die Rede ist, trifft aber - mit dem Bundesgericht - jedenfalls im Wortsinn schon zu, dass dem letztlichen Schluss der rechtlichen Würdigung etwas anderes (Schlag) zugrunde liegt, als im Rahmen der Beweiswürdigung erstellt wurde (Stoss, Einwirkung etc.).

      Aber auch ausgehend vom erstellten wuchtigen Stoss ist das Bundesgericht

      - entgegen der heute von der Staatsanwaltschaft vertretenen Ansicht (Urk. 168

      S. 3) - der Auffassung, dass nicht auf die Inkaufnahme einer schweren Körperverletzung geschlossen werden darf. Vom Bundesgericht angesprochene weitere belastende Umstände, die dafür erforderlich wären (z.B. Sturz des Privatklägers, Zerbrechen der Flasche), liegen nicht vor.

    4. Ausser Diskussion steht nun allerdings, dass der Beschuldigte den Tatbestand der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung erfüllt hat (so auch der Verteidiger: Urk. 135 S. 2). Nachdem der Beschuldigte dem Privatkläger den Stoss mit der Hand versetzt hat, in welcher er eine Glasflasche hielt, ist mit der Staatsanwaltschaft (Urk. 168 S. 4) zu prüfen, ob der Grundtatbestand gemäss Art. 123 Ziff. 1 StGB oder der qualifizierte Tatbestand gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB zur Anwendung kommt:

      1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer als schwerer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er Gift, eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand gebraucht (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB).

        Ob ein Gegenstand gefährlich im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB ist, hängt von der konkreten Art seiner Verwendung ab. Ein Gegenstand ist gefährlich, wenn er so verwendet wird, dass die Gefahr einer schweren Körperverletzung gemäss Art. 122 StGB besteht (BGE 111 IV 123 E. 4; 101 IV 285; Urteile

        6B_161/2016 vom 12. Oktober 2016 E. 1.4.2; 6S.65/2002 vom 26. April 2002

        E. 3.2 mit Beispielen; siehe auch Urteil 6B_590/2014 vom 12. März 2015 E. 1.3 mit Hinweisen auf die Lehre). Ein in diesem Sinne gefährlicher Gegenstand lag nach der Rechtsprechung etwa vor bei einem gezielt aus einer Entfernung von ca. vier Metern gegen den Kopf eines Menschen geschleuderten Bierglas (BGE 101 IV 285). Die neuere Rechtsprechung bejahte sodann eine qualifizierte einfache Körperverletzung beim Wurf eines rund 10 cm grossen Cocktailglases gegen den Kopf einer Person, wodurch diese am Kopf unter den Haaren eine oberflächliche Verletzung erlitt. Dabei war zu berücksichtigen gewesen, dass das Glas im Gesicht des Opfers, in unmittelbarer Nähe der Augen, hätte zerbrechen können (Urteil 6B_590/2014 vom 12. März 2015 E. 1.3). Ebenfalls eine einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand lag vor bei einem Schlag mit einer Glasflasche gegen den Kopf eines höher stehenden Widersachers, wodurch dieser Zahnverletzungen erlitt. In diesem Entscheid hielt das Bundesgericht in grundsätzlicher Weise fest, dass gemäss seiner Rechtsprechung die Verwendung von leichteren und schwereren Gläsern - und folglich auch von Glasflaschen - als Wurfoder Schlaginstrument gegen den Kopf bzw. das Gesicht einer Person als gefährliche Gegenstände im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB zu qualifizieren seien (Urteil 6B_181/2017 vom 30. Juni 2017 E. 2.3. und 2.4).

      2. Vor diesem Hintergrund ist auch das Handeln des vorliegend Beschuldigten als einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand zu qualifizieren: Wer einem anderen mit einer Hand, in welcher er eine Bierflasche hält, einen wuchtigen Stoss gegen das Gesicht versetzt, sodass nahe der Nase eine 4 cm lange, in Körperlängsachse verlaufende Rissquetschwunde durch die linke Augenbraue entsteht, ruft fraglos die Gefahr einer schweren Körperverletzung hervor. Zwar ist - wie bereits abgehandelt - nicht von einer Inkaufnahme einer solchen auszugehen (was zu einem Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung führen müsste). Aber gerade ein Stoss, wie ihn der Beschuldigte dem Privatkläger offensichtlich sehr nahe an dessen Auge versetzt hat, birgt die Gefahr, dass dasselbe in Mitleidenschaft gezogen werden könnte - sei dies, weil die Flasche zerspringt oder etwa auch weil der Treffer mit einer harten Kante

        (etwa Rand/Boden) erfolgt. Dabei war diese Gefahr direkte Folge des Umstands, dass der Beschuldigte mit der Glasflasche einen gefährlichen Gegenstand eingesetzt hat.

      3. Entsprechend hat der Beschuldigte den Tatbestand der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB erfüllt.

    5. Der Beschuldigte macht indessen weiterhin geltend, er habe in rechtfertigender oder wenigstens entschuldbarer Notwehr gehandelt.

      1. Im aufgehobenen Urteil hatte die Kammer eine Notwehrsituation bejaht, aber einen Notwehrexzess im Sinne von Art. 16 Abs. 1 StGB angenommen (Urk. 114 S. 20 f.). Weil die Unverhältnismässigkeit der Notwehr und die fehlende Entschuldbarkeit des Notwehrexzesses aber insbesondere damit begründet worden war, der Beschuldigte habe in Kauf genommen, dem Privatkläger mit seiner Abwehrhandlung eine schwere Körperverletzung zuzufügen, hob das Bundesgericht das Urteil auch in diesem Punkt auf (Urk. 126 S. 9).

      2. Wird jemand ohne Recht angegriffen, ist der Angegriffene berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren (Art. 15 StGB, rechtfertigende Notwehr). Überschreitet der Abwehrende die Grenzen der Notwehr nach Art. 15 StGB, so mildert das Gericht die Strafe (Art. 16 Abs. 1 StGB, Notwehrexzess). Überschreitet der die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff, so handelt er nicht schuldhaft (Art. 16 Abs. 2 StGB, entschuldbare Notwehr).

        Die Abwehr in einer Notwehrsituation muss nach der Gesamtheit der Umstände als verhältnismässig erscheinen. Eine Rolle spielen vor allem die Schwere des Angriffs, die durch den Angriff und die Abwehr bedrohten Rechtsgüter, die Art des Abwehrmittels und dessen tatsächliche Verwendung. Die Angemessenheit der Abwehr ist aufgrund jener Situation zu beurteilen, in der sich der rechtswidrig Angegriffene im Zeitpunkt seiner Tat befand. Es dürfen nicht nachträglich allzu subtile Überlegungen darüber angestellt werden, ob der Angegriffene sich nicht allenfalls auch mit anderen, weniger einschneidenden Massnahmen hätte begnügen können und sollen (BGE 136 IV 49 E. 3.2).

