Kanton: | ZH |
Fallnummer: | LF210075 |
Instanz: | Obergericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | II. Zivilkammer |
Datum: | 15.10.2021 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Rechtsschutz in klaren Fällen / Ausweisung |
Schlagwörter : | Mieter; Vermieter; Zahlung; Vermieterin; Kündigung; Vorinstanz; Berufung; Mietzins; Stellt; Mietzinse; Bringe; Mieters; Bezahlt; Sendung; Gestellt; Beweis; Mietzinsen; Ausweisung; Verfahren; Zustellung; Zahlungsfrist; Mahnung; Partei; Stelle; Zugestellt; Zahlungsausstand; September; Entscheid |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 257 ZPO ; Art. 257d OR ; Art. 267 OR ; Art. 308 ZPO ; Art. 310 ZPO ; Art. 316 ZPO ; Art. 317 ZPO ; Art. 322 ZPO ; Art. 90 BGG ; Art. 96 ZPO ; |
Referenz BGE: | 138 III 620; 140 III 315; 140 III 591; 141 III 262; 144 III 346; |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
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Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
Geschäfts-Nr.: LF210075-O/U
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden, Vorsitzende, Oberrichterin lic. iur. R. Bantli Keller und Ersatzrichter Dr. E. Pahud sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. S. Kröger
Urteil vom 15. Oktober 2021
in Sachen
,
Gesuchsgegner und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. X. ,
gegen
GmbH,
Gesuchstellerin und Berufungsbeklagte,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur., LL.M. Y. ,
betreffend
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zü- rich vom 16. September 2021 (ER210095)
Erwägungen:
1.
Mit unbefristeten Untermietverträgen vom 11. März 2018 vermietete die
B. GmbH (nachfolgend Vermieterin) an der C. -strasse in Zürich eine Ladenlokalität (Kiosk) und ein Büro im 1. Stock links an A. (nachfol- gend Mieter; act. 4/1-2). Der monatliche Bruttomietzins für die beiden Räumlich- keiten lag zuletzt unbestritten bei Fr. 2'300.- (vgl. act. 1, act. 4/1-2, act. 4/6; act. 17/13).
Mit Einschreiben vom 9. April 2021 mahnte die Vermieterin den Mieter für ausstehende Mietzinse für die Monate März 2020 (Fr. 2'245.-), August 2020 (Fr. 2'300.-) und September 2020 (Fr. 2'300.-) und setzte gestützt auf Art. 257d OR eine Zahlungsfrist von 30 Tagen an, unter Androhung der Kündigung bei
Nichtbezahlung. Die Mahnung wurde dem Mieter mit der Anschrift Kiosk , Herr A. an die Adresse der Mietobjekte geschickt und von der Post am 12. April 2021 als zugestellt verzeichnet (act. 4/7-8). Nach Ablauf der Zahlungsfrist kündig- te der Vermieter den Mietvertrag unter Verwendung des amtlichen Formulars per
30. Juni 2021. Die Kündigung wurde mit der gleichen Anschrift verschickt und am
19. Mai 2021 als zugestellt verzeichnet (act. 4/9-10).
Am 8. Juli 2021 stellte die Vermieterin beim Einzelgericht Audienz des Be- zirksgerichtes Zürich (Vorinstanz) ein Ausweisungsbegehren gegen den Mieter (act. 1). Nach Durchführung des Verfahrens hiess die Vorinstanz dieses mit Urteil vom 16. September 2021 gut und verpflichtete den Mieter, die Mietobjekte unverzüglich zu räumen und der Vermieterin ordnungsgemäss zu übergeben, un- ter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall (act. 22 [= act. 24 = act. 19]).
Dagegen erhob der Mieter am 4. Oktober 2021 rechtzeitig Berufung mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und auf das Ausweisungsbe- gehren sei mangels Liquidität nicht einzutreten; unter Kosten- und Entschädi- gungsfolgen zulasten der Vermieterin (vgl. act. 23 S. 2 und 5).
Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen (act. 1-20). Von der Einholung einer Beschwerdeantwort kann abgesehen werden (vgl. Art. 322 Abs. 1 ZPO). Das Verfahren ist spruchreif.
2.
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Berufung zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens
Fr. 10'000.- beträgt (Art. 308 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert des Ausweisungsver- fahrens besteht dem Grundsatz nach in den Bruttomietzinsen für die Zeitdauer, während welcher der Vermieter nicht über das Mietobjekt verfügen kann. Dabei ist zu unterscheiden, ob nur die Ausweisung als solche oder ob vorfrageweise auch die Kündigung strittig ist. Geht es nur um die Frage der Ausweisung, ist für die Berechnung des Streitwerts von sechs Bruttomietzinsen auszugehen. Ist auch die Gültigkeit der Kündigung strittig, muss die mögliche Sperrfrist (Art. 271a Abs. 1
lit. e OR) bis zur nächsten Kündigungsgelegenheit berücksichtigt werden; nicht zu berücksichtigen ist die voraussichtliche Verfahrensdauer, welche sich nicht zuver- lässig abschätzen lässt (zum Ganzen: BGE 144 III 346 E. 1.2. ff.).
Hier ist die Gültigkeit der Kündigung des Mietverhältnisses strittig (s. E. 3.). Unter Berücksichtigung einer allfälligen dreijährigen Sperrfrist und der sechsmo- natigen Kündigungsfrist (act. 4/1-2) sowie bei einem Mietzins von Fr. 2'300.-
(E. 1.1.) beläuft sich der Streitwert auf Fr. 96'600.- (42 Monatsmietzinse). Der Streitwert für die Berufung ist daher erreicht.
Mit der Berufung können unrichtige Rechtsanwendung und unrichtige Fest- stellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (Art. 310 ZPO). Neue Tatsa- chen und Beweismittel werden nur berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorge- bracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor der ersten Instanz vorgebracht werden konnten (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Im Verfahren um Rechts- schutz in klaren Fällen müssen sodann die Voraussetzungen nach Art. 257 Abs. 1 ZPO bereits im erstinstanzlichen Verfahren erfüllt sein, weshalb die Berufungs- instanz die Beurteilung der ersten Instanz generell nicht gestützt auf Urkunden
prüfen kann, die nach Art. 317 Abs. 1 ZPO im Berufungsverfahren neu vorgelegt wurden (BGer 4A_420/2012 vom 7. November 2012 E. 5).
Die vom Mieter neu eingereichten Unterlagen (act. 25/3-4) bestanden be- reits vor dem erstinstanzlichen Entscheid, und es ist nicht ersichtlich, weshalb diese nicht bereits vor Vorinstanz eingereicht werden konnten. Sie können daher nach Art. 317 Abs. 1 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.
In prozessualer Hinsicht beantragt der Mieter die Durchführung einer münd- lichen Verhandlung (act. 23 S. 3). Nach Art. 316 Abs. 1 ZPO kann die Rechtsmit- telinstanz im Berufungsverfahren eine Verhandlung durchführen oder aufgrund der Akten entscheiden. Die Berufung ist innert der Rechtsmittelfrist aber vollstän- dig zu begründen. Neue Vorbringen sind nur unter den vorgenannten Vorausset- zungen zulässig, wobei das nachträgliche Beibringen von Beweisurkunden im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen nach dem Gesagten unzulässig ist. Es ist daher nicht ersichtlich und wird vom Mieter auch nicht dargelegt, welche zulässigen neuen Vorbringen an einer Verhandlung noch eingebracht werden könnten. Eine Verhandlung wäre im vorliegenden Berufungsverfahren daher nicht sinnvoll. Wenn der Mieter eine Einigung mit der Vermieterin anstrebt, steht ihm dazu der aussergerichtliche Weg zur Verfügung. Der prozessuale Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist daher abzuweisen.
3.
