ZK1 2020 28 - Forderung aus Mietvertrag
Urteil vom 22. Dezember 2021
ZK1 2020 28
Mitwirkend
KantonsgerichtsPräsident Dr. Reto Heizmann,
Kantonsrichter Pius Schuler, Jürg Meister,
Josef Reichlin und Bettina Krienbühl,
Gerichtsschreiber MLaw Patrick Neidhart.
In Sachen
1. A.__,
Beklagter und Berufungsführer,
2. B.__,
Beklagter und Berufungsführer,
vertreten durch Rechtsanwältin C.__,
gegen
D.__,
Klägerin und Berufungsgegnerin,
betreffend
Forderung aus Mietvertrag
(Berufung gegen die Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht Höfe vom 13. Juli 2020, ZEV 2019 71);-
hat die 1. Zivilkammer,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. a) Am 12. November 2019 reichte D.__ Klage gegen A.__ und B.__ ein mit folgenden Rechtsbegehren (Vi-act. A/I):
1. Es sei festzustellen, dass die Kündigung vom 25. Juni 2019 gültig und wirksam ist.
2. Es sei von einer Erstreckung des Mietverhältnisses abzusehen.
3. Eventualiter sei das Mietverhältnis erst- und letztmalig bis zum 28. Februar 2020 zu erstrecken.
4. Es sei festzustellen, dass keine Verpflichtung der Klägerin zur Mängelbeseitigung besteht betreffend:
a) Abfluss/Geruch Geschirrspler
b) Klemmen der BadezimmerTüre
c) Ersatz der fehlenden Schlaf- und Badezimmerschlüssel
d) Löftung im Badezimmer.
5. Es sei festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, einen Hausschlüssel zu behalten.
6. Es sei festzustellen, dass kein Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses besteht.
7. Es sei festzustellen, dass die Beklagten zur Hinterlegung der Mietzinse nicht berechtigt sind.
8. Die bei der SchlichtungsBehörde im Mietwesen des Bezirks Höfe hinterlegten Mietzinse (Konto xx) seien der Klägerin herauszugeben.
9. Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.
Mit Klageantwort vom 9. Dezember 2019 beantragten die Beklagten, auf die Klage sei nicht einzutreten, eventualiter sei die Klage abzuweisen
(Vi-act. A/II). Die Vorinstanz liess am 13. Dezember 2019 von der SchlichtungsBehörde Höfe die Akten der beiden Verfahren SLI 2019 32 und SLI 2019 41 edieren (Vi-act. D2 und D3). Am 30. März 2020 reichte die Klägerin eine Stellungnahme ein mit folgenden Rechtsbegehren (Vi-act. A/III):
1. An den Anträgen der Klägerin vom 12. November 2019 wird festgehalten.
2. Die Anträge der Klägerin seien um die Miete Februar 2020, Mängelbeseitigung nach Auszug und Schadenersatz zu ergänzen.
3. Die Rechtsbegehren der Beklagten seien abzuweisen.
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten.
Die Parteien reichten am 28. April 2020 (Beklagte, Vi-act. A/IV) und am 15. Juni 2020 (Klägerin, Vi-act. A/V) weitere Stellungnahmen ein. Am 13. Juli 2020 verfügte die Vorinstanz was folgt (angefochtene Verfügung):
1. Der Nichteintretensantrag der Beklagten betreffend die Gültigkeit der Klagebewilligung wird abgewiesen.
2. Die NichteintretensAnträge der Beklagten betreffend den Mietzinsanspruch und die Mängelbeseitigung werden abgewiesen.
3. Auf die Klage betreffend Schadenersatzanspruch wird nicht eingetreten.
4. Die Gerichtskosten in der Höhe von CHF 900.00 werden zu zwei Dritteln, CHF 600.00, den Beklagten unter solidarischer Haftbarkeit und zu einem Drittel, CHF 300.00, der Klägerin auferlegt.