        Der Angegriffene kann sich indessen nicht auf Notwehr berufen, wenn er die Notwehrsituation provoziert, mithin den Angriff absichtlich herbeigeführt hat, um den Angreifer gleichsam unter dem Deckmantel der Notwehr zu verletzen oder gar zu töten (sogenannte Absichtsprovokation). Hat der Angegriffene die Notwehrlage zwar nicht absichtlich herbeigeführt, aber durch sein Verhalten mitverschuldet beziehungsweise mitverursacht, so hängt es von der Bewertung dieses Verhaltens ab, welche Folgen sich daraus für das Notwehrrecht ergeben. Je nach den Umständen kann das Notwehrrecht des Angegriffenen uneingeschränkt bestehen bleiben oder aber eingeschränkt sein. Ist es eingeschränkt, so ist die noch zuläs- sige Abwehr im Vergleich zur sonst zulässigen begrenzt und kann eine bestimmte Abwehrhandlung, die bei uneingeschränktem Notwehrrecht noch angemessen wäre, unzulässig und damit als Notwehrexzess zu qualifizieren sein. Das Notwehrrecht ist eingeschränkt, wenn der Verteidigungshandlung das eigene Unrecht des Angegriffenen noch unmittelbar anhaftet. Die Anforderungen an die Vermeidung von Verletzungen des Angreifers sind umso höher, je schwerer die rechtswidrige und vorwerfbare Herbeiführung der Notwehrlage wiegt (Urteile 6B_910/2016 vom 22. Juni 2017 E. 3.1; 6B_251/2013 vom 24. Oktober 2013

        E. 1.2; je mit Hinweisen).

        Ein Notwehrexzess ist gemäss Art. 16 Abs. 2 StGB entschuldbar, wenn die Aufregung oder die Bestürzung des Täters allein oder zumindest vorwiegend auf den rechtswidrigen Angriff zurückzuführen ist. Überdies müssen Art und Umstände des Angriffs derart sein, dass sie die Aufregung oder die Bestürzung entschuldbar erscheinen lassen. Nicht jede geringfügige Erregung oder Bestürzung führt zu Straflosigkeit. Erforderlich ist, dass es dem Täter aufgrund der Aufregung oder Bestürzung über den Angriff nicht möglich war, besonnen und verantwortlich zu reagieren (vgl. zum Einsatz von Schusswaffen: Urteil 6S.734/1999 vom 10. April 2001 E. 4b mit Hinweisen). Insoweit besteht trotz der absoluten Formulierung ein gewisses Ermessen (Urteil 6B_810/2011 vom 30. August 2012 E. 5.3.2 mit Hinweisen).

      3. Auch heute wieder glaubt der Verteidiger aus dem bundesgerichtlichen Urteil vom 15. März 2018 ableiten zu können, dass wenn der Beschuldigte lediglich eine vorsätzliche einfache Körperverletzung begangen habe, seine Abwehrhandlung aufgrund der Notwehrsituation rechtskonform gewesen sei (Urk. 135 S. 2; Prot. II S. 14). Das Bundesgericht sagt das jedoch nicht. Es hat - wie gesehen - das Urteil in diesem Punkt aufgehoben, weil auch die Beurteilung der Notwehrfrage auf der unzutreffenden Annahme einer versuchten schweren Körperverletzung basierte. Über die Rechtmässigkeit oder Entschuldbarkeit der Handlung des Beschuldigten, wenn diese als einfache Körperverletzung zu qualifizieren ist, äusserte sich das Bundesgericht nicht (Urk. 126 S. 8/9).

      4. Zunächst ist unter Verweis auf das aufgehobene Urteil zu wiederholen, dass sich der Beschuldigte in einer Notwehrsituation befand: Der Privatkläger versuchte den Beschuldigten mit dem Kopf zu stossen, traf ihn dabei im Halsoder Brustbereich, und trat ihn gegen das Schienbein. Der Beschuldigte war deshalb grundsätzlich zur Abwehr berechtigt. Auch wenn sich der Privatkläger sodann ganz offensichtlich über die provokativ-unterstellende Bemerkung des Beschuldigten bist du schwul geärgert hat, kann diesem keine absichtliche Provokation unterstellt werden, sodass er sich grundsätzlich uneingeschränkt auf sein Notwehrrecht berufen kann (Urk. 114 S. 16/20).

      5. Es stellt sich damit die Frage, ob die Abwehrhandlung des Beschuldigten verhältnismässig war oder nicht. Das ist zu verneinen:

        Zunächst fällt zulasten des Beschuldigten ins Gewicht, dass ihm der Privatkläger körperlich klar unterlegen war. Während der Beschuldigte bei einer Grösse von 180 cm 82 kg wog (Urk. 107 S. 10), misst der Privatkläger 166 cm und hatte ein Gewicht von 62 kg (Urk. 107 S. 10; Urk. 10/4 S. 2). Der Privatkläger war sodann mit einem Blutalkoholgehalt von über 1.5 ‰ deutlich betrunken (Urk. 10/4 S. 2; Urk. 11/3 S. 2) und griff den Beschuldigten mit blossen Händen an. Zwar hat der Beschuldigte den Angriff nicht direkt provoziert, aber durch seine völlig unnötige provokative Frage zur Eskalation beigetragen. Er war sich dessen auch durchaus bewusst, sagte er doch bereits in der Hafteinvernahme, der Privatkläger sei nach dieser Frage aufgestanden und er - der Beschuldigte - habe gemerkt, dass etwas nicht gut war. Entsprechend habe er versucht, den Privatkläger zu beschwichtigen (sorry, es war nicht so gemeint, Urk. 3/1 S. 3) und versuchte auch E. , den Privatkläger zu beruhigen (Urk. 6/3 S. 2 ff.). Der Beschuldigte wusste demnach, dass mit seinem Zutun eine brenzlige Situation entstanden war und eskalieren könnte. In dem Sinne musste er auch auf einen möglichen Angriff des Privatklägers gefasst sein.

        Als anfänglicher Provokateur war der Beschuldigte damit verpflichtet, von seiner Seite aus das Seinige dazu beizutragen, dass keine übermässige Eskalation erfolgt. Mit der Flasche hatte er jedoch einen gefährlichen Gegenstand in der Hand, der angesichts des deutlich kleineren, leichteren, unbewaffneten und betrunkenen Privatklägers geeignet war, die Auseinandersetzung auf eine klar höhere Gewaltstufe zu heben - mit den damit verbundenen Risiken allfällig schwererer Verletzungen. Der Beschuldigte wäre deshalb verpflichtet gewesen, die Flasche wegzustellen. Er hätte das auch gekonnt und Zeit dafür gehabt. Entgegen der Verteidigung (Urk. 109 S. 3 ff.) erfolgte der Angriff des Privatklägers unter den vorstehend dargestellten Vorzeichen nämlich keineswegs völlig überraschend. Hinzu kommt, dass es jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit keinesfalls nötig gewesen wäre, den Privatkläger mit der Flasche in der Hand gegen den Kopf zu stossen, sondern ein Stoss gegen die Brust des viel kleineren Privatklägers hätte genügt. Dies musste der Beschuldigte anlässlich der Hauptverhandlung vom 19. September 2016 denn auch selber einräumen (Urk. 49 S. 11).

