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Urteil Obergericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:LF180097
Instanz:Obergericht des Kantons Zürich
Abteilung:II. Zivilkammer
Obergericht des Kantons Zürich Entscheid LF180097 vom 13.02.2019 (ZH)
Datum:13.02.2019
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Kraftloserklärung
Schlagwörter : Schuld; Schuldbrief; Pfand; Gesuch; Gesuchsteller; Partei; Berufung; Kraftloserklärung; Recht; Eigentümer; Entscheid; Einzelrichterin; Glaubhaft; Verfahren; Beschwerde; Liegenschaft; Urteil; Voraussetzungen; Erwerbende; Gericht; Inhaber; Gläubiger; Obergericht; Bundesgericht; Parteien; Grundpfand; Schuldner; Forderung
Rechtsnorm: Art. 317 ZPO ; Art. 57 ZPO ; Art. 842 ZGB ; Art. 856 ZGB ; Art. 865 ZGB ; Art. 90 BGG ;
Referenz BGE:130 III 681;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:-
Entscheid

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Geschäfts-Nr.: LF180097-O/U

Mitwirkend: Oberrichter lic. iur. P. Diggelmann, Vorsitzender, Oberrichterin

lic. iur. A. Katzenstein und Oberrichterin lic. iur. M. Stammbach sowie Gerichtsschreiberin lic. iur. A. Götschi

Urteil vom 13. Februar 2019

in Sachen

  1. A. ,

  2. B. ,

    Gesuchsteller und Berufungskläger,

    betreffend Kraftloserklärung

    Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen vom 14. Dezember 2018 (ES180047)

    Rechtsbegehren:

    (act. 1, sinngemäss)

    Es sei der Papier-Inhaberschuldbrief, datiert am 11. Juli 1944, Pfdb. / , lastend an erster Pfandstelle auf der Liegenschaft C. -Strasse in D. für Fr. 55'000.- für kraftlos zu erklären.

    Urteil des Einzelgerichtes 14. Dezember 2018:

    (act. 17)

    1. Das Gesuch wird abgewiesen.

    2. Die Entscheidgebühr wird auf CHF 800.- festgesetzt.

    3. Die Gerichtskosten werden den Gesuchstellern - je unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag - je zur Hälfte auferlegt und aus dem von ihnen geleisteten Kostenvorschuss von CHF 1'600.- bezogen.

4./5. (Mitteilung / Rechtsmittel).

Berufungsanträge:

(act. 21):

Es sei das Urteil des Bezirksgerichtes Meilen vom 14. Dezember 2018 aufzuheben und die Sache zur Durchführung eines Beweisverfahrens und zur neuen Entscheidung zurückzuweisen, eventualiter sei direkt ein neuer Entscheid in der Sache im Sinne des vor Vorinstanz gestellten Begehrens zu fällen.

Erwägungen:

1. Die Gesuchsteller sind Eigentümer der Liegenschaft KatNr. an der C. -Strasse in D. . Auf der Liegenschaft lastet an erster Pfandstelle ein am 11. Juli 1944 errichteter Schuldbrief . Die Gesuchsteller möchten diesen Schuldbrief löschen lassen.

Die zuständige Einzelrichterin wies das Begehren mit Urteil vom 18. September 2018 kostenfällig ab, und dagegen richtet sich die Berufung mit dem eingangs wiedergegebenen Antrag. Zur Begründung führen die Beschwerdeführer

aus, wenn ihre Darstellung noch nicht genügt haben sollte, hätte die Einzelrichterin weitere Beweise abnehmen müssen (act. 21).

Die Akten der Einzelrichterin wurden beigezogen. Weitere prozessleitende Anordnungen wurden nicht getroffen, insbesondere wurde auf einen Kostenvorschuss verzichtet.

    1. In der Berufung sind neue Behauptungen zwar nur noch sehr eingeschränkt zulässig (Art. 317 ZPO), und ein Ausnahmefall liegt nicht vor. Wenn tatsächliche Vorbringen einer Partei nicht genügen, werden keine Beweise abgenommen, denn das Beweisverfahren dient nur dazu, (noch) Unbewiesenes zu erhärten, und nicht dazu, die Tatsachenbehauptungen zu ergänzen. Das Obergericht wendet aber das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Dazu gehört auch, dass das erstinstanzliche Gericht in den Fällen der freiwilligen Gerichtsbarkeit - wozu das Verfahren der Kraftloserklärung gehört - den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt. Das tritt hinzu zum allgemeinen Grundsatz, dass insbesondere Laien durch Befragung und entsprechende Hinweise darin unterstützt werden müssen, das Erforderliche vorzutragen - wofür eine persönliche Anhörung der schriftlichen Belehrung häufig überlegen ist (OGerZH LF190001 vom 30. Januar 2019).