5. Die Klägerin hat den Beklagten eine reduzierte Parteientschädigung von CHF 800.00 zu bezahlen.
6. [Rechtsmittel]
7. [Zufertigung]
b) Dagegen erhoben die Beklagten am 12. August 2020 Berufung mit folgenden Rechtsbegehren (KG-act. 1):
1. In Gutheissung der Berufung seien die Dispositiv-Ziffern 1, 2, 4 und 5 der Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht Höfe vom 13. Juli 2020 aufzuheben und insofern zu ändern, als dass
? auf die Klage vom 12. November 2019 (Postaufgabe 15. November 2019) nicht eingetreten wird (Dispositiv-Ziffer 1);
? auf die Klageerweiterung der Klägerin/Berufungsbeklagten vom 30. März 2020 betreffend den Mietzinsanspruch und die Mängelbeseitigung nicht eingetreten wird (Dispositiv-Ziffer 2);
? die Gerichtskosten des vorinstanzlichen Verfahrens von CHF 900.00 vollumfänglich der Klägerin/Berufungsbeklagten auferlegt werden (Dispositiv-Ziffer 4) und
? die Klägerin/Berufungsbeklagte verpflichtet wird, den Berufungsklägern/Beklagten eine volle Parteientschädigung zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 5).
2. Eventualiter sei die Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht Höfe vom 13. Juli 2020 aufzuheben, und es sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin/Berufungsbeklagten.
Die Klägerin beantragte mit Berufungsantwort vom 21. September 2020, die Berufung sei abzuweisen und die angefochtene Verfügung zu bestätigen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Beklagten (KG-act. 8).
2. a) Das Gericht tritt auf eine Klage auf ein Gesuch ein, sofern die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Unter Vorbehalt der Ausnahmen von Art. 198 und Art. 199 ZPO, die vorliegend nicht relevant sind, geht dem Entscheid ein Schlichtungsversuch vor einer SchlichtungsBehörde voraus (Art. 197 ZPO). Kommt es zu keiner Einigung, hält die SchlichtungsBehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Die Klagebewilligung berechtigt die klagende Partei, innert den Fristen von Art. 209 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO an das urteilende Gericht zu gelangen. Sie stellt daher eine Prozessvoraussetzung dar (BGE 140 III 74 E. 5; Infanger, in: Späher/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. A., 2017, Art. 209 ZPO N 2).
Die SchlichtungsBehörde kann den Parteien in Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht einen Urteilsvorschlag unterbreiten, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz die Erstreckung des Miet- und Pachtverhältnisses betroffen ist (Art. 210 Abs. 1 lit. b ZPO). Der Urteilsvorschlag gilt als angenommen und hat die Wirkungen eines rechtsKräftigen Entscheids, wenn ihn keine Partei innert 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung ablehnt (Art. 211 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Einhaltung der Frist richtet sich nach Art. 143 ZPO (Infanger, a.a.O., Art. 211 ZPO N 4).
Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht zu dessen Handen der Schweizerischen Post einer schweizerischen diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 143 Abs. 1 ZPO). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist bei falsch adressierten Eingaben für die Fristwahrung das Datum der ersten Postaufgabe massgebend, sofern der Mangel behoben wird und die mittels erneuter Postaufgabe zugestellte Eingabe nachweislich mit der ersten, retournierten Sendung identisch ist (BGer Urteile 5A_536/2018 vom 21. September 2018 E. 3.5; 9C_520/2016 vom 27. Oktober 2016 E. 5.2; 9C_912/2015 vom 5. Juli 2016 E. 3.1).