        Der Beschuldigte hat damit die Grenzen der zulässigen Notwehr nach Art. 15 StGB überschritten.

      6. Zwar sagte der Beschuldigte anfänglich aus, er sei durch den Privatkläger in Panik und Todesangst versetzt worden (Urk. 3/1 S. 3). Das erscheint angesichts der Ausgangslage indessen als masslos übertrieben. Zumeist erklärte der Beschuldigte später denn auch, er habe instinktiv zugeschlagen, wobei er die Flasche einfach gerade in der Hand gehalten habe (vgl. z.B. Urk. 3/1 S. 3/4; Urk. 49 S. 11; Urk. 107 S. 11). So wie aber der Beschuldigte über den Privatkläger sagt, dieser habe genug Zeit [gehabt], um sich zu überlegen, ob er rüber

        kommen will (Urk. 49 S. 7), muss auch für ihn selbst gelten, dass er im Hinblick auf die mögliche Konfrontation gewisse Überlegungen anstellen konnte. Eine Situation, in welcher er lediglich noch instinktiv oder reflexartig hätte handeln kön- nen, lag damit nicht vor. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Beschuldigten aufgrund von Aufregung oder Bestürzung über den Angriff nicht möglich gewesen wäre, besonnen und verantwortlich zu reagieren. Insbesondere nachdem er mit seiner provokativen Frage selbst zum Beginn der Eskalation beigetragen hat, kann er sich nicht darauf berufen, über den gleichsam mit Ankündigung erfolgten Angriff des Privatklägers in entscheidendem Masse aufgeregt oder bestürzt gewesen zu sein. Eine Berufung des Beschuldigten auf Art. 16 Abs. 2 StGB fällt damit ausser Betracht.

      7. Entsprechend muss sich der Beschuldigte einen Notwehrexzess im Sinne von Art. 16 Abs. 1 StGB vorwerfen lassen.

    6. Der Beschuldigte ist deshalb der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen.

  3. Strafzumessung

    1. Im Gegensatz zum ersten, aufgehobenen Urteil ist nun nicht mehr Art. 122 StGB massgeblich, sondern Art. 123 StGB. Es ist deshalb eine Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe auszusprechen. Gründe, welche im Sinne der entsprechenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Erweiterung des Strafrahmens erforderten, liegen nicht vor. Der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 16 Abs. 1 StGB ist innerhalb des ordentlichen Strafrahmens strafmindernd zu berücksichtigen. Im Übrigen kann auf das verwiesen werden, was bereits die Vorinstanz zu den Grundlagen der Strafzumessung erwogen hat (Urk. 64 S. 35 f.).

    2. Am 1. Januar 2018 ist das geänderte Sanktionenrecht des Schweizerischen Strafgesetzbuches in Kraft getreten (AS 2016 1249). Der Beschuldigte beging die heute zu beurteilende Tat am 20. August 2015 und mithin vor Inkraft-

      treten des neuen Sanktionenrechts. Nach neuem Recht wird grundsätzlich nur beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Delikt begangen hat (Art. 2 Abs. 1 StGB). Hat jedoch der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen und erfolgt die Beurteilung erst nachher, so ist das neue Gesetz anzuwenden, wenn es für den Täter milder ist (lex mitior, Art. 2 Abs. 2 StGB). Die Frage nach der lex mitior ist nach Lehre und Rechtsprechung nicht abstrakt, sondern aufgrund der konkreten Methode zu beantworten. Es ist sowohl das alte als auch das neue Recht anzuwenden und durch Vergleich der Ergebnisse zu prüfen, welches Recht für den Täter das günstigere ist (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts 6B_102/2011 vom 14. Februar 2012, E. 1.3.1; PK StGBTrechsel/Vest 2018, Art. 2 N 11).

    3. Konkrete Strafzumessung:

      1. In objektiver Hinsicht liegt die vom Privatkläger erlittene Rissquetschwunde durch die linke Augenbraue (s. dazu Urk. 2/2 S. 8) auf einer Skala aller im Rahmen von Art. 123 StGB denkbaren Verletzungen (vgl. dazu etwa Kasuistik in PK StGB-Trechsel/Geth 2018, Art. 123 N 13) grundsätzlich noch im unteren Bereich. Leicht erschwerend fällt allerdings ins Gewicht, dass sich die Wunde (und spätere Narbe) gut sichtbar im Gesicht befindet und der Stoss mit der Flasche den Privatkläger nur gerade wenige Zentimeter neben dem linken Auge getroffen hat. Es blieb aber bei diesem einen Stoss. Der Beschuldigte setzte nicht etwa nach, sondern entfernte sich.

      2. Subjektiv handelte der Beschuldigte direktvorsätzlich. Wer jemandem mit einer Bierflasche so ins Gesicht stösst, wie dies der Beschuldigte getan hat, will seinen Widersacher (mindestens leicht) verletzen. Ein solcher Stoss zeugt von einer erheblichen Geringschätzung der körperlichen Unversehrtheit des Gegen- übers. Zwar konnte der Beschuldigte vom Angriff des Privatklägers nicht völlig überrascht sein (s. dazu die vorstehenden Erwägungen zur Notwehrfrage), weil er denselben durch seine provozierende Bemerkung mitkonstelliert hat und sich der Privatkläger auch noch einige Meter zum Beschuldigten hinbewegen musste (vgl. dazu Urk. 49 S. 7). Es ist ihm aber zuzugestehen, dass sich das ganze Geschehen innert sehr kurzer Zeit abgespielt und eine unheilvolle Dynamik angenommen

        hat. Wie bereits im aufgehobenen Urteil (Urk. 114 S. 23) ist dem Beschuldigten sodann als Folge der gutachterlich festgestellten leichten Verminderung der Steuerungsfähigkeit (aufgrund ADHS und einer mittelgradigen Alkoholintoxikation zur Tatzeit) eine leichtgradige Verminderung der Schuldfähigkeit zuzubilligen (Urk. 14/14 S. 62 f.). Die subjektive Seite vermag das objektive Verschulden demnach etwas zu relativieren.

