Kanton: | ZH |
Fallnummer: | NP190018 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 02.12.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung |
Schlagwörter : | Beweis; Gutachten; Vorinstanz; Partei; Beklagten; Berufung; Entscheid; Privat; Gericht; Urteil; Privatgutachten; Bestritt; Beweismittel; Parteien; Bestritten; Klage; Recht; Klägers; Bezirksgericht; Bundesgericht; Beweiskraft; Entschädigung; Sorgfaltspflichtverletzung; Parteibehauptung; Mängel; Gehör; Berufungsklägerin; Sachverhalt; Bestrittene |
Rechtsnorm: | Art. 104 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 150 ZPO ; Art. 152 ZPO ; Art. 168 ZPO ; Art. 177 ZPO ; Art. 188 ZPO ; Art. 29 BV ; Art. 6 EMRK ; Art. 8 ZGB ; Art. 86 ZPO ; Art. 93 BGG ; |
Referenz BGE: | 138 III 193; 140 I 285; 141 III 433; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: NP190018-O/U
Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach sowie Gerichtsschreiberin MLaw J. Camelin-Nagel
Urteil vom 2. Dezember 2019
in Sachen
,
Beklagte und Berufungsklägerin
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. X. ,
gegen
,
Kläger und Berufungsbeklagter
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Z.
betreffend Forderung
Rechtsbegehren:
(act. 2 S. 2)
1. Die Beklagte sei zur Bezahlung einer Teilgenugtuungssumme von Fr. 30'000.-- an den Kläger zu verurteilen.
2. Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass die vorliegende Klage beschränkt ist (unechte Teilklage gem. Art. 86 ZPO) und der Klä- ger sich weitere Forderungen aus der ärztlichen Behandlung ab dem 1. Juni 2012 gegenüber der Beklagten vorbehält.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge zzgl. MwSt. zulasten der Beklagten.
Urteil des Einzelgerichts:
(act. 44)
In Gutheissung der (Teil-) Klage wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Genugtuung von Fr. 30'000.-- zu bezahlen.
Es wird davon Vormerk genommen, dass sich der Kläger ein Nachklagerecht vorbehält.
Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'950.-- festgesetzt. Allfällige weitere Kosten bleiben vorbehalten.
Die Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt und mit dem geleisteten Vorschuss des Klägers verrechnet. Dem Kläger wird ein entsprechender Rückgriff gewährt.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.- (inkl. Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
6./7. Schriftliche Mitteilung / Rechtsmittelbelehrung
Berufungsanträge:
der Beklagten und Berufungsklägerin (act. 43 S. 2):
1. Das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 3. Juni 2019 (Geschäfts-Nr. FV170182) sei aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Klage zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Alles unter Kosten und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zu Lasten des Klägers und Berufungsbeklagten.
des Klägers und Berufungsbeklagten (act. 50 S. 2):
1. Es sei die Berufung vollumfänglich abzuweisen und das Urteil FV170182 des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich vom
Juni 2019 zu bestätigen.
2. Eventualiter sei das Urteil FV170182 des Einzelgerichts des Bezirksgerichts Zürich vom 3. Juni 2019 aufzuheben und zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Unter Kosten und Entschädigungsfolgen (zzgl. MwSt.) zu Lasten der Beklagten.
Erwägungen:
Sachverhaltsübersicht
B. (Kläger und Berufungsbeklagter, nachfolgend Kläger) war wegen Schmerzen im linken (und rechten) Vorfuss in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt Dr. C. .