b) Die Akten der SchlichtungsBehörde enthalten das Schreiben der Klägerin vom 12. Oktober 2019 sowie den damit mitgesandten Brief vom 30. September 2019. Auf dem oben geöffneten Briefumschlag befindet sich ein Klebezettel mit folgendem Text: Geöffnet durch BG Höfe (07.07.2020). Verklebung der Brieflasche vorbestehend Unterhalb dieses Textes steht eine Unterschrift (Vi-act. D3/Dossier SchlichtungsBehörde). Die Brieflasche ist mit einem durchsichtigen Klebeband zugeklebt. Sodann sind auf der Rückseite des Briefumschlages zwei Poststempel angebracht, die sich beide zur Hälfte auf diesem Klebeband befinden. Dieser auf dem Klebeband befindliche Teil der beiden Stempel ist verschmiert und daher unleserlich. Auf dem linken Stempel ist das Datum 30.09.19 zu erkennen (Vi-act. D3/Dossier SchlichtungsBehörde, Briefumschlag der Sendung vom 30. September 2019). Weil sich der Stempel vom 30. September 2019 zur Hälfte auf dem Klebestreifen befindet, muss die Verklebung der Brieflasche bereits am 30. September 2019 beim Versand bestanden haben und kann entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht erst nach Retournierung der Sendung angebracht worden sein. Aus dem mit Klebezettel durch das Bezirksgericht Höfe dokumentierten ?-ffnungszeitpunkt lässt sich sodann schliessen, dass der Brief bis zu seiner ?-ffnung durch das Bezirksgericht Höfe verschlossen blieb. Demzufolge öffnete weder die Klägerin nach Retournierung des Briefes noch die SchlichtungsBehörde nach Einreichung mit Schreiben vom 12. Oktober 2019 den Brief und die mittels erneuter Postaufgabe vom 12. Oktober 2019 zugestellte Eingabe ist mit der urspränglichen Sendung vom 30. September 2019 identisch. In dieser Eingabe lehnte sie den Urteilsvorschlag der SchlichtungsBehörde ab und ersuchte um Ausstellung der Klagebewilligung (Vi-act. D3/Dossier SchlichtungsBehörde, Eingabe vom 30. September 2019).
Zwar war die Adressierung zum Teil falsch (Wollerau statt Pföffikon). Jedoch bezeichnete die Sendung vom 30. September 2019 mit der Adresse SchlichtungsBehörde Höfe, Wollerau SZ, 8832 Wollerau zutreffend die SchlichtungsBehörde Höfe als Empfängerin. Zudem tagt die SchlichtungsBehörde in Wollerau und sie ist dort auch ausgeschildert (Vi-act. A/III S. 3). Abgesehen davon existiert nur eine einzige SchlichtungsBehörde Höfe (vgl. die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung E. 3.2). Aus diesen Gründen wäre es der Schweizerischen Post trotz der nur zum Teil richtigen Adressierung ohne Weiteres zuzumuten gewesen, die Empfängerin bzw. deren Adresse ausfindig zu machen (vgl. BGer Urteil 5A_536/2018 vom 21. September 2018 E. 3.4 mit Verweis auf BVGer Urteil A-3184/2015 vom 29. November 2016 E. 2.3.4). Demzufolge erfällte die Klägerin mit der Eingabe vom 30. September 2019 das Erfordernis der übergabe zu Handen der SchlichtungsBehörde.
Bei diesem Ergebnis bleibt irrelevant, dass die Klägerin ihre zuvor bei der SchlichtungsBehörde eingereichte Klage und Widerklage vom 6. Juni 2019 (Postaufgabe 9. September 2019) nota bene mit ebenfalls verklebter Brieflasche richtig adressiert hatte (SchlichtungsBehörde im Mietwesen, Postfach 43, 8808 Pföffikon?; Vi-act. D3/ Dossier SchlichtungsBehörde, Briefumschlag vom 9. September 2019), mithin bereits vor der fraglichen Sendung vom 30. September 2019 die richtige Adresse der SchlichtungsBehörde gekannt hatte (vgl. BGer Urteil 5A_536/2018 vom 21. September 2018 E. 3.4).
Weil die Klägerin den Mangel der falschen Adressierung nach Retournierung der Sendung vom 30. September 2019 umgehend korrigierte und die ursprängliche Sendung am 12. Oktober 2019 erneut einreichte, handelt es sich um einen einzigen Vorgang, der als Ganzes betrachtet werden muss (vgl. BGer Urteil 5A_536/2018 vom 21. September 2018 E. 3.5). Massgebend ist somit das Datum der ersten Postaufgabe, weshalb die Ablehnung des Urteilsvorschlags rechtzeitig erfolgte und die SchlichtungsBehörde die Klagebewilligung zu Recht ausstellte. Die angefochtene Verfügung ist diesbezüglich nicht zu beanstanden und die Berufung in diesem Punkt abzuweisen.
c) Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 53 ZPO haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör. Dazu Gehört unter anderem das Recht der Betroffenen, an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, jedenfalls wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 142 I 86 E. 2.2 m.w.H.). Das Recht, anGehört zu werden, ist formeller Natur. Dessen Verletzung führt ungeachtet der materiellen begründetheit zur Gutheissung des Rechtsmittels und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus im Sinne einer Heilung des Mangels selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnätigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhürung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer befürderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (vgl. BGE 137 I 195 E. 2.3.2 m.H.).