      3. Das Mass der Verschuldensreduktion für einen Notwehrexzess hängt davon ab, wie stark das Notwehrrecht überschritten wird. Wesentlich ist demnach, in welcher Weise und in welchem Ausmass der Täter die Grenzen der Notwehr überschreitet (Mathys, Leitfaden Strafzumessung, N 147). Vorliegend wurde der Beschuldigte vom Privatkläger gegen das Schienbein getreten, mit dem Kopf gegen den Hals gestossen und angerempelt, wobei die Gewalteinwirkung durch den erheblich betrunkenen, körperlich unterlegenen Privatkläger gesamthaft noch als moderat bezeichnet werden muss. Ausserdem war es der Beschuldigte, der durch seine provozierende Frage an den Privatkläger seinen Teil zur Eskalation der Situation beigetragen hatte. Das vom Beschuldigten gewählte Abwehrverhalten - Einsatz einer Bierflasche gegen das Gesicht des Privatklägers - überschreitet die Grenzen zur rechtmässigen Notwehr indessen nicht sehr stark. Es resultierte beim Privatkläger lediglich eine einfache Körperverletzung relativ geringer Schwere. Zudem hatte der Beschuldigte die Bierflasche bereits in der Hand, als der Angriff durch den Privatkläger erfolgte; insbesondere ergriff er die Flasche nicht etwa zielgerichtet zum Zwecke des Einsatzes als Waffe zur Abwehr. Allerdings hätte die Handlungsalternative, die der Beschuldigte zur Wahrung der Grenzen der zulässigen Notwehr hätte ergreifen müssen - nämlich das Wegstellen der Flasche oder ein Stoss gegen die Brust anstatt des Kopfes (s. vorstehende Erw. 4.5.5) - überaus nahegelegen. Wie gesehen, hatte er auch einige Augenblicke Zeit, sich das zu überlegen. Schliesslich war der Beschuldigte nicht allein mit dem Privatkläger im Lokal. Eine Barmitarbeiterin, E. , bewegte sich denn auch bereits auf die Kontrahenten zu, um zu schlichten (Urk. 6/3

        S. 3). Insgesamt ist aufgrund des die zulässige Notwehr in einem nicht sehr gravierenden Masse überschreitenden Exzesses eine erhebliche Verschuldensreduktion angezeigt.

      4. Die Einsatzstrafe für die gesamte Tatschwere der einfachen Körperverletzung ist damit auf 60 Strafeinheiten festzusetzen.

    4. Hinsichtlich der Täterkomponenten kann zunächst auf die vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden (Urk. 64 S. 37). Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung machte der Beschuldigte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Aus der zu den Akten gereichten polizeilichen Einvernahme des Beschuldigten vom 11. Dezember 2018 (Urk. 164) ergibt sich neu, dass der Beschuldigte seit drei Jahren keiner Arbeit mehr nachgeht und seit zwei Jahren vom Sozialamt unterstützt wird. Die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten wirken sich strafzumessungsneutral aus.

      Mit der Staatsanwaltschaft (Urk. 168 S. 5) deutlich straferhöhend wirkt sich die einschlägige Vorstrafe aus: Am 11. Mai 2010 wurde der Beschuldigte durch die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 100.- verurteilt, wobei der Vollzug von 45 Tagessätzen bei einer Probezeit von 4 Jahren bedingt aufgeschoben wurde und 45 Tagessätze zu bezahlen waren. Dem Strafbefehl ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte am 28. November 2009 um ca. 23.00 Uhr anlässlich einer zunächst verbalen Auseinandersetzung einem Kontrahenten zweimal den rechten Ellbogen ins Gesicht schlug, wodurch dieser Schmerzen im Kiefergelenk sowie einen vorübergehenden Tinnitus erlitt. Einem weiteren Geschädigten drückte der Beschuldigte wenige Minuten später eine brennende Halogen-Ständerlampe zweimal ins Gesicht und schlug diesen anschliessend mit der Lampe und mehrmals mit den Fäusten gegen den Kopf, wodurch sich der Geschädigte Verbrennungen im Gesicht, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf, eine Gehirnerschütterung sowie eine Nasenbeinfraktur zuzog. Es fällt auf, dass die heutige Tat eine sehr deutliche Ähnlichkeit mit diesen Vortaten aufweist.

      In der ersten Berufungsverhandlung vom 6. Juli 2017 hatte der Beschuldigte auf entsprechende Frage des Präsidenten ausgesagt, es laufe derzeit gegen ihn ein weiteres Verfahren wegen Hehlerei betreffend einem Rennvelo. Er habe aber Einsprache gegen den Strafbefehl erhoben (Urk. 107 S. 6). Dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister vom 13. März 2019 (Urk. 148) sowie den bei der

      Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland beigezogenen Unterlagen (Urk. 149 und

      150) ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte mit Strafbefehl vom 19. Juni 2017 wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 80.- verurteilt worden ist. Zwar hatte der Beschuldigte dagegen - wie von ihm ausgesagt - zunächst Einsprache erhoben, diese dann aber am 10. Oktober 2017 wieder zurückgezogen. Entsprechend ist der Strafbefehl mit dem Datum seiner Ausfällung in Rechtskraft erwachsen (Art. 437 Abs. 2 StPO). Nachdem der Beschuldigte die vorliegend zu beurteilende Tat im August 2015 begangen hat, liegt mit dem genannten Strafbefehl keine Vorstrafe vor. Vielmehr ist ein Fall retrospektiver Konkurrenz im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB gegeben. Darauf wird später einzugehen sein.

      Der Beschuldigte flüchtete zunächst vom Tatort und stellte sich erst, nachdem er zur Verhaftung ausgeschrieben worden war (Urk. 18/1-3). Daraufhin zeigte er sich von Beginn weg teilweise geständig, wobei ihm aber die belastenden Zeugenaussagen bekannt waren. Der Beschuldigte rechtfertigte sein Verhalten zwar bis zuletzt als angemessene Notwehrhandlung und liess entsprechend Einsicht und Reue vermissen. Aufgrund des Geständnisses ist aber dennoch eine leichte Reduktion der Strafe angezeigt.

    5. Insgesamt wirken sich die Täterkomponenten straferhöhend aus; das positive Nachtatverhalten vermag die deutlich straferhöhende Wirkung der einschlägigen Vorstrafe nicht aufzuwiegen. Es erscheint damit eine Strafe von 75 Strafeinheiten als angemessen.

    6. Sowohl nach altem als auch nach neuem, seit 1. Januar 2018 geltenden Recht liegt eine solche Strafe im Bereich, in welchem grundsätzlich der Geldstrafe der Vorzug zu geben ist. Während nun aber nach altem Recht nur dann auf eine (vollziehbare) Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten erkannt werden konnte, wenn zu erwarten war, dass eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit nicht vollzogen werden kann, ist heute möglich, anstelle einer Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe zu erkennen, wenn eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten, oder wenn eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann (Art. 41 Abs. 1 aStGB

      und StGB). Heute kann also unter erheblich leichteren Voraussetzungen eine kurze Freiheitsstrafe ausgesprochen werden als früher. Entsprechend ist das neue Recht für den Beschuldigten nicht milder (Art. 2 Abs. 2 StGB) und ist das zur Tatzeit in Kraft stehende Recht anzuwenden.

      Zwar ist gegen den Beschuldigten - wie noch zu zeigen sein wird - eine unbedingte Strafe auszusprechen. Nach der diesbezüglich strengen Rechtsprechung des Bundesgerichts kann aber nicht davon gesprochen werden, dass eine Geldstrafe nicht vollziehbar wäre (Art. 41 Abs. 1 aStGB). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters sind allein kein Kriterium für die Wahl der Strafart (BSK StGB I-Dolge, Art. 34 N 25), und der Vollzug einer Geldstrafe ist nicht schon deshalb unmöglich, weil sie in der Zwangsvollstreckung voraussichtlich nicht erhältlich gemacht werden könnte (BGE 134 IV 60 E. 6.5.1). Die Geldstrafe steht auch für Mittellose zur Verfügung (BGE 134 IV 60 E. 5.4). Den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters ist vorab bei der Bemessung der Geldstrafe Rechnung zu tragen (Art. 34 Abs. 2 StGB).