Für die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (act. 22 E. 3.). Die Gültigkeit der Kündigung ist - wenn bestritten - im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu prüfen (BGE 141 III 262 E. 3.2.). Auch auf die rechtlichen Vorbemer- kungen der Vorinstanz zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR kann verwiesen werden (act. 22 E. 4.2.1.-4.2.2.).
Dass die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen nach
Art. 257 Abs. 1 ZPO vorliegen, hat die gesuchstellende Partei zu beweisen. Der Beweis ist in der Regel durch Urkunden zu erbringen. Blosses Glaubhaftmachen
genügt nicht, sondern der Gesuchsteller hat den vollen Beweis der anspruchsbe- gründenden Tatsachen zu erbringen. Bestreitet der Gesuchsgegner die behaupte- ten Tatsachen, muss er seine Einwendungen substantiiert und schlüssig vortra- gen. Er hat sie zwar nicht glaubhaft zu machen, offensichtlich haltlose Einwen- dungen (Schutzbehauptungen) genügen jedoch nicht (BGE 138 III 620 E. 5.1.1). Erscheinen die gegnerischen Einwendungen nicht von vornherein als haltlos, stellt sich die Frage, ob die gesuchstellende Partei diese sofort widerlegen kann. Ist dies nicht der Fall, fehlt es an einem sofort beweisbaren Sachverhalt und der schnelle Rechtsschutz in klaren Fällen kann nicht gewährt werden. Diesfalls hat ein Nichteintretensentscheid zu ergehen (BGE 140 III 315 E. 5).
Strittig ist, ob ein Zahlungsausstand bestand und ob die Mahn- und Kündi- gungsschreiben dem Mieter zugestellt wurden.
Die Vorinstanz erachtete die Bestreitung des Zahlungsausstandes durch den Mieter als offensichtlich unbegründet und haltlos. Er bringe vor, er habe bis vor Februar 2021 den hinter der Vermieterin stehenden Brüdern die Mietzinsen - teilweise - auch BAR (direkt aus den Einnahmen des Kiosk) in die Hand bezahlt. Seine Bestreitung enthalte keinerlei konkrete Sachverhaltsvorbringen. Es sei völ- lig unklar, welchen Anteil, welcher der drei Mietzinsen, der Mieter wann ungefähr, wo, welcher Person bar in die Hand bezahlt habe (act. 22 E. 2.2. und 4.1.).
Der Mieter macht in der Berufungsschrift geltend, die Vermieterin hätte den Zahlungsausstand besser dokumentieren müssen. Durch die eingereichten Unter- lagen sei nicht belegt, dass die Mietzinsen nicht bezahlt worden seien (act. 23
S. 4).
Die Vermieterin hat den Sachverhalt in einem ersten Schritt hinreichend klar dargelegt: Sie reichte zusammen mit ihrem begründeten Gesuch um Auswei- sung die massgeblichen (Unter-)Mietverträge, die Mahnung samt Kündigungsan- drohung sowie die Kündigung, je samt den postalischen Sendungsverfolgungen, ein (act. 1; act. 4/1-10). Daraus ergab sich die Beendigung des Mietverhältnisses und somit der Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach Art. 267 OR.
