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Urteil Handelsgericht des Kantons Zürich (ZH)

Kopfdaten
Kanton:ZH
Fallnummer:HG160037
Instanz:Handelsgericht des Kantons Zürich
Abteilung:-
Handelsgericht des Kantons Zürich Entscheid HG160037 vom 10.05.2016 (ZH)
Datum:10.05.2016
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Aktienrechtliche Verantwortlichkeit
Schlagwörter : Konkurs; Sitin; Konkursitin; Schaden; Beklagten; Pflicht; Gesellschaft; Partei; Gläubiger; Verwaltungsrat; Parteien; Vereinbarung; Interesse; Verantwortlichkeit; Aktien; Aktiven; Geschäft; Recht; Handlung; Interessen; Aktienrechtliche; Pflichten; Handlungen; Forderung; Bestritten; Zeitpunkt; Verkauf; Klage; Überschuldung
Rechtsnorm: Art. 105 ZPO ; Art. 111 ZPO ; Art. 222 ZPO ; Art. 260 KG ; Art. 288 KG ; Art. 40 ZPO ; Art. 663a OR ; Art. 716 OR ; Art. 716a OR ; Art. 717 OR ; Art. 718a OR ; Art. 725 OR ; Art. 754 OR ; Art. 757 OR ; Art. 8 ZGB ; Art. 95 ZPO ; Art. 96 ZPO ;
Referenz BGE:117 II 432; 121 III 420; 122 III 201; 128 III 180; 130 III 213; 131 III 115; 132 III 342; 132 III 359; 133 III 462; 136 III 322; 140 III 355;
Kommentar zugewiesen:
SUTER, VON HOLZEN, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Art. 95 ZPO, 2016
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Peter Forstmoser;
Entscheid

Handelsgericht des Kantons Zürich

Geschäfts-Nr.: HG160037-O U

(vormals HG140047)

Mitwirkend: Oberrichter Dr. George Daetwyler, Präsident, und Oberrichterin Dr. Helen Kneubühler Dienst, die Handelsrichter Dr. Arnold Huber,

Prof. Dr. Othmar Strasser und Dr. Thomas Lörtscher sowie der Gerichtsschreiber Dr. Thomas Steininger

Urteil vom 10. Mai 2016

in Sachen

  1. ,

    Klägerin

    handelnd durch den Rechtsdienst (Rechtsanwalt X1. und Rechtsanwalt X2. ), daselbst

    gegen

  2. ,

Beklagter

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Y. , betreffend aktienrechtliche Verantwortlichkeit

Rechtsbegehren:

(act. 1 S. 2)

1. Die Beklagte 1 und der Beklagte 2 seien unter solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von

CHF 193'675.97 zzgl. Zins zu 5 % seit 1. Juni 2011 zu bezahlen;

2. alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zu Lasten und unter solidarischer Haftung der Beklagten.

Sachverhalt und Verfahren:
  1. Sachverhaltsübersicht

    1. Parteien und ihre Stellung

      Die Klägerin ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht mit Sitz in C. . Ihr Zweck ist die Betreibung einer gewinnorientierten Universalbank im Einklang mit dem Kantonalbankgesetz (act. 2/2/1).

      Der Beklagte ist eine natürliche Person mit Wohnsitz in .../TG (act. 2/1 Rz. 4;

      act. 2/8). Er war bis 14. Juli 2011 Verwaltungsratspräsident der D.

      AG,

      [seit 19. Oktober 2011 E. AG], welche am 2. Oktober 2012 gelöscht wurde (act. 2/2/3).

    2. Prozessgegenstand

      Die Klägerin erhebt Klage aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit (Art. 754 OR).

      Der Beklagte habe in seiner Rolle als Verwaltungsrat der D.

      AG [seit

      19. Oktober 2011 E.

      AG] diese in ihrem Vermögen durch eine Verrech-

      nungshandlung bzw. durch Aushöhlung geschädigt.

  2. Prozessverlauf

    1. Klageeinleitung

      Am 11. März 2014 (Datum Poststempel) reichte die Klägerin hierorts Klage ein (act. 2/1). Darin erhob Klägerin Klage sowohl aus paulianischer Anfechtung

      (Art. 288 SchKG) gegenüber der D.

      Beteiligungen AG als auch aus aktienrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 754 OR) gegenüber dem Beklagten [zusammen: die ursprünglichen Beklagten]. Mit Verfügung vom 12. März 2014 wurde der Klägerin Frist angesetzt, um den Gerichtskostenvorschuss zu leisten (act. 2/3). Nachdem sie diesen geleistet hatte (vgl. act. 2/5), wurde den ursprünglichen Beklagten Frist zur Einreichung der Klageantwort angesetzt (act. 2/6). Die Klageantwort erstatteten diese fristgerecht am 18. Juni 2014 (act. 2/8).

    2. Wesentliche Verfahrensschritte

Mit Verfügung vom 24. Juni 2014 wurde der Klägerin Frist angesetzt, um sich ausschliesslich zum Nichteintretensantrag des Beklagten zu äussern (act. 2/11). Am 18. August 2014 reichte die Klägerin ihre Stellungnahme hierzu ein (act. 2/13). Mit Beschluss vom 1. September 2014 wurde der Nichteintretensantrag des Beklagten abgewiesen (act. 2/14). Am 19. November 2014 fand eine Vergleichsverhandlung statt, an welcher die damaligen Parteien einen Vergleich mit Widerrufsvorbehalt schlossen (act. 2/18). Mit Eingabe vom 11. Dezember 2014 brachten die ursprünglichen Beklagten schriftlich innert vereinbarter Frist ihren Widerruf dem Gericht zur Kenntnis (act. 2/19), worauf das Verfahren fortgesetzt und der Klägerin Frist zur Erstattung ihrer Replik angesetzt wurde (act. 2/20). Mit Eingabe vom 10. Februar 2015 stellte die Klägerin Editionsbegehren (act. 2/22), welche mit Verfügung vom 11. Februar 2015 abgewiesen wurden (act. 2/23). Am 5. März 2015 erstattete die Klägerin ihre Replik (act. 2/25), die ursprünglichen Beklagten am 8. Juni 2015 ihre Duplik (act. 2/29). Mit Eingabe vom

7. Juli 2015 nahm die Klägerin zu den neuen Vorbringen und Behauptungen der

ursprünglichen Beklagten Stellung (act. 2/33). Mit Eingabe vom 20. Juli 2015 nahmen die ursprünglichen Beklagten ihrerseits zur klägerischen Eingabe Stellung (act. 2/34). Mit Verfügung vom 22. Oktober 2015 wurde den Parteien Frist angesetzt, um sich ausschliesslich zur Frage der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts für paulianische Anfechtungsklagen zu äussern (act. 2/35). Die Klägerin nahm hierzu mit Eingabe vom 26. Oktober 2015 (act. 2/37) Stellung, die ursprünglichen Beklagten mit Eingabe vom 12. November 2015 (act. 2/38). Mit Eingabe vom 8. Januar 2016 sprach sich die Klägerin trotz des Entscheids 5A_89/2015

des Bundesgerichts vom 12. November 2015, welcher die handelsgerichtliche Zuständigkeit für paulianische Anfechtungsklagen ausdrücklich verneinte, gegen ein Nichteintreten des Handelsgerichts aus, da ein Nichteintretensentscheid in einem möglichst frühen Stadium hätte ergehen sollen und sich der Beschluss des Handelsgerichts vom 1. September 2014 (act. 2/14) bereits mit der sachlichen Zuständigkeit befasst habe (act. 2/39). Mit Eingabe vom 28. Januar 2016 machten die ursprünglichen Beklagten geltend, dass eine Einlassung vor dem sachlich unzuständigen Handelsgericht nicht möglich und dass im Zeitpunkt der Einreichung der Klageantwort der fragliche Entscheid BGE 140 III 355 vom 17. Juni 2014 noch nicht gefällt worden sei (act. 2/40 Rz. 2 f.). Mit Beschluss vom 12. Februar 2016 verneinte das Handelsgericht seine sachliche Zuständigkeit für die paulianische Anfechtung und trat in diesem Umfang auf die Klage nicht ein. Das Verfahren ge-

gen die D.

Beteiligungen AG wurde demzufolge abgeschrieben und das

Verfahren gegen den Beklagten aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit wurde abgetrennt und unter dieser neuen Prozessnummer HG160037 fortgeführt (act. 1). Die Prozessakten von HG140047 (act. 1-45) werden unter dem neuen Aktorennummer 2 formell beigezogen.

Auf eine Hauptverhandlung haben die Parteien verzichtet (act. 5) bzw. liessen sich hierzu innert Frist nicht vernehmen, weshalb androhungsgemäss von einem Verzicht auszugehen ist (vgl. act. 3, S. 2).

Der Prozess erweist sich als spruchreif.

Erwägungen
  1. Formelles

    1. Örtliche Zuständigkeit

      Für Klagen aus gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit ist das Gericht am Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei oder am Sitz der Gesellschaft örtlich zuständig (Art. 40 ZPO). Der Sitz der D. AG [seit 19. Oktober 2011 E. AG] befand sich in (act. 2/2/4), weshalb Zürcher Gerichte örtlich zuständig

      sind. Die örtliche Zuständigkeit wird von den Parteien nicht bestritten (act. 2/1 Rz. 4; act. 2/8 Rz. 12 f.).

    2. Sachliche Zuständigkeit

      Wie bereits mit Beschluss vom 1. September 2014 gerichtlich festgestellt (vgl. act. 2/14), handelt es sich bei der vorliegend Klage aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit um eine Streitigkeit aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften i.S.v. Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO. Das Handelsgericht ist demnach gestützt auf Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO in Verbindung mit § 44 lit. b GOG für die Beurteilung dieses Teils der vorliegenden Streitigkeit sachlich zuständig.

  2. Sachverhalt und Parteibehauptungen

    1. Unbestrittener Sachverhalt

      1. Die Klägerin schloss mit der D.

        AG [ab dem 19. Oktober 2011

        E.