      Der Umstand, dass der Beschuldigte gemäss eigenen Angaben seit zwei Jahren vom Sozialamt unterstützt wird (vgl. Urk. 164 S. 2), spricht demnach nicht gegen die Ausfällung einer Geldstrafe. Auch sonst liegen keine in der Person des Beschuldigten liegende Gründe vor, die eine Geldstrafe ausser Betracht fallen lassen würden (z.B. offensichtlich fehlende Zahlungsbereitschaft). Der Beschuldigte ist damit - für die heute zu beurteilende Tat (s. mehr dazu sogleich) - mit einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu bestrafen.

      Die Höhe des Tagessatzes bestimmt sich nach den persönlichen und finanziellen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälligen Familienunterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (Art. 34 Abs. 2 StGB). Angesichts der aktuellen finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten ist der Tagessatz auf Fr. 30.- zu bemessen.

    7. Wie gesehen, ist der Beschuldigte während des vorliegend laufenden Verfahrens mit Strafbefehl vom 19. Juni 2017 wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu Fr. 80.- verurteilt worden (Urk. 149 und 150).

      Gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB bestimmt das Gericht, wenn es eine Tat zu beurteilen hat, die der Täter beging, bevor er wegen einer anderen Tat verurteilt wurde, die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären. Somit soll das Asperationsprinzip gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB auch bei retrospektiver Konkurrenz gewährleistet werden. Der Täter soll durch die getrennte Beurteilung von Straftaten, über die zeitlich zusammen hätte befunden werden können, nicht benachteiligt und soweit als möglich auch nicht besser gestellt werden. Die Zusatzstrafe gleicht dementsprechend die Differenz zwischen der ersten Einsatzoder Grundstrafe und der hypothetischen Gesamtstrafe aus, die nach Auffassung des Richters bei Kenntnis der später beurteilten Straftat ausgefällt worden wäre. Eine Zusatzstrafe kann aber nur dann ausgefällt werden, wenn eine zur Grundstrafe gleichartige Strafe gegeben ist (BGE 137 IV 57).

      Nachdem der Beschuldigte auch heute zu einer Geldstrafe zu verurteilen ist, liegen gleichartige Strafen vor und ist eine Zusatzstrafe zum Strafbefehl vom

      1. uni 2017 auszufällen. Wäre heute neben der einfachen Körperverletzung vom 20. August 2015 auch noch die vom Beschuldigten Ende Januar 2016 begangene Hehlerei zu beurteilen gewesen, wäre zunächst für die Körperverletzung eine Einsatzstrafe festzulegen und diese danach in Anwendung des Asperationsprinzips wegen der Hehlerei angemessen zu erhöhen gewesen. Ausgehend von den für die Körperverletzung angemessenen 75 Tagessätzen Geldstrafe fällt nun hinsichtlich der Hehlerei im Sinne der Erwägungen im Strafbefehl ins Gewicht, dass der Beschuldigte nur gut anderthalb Jahre nach Ablauf der Probezeit gemäss dem früheren Strafbefehl vom 11. Mai 2010 I. für Fr. 900.- ein Rennfahrrad abgekauft hat, das kurz vorher von diesem gestohlen worden war und einen tatsächlichen Wert von Fr. 4'282.- aufwies (Urk. 149 S. 3). Angesichts der grossen, offensichtlichen Differenz zwischen Kaufpreis und effektivem Wert zeugte das Vorgehen des Beschuldigten von einer erkennbaren Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Eigentum und rechtlichen Normierungen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass er damals bereits in einer Strafuntersuchung (der vorliegenden) stand. Gleichwohl kann noch von einem geringen Verschulden ausgegangen werden, welches angesichts des Strafrahmens von Art. 160 Ziff. 1 StGB für sich alleine mit den von der Staatsanwaltschaft dafür ausgesprochenen 70 Tagessätzen Geldstrafe angemessen abgebildet ist (Urk. 149 S. 1). In Anwendung des Asperationsprinzips wäre damit für die einfache Körperverletzung vom

      2. August 2015 und die Hehlerei von Ende Januar 2016 eine Gesamt-Geldstrafe von 130 Tagessätzen ausgesprochen worden. Davon werden die gemäss Strafbefehl vom 19. Juni 2017 ausgesprochenen 70 Tagessätze abgezogen, verbleiben damit noch 60 Tagessätze Geldstrafe, welche vorliegend als Zusatzstrafe auszusprechen sind.

    8. Der Beschuldigte ist deshalb mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.- zu bestrafen, als Zusatzstrafe zur mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 19. Juni 2017 ausgefällten Geldstrafe. Die Strafe ist indessen durch die vom Beschuldigten erlittene Untersuchungshaft von 108 Tagen (Urk. 18/3; Urk. 18/32) bereits vollständig abgegolten.

  4. Vollzug

    1. Auch wenn die gegen den Beschuldigten ausgesprochene Strafe bereits abgegolten ist, muss die Frage des Vollzugs beurteilt und im Dispositiv beantwortet werden (vgl. BGE 81 IV 209; Urteil des Bundesgerichts 6S.384/2003 vom

      19. Dezember 2003).

    2. Im aufgehobenen Urteil hatte die Kammer dazu Folgendes ausgeführt (Urk. 114 S. 26):

      In subjektiver Hinsicht kann dem Beschuldigten jedoch keine gute Prognose gestellt werden, dies in erster Linie gestützt auf das psychiatrische Gutachten. Beim Beschuldigten wurde eine einfachen Aktivitätsund Aufmerksamkeitsstörung, ihm ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol diagnostiziert sowie das deliktsrelevante Persönlichkeitsmerkmal des Aggressionsfokus festgestellt (Urk. 14/14 S. 62). Es bestehe eine deutliche Rückfallgefahr für Gewaltdelikte,

      die sich inzwischen aufgrund der eingehaltenen Alkoholabstinenz und des guten Einstiegs in die deliktorientierte Behandlung bei Dr. med. C. auf ein langfristig moderates bis deutliches Niveau habe senken lassen (Urk. 14/14 S. 57 ff. und S. 63). Gemäss aktuellem Bericht von Dr. med. C. werde das Rückfallrisiko den leichten Therapiefortschritten entsprechend mittlerweile als moderat eingeschätzt, wobei die Fortführung der Behandlung zu empfehlen sei (Urk. 105 S. 2). Der psychiatrische Gutachter empfiehlt eine therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 63 StGB. Aufgrund dieser im Gutachten fachärztlich attestierten Massnahmebedürftigkeit ist dem Beschuldigten mit Blick auf Art. 42 StGB eine ungünstige Legalprognose zu stellen (BGE 135 IV 180 E. 2.3; Urteil des Bundesgerichts 6B_342/2010 vom 9. Juli 2010 E. 3.5.2; Urteil des Bundesgerichts 6B_71/2012 vom 21. Juni 2012 E. 6).