Die Beklagten Rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Begründung, die Vorinstanz hätte den Parteien Gelegenheit geben müssen, zum Briefumschlag der Sendung vom 30. September 2019 Stellung zu nehmen, insbesondere zur Frage, wer diesen Brief wann öffnete und zur vorbestehenden Verklebung. Trotz ihren Vorbringen verlangten die Beklagten nach Eröffnung der angefochtenen Verfügung nicht um Akteneinsicht bzw. darum, den besagten Briefumschlag im Original zu sehen. Mit Berufung äusserten sie sich zudem zu den Feststellungen der Vorinstanz sowie zu den erwähnten Fragen (KG-act. 1). Weil das Kantonsgericht als Berufungsinstanz über volle Kognition verfügt (Art. 310 ZPO), die Beklagten sich im Berufungsverfahren äussern konnten und eine Rückweisung angesichts der Sachlage (vgl. E. 2.b) zu einem formalistischen Leerlauf führen würde, wäre eine Allfällige Gehörsverletzung durch die Vorinstanz im Berufungsverfahren ausnahmsweise geheilt, weshalb letztlich offenbleiben kann, ob die Vorinstanz das rechtliche Gehör verletzte.
3. a) Die klagende Partei kann gemäss Art. 90 ZPO (Klagenhäufung) mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei in einer Klage vereinen, sofern das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig ist (lit. a) und die gleiche Verfahrensart anwendbar ist (lit. b). Werden mehrere Ansprüche in verschiedenen Schriftsätzen und erst zu einem späteren Zeitpunkt, wie z.B. im Rahmen des Schriftenwechsels, vorgebracht, sind zusätzlich die Voraussetzungen der Klageänderung nach Art. 227 ZPO zu beachten (Klaus, in: Späher/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. A., 2017, Art. 90 ZPO N 14). Eine Klageänderung gemäss Art. 227 Abs. 1 ZPO ist zulässig, wenn der geänderte neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht (lit. a) die Gegenpartei zustimmt (lit. b). Der Streitwert wird durch das Rechtsbegehren bestimmt (Art. 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei einfacher Streitgenossenschaft und Klagenhäufung werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen (Art. 93 Abs. 1 ZPO). Die Zusammenrechnung der geltend gemachten Ansprüche gemäss Art. 93 Abs. 1 ZPO erfolgt vorgängig zur Prüfung nach Art. 90 ZPO. Die Voraussetzungen der gleichen sachlichen zuständigkeit (Art. 90 lit. a ZPO) und der gleichen Verfahrensart (Art. 90 lit. b ZPO) sind auf Grundlage der bereits addierten Streitwerte zu prüfen
(BGE 142 III 788 E. 4.2.3; Klaus, a.a.O., Art. 90 ZPO N 20 f.).
