Kanton: | ZH |
Fallnummer: | HE190408 |
Instanz: | Handelsgericht des Kantons Zürich |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.12.2019 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Organisationsmangel |
Schlagwörter : | Sachwalter; Gesuch; Gesuchsgegnerin; Verwaltungsrat; Gericht; Sachwalters; Verwaltungsrates; Rechtsanwalt; Frist; Organisation; Ernennung; Kompetenzen; Vorliegenden; Verfügung; Kantons; Bemühungen; Verpflichtet; Vorschuss; Fehlenden; Liquidation; Ernennen; Hinweis; Ansetzung; Massnahmen; Gesellschaft; Verfügt; Einzusetzen; Handelsgericht; Handelsregister |
Rechtsnorm: | Art. 106 ZPO ; Art. 731b OR ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar zugewiesen: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Weitere Kommentare: | - |
Handelsgericht des Kantons Zürich
Einzelgericht
Geschäfts-Nr.: HE190408-O U/mk
Mitwirkend: Oberrichter Dr. Stephan Mazan sowie der Gerichtsschreiber Dr. Benjamin Büchler
in Sachen
,
Gesuchstellerin
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X.
gegen
Gesuchsgegnerin
betreffend Organisationsmangel
(act. 11 S. 2)
Für die B. AG sei ein geeigneter Sachwalter zu bestellen. Dessen Amtsdauer sei zeitlich zu befristen und ohne Weiteres als beendet zu erklä- ren, wenn und sobald ein Verwaltungsrat ernannt und im Handelsregister eingetragen ist;
alles unter Kostenund Entschädigungsfolgen zulasten der B. AG.
Mit Eingabe vom 9. Oktober 2019 (überbracht) stellte A. (nachfolgend: Gesuchstellerin) das Gesuch, sie (A. ) - eventualiter ihr Sohn (C. ), subeventualiter ein Dritter - sei als Verwaltungsrat der B. AG zu bestellen (act. 1).
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2019 hielt das Gericht fest, dass weder die
Gesuchstellerin noch deren Sohn als Verwaltungsrat der B.
AG (nachfolgend: Gesuchsgegnerin) bestellt würden. Allerdings stellte das Gericht in Aussicht, dass für die Gesuchsgegnerin ein Sachwalter zu ernennen sei. Mit Schreiben vom 12. November 2019 stimmt die Gesuchstellerin dieser Auffassung zu und stellte das angepasste, oben aufgeführte Rechtsbegehren (act. 11 S. 2).
Am 11. November 2019 ging der Vorschuss für die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 2'500.00 innert Nachfrist ein (act. 12).
Mit Verfügung vom 15. November 2019 wurde der Gesuchstellerin eine (Nach-)Frist für die Bevorschussung der Sachwalterkosten von einstweilen CHF 20'000.00 angesetzt und als Sachwalter folgende Person vorgeschlagen:
lic. iur D. , Rechtsanwalt, LL.M. E. AG
...-strasse Postfach
F.
Am 26. November 2019 ging der Vorschuss für die Sachwalterkosten von CHF 20'000.00 rechtzeitig ein (act. 16). Gegen Rechtsanwalt lic. iur. D. als Sachwalter wurden keine Einwände erhoben.
Das Gesuch der Gesuchstellerin ist wie folgt zu beurteilen:
Die Gesuchsgegnerin (B. AG) verfügt seit dem Rücktritt des einzigen Verwaltungsrates G. am 24. September 2019 über keinen Verwaltungsrat mehr (act. 1 Rz. 2, act. 3/1). Bei der Gesuchsgegnerin besteht offensichtlich ein Organisationsmangel. Die Gesuchstellerin (A. ) ist legitimiert, dem Gericht die erforderlichen Massnahmen wegen Organisationsmängeln der Gesuchsgegnerin zu beantragen, weil sie glaubhaft gemacht hat, dass sie Gläubigerin der Gesuchsgegnerin ist (act. 1 Rz. 4 mit Hinweis auf act. 3/3).