    3. Das gilt auch heute noch und ist zu übernehmen. Wie sogleich zu zeigen sein wird, ist der Beschuldigte nach wie vor massnahmebedürftig. Die Geldstrafe ist deshalb zu vollziehen.

  5. Massnahme

    1. Betreffend die Voraussetzungen zur Anordnung einer Massnahme kann auf die diesbezüglichen Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil verwiesen werden (Urk. 64 S. 40 f.).

    2. Im Zusammenhang mit der Massnahmebedürftigkeit des Beschuldigten ist zu erwähnen, dass med. pract. J. dem Beschuldigten im Tatzeitpunkt eine einfache Aktivitätsund Aufmerksamkeitsstörung, ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol sowie das deliktsrelevante Persönlichkeitsmerkmal des Agressionsfokus diagnostizierte (Urk. 14/14 S. 62). Wie sich aus dem Therapiebericht von Dr. med. C. vom 19. März 2019 ergibt, wurde die Behandlung des Beschuldigten per

      6. März 2018 formal eingestellt. Eine letzte Konsultation sei am 11. Januar 2018 erfolgt. Der Beschuldigte sei öfters unentschuldigt nicht zu den vereinbarten Therapieterminen erschienen und habe im Nachhinein mehrere Tage nicht erreicht werden können. Im Februar/März 2018 habe der Beschuldigte überhaupt nicht mehr auf eine Kontaktnahme reagiert, worauf die Behandlung abgebrochen worden sei. Zum Behandlungsverlauf führte Dr. med. C. aus, der Beschuldigte

      habe trotz intensiver therapeutischer Bemühungen die angeordnete Alkoholabstinenz nicht über einen längeren Zeitraum einhalten können. Noch im Januar 2018 sei der Beschuldigte am Schwanken gewesen, ob er kontrolliert Alkohol trinken oder diesbezüglich eines Tages eine Totalabstinenz erreichen wolle. Die Behandlung der beim Beschuldigten bekannten Aufmerksamkeits-Defizit-HyperaktivitätsStörung (ADHS) sei bei Dr. K. erfolgt. Über deren Verlauf könne Dr. med.

      C.

      keine Angaben machen. Zur Legalprognose führte Dr. med. C.

      aus, dass er das Rückfallrisiko im Juni 2017 als moderat eingeschätzt habe. In der Zeit von Juli 2017 bis Januar 2018 habe keine weitere Risikosenkung erzielt werden können. Abschliessend erachtete er eine Behandlung des Beschuldigten als wünschenswert, da eine anhaltende Alkoholabstinenz, welche sich rückfallrisikosenkend betreffend Gewaltdelikte auswirken würde, nicht habe erreicht werden können (Urk. 157 S. 1 f.).

      Der Beschuldigte machte anlässlich der zweiten Berufungsverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, weshalb er nicht zu seinen persön- lichen Verhältnissen befragt werden konnte (Urk. 167). Zur Erhellung beitragen kann jedoch die von der Staatsanwaltschaft zu den Akten gereichte polizeiliche Einvernahme des Beschuldigten vom 11. Dezember 2018 (Urk. 164). Aus dieser ergibt sich, dass der Beschuldigte - wie bereits oben erwähnt - seit drei Jahren nicht mehr im Arbeitsprozess ist und seit zwei Jahren durch das Sozialamt unterstützt wird (Urk. 164 S. 2 F/A 4). Sodann räumte der Beschuldigte ein, dass er ein Alkoholproblem habe und bei dem in Frage stehenden Vorfall, weswegen das Strafverfahren gegen ihn eröffnet wurde, ebenfalls zu viel getrunken gehabt habe. In der jüngeren Vergangenheit vor dem Vorfall habe er täglich Alkohol konsumiert gehabt (Urk. 164 S. 2 F/A 5). Wie sich weiter ergibt, nimmt der Beschuldigte immer noch täglich Medikamente gegen seine ADHS ein (Urk. 164 S. 2 F/A 6). Zu seinem konkreten Alkoholkonsum vor dem Vorfall befragt, gab der Beschuldigte zu Protokoll, er habe am 16:00 Uhr zu trinken begonnen. Er habe dann ca. 8 Stangen Bier und zwei Shots Wodka getrunken (Urk. 164 S. 2 F/A 10). Dass der Beschuldigte sich nach diesem Konsum nicht stark angetrunken gefühlt hat (vgl. Urk. 164 S. 2 F/A 11), lässt darauf schliessen, dass der Beschuldigte an den Alkohol gewöhnt ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschul-

      digte - wie er ja selber einräumt - nach wie vor ein Alkoholproblem hat und auch noch auf medikamentöse Behandlung seiner ADHS angewiesen ist. Eine Massnahmebedürftigkeit des Beschuldigten liegt auch heute noch vor, was von der Verteidigung auch nicht explizit in Abrede gestellt wird (vgl. Prot. II S. 15).

    3. Die Massnahmefähigkeit des Beschuldigten ist ebenfalls zu bejahen. Gemäss dem Gutachten von med. pract. J. könne mittels einer erfolgreichen Behandlung die Gefahr von neuerlichen Straftaten deutlich gesenkt werden (Urk. 14/14 S. 64 f.). Wie sich aus dem Therapiebericht von Dr. med. C. vom 26. Juni 2017 ergibt, konnte durch die damals laufende Behandlung des Beschuldigten das Rückfallrisiko von moderat bis deutlich auf moderat gesenkt werden. Für die Wirksamkeit einer Behandlung spricht auch, dass es gemäss Angaben des Beschuldigten während der damals laufenden Behandlung nicht zu Gewaltdelikten gekommen ist (Urk. 105 S. 2).

    4. Zwar versäumte der Beschuldigte immer wieder Termine, weswegen die Behandlung letztlich im März 2018 auch formal eingestellt wurde. Allerdings stellt sich der Beschuldigte nicht prinzipiell gegen eine Behandlung. Vielmehr argumentierte die Verteidigung anlässlich der zweiten Berufungsverhandlung, es bleibe aufgrund des von ihr verlangten Freispruchs kein Raum für eine Massnahme oder Strafen (Prot. II S. 15). Weiter kann mit Fug angenommen werden, dass der Beschuldigte es als Weckruf erleben dürfte, dass es im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol offenbar erneut zu einem Zwischenfall gekommen ist, welcher die Eröffnung einer Strafuntersuchung nach sich gezogen hat. Zudem empfindet der Beschuldigte seinen Alkoholkonsum ebenfalls als problematisch (vgl. Urk. 164 S. 2 F/A 5), was auf eine gewisse Einsicht schliessen lässt. In dieser Situation ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte gewillt ist, diese Problematik im Rahmen einer Behandlung in Angriff zu nehmen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte weiterhin und offenbar freiwillig regelmässig Medikamente gegen das ADHS einnimmt. Die Massnahmewilligkeit des Beschuldigten kann deshalb bejaht werden.