Das vereinfachte Verfahren gilt gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert für Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht, sofern die Hinterlegung von Miet- und Pachtzinsen, der Schutz vor missbräuchlichen Miet- und Pachtzinsen, der Kündigungsschutz die Erstreckung des Mietoder Pachtverhältnisses betroffen ist. Sowohl der Begriff des Kündigungsschutzes als auch derjenige der Hinterlegung zum Schutze des Mieters ist weit zu verstehen (BGE 146 III 63 E. 4.4.5). Unter ersteren fallen folglich auch Fälle der Unwirksamkeit Nichtigkeit der Kündigung (BGE 139 III 457 E. 5.3) und Streitigkeiten um Erstreckung des Mietverhältnisses (BGE 142 III 278 E. 4.2; Mazan, in: Späher/Tenchio/Infanger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. A., 2017, Art. 243 ZPO N 19). Erfasst sind streitwertunabhängig sodann auch alle Mängelrechte nach Art. 259a Abs. 1 OR, die der Mieter im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens durchsetzen will und für die ihm die Hinterlegung als Druckmittel mittelbar dient (BGE 146 III 63 E. 4.4.5; Fraefel, in: Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], Kurzkommentar ZPO, 2021, Art. 243 ZPO N 14; Mazan, a.a.O., Art. 243 ZPO N 19b). Für Forderungsstreitigkeiten aus Miet- und Pachtverhältnissen, die nicht den Kernbereich des Miet- und Pachtschutzes betreffen, gilt das vereinfachte Verfahren nur dann, wenn der Streitwert Fr. 30000.00 nicht übersteigt (Mazan, a.a.O., Art. 243 ZPO N 19). So ist zum Beispiel die Klage des Vermieters gegen den Mieter auf ausstehenden Mietzins nach den Vorschriften über das ordentliche Verfahren zu beurteilen, wenn der Streitwert über Fr. 30000.00 liegt (Hauck, in: Sutter-Somm/Hasenb?hler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A., 2016, Art. 243 ZPO N 20). Ein Forderungsprozess liegt auch dann vor, wenn Mängelrechte unabhängig von einem Hinterlegungsverfahren geltend gemacht werden (Mazan, a.a.O., Art. 243 ZPO N 19b).
b) Die Klägerin verlangte mit Eingabe vom 30. März 2020 zusätzlich zu den Rechtsbegehren gemäss Klage vom 12. November 2019 (Vi-act. A/I), die Anträge der Klägerin seien um die Miete Februar 2020, Mängelbeseitigung nach Auszug und Schadenersatz zu ergänzen (Vi-act. A/III S. 2). Hinsichtlich der Mängelbeseitigung nach Auszug führte die Klägerin aus, die Beklagten seien zu verpflichten, die Nachreinigung der Wohnung zu bezahlen (Vi-act. A/III S. 17), die Fr. 350.00 betragen habe (Vi-act. A/III S. 6). Ferner verlangt sie die Bezahlung der ausstehenden Miete für den Monat Februar 2020 in Höhe von Fr. 2010.00 (Vi-act. A/III S. 17). Sodann bezifferte sie den geltend gemachten Schadenersatz auf Fr. 41267.80 (Vi-act. A/III S. 17). Wegen dieser zusätzlichen gestellten Anträge liegt eine objektive Klagenhäufung im Sinne von Art. 90 ZPO vor. Weil die Klägerin die neuen Ansprüche erst im Rahmen des Schriftenwechsels bzw. mit Stellungnahme vom 30. März 2020 geltend machte, handelt es sich zudem um eine Klageänderung. Gegenstand der Klage vom 12. November 2019 ist die Gültigkeit der Kündigung, die Frage der Mieterstreckung sowie die Hinterlegung der Mietzinse. Dieser betrifft den Kernbereich des Mietrechts im Sinne von Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO. Dasselbe trifft auf die im Zusammenhang mit der Herabsetzung und Hinterlegung der Mietzinsen geltend gemachten Mängelrechte zu (vgl. Vi-act. D3/Dossier SchlichtungsBehörde, Schlichtungsgesuch der Beklagten vom 29. August 2019). Folglich ist das vereinfachte Verfahren unabhängig vom Streitwert anwendbar, was die Parteien ohnehin nicht rägten. Unbestrittenermassen zogen die Beklagten per 31. Januar 2020 aus der Wohnung aus. Weil der Mietzins für den Monat Februar 2020 nicht hinterlegt wurde und die Kündigung der Klägerin per Ende September 2019 ausgesprochen wurde, steht die mit Eingabe vom 30. März 2020 geltend gemachte Forderung für ausstehenden Mietzins für den Monat Februar 2020 nicht im Zusammenhang mit der Hinterlegung der Mietzinse der Frage der Gültigkeit der Kündigung. Ebenso wenig gilt dies für die Forderung betr. Reinigungskosten, die nach dem Auszug der Beklagten entstanden. Demzufolge handelt es sich bei diesen beiden Anträgen um Forderungsstreitigkeiten, die nicht den Kernbereich des Mietrechts betreffen. Gleiches gilt für die Schadenersatzforderung, was die Vorinstanz zutreffend erkannte und was die Parteien überdies auch nicht rägten. Die Streitwerte dieser Ansprüche sind folglich zu addieren und belaufen sich auf über Fr. 30000.00, weshalb für sie das ordentliche Verfahren zur Anwendung kommt. Eine Klagenhäufung mit den Anträgen der Klage vom 12. November 2019 ist aufgrund der ungleichen Verfahrensart nicht möglich, ebenso wenig eine Klageänderung. Die Berufung ist folglich teilweise gutzuheissen und die angefochtene Verfügung ist insoweit aufzuheben, als auf die Klage betreffend den Mietzinsanspruch Februar 2020 und die Mängelbeseitigung nach Auszug nicht einzutreten ist.