Am 1. Juni 2012 suchte er wegen sehr starker Schmerzen notfallmässig eine Klinik der A. AG (Beklagte und Berufungsklägerin, nachfolgend Beklagte) auf, wo er vom Notfallarzt Dr. D. untersucht und mit der Diagnose Arthrose an den Rheumatologen Dr. E. überwiesen wurde. Dieser verschrieb
u.a. Physiotherapie. Am 19. Juni 2012 vermutete der Physiotherapeut eine Thrombose, worauf der Kläger in den Notfall der Beklagten verwiesen wurde. Am
20. Juni 2012 wurde der Kläger erstmals operiert, und der Chirurg stellte eine subakute chronisch-kritische Ischämie (etwa vier Wochen alt) bei arterieller multifokaler Thrombose auf dem Boden einer Thrombophilie unklarer Ursache fest. Trotz zahlreicher therapeutisch/chirurgischer Versuche, den linken Fuss des Klä- gers zu retten, musste am 10. September 2012 der Vorfuss und am 26. September 2012 der Mittelfuss amputiert werden. Hinzu kamen weitere Komplikationen
und Folgeprobleme, sodass im März 2014 auch noch der Unterschenkel unterhalb des Knies amputiert werden musste (vgl. act. 44 E. III. 1.).
Mit der vorliegenden Teilklage macht der Kläger Ansprüche gegenüber der Beklagten aus sorgfaltswidriger ärztlicher Behandlung geltend (act. 2 Rz. 3).
Prozessgeschichte
Am 24. April 2017 reichte der Kläger ein Schlichtungsbegehren gegen die Beklagte beim Friedensrichteramt der Stadt Zürich Kreise + ein. Nach Scheitern des Schlichtungsversuchs wurde dem Kläger am 6. Juni 2017 die Klagebewilligung ausgestellt (act. 1). Mit Klage vom 19. September 2017 gelangte der Kläger ans Bezirksgericht Zürich (fortan Vorinstanz) und stellte die obgenannten Rechtsbegehren (act. 2). Nach Erstattung der Klageantwort, Replik und Duplik verzichteten die Parteien auf die Durchführung einer Verhandlung, unter Vorbehalt einer Stellungnahme zum Beweisergebnis (act. 13; act. 22; act. 28; act. 32; act. 34). Auf Verlangen des Klägers wurde ihm eine Frist zur Stellungnahme zu den Dupliknoven angesetzt, welche er innert Frist erstattete. Die Vorinstanz erachtete die Durchführung eines Beweisverfahrens als nicht nötig und hiess mit Urteil vom 3. Juni 2019 die Klage gut (act. 44).
Dagegen erhob die Beklagte mit Eingabe vom 31. Juli 2019 (Datum Poststempel) rechtzeitig Berufung mit den eingangs wiedergegebenen Anträgen
(act. 43). Nach Eingang des Kostenvorschusses (act. 47) wurde dem Kläger Frist zur Berufungsantwort angesetzt, welche er fristgerecht erstattete (act. 48;
act. 50). Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen (act. 1-41). Die Sache ist spruchreif. Der Beklagten ist zusammen mit diesem Entscheid ein Doppel von act. 50 zuzustellen.
Zur Berufung im Einzelnen
Die Vorinstanz kam zum Schluss, es liege eine Sorgfaltspflichtverletzung seitens der Beklagten vor (act. 44 E. III.3). Ihrem Entscheid legte sie das Gutachten von Dres. F. , G. und H. von August 2016 zu Grunde
(act. 4/23). Sie hielt fest, dass es sich bei diesem Gutachten um ein Privatgutachten und damit lediglich um eine Parteibehauptung handle. Sie erwog, dem Gutachten sei aber dennoch volle Beweiskraft zuzuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen würden. Die Vorinstanz prüfte sodann das Gutachten und führte über mehrere Seiten aus, an welchen Mängeln es leide. So wies sie etwa auf Unvollständigkeiten, Unklarheiten, falsche Sachverhaltsannahmen, Widersprüche und Unsorgfältigkeiten hin. Sie kam aber zum Schluss, das Gutachten sei in den Haupt-Teilen beweistauglich (act. 44
E. II.4). Weiter schloss sie, es sei (gestützt auf dieses Gutachten) erstellt, dass die Ärzte der Beklagten notwendige Untersuchungen unterlassen hätten, welche zum Beizug eines Angiologen und damit zu einer korrekten Diagnose geführt hät- ten. Dies sei nicht vertretbar. Die durch das Unterlassen verursachte verzögerte Diagnosestellung stehe sodann (gemäss Gutachten) in einem überwiegend wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Gesundheitsschaden des Klägers, weshalb
- gemäss den Gutachtern - eine angemessene finanzielle Entschädigung angezeigt sei. Gestützt darauf hiess die Vorinstanz die Klage gut (vgl. act. 44 E. III. 2.2 f.).