        AG; nachfolgend stets Konkursitin] am 25. Mai / 7. Juni 2007 einen

        Rahmenkreditvertrag mit einer Kreditlimite von CHF 750'000.-- ab (act. 2/8 Rz. 19; unbestritten in act. 2/25 Rz. 40). Nachdem die Klägerin mehrfach auf die Rückzahlung des gewährten Kredites drängte, beauftragte die Konkursitin die F. Finance AG im Februar 2011 mit der Ausarbeitung mehrerer Handlungsvarianten, wie die Liquiditätslage verbessert und dadurch die Rückzahlung des Kredites be-

        werkstelligt werden könnte. Am 4. April 2011 präsentierte die F.

        Finance

        AG mehrere Handlungsoptionen, welche die Klägerin ablehnte (act. 2/8 Rz. 20 f.; unbestritten in act. 2/25 Rz. 41 f.).

      2. Die D. Beteiligungen AG war die Muttergesellschaft der Konkursitin und hatte dieser gegenüber eine Forderung in der Höhe von insgesamt CHF 222'239.20. Die Konkursitin wiederum hatte gegenüber ihrer Schwestergesellschaft G.

        SA [nachfolgen G. ] eine offene Forderung von

        CHF 176'709.37 und gegenüber ihrer anderen Schwestergesellschaft G1. AG [nachfolgend G1. ] eine offene Forderung von CHF 16'966.60 (act. 2/1 Rz. 14, 29; act. 2/8 Rz. 29). Diese Verbindlichkeiten wurden in der Vier-ParteienVereinbarung vom 1. Juni 2011 - deren Parteien neben der D.

        Beteiligungen AG die Konkursitin, die G.

        und die G1.

        waren - festgehalten

        (act. 2/1 Rz. 29; act. 2/2/11; act. 2/8 Rz. 29). Mit dieser Vereinbarung zedierte die

        D.

        Beteiligungen AG einen Teil ihres Anspruchs gegenüber der Konkursitin

        im Umfang von CHF 16'699.60 an die G1.

        und im Umfang von

        CHF 176'709.37 an die G. . Die Zessionen erfolgten entgeltlich (act. 2/1 Rz. 30; act. 2/8 Rz. 29). Gleichzeitig verrechneten die G1. und die G. ihre Schuld gegenüber der Konkursitin mit den erworbenen Gegenforderungen (act. 2/1 Rz. 31; act. 2/8 Rz. 29). Die Vier-Parteien-Vereinbarung wurde seitens aller vier Parteien nur vom Beklagten unterzeichnet (act. 2/1 Rz. 32; act. 2/2/11).

      3. Die D. Beteiligungen AG trat am 31. Dezember 2004 im Umfang ihres Aktionärsdarlehens von CHF 100'000.-- an die Konkursitin (langfristiges Fremdkapital) im Rang zurück. Dieser Rangrücktritt wurde im Rahmen der VierParteien-Vereinbarung ebenfalls aufgehoben (act. 2/1 Rz. 34; act. 2/8 Rz. 47; act. 2/2/11 Ziff. 2 S. 1; act. 2/9/3).

      4. Die D. Beteiligungen AG verkaufte mit Kaufvertrag vom 30. Juni 2011 100 % ihrer Beteiligungen an der Konkursitin (Aktien) an H. für einen Kaufpreis von CHF 10'000.--. Eine due dilligence wurde vorgängig nicht durchgeführt (act. 2/1 Rz. 55; act. 2/8 Rz. 25, 76). Die Klägerin wurde hierüber am 6. Juli 2011 telefonisch informiert (act. 2/1 Rz. 56). Diese teilte dem Beklagten darauf unverzüglich die Kündigung des Kreditvertrags mit (act. 2/1 Rz. 58; unbestritten in act. 2/8). Am 12. März 2012 wurde auf Betreiben der Klägerin der Konkurs über die Konkursitin eröffnet (act. 2/1 Rz. 59; act. 2/8 Rz. 27). Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie nur noch über Guthaben bei der I. AG und der J. AG im Gesamtbetrag von CHF 3'004.91 (act. 2/8 Rz. 27; act. 2/25 Rz. 36).

    2. Standpunkt der Klägerin

      1. Gemäss dem Dafürhalten der Klägerin habe der Beklagte in seiner Rolle als Verwaltungsratspräsident der Konkursitin durch die Unterzeichnung der VierParteien-Vereinbarung der Aufhebung des Rangrücktritts und damit der Schaffung der Verrechnungsmöglichkeit zugestimmt, was zur Schmälerung des Verwertungssubstrats der Konkursitin aktiv beigetragen habe (act. 2/1 Rz. 32 ff.). Bereits vor Abschluss der Vier-Parteien-Vereinbarung sei die Liquiditätslage der Konkursitin prekär gewesen (act. 2/1 Rz. 44 ff.). Daher habe die begründete Besorgnis einer Überschuldung der Konkursitin bestanden (act. 2/1 Rz. 47 ff.). Die hieraus resultierende Konkursnähe aktiviere gewisse Sorgfaltspflichten des Verwaltungsrates, welchen der Beklagte jedoch nicht nachgekommen sei (act. 2/25 Rz. 9). Insbesondere verletze ein Verwaltungsrat, der das Substrat einer konkursgefährdeten Unternehmung durch bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger schmälere, in der Regel seine aktienrechtliche Sorgfaltspflicht, was Verantwortlichkeitsansprüche auslöse (act. 2/25 Rz. 15, 77 f.)

      2. Eventualiter macht die Klägerin eine Aushöhlung der Konkursitin durch den Beklagten (act. 2/25 Rz. 36) bzw. durch die angeblich von ihm eingesetzten

        Scheinverwaltungsräte nach dem Scheinverkauf der Aktien an H.

        gelten.

        Diese Scheinverwaltungsräte hätten eine kalte Liquidation der Konkursitin vorgenommen (act. 2/25 Rz. 26 ff.). So habe der Beklagte dafür gesorgt, dass die laufenden Verträge der Konkursitin auf die neu gegründete D1. AG übertragen worden seien (act. 2/25 Rz. 35). Der Beklagte habe damit in der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen, über die Aktiven verfügt und das Vermögen der Konkursitin unlauter geschmälert.

    3. Standpunkt des Beklagten

      Den Vorwurf, eine notwendige Überschuldungsanzeige unterlassen zu haben, weist der Beklagte von sich. Die damals angespannte Liquiditätslage der Konkursitin dürfe nicht mit einer Überschuldung verwechselt werden (act. 2/8 Rz. 24). Die Konsolidierungshandlungen der Vier-Parteien-Vereinbarung hätten zudem die Gesellschaft gar nicht geschädigt. Selbst wenn man der klägerischen Ansicht folgen und in den Handlungen der Vier-Parteien-Vereinbarung eine Pflichtverletzung sehen würde, seien diese Handlungen nicht geeignet gewesen, einen Gesellschaftsschaden herbeizuführen, da der Konkursitin damit weder flüssige Mittel entzogen noch ihre Nettovermögenssituation geschwächt worden sei. Aktivund Passivseite der Bilanz seien vielmehr gleichermassen verringert worden. (act. 2/8 Rz. 74 ff.; act. 2/29 Rz. 44 f.).

      Der Beklagte bestreitet weiter, dass er die Konkursitin ausgehöhlt habe (act. 2/29 Rz. 37 ff.). Ebenso bestreitet er den klägerischen Vorwurf, er habe die Konkursitin Scheinverwaltungsräten anvertraut, welche eine kalte Liquidation unterstützt hätten bzw. vornehmen sollten (act. 2/29 Rz. 41). Mit Abschluss des

      Kaufvertrags vom 30. Juni 2011 (act. 2/2/15) habe vielmehr H.

      die Verantwortung für die operative Leitung der Gesellschaft übernommen, weshalb der Beklagte ab diesem Zeitpunkt kein Verschulden für ein etwaiges Verschwinden von Aktiven treffen könne (act. 2/8 Rz. 25; act. 2/29 Rz. 48).

  3. Voraussetzungen der aktienrechtliche n Verantwortlichkeit

    1. Grundsatz

      Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (Art. 754 Abs. 1 OR). Die blosse Verletzung einer Pflicht genügt nicht zur Anspruchsbegründung; erst wenn dadurch adäquat-kausal ein Schaden verursacht wird, stellt sich die Frage der Schadenersatzpflicht.

    2. Klagelegitimation

      Die Klägerin ist Abtretungsgläubigerin gemäss Art. 260 SchKG der Verantwortlichkeitsansprüche. Ihre Aktivlegitimation bzw. Prozessführungsbefugnis wird vom Beklagten nicht bestritten (vgl. act. 2/8).

    3. Organeigenschaft des Beklagten

      1. Es ist unbestritten, dass der Beklagte - zumindest bis zum Aktienverkauf

        an H.

        • Verwaltungsratspräsident der Konkursitin gewesen war (act. 2/1

          Rz. 24; act. 2/8 Rz. 21). Er wird somit vom Anwendungsbereich von Art. 754 Abs. 1 OR erfasst und ist damit grundsätzlich passivlegitimiert.

      2. Der Beklagte macht hierzu aber geltend, er habe nicht für Entscheide, Handlungen oder Unterlassungen einzustehen, die nach dem Verkauf der Aktien

        vom 30. Juni 2011 an H.

        erfolgt seien, da mit diesem Verkauf die Verantwortung für die operative Leitung der Konkursitin vollständig auf H. übertragen worden sei (act. 2/8 Rz. 25, 76 unter Hinweis auf act. 2/2/15 Ziff. 7).

        Mit dem Verlust der formellen Organeigenschaft endet in aller Regel auch die Verantwortlichkeit. Der Beklagte ist daher grundsätzlich nur für Handlungen wäh- rend seiner Amtszeit verantwortlich. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein allfälliger Schaden (vollständig) während seiner Amtszeit eingetreten ist. Vielmehr wird gegebenenfalls im Rahmen der Kausalität zu prüfen sein, ob ein nach seinem Austritt entstandener Schaden auf während der Amtszeit begangene Pflichtverletzungen zurück zu führen ist oder nicht.

        3.4. Behauptungsund Beweislast

        Entsprechend der allgemeinen Regel des Haftpflichtrechts, zu welchem die Art. 754 ff. OR gehören, obliegt es dem Verantwortlichkeitskläger, die Elemente des Verantwortlichkeitsanspruchs zu substantiieren und zu beweisen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_410/2011 vom 11. Juli 2012, E. 3.1; 4A_462/2009 vom 16. März 2010, E. 2).