Wenn sich der Mieter auf den Standpunkt stellt, es habe kein Zahlungsausstand bestanden, da er die Mietzinse bereits bei Fälligkeit oder innert der angesetzten Zahlungsfrist beglichen habe, wäre es seine Aufgabe gewesen, diesen Umstand schlüssig zu behaupten und zu substantiieren. Die Vorinstanz hielt zu Recht fest, die pauschale Behauptung des Mieters, er habe der Vermieterin bis Februar 2021 die Mietzinsen - teilweise - auch BAR bezahlt (act. 14 S. 2), reiche nicht aus, um von einem substantiierten und schlüssigen Einwand auszugehen, welcher durch die Gegenseite zu widerlegen wäre. Diesbezüglich ist auch zu beachten, dass es der Vermieterin regelmässig nicht möglich ist, die (aus ihrer Sicht) negati- ve Tatsache einer fehlenden Zahlung abschliessend zu belegen bzw. den vollen Beweis dafür zu erbringen. Sie kann sich dieser höchstens mittels Nachweis der erfolgten Zahlungen und der sich darin zeigenden Lücken anzunähern versuchen. Die Belege, welche die Zahlung zweifelsfrei nachzuweisen vermögen, befinden sich regelmässig bei der Mieterschaft. Die Anforderungen an eine substantiierte Bestreitung des Zahlungsausstands sind hier daher streng. Behauptet eine Miet- partei, die Mietzinsen bezahlt zu haben, ohne die ihr verfügbaren Belege einzu- reichen bzw. ohne schlüssig darzutun, weshalb ihr dies nicht möglich ist, ist grundsätzlich von einer haltlosen Schutzbehauptung auszugehen (vgl. zum Gan- zen OGer ZH PF200076 vom 14. Dezember 2020 E. 3.-4.). Diese Anforderungen sind nicht per se reduziert, wenn der Mieter pauschal behauptet, die Mietzinsen bar bezahlt zu haben. Zumindest wäre zu erwarten, dass er die von der Vorin- stanz erwähnten konkreten Angaben zu den Zahlungen macht. Auch ist üblicher- weise davon auszugehen, dass sich ein Mieter für wiederholte Barzahlungen von Mietzinsen eine Quittung ausstellen lässt, mit welcher die Zahlungen belegt wer- den könnten, andernfalls hätte der Mieter immerhin konkret darzutun, weshalb ihm ein Beleg nicht möglich ist. Der Mieter legt nicht dar, inwiefern er vor Vorin- stanz einen in diesem Sinne genügenden Einwand zur Zahlung der Mietzinsaus- stände vorgetragen habe. Er macht auch nicht geltend, die Beträge seien aus ei- nem bestimmten Grund nicht geschuldet, sondern führt vielmehr aus, die Mietzin- sen bezahlt zu haben und immer noch regelmässig zu bezahlen (act. 23 S. 3; vgl. auch act. 17/13). Fehlt eine genügende Bestreitung, bestand nach dem Gesagten (E. 3.2.) für die Vermieterin keine Veranlassung, Einwendungen des Mieters
durch weitere Beweise sofort zu widerlegen. Die Vorbringen des Mieters, es seien keine weiteren Ausstände gemahnt worden und sein Verdacht, an den Ausfüh- rungen der Vermieterin könne etwas nicht stimmen, da die Gebrüder
E. bei der Polizei ausgesagt hätten, sie seien mittellos und würden keiner Arbeit nachgehen (vgl. act. 23 S. 3), vermögen daran nichts zu ändern.
Gemäss den vor Vorinstanz eingereichten Unterlagen hatte der Mieter die hinter der Vermieterin stehenden Brüder D. und E. im Februar 2021 aufgrund von Vorfällen im Januar 2021 wegen Diebstahls von Dokumenten sowie Drohung und Nötigung bei der Polizei angezeigt. Die polizeilichen Einvernahmen dazu fanden im Februar und März 2021 statt (vgl. act. 17/14). Der Mieter führt aus, der Kiosk stelle seine Lebensgrundlage dar. Die Parteien hätten während zwei Jahren gut miteinander funktioniert. Die Mahnung und Kündigung seien nach den polizeilichen Einvernahmen und erst Monate nach dem angeblichen Zah- lungsausstand erfolgt. Es handle sich um eine Rachekündigung. Die Vermieter suchten einen Weg, um den Mieter aus dem Geschäft (Kiosk) zu verdrängen. Dies auch, da der Mieter der Vermieterin vorwerfe, ihn betrogen zu haben oder nach wie vor betrügen zu wollen (act. 23 S. 2 ff.).