Die Beklagte bringt dagegen zusammengefasst vor, die Vorinstanz habe zutreffend festgestellt, beim besagten Gutachten handle es sich nicht um ein Gerichtsgutachten. Sie habe aber verkannt, dass - wie vom Bundesgericht in
BGE 141 III 433 bestätigt - im Zivilprozess ein numerus clausus der Beweismittel bestehe, wobei Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO einzig vom Gericht eingeholte Gutachten als Beweismittel zulasse. Dadurch, dass die Vorinstanz ihrem Urteil ein bestrittenes, aussergerichtliches Gutachten und damit bestrittene klägerische Parteibehauptungen zu Grund gelegt habe, habe sie nebst Art. 168 ZPO auch die Regeln der Beweislastverteilung nach Art. 8 ZGB sowie den Anspruch auf rechtliches Gehör und Beweis verletzt (act. 43 Rz. 8 f.). Weiter rügt die Beklagte, sie habe vor Vorinstanz weitere Mängel des Gutachtens aufgezeigt, mit denen sich die Vorinstanz in Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht auseinander gesetzt habe. Dies betreffe insbesondere die von Dr. F. und Dr. G. begangenen Rückschaufehler, indem die Arbeit der beklagtischen Ärzte gutachterlich nicht ex ante, sondern aufgrund nachträglich gewonnener Erkenntnissen beurteilt worden sei, die aufgezeigten Lücken in Bezug auf die Gesundheitsproblematik sowie
die dem Gutachten zu Grunde liegenden Widersprüche und aktenwidrigen Annahmen (act. 43 Rz. 11 mit Verweis auf act. 13 Rz. 51-54, 57, 59, 62, 68, 69;
act. 28 Rz. 47, 93 f.). Schliesslich wendet die Beklagte ein, die Vorinstanz erachte das Gutachten zwar nicht in allen, jedoch in den Haupt-Teilen als beweistauglich, ohne darzutun, welches die beweistauglichen und welches die beweisuntauglichen Elemente des Gutachtens sein sollen. Selbst ein Gerichtsgutachten geniesse nur dann volle Beweiskraft, wenn es alle Fragen beantworte, sich auf den zutreffenden Sachverhalt stütze und den Befund ausreichend begründe. Es sei daher nicht ersichtlich, wie ein in seinen Schlussfolgerungen bestrittenes Privatgutachten, welches auf einem nicht zu beweisenden Sachverhalt beruhe, in sich widersprüchlich sei, sich nicht konkret zur Frage einer Sorgfaltspflichtverletzung äussere und die Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht begründe, einem Urteil als einziges Beweismittel zu Grunde gelegt werden könne. Das Abstellen der Vorinstanz auf das mangelund lückenhafte sowie widersprüchliche und in seinen Schlussfolgerungen bestrittene Gutachten verletze die Regeln der Beweislastverteilung nach Art. 8 ZGB sowie das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör und Beweis (act. 43 Rz. 12 f.).