Das Gesetz sieht bei Organisationsmängeln in Art. 731b Abs. 1 OR insbesondere folgende richterliche Massnahmen vor: Fristansetzung zur Mangelbehebung (Ziff. 1), Ernennung des fehlenden Organs oder eines Sachwalters (Ziff. 2), Liquidation nach den Vorschriften des Konkurses (Ziff. 3). Zu den vom Gesetz vorgesehenen Massnahmen ist folgendes zu bemerken:
Fristansetzung zur Mängelbehebung (Ziff. 1): Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich setzte der B. AG bereits in einem separaten Organisationsmmangelverfahren, das derzeit beim Handelsgericht hängig ist, Frist zur Mängelbehebung an (HE190462). Im vorliegenden Verfahren (HE190408) fällt eine Fristansetzung, angesichts der anhaltenden erbrechtlichen Streitigkeiten (act. 11 Rz. 2 ff.) und der damit verbundenen fehlenden Aussicht auf eine mögliche Mangelbehebung innert nützlicher Frist durch die Gesuchsgegnerin selbst, ausser Betracht.
Ernennung des fehlenden Organs oder eines Sachwalters (Ziff. 2): Das Einzelgericht hat in der Verfügung vom 10. Oktober 2019 erläutert, weshalb eine gerichtliche Ernennung eines Verwaltungsrates im vorliegenden Fall nicht in Frage kommt und ausgeführt, dass nur die Einsetzung eines Sachwalters in Frage kommen könne (vgl. act. 4 E. 5 und 6). Auch die Gesuchstellerin geht mit dem Gericht einig, dass ein Sachwalter zu ernennen sei (act. 11). Daher ist ein Sachwalter einzusetzen.
Liquidation der Gesellschaft (Ziff. 3): Die Liquidation der Gesellschaft als ultima ratio fällt im vorliegenden Fall (einstweilen) ausser Betracht, da die Gesuchsgegnerin nach Darstellung der Gesuchstellerin eine liquide Gesellschaft mit zwölf Angestellten sein soll (act. 1 Rz. 10 ff.).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ein Sachwalter einzusetzen ist. Da gegen den vom Gericht vorgeschlagenen Sachwalter keine Einwände erhoben wurden, ist Rechtsanwalt lic. iur D. als Sachwalter zu ernennen.
Wenn das Gericht zum Schluss kommt, dass ein Sachwalter einzusetzen ist, hat er dessen Kompetenzen im Urteil festzuhalten.
Wie erwähnt verfügt die Gesuchsgegnerin seit dem Rücktritt ihres einzigen Verwaltungsrates G. am 24. September 2019 über keinen Verwaltungsrat mehr. Der Sachwalter wird daher mit der unabhängigen Wahrung der objektiven Interessen der Gesuchsgegnerin beauftragt. Zu diesem Zweck sind dem Sachwalter die Kompetenzen eines einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrates einzuräumen (Art. 716 ff. OR).
Die Einsetzung eines Sachwalters stellt eine vorübergehende Lösung dar. Dem Sachwalter kommt deshalb insbesondere die Aufgabe zu, auf eine Wiederherstellung der gesetzlichen Organisation hinzuwirken. Dazu hat er eine (a.o.) Generalversammlung im Hinblick auf die Wahl eines Verwaltungsrates einzuberufen, wobei auf die laufende Erbschaftsstreitigkeit im Nachlass des Alleinaktionärs hinzuweisen ist. Eine Koordination mit den Erben bzw. deren Vertreter und einem allfälligen Erbschaftsverwalter ist daher unerlässlich.
Eine Eintragung des Sachwalters im Handelsregister ist entbehrlich, weil der vorliegende Entscheid für die Bevollmächtigung von Rechtsanwalt D. eine ausreichende Grundlage bildet.