    2. Es gibt zwei verschiedene Wege zur Kraftloserklärung eines Schuldbriefes. Nach Art. 856 ZGB kann der Eigentümer des verpfändeten Grundstückes, der nicht weiss, wer sein Gläubiger ist, und von dem während zehn Jahren kein Zins mehr gefordert wurde, den Aufruf und die anschliessende Kraftloserklärung des Schuldbriefes als Wertpapier verlangen. Die zweite Variante ergibt sich aus Art. 865 ZGB: Ist ein abbezahlter Schuldbrief abhanden gekommen, kann der Schuldner Aufruf und Kraftloserklärung verlangen.

Nach übereinstimmender Auffassung müssen diese genannten Voraussetzungen nicht strikte bewiesen werden - das dürfte in den meisten Fällen gar nicht möglich sein. Vielmehr genügt es, wenn die Gesuchsteller die Voraussetzungen glaubhaft machen: das ist weniger als beweisen, aber doch mehr als behaupten:

es muss aufgrund objektiv fassbarer Elemente eine gute Wahrscheinlichkeit für die Darstellung der Gesuchsteller sprechen.

Wegen der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen (einmal Wartefrist von zehn Jahren, einmal überhaupt keine Karenzfrist) ist es notwendig, die beiden vorstehend erwähnten Varianten von einander abzugrenzen. Das ist nicht ganz einfach, weil sich die Anwendungsbereiche überschneiden können. Auch wenn etwa ein (Inhaber-)Schuldbrief dem rechtmässigen Inhaber abhanden gekommen ist, mag ihn in der Folge ein gutgläubiger Dritter erworben haben, der in seinem Recht geschützt werden muss, sodass aus diesem Grund der Verlierer nicht weiss, wer sein Gläubiger ist. Im Einzelfall muss daher versucht werden, das von den Gesuchstellern Vorgetragene unter die eine oder andere Bestimmung zu subsumieren.

    1. Über den Schuldbrief ist das Folgende bekannt: Errichtet wurde er am

      11. Juli 1944 als Inhaber-Schuldbrief über Fr. 50'000.-- von einer E. AG. Am 12. September 1945 wurde die Pfandsumme auf Fr. 55'000.-- erhöht (act. 2, Anhang). Offenbar wurde der Titel in der Folge dem F. [Ortschaft] zu Pfand gegeben - das F. bestätigt jedenfalls, am 2. April 1992 Fr. 55'000.-- von Dr. G. zur Tilgung des Schuldbriefs erhalten zu haben (act. 10/1 und 10/2). Dr. G. war damals Eigentümer des belasteten Grundstückes und der Vater von H. , von welcher die heutigen Gesuchsteller das Grundstück am

      18. April 2018 erwarben. Was mit dem Papier nach der Rückzahlung des Kredites an das F. geschah, ist nicht aktenkundig, und es dürfte dazu nach so langer Zeit auch keine Unterlagen mehr geben. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung darf aber angenommen werden, dass der belastete Grundeigentümer, welcher den Kredit zurück bezahlt hatte, sich den Pfandtitel wie allgemein üblich aushän- digen oder übersenden liess. Dem Grundbuchamt wurde er nicht eingereicht

      (act. 2). Die Vor-Eigentümerin H. erklärte gegenüber den Gesuchstellern und heutigen Eigentümern, sie habe die Liegenschaft von ihrem Vater 1987 übernommen, der allerdings daran die Nutzniessung behielt und auch die Rückzahlung an das F. vornahm. Erst 2011 habe sie das Objekt aus der Nutzniessung übernommen (act. 15 Anhang). Im Kaufvertrag H. /A. B. von 2018 (act. 3) war der Schuldbrief Thema:

      14. Die veräussernde Partei erklärt, dass der auf dem Vertragsobjekt eingetragene Papier-Namensschuldbrief über Fr. 55'000.-- ( ) nicht auffindbar ist bzw. vermisst wird. Laut ihren Angaben war dieser Schuldbrief unbelastet.

      Die Parteien wurden von der Urkundsperson auf das Kraftloserklärungsverfahren gemäss Art. 856 und 865 ZGB bzw. Art. 971 f. und 977 OR aufmerksam gemacht, insbesondere darauf, dass mit der Eigentumsübertragung die Aktivlegitimation für einen solchen Prozess auf die erwerbende Partei übergeht.

      Die Parteien vereinbaren, dass ein allfälliges Kraftloserklärungsverfahren auf Kosten und Gefahr der erwerbenden Partei zu erfolgen hat und die ver- äussernde Partei durch die erwerbende Partei vollumfänglich schadlos zu halten ist. Die erwerbende Partei verzichtet ausdrücklich auf eine Sicherstellung des Schuldbriefbetrages (zuzüglich Zinsen), insbesondere für den Fall, dass Ansprüche aus dem vermissten Titel geltend gemacht werden und die erwerbende Partei für die Löschung dieses Grundpfandrechtes den/die Gläubiger befriedigen muss.

    2. Die Einzelrichterin erwog, da die Gesuchsteller nicht Schuldner im Sinne von Art. 865 ZGB seien, komme nur eine Kraftloserklärung nach Art. 856 ZGB in Betracht, deren Voraussetzungen (zehnjährige Wartefrist) nicht erfüllt seien. Darum weist sie das Begehren ab.