  4. Pflichtwidrige Handlungen

    1. Pflichten des Verwaltungsrats

      Zu den Pflichten des Verwaltungsrats gehört zunächst die Führung der Geschäf- te, soweit er die Geschäftsführung nicht übertragen hat (Art. 716 Abs. 2 OR). Seine unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben statuiert dabei Art. 716a OR. Sodann treffen alle Gesellschaftsorgane eine Sorgfaltsund Treuepflicht hinsichtlich der Interessen der Gesellschaft (Art. 717 Abs. 1 OR) sowie die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre (Art. 717 Abs. 2 OR). Im Falle einer begründeten Besorgnis der Überschuldung haben die Organe der Gesellschaft zudem die Pflichten von Art. 725 Abs. 2 OR, welche gemäss Lehre und Rechtsprechung primär dem Schutz der Gläubiger dienen (BGE 121 III 420 S. 425 E. 3; WÜSTINER, in: Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Aufl. 2012, N 4 zu Art. 725 OR), zu beachten. Hiernach muss eine Zwischenbilanz erstellt werden, welche von einem zugelassenen Revisor zu prüfen ist. Ergibt sich aus der Zwischenbilanz, dass die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger weder zu Fortführungsnoch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, so hat der Verwaltungsrat den Richter zu benachrichtigen, sofern nicht Gesellschaftsgläubiger im Ausmass dieser Unterdeckung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten (Art. 725 Abs. 2 OR). Auch Illiquidität kann eine Besorgnis der Überschuldung begründen, da eine solche die Fortführung der Unternehmung gefährdet (WÜSTINER, a.a.O., N 33 zu Art. 725 OR). Die Fortführungsfähigkeit einer Gesellschaft ist nämlich nur dann gegeben, wenn die Weiterführung der Unternehmenstätigkeit hinreichend, d.h. zeitlich unbeschränkt oder zumindest über einen längeren Zeitraum hin gewährleistet ist. Eine Liquidität für zwei Monate wird hierzu als ungenügend betrachtet (WÜSTINER, a.a.O., N 33 zu Art. 725 OR). Aus diesen Pflichten gemäss Art. 725 OR leitete das Bundesgericht im Urteil 5C.29/2000 vom 19. September 2000 (Raichle-Entscheid) unter den konkreten Umständen, insbesondere aufgrund der dort vorgelegenen Nichtbeachtung der genannten Pflichten, ein Gebot zur Gleichbehandlung der Gläubiger ab (Urteil 5C.29/2000 vom 19. September 2000, E. 4b/cc). Eine von Art. 725 OR losgelöste, über diese hinausgehende, generelle Pflicht zur Gläubigergleichbehandlung resultiert aus dem Entscheid dagegen nicht (ebenso PETER FORSTMOSER, Paulianische Anfechtung und aktienrechtliche Verantwortlichkeit, in: M&A - Recht und Wirtschaft in der Praxis, Liber amicorum für Rudolf Tschäni, Dike 2010, S. 444).

    2. Vorwürfe der Klägerin

      Die Klägerin wirft dem Beklagten im Wesentlichen folgende Pflichtverletzungen vor:

      • Ungleichbehandlung der Gläubiger durch die Vier-Parteien-Vereinbarung,

      • Verletzung der Pflichten bei Überschuldung,

      • Aushöhlung der Konkursitin durch Übertragung der Aktiven an die D1. AG.

      Diese Vorwürfe sind nachfolgend im Einzelnen zu prüfen.

  5. Ungleichbehandlung der Gläubiger durch die Vier-Parteien-Vereinbarung

    1. Gleichbehandlungspflicht der Gläubiger

      Die Klägerin trägt als erstes vor, unter den gegebenen Umständen habe eine Pflicht des Verwaltungsrats zur Gleichbehandlung aller Gläubiger bestanden. Ein Verstoss hiergegen - vorliegend durch die Mitunterzeichnung der Vier-ParteienVereinbarung, welche erst die Vornahme der beiden Verrechnungen überhaupt ermöglicht habe - würde eine aktienrechtliche Verantwortlichkeit begründen.

      Das Aktienrecht statuiert zwar eine Gleichbehandlungspflicht der Aktionäre (Art. 717 Abs. 1 OR); eine Gleichbehandlungspflicht der Gesellschaftsgläubiger ist ihm hingegen grundsätzlich unbekannt. Eine solche ist vielmehr dem Konkursrecht eigen. Nichts anderes resultiert aus dem von der Klägerin hierzu zitierten Aufsatz von PETER FORSTMOSER: So besteht seiner Auffassung nach auch in Konkursnähe einer Gesellschaft kein Anlass, von der Verpflichtung des Verwaltungsrates auf die Interessen der Gesellschaft (Art. 717 Abs. 1 OR) abzuweichen. Dies könne jedoch dazu führen, dass bei finanziell knapper Liquidität durchaus eine Priorisierung der Zahlungsverpflichtungen vorgenommen werden müsse, mithin eine Gleichbehandlung der Gläubiger gerade nicht geboten sei. Zwischen SchKG und Aktienrecht bestehe somit eine grundlegende Wertungsdifferenz (vgl. FORSTMOSER, a.a.O., S. 440 f.). Der klägerische Rückschluss, dass in Konkursnähe die Gleichbehandlung der Gläubiger stets im Interesse der Gesellschaft liege und eine Abweichung dafür nur ausnahmsweise zulässig sein soll (vgl. act. 2/25 Rz. 15 f.), wird vom Autor hingegen nicht postuliert. Forstmoser hält vielmehr fest, dass es eine aktienrechtliche Gleichbehandlungspflicht zugunsten der Gläubiger nicht gibt. In Konkursnähe seien die besonderen Vorschriften von Art. 725 OR zu beachten, womit indirekt einer Gleichbehandlung der Gläubiger Rechnung getragen werde, soweit dies das Aktienrecht wolle. Irgendwelche darüber hinausgehenden Pflichten zur Gleichbehandlung sind nicht vorgesehen [ ] (FORSTMOSER, a.a.O., S. 442 f.). Auch mit Blick auf das Urteil des Bundesgerichts 5C. 29/2000 vom 19. September 2000 (Raichle-Urteil) - welches die Klägerin ebenfalls für ihre Argumentation heranzieht - ist gemäss FORSTMOSER festzuhalten, dass das Bundesgericht in E. 4b/cc ausschliesslich eine Nichtbeachtung der Pflichten von

      Art. 725 Abs. 2 OR gerügt, jedoch keine irgendwie geartete selbständige Gleichbehandlungspflicht der Gläubiger behauptet habe (FORSTMOSER, a.a.O.,

      S. 443 f.). Diesen Überlegungen FORSTMOSERS ist mit Blick auf die Erwägungen des zitierten Raichle-Entscheid zuzustimmen. Auch WÜSTINER hält hierzu fest, dass durch die Pflicht zur Anzeige der Überschuldung eine gleichmässige Befriedigung der Gläubiger sichergestellt werden und eine Bevorzugung einzelner oder eine Konkursverschleppung verhindert werden solle. Art. 725 Abs. 2 OR diene dementsprechend sowohl dem Schutz der Gläubiger, der Allgemeinheit als auch zukünftiger Geldgeber (WÜSTINER, a.a.O. N 4 f. zu Art. 725 OR). Eine direkte Gleichbehandlungspflicht der Gläubiger in Konkursnähe postuliert jedoch auch er nicht. Eine Gleichbehandlungspflicht der Gläubiger in Konkursnähe, so wie sie von der Klägerin behauptet wird, existiert im Ergebnis nicht, weshalb der Beklagte dagegen auch nicht verstossen konnte. Einzig die Pflichten, welche Art. 725 Abs. 2 statuiert, sind demzufolge massgebend.

      Eine Pflichtverletzung des Beklagten durch Ungleichbehandlung der Gläubiger kann somit aus rechtlichen Gründen nicht bejaht werden.

    2. Schaden im Besonderen

      Wollte man entgegen den vorstehenden Erwägungen gleichwohl von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgehen, wäre die Schadenersatzklage trotzdem abzuweisen, da ein Schaden der Konkursitin nicht nachgewiesen ist, wie nachfolgend darzulegen ist:

      1. Parteibehauptungen

        Die Klägerin trägt vor, der Schaden entspreche dem Betrag, um den die Aktiven als Folge der pflichtwidrigen Handlung abgenommen hätten, welcher dem Betrag der Forderungen über CHF 193'675.97 entspreche, deren Tilgung der Beklagte als Organ der Konkursitin durch Schaffung der Verrechnungslage ermöglicht habe (act. 2/25 Rz. 36; act. 2/1 Rz. 35). Zudem habe der Beklagte die Konkursitin im Umfang von CHF 1,704 Mio. ausgehöhlt. Sei das Schadenersatzbegehren nicht schon aufgrund der Schaffung der Verrechnungslage gutzuheissen, so doch für

        die Aushöhlung im Teilbetrag von CHF 193'675.97 (act. 2/25 Rz. 36). Dass mit dem Verkauf der AG ein Wechsel im Verwaltungsrat einherging, ändere daran nichts, da die folgenden Verwaltungsräte - H. , K. und L. - allesamt Scheinverwaltungsräte gewesen seien (act. 2/25 Rz. 33).

        Der Beklagte wendet dagegen ein, dass durch die Verrechnungen der Konkursitin kein Schaden entstanden sei, da hierdurch keine Aktiven aus der Gesellschaft abgeflossen seien, die dann in der Konkursmasse gefehlt hätten. Es sei auch kein Schaden ersichtlich, der auf die Veräusserung der Aktien zurückzuführen sei (act. 2/29 Rz. 27, 38 ff.). Der Verkauf der Konkursitin habe ebenso wenig eine kalte Liquidation zum Ziel gehabt (act. 2/29 Rz. 19). Für spätere Handlungen, welche allenfalls die Gesellschaft geschädigt hätten, sei der Beklagte wiederum nicht mehr verantwortlich (act. 2/29 Rz. 39). Zum Zeitpunkt des Aktienverkaufs - und damit zum Zeitpunkt des Rücktritts des Beklagten aus dem Verwaltungsrat - habe die Konkursitin noch über Aktiven in beachtlicher Höhe verfügt. Da der Beklagte keine Kenntnis darüber habe, was seine Nachfolger im Verwaltungsrat gemacht oder unterlassen hätten, könne ihm auch kein Verschulden am Verschwinden der Aktiven innert derart kurzer Zeit angelastet werden (act. 2/29 Rz. 48).