    5. Nach dem Gesagten ist somit eine ambulante Behandlung im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) anzuordnen.

    6. Die Massnahme kann ohne Weiteres neben der Geldstrafe angeordnet werden. Gemäss Art. 63 Abs. 2 StGB ist der Aufschub des Vollzuges nur bei Freiheitsstrafen möglich, weshalb der Vollzug der Geldstrafe nicht zugunsten der Massnahme aufzuschieben ist.

  6. Spurenmaterial / Beweisfotografien

    Mit der Vorinstanz sind sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung zu überlassen (Urk. 64 S. 43).

  7. Zivilansprüche

    1. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Pri-

      vatkläger A.

      aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wurde der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers wies die Vorinstanz ab (Urk. 64 S. 44 f.).

    2. Ungeachtet dessen, dass nun vorliegend gegenüber dem ersten Urteil ein geänderter, milderer Schuldspruch erfolgt, bleibt es dabei, dass der Beschuldigte als Folge seines widerrechtlichen Verhaltens dem Privatkläger gegenüber grundsätzlich zu Schadenersatz verpflichtet ist (Art. 41 Abs. 1 OR). Es ist deshalb auf die vorinstanzlichen Erwägungen zu verweisen und festzustellen, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger aus dem angeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches ist der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses zu verweisen.

    3. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers ist im Berufungsverfahren bereits aus prozessualen Gründen abzuweisen (Art. 391 Abs. 2 StPO), weshalb darauf nicht mehr weiter einzugehen ist.

  8. Genugtuung, Schadenersatz

    1. Gemäss Art. 431 Abs. 2 StPO ist einem Beschuldigten im Falle von Untersuchungsund Sicherheitshaft dann eine Genugtuung auszurichten, wenn die zulässige Haftdauer überschritten ist und der übermässige Freiheitsentzug nicht an die wegen anderen Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann. Der Beschuldigte verbrachte vom 1. September 2015 bis zum

      17. Dezember 2015 108 Tage in Untersuchungshaft (Urk. 18/3 und 18/31). Mit dem vorliegenden Urteil wird der Beschuldigte mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen bestraft. Somit hat er 48 Tage Haft zu Unrecht verbüsst. Daraus entsteht dem Beschuldigten ein Genugtuungsanspruch.

      Die Festlegung der Höhe der Genugtuung beruht auf richterlichem Ermessen. Das Bundesgericht geht davon aus, dass im Falle einer ungerechtfertigten Haft von kurzer Dauer grundsätzlich ein Betrag von Fr. 200.- pro Tag eine angemessene Entschädigung darstellt, sofern nicht besondere Umstände gegeben sind, welche die Zahlung eines tieferen oder höheren Betrages rechtfertigen könnten (BGE 139 IV 243, n.p. E. 3). Solche Umstände liegen nicht vor. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte nicht freigesprochen worden ist, sondern der Genugtuungsanspruch deshalb besteht, weil gegenüber der Anklage (und dem erstinstanzlichen sowie dem aufgehobenen ersten Urteil der Kammer) ein milderer Schuldspruch erfolgt und eine tiefere Strafe ausgesprochen wird. Die Argumentation der Verteidigung (Urk. 48) zielt deshalb weitgehend ins Leere. Nicht die Haftanordnung als Solche war ungerechtfertigt. Ungerechtfertigt war lediglich deren Dauer. Hinzu kommt, dass die Haftanordnungen bzw. -verlängerungen schwergewichtig jeweils wegen Fortsetzungsbzw. Ausführungsgefahr erfolgten (Urk. 18/14 S. 6), was unter anderem im auf Beschwerde des Beschuldigten hin ergangenen Beschluss der III. Strafkammer des Obergerichts vom 2. Oktober 2015 auch ausführlich begründet wurde. Insbesondere erging hier der Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft ein forensisch-psychiatrisches Gutachten

      über den Beschuldigten einzuholen haben werde (Urk. 18/19/5 S. 11 ff., 16), und auch das Bundesgericht bestätigte in der Folge, es sei nicht bundesrechtswidrig, jedenfalls bis zum Vorliegen eines fachärztlichen Gutachtens über die Gefährlichkeit des Beschuldigten von Wiederholungsgefahr auszugehen (Urk. 18/19/12

      S. 5). Nach Eingang einer Vorabstellungnahme von med. pract. J.

      vom

      7. Dezember 2015 wurde der Beschuldigte dann auch unter Auflagen (Therapie ADHS, deliktorientierte Behandlung, Alkoholabstinenz) aus der Untersuchungshaft entlassen (Urk. 18/33).

      Auch wenn die Verteidigung geltend macht, der Beschuldigte habe als Folge der Haft seinen Arbeitsplatz verloren, der sehr gut bezahlt gewesen wäre (Urk. 48, letzte Seite), dringt sie damit nicht durch: Dem vom Beschuldigten anlässlich seiner Hafteinvernahme vom 1. September 2015 eingereichten Arbeitsvertrag ist zu entnehmen, dass das Arbeitsverhältnis am 15. September 2015 begonnen hätte (Urk. 3/2/2). Zu diesem Datum und noch bis Ende Oktober 2015 (Ablauf der 60 Tage, die dem Beschuldigten auf die heute ausgesprochene Strafe angerechnet werden) befand sich der Beschuldigte jedoch noch gerechtfertigt in Haft. Es fehlt mithin am Nachweis, dass der Verlust der Arbeitsstelle als Folge der Überhaft eingetreten ist. Die erforderliche Kausalität ist nicht gegeben.

      Dem Beschuldigten ist somit für die zu Unrecht erlittene Haft eine Genugtuung von Fr. 9'600.- (48 Tage à Fr. 200.-) aus der Gerichtskasse zuzusprechen.

    2. Soweit der Beschuldigte sodann einen Verdienstausfall als Schadenersatz fordern lässt (Urk. 48, zweitletzte Seite), ist auf das soeben Ausgeführte zu verweisen: Dass der Beschuldigte am 15. September 2015 seine Arbeitsstelle nicht antreten konnte, lag an seiner im damaligen Zeitpunkt gerechtfertigten Inhaftierung und nicht an der später eingetretenen Überhaft. Entsprechend ist das Schadenersatzbegehren des Beschuldigten abzuweisen.

  9. Kostenund Entschädigungsfolgen

    1. Die Vorinstanz hat die Kosten der Untersuchung und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, ausgenommen diejenigen der amtlichen Verteidigung und der

      unentgeltlichen Rechtsverbeiständung des Privatklägers, zu zwei Dritteln dem Beschuldigten auferlegt und im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wurden der Gerichtskasse überbunden; vorbehalten blieb eine Nachforderung gegenüber dem Beschuldigten im Umfang von jeweils zwei Dritteln (Urk. 64 S. 48, Dispositivziffern 10 bis 13).