Der Kläger hält dem entgegen, nach HASENBÖHLER komme Privatgutachten eine beachtliche Beweiskraft zu, sofern sie zur Klärung des Sachverhalts beitragen würden. WEIBEL gehe davon aus, dass die bundesgerichtliche Auffassung, Privatgutachten stellten blosse Parteibehauptungen dar, angesichts des Urkundenbegriffs gemäss Art. 177 ZPO nicht mehr aufrecht zu erhalten sei. Nach SCHMID sei das Privatgutachten eine Urkunde, welche im Rahmen der freien Beweiswürdigung Beachtung finde. Geradezu von hoher Beweiskraft sei auszugehen, wenn Privatgutachten nicht nur von einer Partei, sondern von beiden Parteien gemeinsam eingeholt worden seien. Gemeinsame Gutachten seien von reinen Privatgutachten zu unterscheiden. Es sei daher sachgerecht, deren jeweilige Beweiskraft entsprechend unterschiedlich zu beurteilen. Das Gutachten
F. /G. /H. sei ein solches gemeinsames Privatgutachten mit hoher Beweiskraft. Der Hinweis auf BGE 141 III 433 gehe damit fehl, da dort kein gemeinsames Privatgutachten, sondern ein reines Parteigutachten zur Diskussion gestanden habe. Dem Gutachten könne die Beweismittelqualität nicht abgesprochen werden. Es sei daher nicht per se rechtsverletzend und zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gutachten gewürdigt und letztlich seiner Urteilsbegrün- dung zugrunde gelegt habe (act. 50 Rz. 6 ff.). Komme die Vorinstanz nach freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, es liege eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten vor, sei nicht zu beanstanden, wenn sie auf die Abnahme weiterer (beantragter) Beweismittel verzichte, da sie ihre Überzeugung offensichtlich bereits gebildet habe und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen könne, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (act. 50 Rz. 15).
Der Beweisführungsanspruch leitet sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 8 ZGB sowie Art. 6 EMRK und Art. 152 ZPO ab. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Parteien, für entscheiderhebliche Sachvorbringen zum Beweis zugelassen zu werden, und dementsprechend die Pflicht des Gerichts, die ihm rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel abzunehmen, wenn sie geeignet sind, den zu treffenden Entscheid zu beeinflussen. Das Gericht darf auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichten, wenn es auf Grund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 140 I 285 E. 6.3.1; 141 I 60 E. 3.3).
Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid - wie erwähnt - im Wesentlichen auf das Gutachten F. /G. /H. (act. 4/23). Daneben liegen zwar noch Überweisungsschreiben, Krankengeschichten, Röntgenbefunde und -bilder, Laborwerte, Operations-, Arztund Austrittsberichte bei den Akten (vgl. act. 4/4- 22; act. 15/2-6). Diese wurden aber jeweils im Zusammenhang mit dem Gutachten gewürdigt, ohne dass ihnen wesentliche eigenständige Bedeutung zugemessen wurde.
Es ist unbestritten, dass das Gutachten F. /G. /H. von den Parteien und nicht vom Gericht eingeholt wurde (vgl. act. 4/23; act. 50
Rz. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stellen von den Parteien in Auftrag gegebene Gutachten keine Beweismittel dar, sondern gelten als blosse
Parteivorbringen (vgl. statt vieler BGE 141 III 433 E. 2.6, BGer 4A_66/2018 vom 15.05.2019 E. 2.2, BGer 4A_309/2017 vom 23. März 2018 E. 2.3.6, BGer
4A_85/2017 vom 4. September 2017 E. 2.1). Entgegen den Ausführungen des Klägers (act. 50 Rz. 9) unterscheidet das Bundesgericht nicht zwischen einem gemeinsamen Privatgutachten und einem reinen Parteigutachten, sondern zwischen Privatund Gerichtsgutachten. Das Gutachten
F. /G. /H. ist unbestrittenermassen (act. 50 Rz. 6) kein gerichtliches Gutachten im Sinne von Art. 168 Abs. 1 lit. d ZPO. Entsprechend handelt es sich nicht um ein Beweismittel, sondern um eine blosse - wenn auch besonders substantiierte (vgl. hiernach E. 3.5.3) - Parteibehauptung.
Die von der Vorinstanz zitierte sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung, wonach einem von einer Partei eingeholten Bericht volle Beweiskraft zuzuerkennen sei, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen, erklärte das Bundesgericht im Übrigen im Anwendungsbereich der ZPO explizit für nicht anwendbar (vgl. BGE 141 III 433 E. 2.6).