      2. Rechtliches

        Auch im Verantwortlichkeitsrecht entspricht der Schaden dem allgemeinen Schadensbegriff nach Massgabe der Differenztheorie: Schaden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen - nach dem schädigenden Ereignis festgestellten - Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis gehabt hätte (BGE 132 III 359 E. 4; 132 III 564 E. 6.2; Urteil des Bundesgerichts 4A_65/2008 vom 3. August 2009,

        E. 11.1; 4A_462/2009 vom 16. März 2010, E. 2.1 [nicht publ. in BGE 136 III 322

        ff.]; 4A_177/2011 vom 2. September 2011, E. 4.3; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 18 Rz. 360; DIETER GERICKE/STEFAN WALLER, in:

        Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Aufl. 2012, N 13 zu Art. 754 OR). Der Schaden kann in einer direkten Abnahme des Vermö- gens (Verminderung der Aktiven oder Vermehrung der Passiven) oder auch in einem entgangenen Gewinn bestehen (GAUCH/SCHLUEP/EMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band II, 9. Aufl. 2008, § 27 Rz. 2848, 2865; GERICKE/WALLER, a.a.O., N 13 zu Art. 754 OR; CLAIRE HUGUENIN, Obligationenrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil, 2012, § 24 Rz. 1845). Lediglich die

        Vermögenseinbusse ist Gegenstand des Schadensersatzes (PETER FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2012, § 16 Rz. 576c; GAUCH/ SCHLUEP/EMENEGGER, a.a.O., § 27 Rz. 2850). Der Verlust einer Chance dagegen, stellt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung keinen Schaden dar (BGE 133 III 462 S. 468 ff.).

        Im Verantwortlichkeitsrecht wird die unmittelbare Schädigung von der mittelbaren Schädigung des Aktionärs bzw. des Gläubiger unterschieden. Die Gesellschaft selbst ist stets unmittelbar geschädigt. Die Anspruchsberechtigung bei einer mittelbaren Schädigung wird durch Art. 756 f. OR geregelt. Ein mittelbarer Schaden liegt dann vor, wenn ein Aktionär oder Gläubiger nur deshalb einen Schaden erleidet, weil die Gesellschaft zu Schaden kam, wenn also der Vermögensschaden des Aktionärs oder des Gläubigers einzig dadurch eintritt, dass das Vermögen der Gesellschaft vermindert wurde. Eine unmittelbare Schädigung liegt demgegen- über dann vor, wenn ein pflichtwidriges Verhalten eines Gesellschaftsorgans den Aktionär oder den Gläubiger direkt in seinem Vermögen schädigt, ohne gleichzeitig das Vermögen der AG zu schmälern (GERICKE/WALLER, a.a.O., N 15 f. zu Art. 754 OR m.w.H.).

        Es ist Sache des klagenden Gläubigers, den tatsächlich eingetretenen sowie den betragsmässig für die Schadenersatzklage relevanten, d.h. den bei Pflichterfül- lung des entsprechenden Organs vermeidbaren Schaden, geltend zu machen und nachzuweisen. Grundsätzlich hat er den Schaden also ziffernmässig im Einzelnen zu substantiieren und zu beweisen (Art. 8 ZGB; Urteil 4A_462/2009 vom 16. März 2010, E. 2, nicht publ. in: BGE 136 III 322; BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl.

        2009, § 18 Rz. 136, 366 und 371; SUTER, Der Schaden bei der aktienrechtlichen

        Verantwortlichkeit, Diss. St. Gallen 2010, S. 127).

      3. Würdigung

        Die Klägerin macht einen Anspruch geltend, den ihr die Konkursverwaltung gemäss Art. 260 SchKG abgetreten hat (act. 2/2/7). Gemäss der bundesgerichtlichen Raschein-Praxis handelt es sich hierbei um einen Anspruch der Gläubigergesamtheit (BGE 117 II 432; BSK OR II-GERICKE/WALLER; N 12 zu Art. 757 OR).

        Die Klägerin ist daher berechtigt, den gesamten Schaden einzuklagen - wie sie

        das vorliegend auch getan hat - und nicht nur den Verlust ihrer Forderung (BGE 122 III 201; 117 II 441). Es geht folglich um die Liquidation eines Schadens der Gesellschaft (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_410/2011 vom 11. Juli 2012,

        E. 3.2), mithin um einen mittelbaren Schaden der Gläubiger. Der gesamte Schaden besteht in der unfreiwilligen Vermögenseinbusse, welche die konkursite Gesellschaft durch die pflichtwidrigen Handlungen ihrer Organe erlitten hat (vgl. BGE 132 III 342 S. 346 f E. 2.3.3).

        Die Klägerin beziffert den Schaden aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit auf CHF 193'675.97. Dieser Betrag entspricht der Höhe der verrechneten Forderungen. In diesem Umfang sei das Vollstreckungssubstrat durch eben diese Verrechnungshandlungen geschmälert worden. Zudem stelle es einen Teil des Schadens dar, welcher der Gesellschaft durch Aushöhlung entstanden sei. Die Klägerin macht mithin keinen unmittelbaren Schaden geltend, welcher direkt in ihrem eigenen Vermögen entstanden wäre. Während eine etwaige Aushöhlung offenkundig zu einer Schädigung des Vermögens der Konkursitin geführt hätte, ist dies bei der angeblichen Schmälerung des Vollstreckungssubstrats durch die streitgegenständlichen Verrechnungshandlungen fraglich. In seinem Aufsatz über das Verhältnis von paulianischer Anfechtung und aktienrechtlicher Verantwortlichkeit hält FORSTMOSER zum Thema Schaden klar fest, dass der Schadensbegriff (Differenzhypothese) bei beiden Ansprüchen zwar derselbe sei, der Schaden im Sinne der Pauliana jedoch ein anderes Vermögen betreffe als der im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht relevante. So könne ein Gläubiger begünstigt oder benachteiligt werden, ohne dass im Gesellschaftsvermögen ein Schaden eintrete (FORSTMOSER, a.a.O., S. 445 f.). Die von der Klägerin vorgetragenen Verrechnungshandlungen sind grundsätzlich unbestritten. Umstritten ist jedoch, ob diese

        zu einem Schaden geführt haben, welcher mittels aktienrechtlicher Verantwortlichkeit geltend gemacht werden kann. Da die Verrechnungshandlungen keinen direkten Eingriff in das Vermögen der Klägerin darstellen - was diese auch nicht behauptet - müsste durch die Verrechnung dem Gesellschaftsvermögen der Konkursitin ein Schaden entstanden sein, damit ein Verantwortlichkeitsanspruch denkbar wäre. Hiervon geht offenkundig auch die Klägerin aus, da sie ihre Legitimation auf eine von der Konkursverwaltung zedierte Forderung der Gläubigergesamtheit abstützt (würde sie von einer eigenen, unmittelbaren Schädigung ausgehen, wäre eine solche Zession zur Begründung der Aktivlegitimation nicht erforderlich). Die Verrechnung der Forderungen führte weder zu einer Verminderung der Aktiven noch zu einer Vermehrung der Passiven (oder zu einem entgangenen Gewinn) seitens der Konkursitin, sondern lediglich zu einer Verkürzung der Bilanz. Aus den Verrechnungen der Vier-Parteien-Vereinbarung resultierte demnach keine Einbusse im Gesellschaftsvermögen der Konkursitin und damit auch keine mittelbare Schädigung des klägerischen Vermögens. Die von der Klägerin gelten gemachte Schmälerung des Konkurssubstrats, wäre möglicherweise mit einer paulianischen Anfechtung beizukommen, nicht jedoch mit einer Klage aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit.

        Der von der Klägerin geltend gemachte verhinderte Zufluss neuer Liquidität aufgrund der Verrechnungen der Vier-Parteien-Vereinbarung (vgl. act. 2/1 Rz. 53 f.) stellt selbst keinen Schaden im Sinne der Differenztheorie dar, da durch die Verrechnungen gleichzeitig die Passiven der Konkursitin im selben Umfang reduziert wurden. Der behauptete verhinderte Zufluss könnte allenfalls als Verlust einer Chance, welche mit der entzogenen Liquidität hätte ergriffen werden können, umgedeutet werden. Im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wäre jedoch auch dieser Ansatzpunkt für die Klägerin nicht zielführend und ist daher nicht weiter zu prüfen.

        Es ist ohnehin fraglich, ob die durch die streitgegenständlichen Verrechnungen getilgten Forderungen die Liquidität der Konkursitin tatsächlich hätten beeinflussen können. Zu den liquiden Mittel zählen nur diejenigen Geldmittel und Vermö- gensgegenstände eines Unternehmens, die zur Zahlung vorhanden bereitstehen

        oder in kürzester Zeit in Geld umgewandelt werden können. Es sind dies daher Kassenbestände, Postund Bankguthaben sowie Checks (NEUHAUS/BLÄTTLER, in: Honsell/Vogt/Watter [Hrsg.], Basler Kommentar OR II, 4. Aufl. 2011, N 16 zu Art. 663a OR; DELLMANN, Bilanzierung nach neuem Aktienrecht, 3. Aufl. 1996,

        S. 90 f.). Die verrechneten Forderungen selbst waren daher nicht zu den liquiden Mitteln zu zählen, erst die aus ihnen allenfalls resultierenden Rückzahlungen. Wie die Klägerin selbst darlegt (act. 2/1 Rz. 45), und wie auch dem klägerischen Schreiben vom 5. April 2011 an die Konkursitin (act. 2/2/14) zu entnehmen ist, erachtete die Konkursitin eine Rückzahlung der Verbindlichkeiten der G. erst in den nächsten vier bis fünf Monaten als realistisch (vgl. act. 2/2/14 S. 2). Demgemäss war es aus damaliger Sicht noch nicht gesichert, dass die Forderungen nach Ablauf dieser Frist beglichen würden und der Konkursitin so neue liquide Mittel zufliessen würden. Der Zufluss zukünftiger Liquidität stand vielmehr unter der Prämisse, dass die Auftragslage der G. tatsächlich so gut wäre, wie im Schreiben behauptet, und dass in der Zwischenzeit keine unvorhergesehenen

        Verpflichtungen der G.

        entstehen würden, welche eine Rückzahlung innert

        angekündigter Frist nicht mehr erlaubt hätten. Letzteres behaupten jedoch die Beklagten, indem sie auf ein laufendes Verfahren in Deutschland gegen die

        G.

        verweisen, welches selbst flüssige Mittel über EUR 850'000.-- gebunden

        habe (act. 2/8 Rz. 23). Dieses Verfahren nennt auch der Revisionsbericht der M. AG vom 9. Mai 2011. Er führt hierzu aus, dass die Forderung aus Liefe-

        rung und Leistung des Debitors G.

        aufgrund der laufenden Gerichtsverfahren und der zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht endgültig beurteilt werden könne (act. 2/2/12). Bereits aus dem Revisionsbericht ergeben sich mithin Zweifel hinsichtlich der Werthaltigkeit der Forderung. Zur Frage, ob es die Geschäftsgänge der G.

        tatsächlich erlaubt hätten, rund fünf Monate nach dem Schreiben

        der Klägerin vom 5. April 2011 die Verbindlichkeiten in Höhe von CHF 179'919.17 zu begleichen, äussert sich die Klägerin nicht. Zum voraussichtlichen Rückzahlungszeitpunkt der Forderung gegen die G1.