Art. 257d OR gestattet dem Vermieter, einen Mietvertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden, wenn der Mieter fällige Mietzinse oder Nebenkosten trotz Zahlungs- aufforderung innert einer Zahlungsfrist nicht bezahlt. Wie ausgeführt, hat die Ver- mieterin genügend dargelegt, dass die objektiven Voraussetzungen für eine Zah- lungsverzugskündigung nach Art. 257d OR gegeben sind (vgl. E. 3.6.2. und
3.7.3.). Gemäss Rechtsprechung kann eine solche Kündigung nur in wenigen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Dies ist sehr restriktiv auszulegen, damit das Recht des Vermieters, den Mietzins bei Fäl- ligkeit zu erhalten, nicht in Frage gestellt wird. In Betracht kommt eine solche Ausnahme etwa, wenn der Vermieter einen viel zu hohen Betrag verlangt hat, der Zahlungsrückstand geringfügig ist oder er kurz nach Ablauf der Zahlungsfrist be- zahlt wurde, wobei der Mieter bis dahin den Mietzins immer pünktlich gezahlt hat- te, oder wenn der Vermieter den Vertrag erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist kündigt (vgl. BGE 140 III 591 E. 1 = Pra 2015 Nr. 55).
Wann der Vermieter zur Massnahme einer Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR greifen will, ist grundsätzlich ihm überlassen. Erfolgt die Ansetzung der Zahlungsfrist erst Jahre nach der Entstehung eines angeblichen Ausstands, so kann dies ein Indiz dafür bilden, dass der Betrag nicht fällig war bzw. dem Mieter erlassen wurde (vgl. BGer 4A_544/2010 vom 8. Dezember 2010 E. 2.4.). Ein sol- cher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Mahnung erfolgte ein halbes Jahr nach dem letzten der drei geltend gemachten Mietzinsausstände. Daraus lässt sich noch nichts ableiten. Auch die Hinweise des Mieters auf das Strafverfahren und die in- transparente Prozesslage zwischen den Parteien vermögen keine missbräuchli- che Kündigung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu begründen. Auch diese Einwände sind daher unbegründet.
Der Mieter stellt sich auch im Berufungsverfahren auf den Standpunkt, die Sendungsverfolgung der Post (track & trace-Auszug) genüge nicht, um die Zu- stellung der Mahn- und Kündigungsschreiben an ihn nachzuweisen. Er habe stets bestritten, dass er diese entgegengenommen habe oder sie auf andere Weise in seinen Empfangsbereich gelangt seien. Die von der Vermieterin eingereichten Postquittungen würden als Adressanschrift Kiosk , ohne den vollen Namen des Mieters zu nennen, bezeichnen (act. 23 S. 3 ff.).
Die Vermieterin hat im vorinstanzlichen Verfahren für die Zustellung der Mahnung und der Kündigung je eine Quittung eingereicht, auf der die Sendungs- nummer ersichtlich ist, sowie die zugehörigen Ausdrucke des track and trace- Systems der Post (act. 4/7-10). Auf den Einschreiben ist ersichtlich, dass diese an Kiosk , Herr A. geschickt wurden. Demnach waren diese korrekt an den Mieter adressiert und - wie dies üblich ist - an die Adresse der Mietobjekte ge- schickt (s. act. act. 4/7; act. 4/9; vgl. auch BGer 4A_350/2014 vom 16. September 2014 E. 2.2.). Dass in den Quittungen zur Postaufgabe nur die erste und letzte Adresszeile genannt ist, sagt nichts über die tatsächliche Anschrift aus; der ent- sprechende Einwand des Mieters ist daher unbegründet. Gemäss den track and trace-Auszügen der Post wurden die Sendungen im Einklang mit den Behaup- tungen der Vermieterin mit den entsprechenden Sendungsnummern am 12. April 2021 (Mahnung) und am 19. Mai 2021 (Kündigung) zugestellt (act. 4/8; act. 4/10).