Die Vorinstanz stellte damit im Wesentlichen auf Parteibehauptungen ab. Dies ist nur zulässig, wenn die Behauptungen nicht substantiert bestritten wurden. Denn es müssen nur Tatsachen bewiesen werden, die ausdrücklich bestritten sind. Bestreitungen sind dabei so konkret zu halten, dass die Gegenpartei weiss, welche einzelnen Tatsachenbehauptungen sie beweisen muss. Parteibehauptungen, die sich auf ein Privatgutachten stützen, haben meist als besonders substantiiert zu gelten. Entsprechend genügt eine pauschale Bestreitung nicht. Die Gegenpartei ist vielmehr gehalten, Tatsachenbehauptungen, die auf Grund eines Parteigutachtens aufgestellt werden, substantiiert zu bestreiten, widrigenfalls nicht von einer streitigen Tatsache im Sinne von Art. 150 ZPO auszugehen ist (vgl. BGE 141 III 433 E. 2.6).
Die Beklagte bestritt die vom Kläger gestützt auf das Parteigutachten aufgestellten Behauptungen substantiiert (vgl. etwa act. 13 Rz. 22, 45-54, 56-58,
59-77, 90-98; act. 28 Rz. 71, 73, 80-84, 86, 87, 90-95, 100-105, 112-114, 117-
120, 129, 136, 138, 139, 146, 159, 161, 165, 169) und offerierte jeweils ein durch das Gericht einzuholendes Gutachten als Beweismittel für ihre Behauptungen bezüglich Sorgfaltspflichtverletzung und Kausalzusammenhang (act. 13 Rz. 14, 20,
22, 25, 33, 34, 36, 38, 40-42, 48, 58, 62, 64, 65, 67, 71, 72, 74, 75, 77, 82, 83,
86, 87, 97, 98; act. 28 Rz. 8, 12, 15, 21, 24, 25, 27, 28, 30, 32-35, 37, 38, 40-44,
46-50, 52, 54-66, 69, 70, 73, 76, 77, 80, 82-84, 90, 93, 94, 97, 100-106, 108-
110, 113, 114, 116-118, 120-125, 127, 128, 130-141, 143-149, 152-155, 158,
159, 161-166, 168-172, 174). Konkret bestritt die Beklagte etwa, dass eine akute Symptomatik eines arteriellen Beinverschlusses im Zeitpunkt der Untersuchungen des Klägers durch die Ärzte der Beklagten vorlag bzw. erkennbar gewesen sei (act. 13 Rz. 18 ff., 33 ff., 48, 70 f., act. 28 Rz. 82, 146, 149, 154), keine exakte
Fussuntersuchung durchgeführt worden sei (act. 13 Rz. 19 ff., 23 ff., 58, 65, 67;
act. 28 Rz. 32, 35, 90, 106, 112), die Diagnose und Behandlung durch die Ärzte der Beklagten aufgrund der ihnen bekannten Symptome nach dem allgemeinen, fachlichen Wissensstand nicht vertretbar seien (act. 13 Rz. 72; act. 28 Rz. 33, 100, 102), der frühere Beizug eines Angiologen zur richtigen Diagnose und zur Vermeidung der später aufgetretenen Ischämie geführt hätte und bei früherem Erkennen die Thrombose erfolgreich hätte behandelt werden können (act. 13 Rz. 8, 87, 92 ff.; act. 28 Rz. 8, 24, 62, 70, 110, 153, 155, 162, 165, 170). Damit
kommt die Beklagte ihrer Bestreitungslast vollumfänglich nach.