        äussern sich die Parteien gar

        nicht erst. Es kann somit nicht als erstellt erachtet werden, dass die verrechneten Forderungen tatsächlich in einem späteren Zeitpunkt - nach der Unterzeichnung

        der Vier-Parteien-Vereinbarung - die Liquidität der Konkursitin hätten rechtzeitig verbessern können.

        5.3. Fazit

        Aus den Verrechnungshandlungen der Vier-Parteien-Vereinbarung erwuchs der Konkursitin somit kein Schaden, weshalb auch aus diesem Grund aus diesen Handlungen keine Verantwortlichkeitsansprüche abgeleitet werden könnten.

  6. Verletzung der Pflicht zur Überschuldungsa nzeige

    1. Begründete Besorgnis einer Überschuldung

      Für die Frage, ob der Beklagte die von Art. 725 Abs. 2 OR statuierten Pflichten vorliegend überhaupt hätte beachten müssen, ist als erstes zu eruieren, ob eine begründete Besorgnis der Überschuldung der Konkursitin im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vier-Parteien-Vereinbarung vorlag. Erst wenn dies bejaht werden kann, ist eine dahingehende Pflichtverletzung durch den Beklagten zu prüfen. Die Klägerin macht hierzu geltend, bei der Konkursitin habe bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vier-Parteien-Vereinbarung die begründete Besorgnis einer Überschuldung bestanden, worauf der Beklagte nicht reagiert habe. Eine Verletzung der Pflichten von Art. 725 OR sei deshalb zu bejahen. Dies wird durch den Beklagten ausdrücklich bestritten (act. 2/8 Rz. 62 f.). Als Beweis für ihre Behauptung offeriert die Klägerin den Revisionsbericht der M. AG vom 9. Mai 2011 (act. 2/2/12) sowie ein Schreiben der Klägerin an die Konkursitin vom 5. April 2011 (act. 2/2/14). Die Vier-Parteien-Vereinbarung datiert vom 1. Juni 2011 (act. 2/2/11). Dem Beklagten waren somit die Inhalte des Revisionsberichts vom

      9. Mai 2011 sowie des Schreibens der Klägerin vom 5. April 2011 im Unterzeichnungszeitpunkt bekannt. Der Revisionsbericht hält zum Thema der begründeten Besorgnis einer Überschuldung lediglich fest, dass die Position Debitoren Forderungen aus Lieferung und Leistung vom Debitor G.

      enthalte, welche aufgrund des damals laufenden Gerichtsverfahrens und der verfügbaren Unterlagen nicht habe beurteilt werden können. Dies, in Verbindung mit der sehr angespannten Liquiditätslage, könne die Fortführung des Unternehmens ernsthaft gefährden, was zu einer begründeten Besorgnis der Überschuldung führen würde.

      Mit dem Erwähnen dieser blossen Möglichkeit vermag die Klägerin jedoch noch nicht den strikten Beweis dafür zu erbringen, dass die begründete Besorgnis einer Überschuldung bzw. eine Illiquidität im damaligen Zeitpunkt bereits vorlag. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 5. April 2011 ergibt sich ebenfalls, dass die Liquidität der Konkursitin zum damaligen Zeitpunkt äusserst angespannt gewesen sei und dass die Konkursitin nicht in der Lage sein werde, die Rückführung der Limite von CHF 550'000.-- auf 500'000.-- zu leisten, da dies zur Zahlungsunfähigkeit und Liquidation des Unternehmens führen könne (act. 2/2/14, Ziff. 1). Auch hieraus lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass zum damaligen Zeitpunkt bereits eine begründete Besorgnis der Überschuldung bzw. Illiquidität bestand, da auch diese Urkunde lediglich von einer Möglichkeit spricht. Das Schreiben liefert zwar ein Indiz dafür, dass die Fortführung des Unternehmens womöglich gefährdet war. Für sich allein betrachtet vermag es jedoch eine Verletzung von Pflichten gemäss Art. 725 Abs. 2 OR nicht beweisen.

    2. Kein Konkursverschleppungsschaden

      Vorliegend kann jedoch offen gelassen werden, ob der Beklagte seine Pflichten gemäss Art. 725 Abs. 2 OR verletzt hat. Die Verletzung der Pflicht zur Überschuldungsanzeige führt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu keinem Anspruch für eine direkte Gläubigerentschädigung (BGE 128 III 180 E. 2; WÜSTINGER, a.a.O., N 6 zu Art. 725 OR m.w.H.). Sie führt mithin stets zu einem mittelbaren Schaden; nämlich zu einem Konkursverschleppungsschaden. Aus den Vorträgen der Klägerin ist nicht ersichtlich, inwiefern das Unterlassen der Erstellung einer Zwischenbilanz zu Fortführungsund zu Liquidationswerten sowie deren Prüfung durch die Revisionsstelle zu einer Schädigung der Konkursitin geführt hat. Diese verneint auch ausdrücklich, einen Konkursverschleppungsschaden geltend zu machen (vgl. act. 25 Rz. 36). Auch einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen allfälligen Verletzungen der Pflichten resultierend aus Art. 725 OR legt die Klägerin nicht dar.

    3. Fazit

      Somit können keine Verantwortlichkeitsansprüche aus der Verletzung von Pflichten aus Art. 725 Abs. 2 OR abgeleitet werden, zumal die Klägerin ausdrücklich erklärt hat, sie mache keinen Schaden aus Konkursverschleppung geltend.

      Damit bleibt der Vorwurf der Klägerin zu prüfen, ob dem Beklagten eine Pflichtverletzung aufgrund unlauterer Schmälerung des Vollstreckungssubstrats nachgewiesen werden kann.

  7. Aushöhlung der Konkursitin zum Nachteil der Gläubiger

    1. Parteibehauptungen

      Die Klägerin wirft dem Beklagten eine Aushöhlung der Konkursitin vor. Am

      31. März 2011 habe der Bilanzwert der Aktiven gemäss Revisionsbericht noch CHF 1'908'970.06 betragen (act. 2/2/12, Beilage 1), während sie am 18. Mai 2012

      gemäss Konkursinventar einzig über ein Guthaben bei der I.

      AG, , und

      der J.

      AG, Zürich, in Gesamthöhe von CHF 3'004.91 verfügt habe

      (act. 2/2/9, S. 4). Im Zeitraum von knapp 14 Monaten habe das Unternehmen mithin seinen gesamten Wert verloren. Dafür macht die Klägerin den Beklagten verantwortlich.

      Die neuen Verwaltungsräte seien lediglich Scheinverwaltungsräte gewesen (act. 2/25 Rz. 33). Die Umstände würden nämlich nahe legen, dass H. kein Interesse an der Fortführung des Unternehmens gehabt habe, weshalb es zweifelhaft sei - und daher seitens der Klägerin auch bestritten werde -, dass H. den Kaufpreis überhaupt bezahlt habe (act. 2/25 Rz. 27). Der Verzicht auf eine due dilligence, Dokumentationslücken hinsichtlich wesentlicher Verkaufspunkte wie bspw. die Höhe der Aktiven und Passiven, welche beim Verkauf auf den Käu- fer übergegangen sein sollen, sowie der Umstand, dass die im Anhang zum Kaufvertrag beigefügten Unterlagen nicht mehr auffindbar sein sollen, würden gegen

      einen ernsthaften Unternehmenskauf durch H.

      sprechen. Es sei dadurch

      nämlich nicht ersichtlich, mit wie vielen Aktiven und Passiven die Konkursitin an ihn übergegangen sei. Eine solche intransparente Vertragsgestaltung sei mit einer

      ernsthaften Absicht zur Unternehmensübernahme nicht vereinbar und lasse viel mehr an eine Aushöhlung denken (act. 2/25 Rz. 28 ff.).

      Der Beklagte habe eine kalte Liquidation betrieben. So habe er dafür gesorgt, dass die laufenden Verträge der Konkursitin auf die neu gegründete D1. AG übertragen worden seien (act. 2/25 Rz. 35). Der Beklagte habe damit in der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen, über die Aktiven verfügt und das Vermögen der Konkursitin unlauter geschmälert.

      Sie fordert Ersatz des Schadens der Konkursitin aus unlauterer Schmälerung des Vollstreckungssubstrates. Diesen beziffert sie auf CHF 1,704 Mio (act. 2/25 Rz. 36), fordert jedoch nur Ersatz für einen Teilbetrag von CHF 193'675.97. Es spiele keine Rolle, ob dieser Schaden vor oder nach der Übertragung der Aktien entstanden sei.