4. Die Beklagten bringen zudem vor, die Vorinstanz hätte mangels eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses der Klägerin auf die Klage nicht eintreten dürfen (KG-act. 1 S. 7). Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um eine ZwischenVerfügung, mit der die Vorinstanz einzig die NichteintretensAnträge der Beklagten betreffend Gültigkeit der Klagebewilligung sowie betreffend die mit Eingabe vom 30. März 2020 neu gestellten Anträge (Miete Februar 2020, Mängelbeseitigung nach Auszug und Schadenersatz) pröfte. In Bezug auf die mit Klage vom 12. November 2019 gestellten Rechtsbegehren äusserte sich die Vorinstanz weder zur Eintretensfrage noch materiell. Eine unrichtige Rechtsanwendung eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts in der angefochtenen Verfügung, die Gegenstand der vorliegenden Berufung ist, liegt somit nicht vor. Die Vorinstanz wird jedoch im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens zu prüfen haben, ob die Prozessvoraussetzungen in Bezug auf die KlageAnträge (weiterhin) gegeben sind.
5. a) Zusammenfassend obsiegen die Beklagten hinsichtlich des Nichteintretens betreffend die Anträge Miete Februar 2020 und Mängelbeseitigung nach Auszug. Demgegenüber unterliegen sie in Bezug auf den Nichteintretensantrag wegen Ungültigkeit der Klagebewilligung. Es rechtfertigt sich daher, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens den Parteien ausgangsgemäss je zur Hälfte aufzuerlegen (vgl. Art. 106 Abs. 2 ZPO).
b) Die Klägerin ist nicht anwaltlich vertreten. Ein Honorar (Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO) ist mangels berufsmässiger Vertretung somit nicht geschuldet. Eine Umtriebsentschädigung (Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO) der Ersatz notwendiger Auslagen (Art. 95 Abs. 3 lit. a ZPO) entfallen, weil die Klägerin einen entsprechenden Aufwand weder geltend machte noch belegte (vgl. Suter/von Holzen, in: Sutter-Somm/Hasenb?hler/Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3. A., 2016, Art. 95 ZPO N 30). Demgegenüber haben die anwaltlich vertretenen Beklagten Anspruch auf eine (entsprechend dem Ausgang reduzierte) Parteientschädigung.
c) Die Vorinstanz setzte die (reduzierte) Entschädigung auf Fr. 800.00 fest und ging von einem Unterliegen der Klägerin zu einem Drittel aus. Folglich beträgt das von der Vorinstanz festgelegte volle Honorar Fr. 2400.00 (= Fr. 800.00 x 3). Gegen die Höhe dieser Entschädigung erhoben die Parteien keine Rügen und zudem erscheint sie angemessen (vgl. 8 Abs. 2 i.V.m. 2 GebTRA), weshalb auf sie abgestellt werden kann. Die Klägerin hat die Beklagten somit für das erstinstanzliche Verfahren mit Fr. 1200.00 (= Fr. 2400.00 / 2) zu entschädigen.