Wie die Vorinstanz festhielt, trägt der Vermieter die Beweislast für die Tat- sachen, dass und wann die Zahlungsaufforderung und die Kündigung in den Zu- griffsbereich des Mieters gelangt sind (vgl. ZK-HIGI, 5. Aufl. 2020, Vorbemerkun- gen zu Art. 266-266o N 42). Die Vorinstanz verwies weiter zutreffend auf die bun- desgerichtliche Rechtsprechung, wonach entgegen dieser allgemeinen Beweis- lastverteilung bei eingeschriebenen Sendungen eine widerlegbare Vermutung gilt, dass der oder die Postangestellte eine Abholeinladung ordnungsgemäss in den Briefkasten des Empfängers gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt regis- triert wurde (BGer 4A_350/2014 vom 16. September 2014 E. 2.2.; BGer 6B_940/2013 vom 31. März 2014 E. 2.1.1.; vgl. auch BGer 2C_713/2015 vom
13. Dezember 2015 E. 3.3 und ZK-HIGI, Vorbemerkungen zu Art. 266-266o N 42). Dies gilt namentlich auch dann, wenn die Sendung im elektronischen Suchsystem track & trace der Post erfasst ist, mit welchem es möglich ist, die Sendung bis zum Empfangsbereich des Empfängers zu verfolgen. Diese Vermutung kann durch den blossen Gegenbeweis umgestossen werden. Die Bestreitung des Ad- ressaten ist dabei im Einzelfall zu würdigen und auf ihre Plausibilität hin zu prüfen (OGerZH NP150016 vom 29. Juli 2015 E. 2.2.). Die immer bestehende theoreti- sche Möglichkeit eines Fehlers bei der Poststelle genügt aber - wie die Vor- instanz ebenfalls festhielt - nicht, um die Vermutung zu widerlegen, solange nicht konkrete Anzeichen für einen derartigen Fehler vorhanden sind (OGer LF210045 vom 5. Juli 2021 E. 2.2.).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erwog die Vorinstanz, hier seien die Einschreiben dem Mieter nicht nur zur Abholung gemeldet, sondern zugestellt worden. Er bestreite den Empfang nur mit der reinen Mutmassung, es sei denk- bar, dass einer der Brüder es so organisiert habe, dass er die eigenen Sendun- gen in Empfang genommen habe. Diese Vorbringen vermöchten die von der Vermieterin belegte Zustellung nicht zu entkräften. Auch die diesbezügliche Bestreitung des Mieters genüge daher nicht um von einem illiquiden Sachverhalt auszugehen (act. 22 E. 4.2.4.).
Zu diesen Ausführungen äussert sich der Mieter nicht. Er legt insbesondere auch hier nicht dar, inwiefern er bereits vor Vorinstanz konkrete Anhaltspunkte
vorgebracht hätte, welche eine fehlerhafte Zustellung als plausibel erscheinen lassen würden und damit die Vermutung der Zustellung erschüttern könnten. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz davon ausging, die Mahnung und die Kündigung seien korrekt zugestellt worden und die Voraussetzungen der Zahlungsverzugskündigung nach Art. 257d OR seien damit erfüllt.
Im Ergebnis ist die Berufung daher abzuweisen, und der vorinstanzliche Entscheid ist zu bestätigen.
4.
Der Mieter unterliegt mit seiner Berufung und wird dementsprechend kostenpflich- tig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Die Höhe der Entscheidgebühr ist auf Fr. 1'000.- fest- zusetzen (Art. 96 ZPO i.V.m. § 4, § 8 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 und 2 GebV OG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen: Dem Mieter nicht, weil er unter- liegt, und der Vermieterin nicht, weil ihr im Rechtsmittelverfahren kein entschädi- gungspflichtiger Aufwand entstanden ist.
Es wird erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen. Das Urteil des Einzelgerichtes Audienz des Bezirksgerichtes Zürich vom 16. September 2021 wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 1'000.- festgesetzt und dem Berufungskläger auferlegt.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an die Berufungsbeklagte unter Beila- ge eines Doppels von act. 23, sowie an die Vorinstanz, je gegen Empfangs- schein und an die Obergerichtskasse.
Die erstinstanzlichen Akten gehen nach unbenütztem Ablauf der Rechtsmit- telfrist an die Vorinstanz zurück.
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine mietrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 96'600.-.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
Obergericht des Kantons Zürich
II. Zivilkammer
i.V. Der Gerichtsschreiber:
versandt am:
MLaw R. Jenny
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