      Der Beklagte bestreitet eine Aushöhlung der Konkursitin. Der Verkauf der Aktien

      sei ordnungsgemäss abgelaufen und H.

      habe sich auch ohne due dilli-

      gence ein umfassendes Bild der Konkursitin machen können (act. 2/29 Rz. 13). Der Kaufpreis über CHF 10'000.-- sei selbstverständlich bezahlt worden (act. 2/29 Rz. 17). Der klägerische Vorwurf, der Beklagte habe die Gesellschaft einem Dritten anvertraut, von dem er wisse, dass er eine kalte Liquidation unterstütze oder gar im eigenen Interesse vornehme, sei denn auch lächerlich (act. 2/29 Rz. 40 f.). Der Verkauf habe keine kalte Liquidation zum Ziel gehabt (act. 2/29 Rz. 19). Die Gesellschaft sei vielmehr mit Aktiven in Höhe von CHF 1,7 Mio. an H. übergegangen (act. 2/29 Rz. 40). Der Vermögensverlust sei mithin erst dann eingetreten, nachdem er aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten sei, weshalb er dafür nicht verantwortlich sei.

    2. Aktienrechtliche Treuepflicht

      Die aktienrechtliche Treuepflicht gemäss Art. 717 Abs. 1 OR bedeutet, dass ein Mitglied des Verwaltungsrates die Interessen der AG zu wahren und seine eigenen Interessen und diejenigen ihm nahe stehender Personen hintenan zu stellen

      hat. Interessenkonflikte hat er daher zu meiden. Besteht auch nur die Gefahr einer Interessenkollision, so hat er durch geeignete Massnahmen sicherzustellen, dass die Interessen der AG den Vorrang erhalten (ROLF WATTER, Basler Kommentar, Obligationenrecht II, N 15 zu Art. 718a OR mit Hinweisen). Handelt der Verwaltungsrat nicht im Interesse der AG, sondern im eigenen Interesse oder demjenigen von Dritten, so sind nach Lehre und Rechtsprechung strenge Massstäbe anzusetzen (BGE 130 III 213 ff.).

    3. Behauptungsund Beweislast

      Grundsätzlich wird ein pflichtgemässes Verhalten eines Verwaltungsrates vermutet, es sei denn, er handle unter Interessenkonflikt. Handelt ein Organ einer AG unter Interessenkonflikt, so kann es sich nicht auf die Vermutung der sorgfältigen und getreuen Mandatserfüllung berufen, sondern hat gerade im Gegenteil die durch den Interessenkonflikt begründete Vermutung einer Verletzung der Treuepflicht zu widerlegen. Das Handeln unter Interessenkonflikt begründet somit eine Vermutung der Pflichtverletzung: Das Gesellschaftsorgan hat daher bei einem Interessenkonflikt nachzuweisen, dass eine Benachteiligung der Gesellschaftsinteressen ausgeschlossen ist. Ansonsten ist davon auszugehen, dass er seine Pflichten verletzt hat und damit nach den Regeln der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit für einen allfälligen Schaden haftbar wird (SZW 2003 S. 102 ff., BETTINA STUTZ / HANS CASPAR VON DER CRONE, Kontrolle von Interessenkonflikten im Aktienrecht, S. 106).

    4. Würdigung des Sachverhalts

      Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte die laufenden Verträge von der Konkursitin in treuwidriger Weise auf die frisch gegründete D1. AG übertragen habe, was zu einer Aushöhlung der Konkursitin geführt habe. So seien beispielsweise die Verträge mit dem Vertragspartner N. AG auf die D1. AG übertragen worden(act. 2/25 Rz. 35).

      Zum Beweis für diese Behauptungen beruft sie sich auf folgende Urkunden:

      • Auflösungsvertrag Gemeinschuldnerin / N. vom 30. Juni 2011 / 12. August 2011 (act. 2/26/24);

      • Übernahmevertrag Gemeinschuldnerin / N. vom 30. Juni 2011 / 12. August 2011 (act. 2/26/25);

      • Schreiben Gemeinschuldnerin vom 22. August 2011 (act. 2/26/26).

      Ferner beantragt sie folgende Editionen:

      • durch D. Beteiligungen AG:

        Anhang zum Kaufvertrag zwischen der D. Beteiligungen AG und H. vom 30. Juni 2011 gemäss klägerischem act. 2/15, Ziff. 7 (Liste der aktuellen Kreditoren und der angefangenen Arbeiten);

        evt. Kontoauszug über Eingang des Kaufpreises

      • durch Revisionsstelle:

      Details zum Buchhaltungskonto Beteiligungen der D. Beteiligungen AG per 31. März 2011, aus welchem hervorgeht, mit welchem Wert die Aktien der D. AG in der Buchhaltung der D. Beteiligungen AG eingesetzt wurden.

      Der Beklagte hat sich in der Duplikschrift mit keinem Wort zu diesen von der Klä- gerin in der Replikschrift dargelegten Veräusserungen von Aktiven an die

      D1.

      AG geäussert und diese mithin auch nicht in rechtsgenügender Weise

      bestritten. Ebensowenig wird in genügender Weise bestritten, dass der Konkursitin durch diese Handlungen Aktiven entzogen wurden. Die pauschale Bestreitung einer Aushöhlung genügt nicht. Es hat somit als unbestritten zu gelten, dass der Beklagte die laufenden Verträge von der Konkursitin auf die frisch gegründete D1. AG übertragen hat und ihr dadurch Aktiven entzogen wurden.

      Gemäss Art. 222 Abs. 2 ZPO hat die beklagte Partei im Einzelnen darzulegen, ob und inwiefern Tatsachenbehauptungen der klagenden Partei anerkannt oder bestritten werden. Die Bestreitungen haben sich auf konkrete Behauptungen der Gegenseite zu beziehen. Dies unterlässt der Beklagte, weshalb die klägerischen Ausführungen in der Replikschrift (act. 2/25 S. 11 f.) zur Aushöhlung Konkursitin durch Übertragung der laufenden Verträge auf die frisch gegründete D1. AG als unbestritten und damit nicht als beweisbedürftig zu gelten haben.

      Der Beklagte beruft sich vor allem darauf, dass er nach dem Verkauf der Aktien keine Kontrolle mehr über die Konkursitin gehabt habe, weshalb er auch nicht zur Verantwortung gezogen werden könne (act. 2/29 S. 9). Sodann behauptet er, dass die Aktiven im Zeitpunkt des Verkaufs noch vorhanden gewesen seien. Dies kann indessen nicht als genügende Bestreitung gelten. Selbst wenn die Aktiven im Zeitpunkt des Verkaufes der Aktien noch vorhanden waren - was von der Klä- gerin bestritten wird -, so kann der Beklagte auch für Handlungen verantwortlich sein, die nach dem Verkauf erfolgt sind, da er gemäss Handelsregisterauszug erst per 14.07.2011 im Handelsregister als Mitglied des Verwaltungsrates der Konkursitin gelöscht wurde. Es ist somit nicht entscheidend, ob die Aktiven im Zeitpunkt des Verkaufs noch vorhanden gewesen sind. Es müssen daher auch keine Beweise zu dieser Frage abgenommen werden.

    5. Rechtliche Würdigung

      1. Übertragung der Verträge D1. AG

        Die Klägerin wirft dem Beklagten eine Aushöhlung der Konkursitin durch Übertragung der laufenden Verträge auf die frisch gegründete D1. AG vor. Als Beispiel dafür beruft sie sich auf Urkunden betreffend die Übertragung von Geschäften der Konkursitin D.

        sen ergibt sich Folgendes:

        1. Vereinbarung I

          AG auf die neu gegründete D1. AG. Aus dieDie Klägerin beruft sich als Erstes auf eine Vereinbarung zwischen der N. AG, Zürich, und der Konkursitin vom 30. Juni / 12. August 2011 (act. 2/26/24).

          Diese hält fest, dass

          infolge einer Handänderung/Verkauf der Firma D. AG [ ] die Auftragsbestätigung vom 15. April 2011 an die D1. AG abgetreten [werde].

          Diese Vereinbarung wurde vom Beklagten am 30. Juni 2011 namens der Konkursitin unterzeichnet. Sie betrifft Arbeiten am , Flughafen Zürich, (BKP ) sowie (BKP ).

        2. Vereinbarung II

          Diese Vereinbarung zwischen der N.

          AG und der D1.

          AG vom

          12. August 2011 regelt die Übernahme der Auftragsbestätigung vom 15. April 2011 durch Letztere (act. 2/26/25). Diese Vereinbarung wurde ebenfalls vom Beklagten, allerdings namens der D1. AG, am 12. August 2011 unterzeichnet. In Ziff. 3 wird sodann festgehalten:

          Die Unternehmerin sichert dem Bauherrn zu, das Werk mit der gleichen Fachkompetenz (Herr O. ) und Erfahrung im Umgang mit den Materialien und Verarbeitungstechniken auszuführen.

          Die Vereinbarung legt somit nahe, dass auch Know-how und Mitarbeiter der Konkursitin auf die D1. AG übertragen wurden.

        3. Schreiben der Geschäftsleitung der Konkursitin vom 22. August 2011

        Dies ergibt sich auch aus einem von der Klägerin eingereichten Schreiben der

        Konkursitin an P.

        von der N. AG vom 22. August 2011 (act. 2/26/26).

        Es ist unklar, wer dieses Schreiben namens der Konkursitin unterschrieben hat. Im Briefkopf wird die Geschäftsleitung erwähnt. In diesem Schreiben an die N. AG wird Folgendes festgehalten:

        Gemäss Kaufvertrag vom 30.06.2011 wurden sämtliche Aufträge vollumfänglich der D1. AG abgetreten, da wir als Käufer keine Kenntnisse und Mitarbeiter für die vereinbarten Arbeiten/Gewerke haben.

        Darin wird somit bestätigt, dass sämtliche Aufträge an die D1. AG übertragen wurden. Unklar bleibt, ob in diesem Schreiben mit sämtliche Aufträge nur diejenigen gemeint waren, welche die Konkursitin seitens der N. AG erhalten hatte, oder auch sämtliche Aufträge anderer Auftraggeber als der N. AG. Die Begründung da wir als Käufer keine Kenntnisse und Mitarbeiter für die vereinbarten Arbeiten/Gewerke haben spricht eher für letzteres, da die Konkursitin offenbar gar nicht in der Lage war, die Geschäfte selber wie bisher weiterzuführen. Die Klägerin behauptet auch, dass die laufenden Verträge auf die

        D1.