Das Mandat des Sachwalters ist zu befristen (Art. 731b Abs. 2 OR). Im vorliegenden Fall würde das Mandat des Sachwalters mit der Wahl eines Verwaltungsrates bzw. der Ernennung eines Erbschaftsverwalters enden, worüber das hiesige Gericht zu informieren ist.
Da das Gesuch der Gesuchstellerin gutzuheissen ist, wird die Gesuchsgegnerin kostenund entschädigungspflichtig (Art. 106 ZPO). Die Gesuchsgegnerin muss auch für die Bemühungen des Sachwalters aufkommen (Art. 731b Abs. 2 OR). In Bezug auf die Höhe des Streitwertes ist auf die Verfügung vom 10. Oktober 2019 zu verweisen (act. 4 S. 3 unten).
Rechtsanwalt lic. iur D.
(E. AG, -strasse , Postfach,
F. ) wird zum Sachwalter der Gesuchsgegnerin ernannt.
Als Sachwalter der Gesuchsgegnerin verfügt Rechtsanwalt lic. iur. D. insbesondere über folgende Kompetenzen (keine abschliessende Aufzäh- lung):
Kompetenzen eines einzelzeichnungsberechtigten Verwaltungsrates (Art. 716 ff. OR). Im Rahmen dieser Kompetenzen hat der Sachwalter die objektiven Interessen der Gesuchsgegnerin unabhängig zu wahren.
Einberufung einer (a.o.) Generalversammlung innert angemessener Frist im Hinblick auf die Wahl eines Verwaltungsrates.
Zeitlich endet das Mandat spätestens mit der Wahl eines Verwaltungsrates bzw. der Ernennung eines Erbschaftsverwalters, worüber das hiesige Gericht zu informieren ist.
Die Geschäftsführung der Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, dem Sachwalter alle von ihm gewünschten Informationen vollständig zukommen zu lassen und seine Weisungen zu befolgen. Bei einer Zuwiderhandlung könnten auf Hinweis bzw. Begehren des Sachwalters hin durch das vorliegende Gericht Vollstreckungsmassnahmen im Sinne von Art. 335 ff. ZPO getroffen werden.
Die Obergerichtskasse des Kantons Zürich wird angewiesen, dem Sachwalter sofort nach dessen Kontonennung den für seine Bemühungen geleisteten Kostenvorschuss von CHF 20'000 zu überweisen. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin den für die Bemühungen des Sachwalters geleisteten Vorschuss von CHF 20'000.00 zu ersetzen.
Der Sachwalter hat zu gegebener Zeit dem Gericht über seine Bemühungen eine Abrechnung zur Genehmigung zuzustellen, verbunden allenfalls mit einem Gesuch betreffend weiterer Bevorschussung oder mit weiteren Anträ- gen. Darüber wird (jeweils) nach Gewährung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten in einem separaten Zusatzverfahren entschieden.
Die Gerichtsgebühr wird auf CHF 2'500.00 festgesetzt und aus dem von der Gesuchstellerin geleisteten Vorschuss gedeckt. Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin den Betrag zu ersetzen.
Die Gesuchsgegnerin wird verpflichtet, der Gesuchstellerin eine Parteientschädigung von CHF 2'500.00 zu bezahlen.
Schriftliche Mitteilung an die Parteien, an den Sachwalter Rechtsanwalt lic. iur. D. , in die Akten des Verfahrens HE190462 sowie an die Kasse des Obergerichtes, unter speziellem Hinweis auf Dispositiv Ziffern 5.
Eine bundesrechtliche Beschwerde gegen diesen Entscheid ist innerhalb von 30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Beschwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42 und 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG). Der Streitwert übersteigt CHF 30'000.00.
Zürich, 6. Dezember 2019
Handelsgericht des Kantons Zürich Einzelgericht
Der Gerichtsschreiber:
Dr. Benjamin Büchler
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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