      Diese Überlegung überzeugt nicht. Mit der seinerzeitigen Errichtung des Schuldbriefes wurde (nach damaligem Recht: Art. 842 aZGB) eine neue Forderung begründet und verbrieft, die streng akzessorisch zum Grundpfand war. Forderung und Grundpfand bildeten somit eine untrennbare Einheit, welche in einem Pfandtitel mit der Qualität eines Wertpapiers verkörpert war. Die Begleichung der Schuldbriefforderung führte nicht zum Erlöschen der Schuld und berührte auch das Grundpfandrecht nicht in seinem Bestehen (BGE 130 III 681). Die Gesuchsteller als Eigentümer der Pfandsache sind darum sehr wohl (Pfand-)Schuldner im Sinne von Art. 865 ZGB. Das lässt sich auch an der Konstellation zeigen, dass

      der Eigentümer der Pfandsache den Schuldbrief für eine fremde Forderung zu Pfand gibt (in der Regel als Faustpfand). Wird die besicherte Schuld beglichen, das Pfand dem Eigentümer retourniert, bei dem es dann verloren geht, kann jedenfalls nicht der Schuldner der besicherten Forderung die Kraftloserklärung verlangen. Es besteht aber auch keine Ungewissheit über den Gläubiger im Sinne von Art. 856 ZGB. Wenn der Pfandeigentümer den abbezahlten Titel verlegt oder verliert und dann die belastete Liegenschaft veräussert, gibt es keinen Grund, den oder die Erwerber nicht in die Rechtstellung des Veräusserers (und damit in seinen Anspruch auf Kraftloserklärung) eintreten zu lassen - wie das der Urkundsbeamte in der vorstehend zitierten Vertragsbestimmung richtig formuliert hat.

      Nicht anders stellte sich die Lage zudem dar, wenn man Art. 856 ZGB anwenden und verlangen wollte, dass zehn Jahre lang kein Zins verlangt worden sei. Darauf kann sich der Erwerber der Pfandsache so gut berufen wie es seine Vorgänger hätten tun können.

    3. Damit bleibt die Frage, ob die massgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen ausreichend glaubhaft gemacht worden sind. Das ist der Fall. Strikte Beweise fehlen durchaus, aber darauf kommt es nicht an. Durch die Bestätigung des F. belegt und damit ausreichend glaubhaft ist, dass Dr. G. , der Vater von H. , den Schuldbrief dem F. für eine Schuld zu Pfand gegeben hatte, welche er 1992 zurück zahlte. Glaubhafterweise ist der Titel an Dr. G. zurück gegangen. Dafür, dass er ihn wieder neu zu Pfand gab, gibt es keine Anhaltspunkte; für in den Jahren 2009 und 2013 offenbar entstandenen Kreditbedarf wurden neue Sicherheiten errichtet (act. 2). Die Erklärung der Verkäuferin

H. im Vertrag von 2018, sie habe den Titel nie in Händen gehabt, ist glaubhaft. Damit ist ausreichend glaubhaft, dass der Titel bei Dr. G. in der Zeit zwischen 1992 und 2011 abhanden gekommen war. Gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Titel von Dr. G. wieder begeben wurde, ist auch (falls es darauf ankäme) glaubhaft gemacht, dass seit 1992 (der Rückzahlung des Darlehens an das F. ), also seit mindestens zehn Jahren kein Zins mehr verlangt worden ist.

3.3 Damit ist die Berufung gutzuheissen. Beweiserhebungen sind nicht erforderlich. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben, und die Sache ist an die Einzelrichterin zurückzuweisen, damit diese ihr Verfahren mit der Auskündung des verlorenen Papiers weiterführt.

4. Die Gesuchsteller sind mit der Berufung erfolgreich und sind daher für das Verfahren des Obergerichts mit keinen Kosten zu belasten. Eine Parteientschädigung käme nur ausnahmsweise in Frage und ist hier nicht zuzusprechen, umso mehr, als ihnen der angefochtene Entscheid und das anschliessende Rechtsmittelverfahren wohl (immaterielle) Ungemach, aber keine relevanten Kosten verursachte.

Es wird erkannt:
  1. Die Berufung wird gutgeheissen. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben, und die Sache wird an die Einzelrichterin zurückgewiesen, zur Weiterführung ihres Verfahrens im Sinne der Erwägungen.

  2. Für das Berufungsverfahren werden keine Kosten erhoben und wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

  3. Schriftliche Mitteilung an die Berufungskläger sowie (ohne Abwartens der Rechtsmittelfrist) - unter Rücksendung der erstinstanzlichen Akten - an das Bezirksgericht Meilen, Einzelgericht, je gegen Empfangsschein.

  4. Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).

Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.

Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Der Streitwert beträgt Fr. 55'000.--.

Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.

Obergericht des Kantons Zürich

II. Zivilkammer

Die Gerichtsschreiberin:

lic. iur. A. Götschi versandt am:

13. Februar 2019

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