        AG übertragen wurden und führt N. AG nur als Beispiel an. Man-

        gels rechtsgenügender Bestreitung des Beklagten ist daher von einer Übertragung sämtlicher laufender Verträge auf die Nachfolgefirma D1. gehen.

        AG auszuSodann fällt auch auf, dass diese Abtretung sämtlicher Aufträge gemäss Kaufvertrag vom 30.06.2011 erfolgt ist (act. 2/26/26). Dies widerspricht den Bestimmungen des Kaufvertrages vom 30.06.2011, der vorliegend von der Klägerin eingereicht wurde (act. 2/2/15, Ziff.4 und 7). Dieser Widerspruch lässt sich vorliegend nicht klären, könnte aber durchaus dafür sprechen, dass die Bestimmungen des Kaufvertrages vom 30.06.2011 nicht ernst gemeint waren, zumal der Beklagte bereits am 30.06.2011 die Vereinbarung I unterzeichnete und damit die Übertragung der Geschäfte an eine Nachfolgefirma bereits am Tag der Unterzeichnung des Aktienkaufvertrages in die Wege leitete. Letztlich kann dies jedoch vorliegend offen bleiben. Entscheidend ist einzig, ob diese Handlungen dem Beklagten anzulasten sind.

        Im Schreiben der Konkursitin an P. 2011 (act. 2/26/26) wird sodann erwähnt:

        von der N.

        AG vom 22. August

        Somit können wir als D. AG keine Forderungen abtreten und die A. auch keine Zession geltend machen.

        Die Abtretung an die neu gegründete D1. AG bewirkte somit, dass die Klä- gerin keine Zessionen auf Forderungen aus den Aufträgen der N. AG geltend machen konnte.

        Schliesslich wird in diesem Schreiben noch festgehalten:

        Die gestellte Akontozahlung vom 29.06.2011 können Sie stornieren, da zu diesem Zeitpunkt keine Aufwände (Lieferantenfakturen) verbucht waren.

        Der Umstand, dass die Konkursitin bereits vor dem Aktienverkauf eine Akontorechnung stellte, spricht dafür, dass diese Zahlung nach Meinung der Konkursitin damals fällig war. Daran würde auch der Umstand, dass noch keine Lieferantenfakturen verbucht worden waren, nichts ändern. Falls die Konkursitin bereits Arbeiten im Zusammenhang mit den Aufträgen beim , Flughafen Zürich geleistet

        hat, würde wohl die Aufforderung an die N. AG, eine bereits gestellte Rechnung zu stornieren, zu einer Schädigung der Konkursitin führen.

      2. Interessenkonflikt

        Im Zusammenhang mit der Übertragung der Aufträge N.

        AG handelte der

        Beklagte also sowohl für die D. AG (Konkursitin) als auch für die D1. AG als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat. Es stellt sich die Frage, ob das Verhalten des Beklagten aufgrund dieser Doppelvertretung eine Verletzung der Treuepflicht nach Art. 717 Abs. 1 OR darstellt. Gemäss den von der Klägerin eingereichten Urkunden wurde die Übertragung der Aufträge nicht mit einem Ver-

        trag zwischen D.

        AG (Konkursitin) und D1.

        AG, sondern mit einem

        Auflösungsvertrag zwischen D.

        AG (Konkursitin) (Vereinbarung 1,

        act. 2/26/24) und der N.

        AG sowie mit einem Übernahmevertrag zwischen

        der D1.

        AG und der N. AG (Vereinbarung 2, act. 2/26/25) vereinbart.

        Dies ändert jedoch nichts daran, dass dies im Resultat einer unzulässigen Doppelvertretung gleichkommt, da der Beklagte als Verwaltungsrat beider Firmen in einem Interessenkonflikt stand.

        Schon am 30.06.2011 hat der Beklagte als Verwaltungsratspräsident der Konkursitin dafür gesorgt, dass die Aufträge der N. AG aufgelöst wurden und dass kurz darauf die D1. AG als Nachfolgefirma gegründet wurde (am tt.07.2011 ins Handelsregister eingetragen). Diese hat weitgehend den gleichen Geschäftszweck wie die Konkursitin. Bei der Gründung hatte sie ihren Sitz in ... Uri (act. 2/26/25), wobei bereits in der Vereinbarung 2 / Übernahme Auftrag (act. 2/26/25) bei der Adresse festgehalten wurde (Sitzverlegung in Bearbeitung). Danach verlegte sie ihren Sitz an den gleichen Ort, an dem ursprünglich die Konkursitin ihren Sitz hatte, nämlich [Adresse].

        Wie erwähnt, ergibt sich sodann aus der Vereinbarung 2 sowie dem Schreiben vom 22. August 2011 (act. 2/26/26), dass auch Know-how und Mitarbeiter an die neue Firma übertragen wurden und es der Konkursitin mithin nicht mehr möglich war, ihre bisherige Geschäftstätigkeit weiterzuführen.

        Bereits aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte sowohl auf Seiten der Konkur-

        sitin als auch für die D1.

        AG handelte, ist eine Interessenkollision des Beklagten nachgewiesen. In einer solchen Situation wird gemäss Lehre und Rechtsprechung eine Treuepflichtverletzung vermutet. Es obliegt deshalb dem Gesellschaftsorgan, welches unter Interessenkonflikt handelt, die durch den Interessenkonflikt begründete Vermutung einer Verletzung der Treuepflicht zu widerlegen und nachzuweisen, dass er sein Mandat sorgfältig und getreu erfüllt hat.

        Das Handeln unter Interessenkonflikt begründet somit die Vermutung, dass der Beklagte seine Treuepflicht als Verwaltungsrat der Konkursitin verletzt hat. Zu seiner Entlastung müsste er dartun und nachweisen können, dass eine Benachteiligung der Gesellschaftsinteressen ausgeschlossen ist. Ansonsten ist davon auszugehen, dass er als Verwaltungsrat seine Pflichten verletzt hat und damit nach den Regeln der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit für einen allfälligen Schaden haftbar wird (SZW 2003 S. 102 ff., BETTINA STUTZ / HANS CASPAR VON DER CRONE, Kontrolle von Interessenkonflikten im Aktienrecht, S. 106).

        Der Beklagte führte aber keine Gründe an, welche sein Verhalten rechtfertigen könnten. Er unterliess es vielmehr, sich in der Duplik zur Übertragung der Geschäfte der Konkursitin auf die D1.

        AG zu äussern. Es wäre aber Sache

        des Beklagten gewesen, diese Vermutung zu entkräften und darzutun, weshalb das Geschäft im Interesse der Konkursitin gewesen sei und dieser dadurch kein Schaden entstanden sei. Es genügt nicht, in unsubstantiierter Weise zu behaupten, der Schaden sei erst nach seinem Rücktritt aus dem Verwaltungsrat entstanden. Mangels Nachweises von Rechtfertigungsgründen ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte seine Treuepflichten als Verwaltungsrat (Art. 717 OR) verletzt hat und die in Frage stehenden Handlungen des Beklagten eine Benachteiligung der Konkursitin zur Folge hatten.

      3. Fazit

        Vorliegend ist somit aufgrund der Doppelvertretung des Beklagten bei der Über-

        tragung der Geschäfte der Konkursitin auf die D1.

        AG davon auszugehen,

        dass der Beklagte mit der Übertragung der laufenden Geschäfte der Konkursitin

        auf die D1. AG seine Treuepflichten als Verwaltungsrat der Konkursitin ver- letzt hat.

    6. Schaden

      Es ist zwischen den Parteien unbestritten, dass der Unternehmenswert grob umrissen mindestens CHF 1,644 Mio. betrug (CHF 1,644 Mio. gemäss Beklagtem; CHF 1,864 Mio. gemäss Klägerin [act. 2/8 Rz. 26; act. 2/25 Rz. 25]). So behauptet der Beklagte selbst, die Gesellschaft sei beim Verkauf an H. mit Aktiven von ca. CHF 1,7 Mio. übertragen worden (act. 2/29 S. 9 RZ. 40). Sodann ist unbestritten, dass die Konkursitin bei Konkurseröffnung über praktisch keine Aktiven mehr verfügte (act. 2/8 Rz. 27; act. 2/25 Rz. 36). Die Konkursitin erlitt mithin im Zeitraum zwischen dem Verkauf der Aktien vom 30. Juni 2011 bis zur Erstellung des Konkursinventars vom 18. Mai 2012 eine enorme Abnahme des Vermögens von mindestens CHF 1,644 Mio.

      Wie erwähnt ist ein Schaden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen - nach dem schädigenden Ereignis festgestellten - Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis gehabt hätte. Der Schaden kann insbesondere durch eine Abnahme des Vermögens durch Verminderung der Aktiven entstehen. Insoweit stellt die Abnahme des Vermögens von mindestens CHF 1,644 Mio. einen Schaden der Konkursitin dar. Die Klägerin verlangt nur einen Teilbetrag von CHF 193'675.97.

      Es stellt sich die Frage, ob vorliegend die Bezifferung des Gesamtschadens genügt, oder ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, im Einzelnen darzutun und zu begründen, aus welchen Positionen dieser Schaden besteht und wie dieser im Einzelnen entstanden ist.

      Wie konkret und detailliert die Substantiierung sein muss, hängt von den Umstän- den des Einzelfalles ab. Die Anforderungen sind niedriger, wenn es um Tatsachen geht, die sich ausserhalb der Sphäre des Behauptenden ereignet haben. Vorliegend ereigneten sich die in Frage stehenden Handlungen ausserhalb der

      Sphäre der Klägerin. Insoweit genügt vorliegend die Behauptung eines Gesamtschadens, und ein grösserer Detaillierungsgrad ist nicht zumutbar, zumal die Klä- gerin keinen Zugang zu den Geschäften und Unterlagen der Konkursitin hat. Ausserdem obliegt es nach der Rechtsprechung in Anbetracht der nachgewiesenen Treuepflichtverletzung des Beklagten diesem, darzutun und nachzuweisen, dass der Konkursitin durch die Interessenkollision kein Schaden entstanden ist. Die Klägerin kommt daher vorliegend ihrer Behauptungsund Substantiierungslast mit der Behauptung des - im Übrigen unbestrittenen - Gesamtschadens in genügender Weise nach.