      Nachdem es bei einer Verurteilung des Beschuldigten bleibt, ist die vorinstanzliche Kostenregelung zu bestätigen, zumal bereits die Vorinstanz berücksichtigt hat, dass nicht der gesamte zur Anklage gebrachte Sachverhalt erstellt werden konnte (Urk. 64 S. 26 und 45; Schlag auf den Hinterkopf).

    2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO).

      1. Unter Verweis auf die nach wie vor gültigen Erwägungen im aufgehobenen Urteil sind die Kosten für das erste Berufungsverfahren gleich wie damals festzusetzen (Urk. 114 S. 29; Dispositivziffer 10).

      2. Die Staatsanwaltschaft wollte im Wesentlichen eine Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils im Strafpunkt sowie eine deutlich höhere Freiheitsstrafe erreichen (Urk. 131 S. 1; Urk. 168 S. 1). Der Beschuldigte liess einen vollumfänglichen Freispruch beantragen (Urk. 135 S. 1; Prot. II S. 13). Beim nun vorliegenden Ausgang des Verfahrens - milderer Schuldspruch und tiefere Strafe - rechtfertigt es sich daher, die Kosten des ersten Berufungsverfahrens zu einem Drittel dem Beschuldigten aufzuerlegen und zu zwei Dritteln auf die Gerichtskasse zu nehmen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers sind im Umfang von zwei Dritteln definitiv und im Umfang von einem Drittel einstweilen auf die Gerichtskasse zu nehmen, wobei gegenüber dem Beschuldigten eine Nachforderung in der Höhe eines Drittels dieser Kosten vorbehalten bleibt (Art. 135 Abs. 4, Art. 138 Abs. 1 und Art. 426 Abs. 4 StPO).

    3. Die Verteidigung reichte am 2. April 2019 ihre Honorarnote ein und machte für das zweite Berufungsverfahren einen Aufwand in der Höhe von Fr. 2'903.20

      geltend (Urk. 154 und 155). Der unentgeltliche Rechtsvertreter machte mit seiner Honorarnote vom 28. März 2019 für das zweite Berufungsverfahren einen Aufwand in der Höhe von Fr. 1'146.25 geltend (Urk. 159). Unter Berücksichtigung der effektiven Dauer der zweiten Berufungsverhandlung ist die Verteidigung mit Fr. 2'550.- und der unentgeltliche Rechtsvertreter mit Fr. 1'150.- zu entschä- digen.

    4. Die Kosten des aktuellen, zweiten Berufungsverfahrens hat der Beschuldigte nicht zu vertreten, weshalb sie vollumfänglich (einschliesslich der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung des Privatklägers) auf die Gerichtskasse zu nehmen sind.

Es wird erkannt:

  1. Der Beschuldigte ist schuldig der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 StGB.

  2. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.--, als Zusatzstrafe zur mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland vom 19. Juni 2017 ausgefällten Geldstrafe. Die Strafe ist vollumfänglich durch Untersuchungshaft abgegolten.

  3. Es wird eine ambulante Behandlung des Beschuldigten im Sinne von Art. 63 StGB (ADHS-Therapie sowie deliktorientierte und suchtspezifische Therapie) angeordnet.

  4. Sämtliches gesichertes und beim Forensischen Institut Zürich gelagertes Spurenmaterial sowie die erstellten Beweisfotografien werden der Lagerbehörde nach Eintritt der Rechtskraft zur Vernichtung überlassen.

  5. Es wird festgestellt, dass der Beschuldigte gegenüber dem Privatkläger A. aus dem eingeklagten Ereignis dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig ist. Zur genauen Feststellung des Umfanges des Schadenersatzanspruches wird der Privatkläger auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.

  6. Das Genugtuungsbegehren des Privatklägers A. wird abgewiesen.

  7. Dem Beschuldigten wird eine Genugtuung von Fr. 9'600.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit 31. Oktober 2015 aus der Gerichtskasse zugesprochen.

  8. Das Schadenersatzbegehren des Beschuldigten wird abgewiesen.

  9. Das erstinstanzliche Kostendispositiv (Ziff. 10-13) wird bestätigt.

  10. Die Gerichtsgebühr für das erste Berufungsverfahren (SB170043) wird festgesetzt auf:

    Fr. 3'000.-- ; die weiteren Kosten betragen: Fr. 8'100.-- amtliche Verteidigung

    Fr. 400.-- unentgeltliche Verbeiständung Fr. 250.-- Kosten Therapiebericht C. Fr. 169.-- Laborkosten.

  11. Die Kosten des ersten Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft, werden dem Beschuldigten zu einem Drittel auferlegt und zwei Dritteln auf die Gerichtskasse genommen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft werden im Umfang von je zwei Dritteln definitiv und im Umfang von je einem Drittel einstweilen auf die Gerichtskasse genommen. Die Rückzahlungspflicht des Beschuldigten bleibt im Umfang je eines Drittels gemäss Art. 135 Abs. 4 und Art. 138 Abs. 1 StPO vorbehalten.

  12. Die Gerichtsgebühr für das zweite Berufungsverfahren (SB180161) fällt ausser Ansatz. Die weiteren Kosten betragen:

    Fr. 150.-- Kosten Therapiebericht C.

  13. Die Kosten des zweiten Berufungsverfahrens, einschliesslich derjenigen der amtlichen Verteidigung und der unentgeltlichen Vertretung der Privatklägerschaft, werden auf die Gerichtskasse genommen.

  14. Mündliche Eröffnung und schriftliche Mitteilung im Dispositiv an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten (übergeben)

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (übergeben)

    • die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und die Privatklägerschaft

      sowie in vollständiger Ausfertigung an

    • die amtliche Verteidigung im Doppel für sich und zuhanden des Beschuldigten

    • die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat

    • die Vertretung des Privatklägers im Doppel für sich und die Privatklägerschaft

      und nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. Erledigung allfälliger Rechtsmittel an

    • die Vorinstanz

    • den Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste

    • die Koordinationsstelle VOSTRA mit Formular A

    • die Zentrale Inkassostelle der Gerichte, Obergericht des Kantons Zürich, mittels Formular Löschung des DNA-Profils und Vernichtung des ED-Materials zwecks Bestimmung der Vernichtungsund Lö- schungsdaten

    • das Forensische Institut Zürich, Referenz-Nr. K150820-017 / 64386692 gemäss Dispositivziffer 4.

  15. Gegen diesen Entscheid kann bundesrechtliche Beschwerde in Strafsachen erhoben werden.

Die Beschwerde ist innert 30 Tagen, von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an gerechnet, bei der Strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichtes (1000 Lausanne 14) in der in Art. 42 des Bundesgerichtsgesetzes vorgeschriebenen Weise schriftlich einzureichen.

Die Beschwerdelegitimation und die weiteren Beschwerdevoraussetzungen richten sich nach den massgeblichen Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes.

Obergericht des Kantons Zürich

I. Strafkammer Zürich, 4. April 2019

Der Präsident:

lic. iur. R. Naef

Der Gerichtsschreiber:

lic. iur. R. Bretscher

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