d) Die Vorinstanz ging von einem Streitwert von über Fr. 10000.00 aus, ohne diesen jedoch näher zu beziffern (angefochtene Verfügung E. 6). Eine Bezifferung des Streitwerts lässt sich nur in Bezug auf die mit Eingabe vom 30. März 2020 Ergänzten Anträge entnehmen (Fr. 43627.80 = Fr. 350.00 [Mängel bei Auszug] + Fr. 2010.00 [Mietzins Februar 2020] + Fr. 41267.80 [Schadenersatz]; vgl. E. 3.b), nicht jedoch für die Rechtsbegehren gemäss Klage vom 12. November 2019. Angesichts dessen, dass für die Berufung sowohl die Anträge der Klage als auch die Rechtsbegehren gemäss Eingabe vom 30. März 2020 massgebend sind und dass die Klägerin mit Klage vom 12. November 2019 unter anderem die Feststellung der Gültigkeit der Kündigung per Ende September 2019 beantragte, die Beklagten aber unbestrittenermassen erst per Ende Januar 2020 auszogen, mithin vier Monate betroffen sind sowie zudem auch die Frage der Herabsetzung des Mietzinses Gegenstand der Klage ist, übersteigt der für das Berufungsverfahren massgebende Streitwert jedenfalls Fr. 50000.00. Gemäss 8 Abs. 2 GebTRA beträgt das Grundhonorar vor erster Instanz demzufolge Fr. 3300.00 bis Fr. 9250.00. Im Berufungsverfahren beträgt das Honorar 20 % bis 60 % dieses Ansatzes
( 11 GebTRA), also Fr. 660.00 bis Fr. 5550.00. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Ansätze für das gesamte erstinstanzliche Verfahren bemessen sind und vorliegend erst ein Zwischenentscheid der Vorinstanz vorliegt, das Verfahren mithin noch nicht abgeschlossen ist. Die Beklagten reichten keine Kostennote ein, weshalb das Honorar nach pflichtgemüssem Ermessen festzusetzen ist ( 6 GebTRA). Die Höhe des Honorars bestimmt sich nach der Wichtigkeit der Streitsache, ihrer Schwierigkeit, dem Umfang und der Art der Arbeitsleistung sowie dem notwendigen Zeitaufwand ( 2 GebTRA). Im Berufungsverfahren stellten sich keine komplexen Rechtsfragen. Zudem reduzierte sich das Verfahren auf die Eintretensfragen, weshalb von einem geringen Aufwand auszugehen ist. Angesichts dessen erweist sich für das Berufungsverfahren eine Entschädigung von Fr. 800.00 (inkl. Auslagen und MWST) als angemessen. Ausgangsgemäss hat die Klägerin die Beklagten folglich mit Fr. 400.00 (= Fr. 800.00 / 2) zu entschädigen;-
erkannt:
1. In teilweiser Gutheissung der Berufung werden die Dispositivziffern 2, 4 und 5 der angefochtenen Verfügung aufgehoben und wie folgt ersetzt:
2. Auf die Klage betreffend Mietzinsanspruch Februar 2020 und Mängelbeseitigung nach Auszug wird nicht eingetreten.
4. Die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 900.00 werden zur Hälfte, Fr. 450.00, den Beklagten unter solidarischer Haftbarkeit und zur Hälfte, Fr. 450.00, der Klägerin auferlegt.
5. Die Klägerin hat den Beklagten eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1200.00 (inkl. Auslagen und MWST) zu bezahlen.
Im übrigen wird die Berufung abgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 1500.00 werden den Parteien je zur Hälfte (Fr. 750.00) auferlegt und vom Kostenvorschuss der Beklagten bezogen. Die Klägerin hat den Beklagten unter dem Titel Gerichtskostenersatz Fr. 750.00 zu bezahlen.
3. Die Klägerin hat die Beklagten für das Berufungsverfahren mit Fr. 400.00 (inkl. Auslagen und MWST) zu entschädigen.
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden; die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen. Der Streitwert beträgt mehr als Fr. 15'000.00.
5. Zufertigung an Rechtsanwältin C.__ (3/R), die Klägerin (1/R), die Vorinstanz (1/A) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/R, mit den Akten) und die Kantonsgerichtskasse (1/, im Dispositiv).
Namens der 1. Zivilkammer
Der KantonsgerichtsPräsident
Der Gerichtsschreiber
Versand
23. Dezember 2021 kau