Hinzu kommt, dass die Beklagte einlässlich darlegte, an welchen Män- geln (Lückenhaftigkeit, Rückschaufehlern, Widersprüchlichkeit, Unklarheit etc.) das (Privat-)Gutachten F. /G. /H. aus ihrer Sicht leidet (vgl. etwa act. 13 Rz. 47, 48, 51-54, 57, 59, 62, 68, 69; act. 28 Rz. 47, 71, 83, 93 f.). Mit
diesen Einwänden setzte sich die Vorinstanz zwar nicht auseinander, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten darstellt, sie kam aber selbst zum Schluss, dass das Gutachten an zahlreichen Mängeln leidet (vgl. act. 44
S. 5-12). So sei die Haftung mit einer verzögerten Diagnosestellung begründet worden, ohne dass dargelegt sei, wer wann durch welche Handlungen bzw. Unterlassungen eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen habe, zwei Gutachter hät- ten ihren Beurteilungen nicht zu beweisende Sachverhalte zugrunde gelegt, es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Gutachter Dr. H. in Widerspruch zu seinen übrigen Ausführungen eine Sorgfaltspflichtverletzung der Ärzte bejaht habe, und das Gutachten sei nicht in allen Teilen sorgfältig und klar verfasst worden
(act. 44 S. 12). Ob das Gutachten diese (oder andere) Mängel aufweist, braucht hier nicht geprüft zu werden. Es genügt, dass die Vorinstanz vom Vorliegen dieser Mängel ausging. Solche Mängel sind geeignet, selbst die Überzeugungskraft eines Gerichtsgutachtens ernstlich zu erschüttern (vgl. Art. 188 Abs. 2 ZPO). Weshalb die Vorinstanz dennoch auf das aus ihrer Sicht unvollständige, widersprüchliche, nicht sorgfältig und klar verfasste und - wie gezeigt - substantiiert bestrittene Privatgutachten abstellte und auf die Durchführung eines Beweisverfahrens verzichtete, ist nicht nachvollziehbar. Dies stellt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Beweisabnahme dar (vgl. BGE 138 III 193 E. 4.3.1). Die Berufung ist gutzuheissen und die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Einwände der Beklagten einzugehen.
Kostenund Entschädigungsfolgen
Ist der Prozess zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen, so ist das angefochtene Urteil auch hinsichtlich der Kostenund Entschädigungsfolgen aufzuheben, und die Vorinstanz wird neu darüber zu befinden haben. Festzusetzen ist heute einzig die Entscheidgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren, und zwar ausgehend von einem Streitwert von Fr. 30'000.- und in Anwendung von § 12 Abs. 1-2 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 GebV OG auf Fr. 3'000.-. Die Gerichtskosten sind mit dem von der Beklagten geleisteten Vorschuss von Fr. 3'950.- zu verrechnen (Art. 111 Abs. 1 ZPO). Der Entscheid über die Verteilung der Gerichtskosten und damit über eine allfällige Ersatzpflicht nach Art. 111 Abs. 2 ZPO ist der Vorinstanz zu überlassen (Art. 104 Abs. 4 ZPO).
Für das zweitinstanzliche Verfahren ist gestützt auf § 13 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 AnwGebV eine Parteientschädigung von Fr. 5'000.- zuzüglich Mehrwertsteuer festzusetzen. Der Entscheid über die Verteilung der Parteientschädigung ist der Vorinstanz zu überlassen (Art. 104 Abs. 4 ZPO).
Es wird erkannt:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 3. Juni 2019 wird aufgehoben, und die Sache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 3'000.- festgesetzt und mit dem von der Beklagten und Berufungsklägerin geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Der Überschuss wird der Beklagten und Berufungsklägerin zurückerstattet, unter Vorbehalt eines allfälligen Verrechnungsanspruches.
Die Parteientschädigung für das zweitinstanzliche Verfahren wird auf Fr. 5'000.- zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt.
Der Entscheid über die Verteilung der Prozesskosten des vorliegenden Berufungsverfahrens wird dem neuen Entscheid der Vorinstanz vorbehalten.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Beklagte und Berufungsklägerin unter Beilage eines Doppels von act. 50, die Obergerichtskasse und - unter Beilage der Akten - an das Bezirksgericht Zürich, je gegen Empfangsschein.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG.
Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 30'000.-.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Die Gerichtsschreiberin:
MLaw J. Camelin-Nagel
versandt am:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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