      Der Umstand, dass dieser Schaden möglicherweise erst nach dem Verkauf der

      Aktien an H.

      entstanden ist, ändert daran nichts. Ein Schaden muss nicht

      unbedingt sofort im Zeitpunkt der Pflichtverletzung entstehen, sondern kann auch erst später eintreten. Massgebend ist, wo die Ursache für den Schaden gesetzt wurde, und ob diese in Verletzung der Pflichten als Verwaltungsrat erfolgte. Es ist deshalb nicht von entscheidender Bedeutung, ob im Zeitpunkt des Aktienverkaufs noch Aktiven von ca. CHF 1,7 Mio vorhanden waren, wie der Beklagte behauptet (act. 2/29 S. 9 Rz. 40). Entscheidend ist vielmehr, ob zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten und diesem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Es muss daher auch kein Beweisverfahren darüber durchgeführt werden, welche Aktiven im Zeitpunkt des Aktienverkaufs noch vorhanden waren.

    7. Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

      Zwischen dem Schaden und der Pflichtverletzung muss ein natürlicher und adä- quater Kausalzusammenhang bestehen. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhanges sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise eingetreten gedacht werden kann. Eine Ursache ist dann adäquat kausal, wenn sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den entstandenen Schaden herbeizuführen. Es kommt also auf die generelle Eignung der fraglichen Ursachen an, Wirkungen der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. GAUCH et al., Schweizerisches Obligationenrecht, AT, 9. Aufl., Zürich 2008, N 2750 ff. mit Hinweisen auf Rechtsprechung).

      Der Beweis des natürlichen Kausalzusammenhangs obliegt grundsätzlich der Klägerin. Wie bereits im Zusammenhang mit der Verletzung der Treuepflicht ausgeführt wurde, ist bei einer Interessenkollision zu vermuten, dass der Gesellschaft mit solchen Handlungen ein Nachteil entsteht. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, diese Vermutung zu entkräften und darzutun, weshalb diese Handlungen Geschäfte im Interesse der Konkursitin gewesen seien und dieser dadurch kein Schaden entstanden sei. Nachdem der Beklagte sich dazu aber in keiner Weise geäussert und keine Gründe angeführt hat, welche ein solches Verhalten rechtfertigen könnten, ist zu vermuten, dass der Schaden der Konkursitin einzig auf die treuwidrigen Geschäfte des Beklagten zurückzuführen ist.

      Die Klägerin macht geltend, die Aushöhlung der Konkursitin durch Übertragung ihrer Geschäfte auf die D1. AG habe zu einer kalten Liquidation der Konkursitin und schliesslich zu deren Konkurs geführt. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung sind die inkriminierten Handlungen des Beklagten durchaus geeignet, den entstandenen Schaden herbeizufüh- ren, da der Konkursitin durch die Übertragung der Geschäfte und des Know-how auf die neu gegründete Nachfolgefirma die Geschäftsgrundlage entzogen wurde und diese ihre Geschäfte nicht mehr in gleicher Weise wie zuvor weiterführen konnte.

      Der Beklagte hat es sodann auch unterlassen, im Einzelnen darzutun und nachzuweisen, dass ein Schaden auch ohne die in Frage stehenden treuwidrigen Handlungen eingetreten wäre. Er gibt zwar den Nachfolge-Verwaltungsräten die Schuld am Vermögensverlust der Konkursitin, ohne jedoch darzulegen, welche konkreten Handlungen der Nachfolger zu diesem Schaden geführt hätte. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, in genügend substantiierter Weise auszuführen, dass der derselbe Schaden tatsächlich auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäss verhalten hätte (vgl. BGE 131 III 115 E. 3.1 und 3.3). Jedenfalls liegt es am Haftpflichtigen, dies aufzuzeigen (BGer 4C.118/2005 vom 8. August 2005; BÖCKLI, a.a.O., § 18 N 427 und Fn 1031).

      Nach dem Gesagten ist somit davon auszugehen, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung die Handlungen des Beklagten geeignet waren, den entstandenen Schaden herbeizuführen, nachdem der Konkursitin durch die Übertragung der Geschäfte und des Know-how auf die neu gegründete Nachfolgefirma die Geschäftsgrundlage entzogen wurde. Nur damit lässt sich auch der tiefe Kaufpreis für den Verkauf der Aktien an H. von CHF 10'000.-- erklären.

    8. Verschulden

      Es gilt ein objektiver Verschuldensmassstab. Ein Verschulden ist also immer dann gegeben, wenn ein Organ nicht so gehandelt hat, wie es von einem objektivierten Organ in der konkreten Stellung verlangt werden darf (BSK OR IIGERICKE/WALLER, Art. 754 N 32 mit Hinweis auf BGE vom 12. Februar 2007, 4C.358/2005, Erw. 5.6). Die Mitglieder des Verwaltungsrates haften für jedes Verschulden, d.h. auch für leichte Fahrlässigkeit.

      Da der Beklagte - wie oben ausgeführt - pflichtwidrig gegen die aktienrechtliche Treuepflicht gemäss Art. 717 Abs. 1 OR verstossen hat und keinerlei Rechtfertigungsgründe behauptet, ist auch sein Verschulden zu bejahen. Der Beklagte hat zumindest in Kauf genommen, dass der Konkursitin faktisch ihre Geschäftsgrundlage entzogen und damit auch ihre Aktiven geschmälert wurden.

    9. Fazit

      Der Klägerin gelingt somit der Nachweis dafür, dass der Beklagte die D. AG

      [seit 19. Oktober 2011 E.

      AG] in pflichtwidriger Weise wirtschaftlich ausgehöhlt hat und damit gegen seine aktienrechtliche Treuepflicht gemäss Art. 717 Abs. 1 OR verstossen hat.

      Auch die erforderliche Kausalität zwischen Handlung und Schaden ist erstellt.

      Die Klägerin hat ihre Klage auf den Betrag von CHF 193'675.97 begrenzt. In diesem Betrag ist ihre Klage gutzuheissen.

    10. Zinsen

      Schadenszins ist ab dem Zeitpunkt geschuldet, in welchem sich das schädigende Ereignis finanziell ausgewirkt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird der Schadenszins in der Regel auf 5 % festgesetzt (BSK OR IIGERICKE/WALLER, Art. 754 N 50 mit Hinweisen auf Rechtsprechung).

      Aus der Klagebegründung ergibt sich allerdings, dass die Klägerin nicht Schadenszins, sondern Verzugszins von 5 % seit 1. Juni 2011 fordert. Ein solcher ist ab Klageeinleitung, d.h. 12. März 2014, geschuldet, nachdem die Klägerin nicht dartut, dass sie den Beklagten gemahnt hat.

  8. Zus ammenfassung

Die Verantwortlichkeitsklage der Klägerin ist somit gutzuheissen, und der Beklagte ist zu verpflichten, der Klägerin CHF 193'675.97 nebst Zins von 5 % seit

12. März 2014 zu bezahlen.

9. Kostenund Entschädigungsfolgen

Es ist von einem Streitwert von insgesamt CHF 193'675.97 auszugehen.

Da der Beklagte im vorliegenden Prozess mit Ausnahme der Zinsen gänzlich unterliegt, rechtfertigt es sich, ihm die Kosten vollumfänglich aufzuerlegen.

Die Höhe der Gerichtskosten bestimmt sich nach der Gerichtsgebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 [GebV OG] (Art. 96 ZPO i.V.m.

§ 199 Abs. 1 GOG) und richtet sich in erster Linie nach dem Streitwert bzw. nach

dem tatsächlichen Streitinteresse (§ 2 Abs. 1 lit. a GebV OG). In Anbetracht des Schwierigkeitsgrades und des Aufwandes einerseits, dem Umstand, dass ein Teil des ursprünglichen Prozesses kostenpflichtig durch Nichteintreten erledigt wurde andererseits, rechtfertigt es sich, die Gerichtsgebühr auf 100 % der Grundgebühr anzusetzen (§ 4 Abs. 1 und 2 GebV OG). Die Kosten sind teilweise aus dem von der Klägerin geleisteten Vorschuss zu decken (Art. 111 Abs. 1 ZPO) und dieser vom Beklagten zu ersetzen (Art. 111 Abs. 2 ZPO). Der nichtgedeckte Teil ist vom Beklagten einzufordern (Art. 111 Abs. 1 ZPO).

Die Höhe der Parteientschädigung ist nach der Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010 [AnwGebV] zu bemessen (Art. 105 Abs. 2 ZPO). Grundlage bildet auch hier der Streitwert (§ 2 Abs. 1 lit. a AnwGebV). Es sind dabei die Anzahl der eingereichten Rechtsschriften sowie die Referentenaudienz/Vergleichsverhandlung zu berücksichtigen, weshalb sich grundsätzlich eine Prozessentschädigung von 150 % der Grundgebühr rechtfertigen würde (§§ 2 und 6 AnwGebV). Für die Entschädigung eines angestellten Anwalts ist diese Gebühr in Ermangelung einer ausgedehnten Einarbeitung in die Verhältnisse der Klientschaft praxisgemäss um rund einen Drittel zu reduzieren (vgl. SUTER/VON HOLZEN in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 2016, N 42 zu Art. 95 ZPO). Damit ist die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Parteientschädigung in der Höhe von CHF 16'000.-- zu bezahlen.

Das Handelsgericht erkennt:
  1. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin CHF 193'675.97 nebst Zins von 5 % seit 12. März 2014 zu bezahlen.

  2. Die Gerichtskosten werden auf CHF 12'500.-- festgesetzt.

  3. Die Gerichtskosten gemäss Ziffer 2 werden dem Beklagten auferlegt. Sie werden im Umfang von CHF 9'000.-- aus dem von der Klägerin geleisteten Kostenvorschuss gedeckt. Der Klägerin wird dafür der Rückgriff auf den Beklagten eingeräumt. Im Umfang von CHF 3'500.-- werden die Kosten direkt vom Beklagten bezogen.

  4. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung in Hö- he von CHF 16'000.-- zu bezahlen.

  5. Schriftliche Mitteilung an die Parteien.

  6. Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert beträgt CHF 193'675.97.

Zürich, 10. Mai 2016

Handelsgericht des Kantons Zürich

Vorsitzender:

Dr. George Daetwyler

Gerichtsschreiber:

Dr. Thomas Steininger

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