E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Kantonsgericht (SZ)

Zusammenfassung des Urteils BEK 2021 175: Kantonsgericht

Die Beschwerdekammer hat entschieden, dass die Einsprache gegen den Strafbefehl gültig ist und der Strafbefehl an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen wird. Der Verteidiger der Beschuldigten hatte die Einsprache fristgerecht eingereicht, obwohl sie zunächst aufgrund ungenauer Adressierung retourniert wurde. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens gehen zu Lasten des Staates, und die Beschwerdeführerin wird angemessen entschädigt. Der Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht in Lausanne angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts BEK 2021 175

Kanton:SZ
Fallnummer:BEK 2021 175
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid BEK 2021 175 vom 20.12.2021 (SZ)
Datum:20.12.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Einsprache gegen Strafbefehl
Schlagwörter : Staatsanwalt; Staatsanwaltschaft; Einsprache; Befehl; Beschuldigte; Verteidiger; Frist; Kanton; U-act; Adressierung; Verfügung; March; Staatsanwältin; Beschuldigten; Bezirks; Sendung; Akten; Einzelrichter; Behörde; Schweizerische; Abteilung; Postfach; Lachen; Kommentar; Behörde
Rechtsnorm:Art. 354 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 423 StPO ;Art. 436 StPO ;Art. 91 StPO ;Art. 94 StPO ;
Referenz BGE:-
Kommentar:

Entscheid des Kantongerichts BEK 2021 175

BEK 2021 175 - Einsprache gegen Strafbefehl

Beschluss vom 20. Dezember 2021
BEK 2021 175


Mitwirkend
KantonsgerichtsvizePräsident lic. iur. Stefan Weber,
Kantonsrichterinnen Clara Betschart und lic. iur. Ilaria Beringer,
Gerichtsschreiber lic. iur. Mathis B?sch.

In Sachen
A.__,
Beschuldigte und Beschwerdeführerin,
erbeten verteidigt durch Rechtsanwalt B.__,

gegen

Staatsanwaltschaft, 1. Abteilung, SSB, Postfach 75, 8836 Bennau,
AnklageBehörde und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwalt C.__,


betreffend
Einsprache gegen Strafbefehl
(Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht March vom 3. November 2021, SEO 2021 16);-

hat die Beschwerdekammer,

nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. Am 6. November 2020 eröffnete das Büro D.__ der damaligen Staatsanwaltschaft March, Rathausplatz 1, Postfach 162, 8853 Lachen, eine Strafuntersuchung gegen die Beschuldigte betreffend Urkundenfälschung
(U-act. 9.1.01). Deren Sistierung wurde der Beschuldigten am 9. November 2020 bekannt gegeben (U-act. 9.1.03). Per 1. Januar 2021 wurden die verschiedenen Staatsanwaltschaften zu einer kantonalen Staatsanwaltschaft zusammengelegt. Als Staatsanwältin der 1. Abteilung, Sicherheitsstätzpunkt Biberbrugg (SSB) in Bennau, erliess D.__ am 9. Juli 2021 einen Strafbefehl, welcher der Beschuldigten am 25. August 2021 eröffnet wurde
(U-act. 14.1.01 f.). Der Verteidiger der Beschuldigten gab der Post am 3. September 2021 per Einschreiben eine an die Staatsanwaltschaft des Bezirks March, z.H. Frau StAin D.__, Postfach 162, 8852 Lachen, adressierte Einsprache auf (U-act. 14.1.03 bzw. 14.1.05). Diese Sendung wurde ihm am 9. September 2021 mit dem Vermerk retourniert, dass der Empfänger an der angegebenen Adresse nicht ermittelt werden konnte. Die retournierte Einsprache reichte der Verteidiger im Original am 10. September 2021 der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag ein, von dieser Vormerk zu nehmen und das Verfahren weiterzuführen (U-act. 14.1.04 f.). Die Staatsanwältin überwies die Akten jedoch dem Einzelrichter am Bezirksgericht March mit dem Antrag, auf die Einsprache nicht einzutreten und die Rechtskraft des Strafbefehls festzustellen. Für den Fall, dass der Richter die Einsprache als gültig erachte, wurde um Rückweisung des Strafbefehls zur erforderlichen Beweisabnahme ersucht (U-act. 14.1.06 = Vi-act. 1).
Mit Verfügung vom 3. November 2021 trat der Einzelrichter auf die Einsprache gegen den Strafbefehl nicht ein und sah für den unbenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist vor, die Akten zur Beurteilung eines Wiederherstellungsgesuchs an die Staatsanwaltschaft zu retournieren. Dagegen erhob die Beschuldigte am 11. November 2021 rechtzeitig Beschwerde. Sie beantragt, die Verfügung aufzuheben und in Feststellung der fristgerechten Einspracheerhebung auf die Einsprache einzutreten, eventualiter die Einsprachefrist gestützt auf Art. 94 StPO wiederherzustellen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Beschwerdeantwort (KG-act. 4). Der Einzelrichter überwies die Akten (KG-act. 6).
2. Der Vorderrichter ging davon aus, dass die Einsprache an eine nicht existente Adresse gerichtet gewesen und deshalb retourniert worden sei. Sie sei auch nicht bei einer unzuständigen schweizerischen Behörde eingereicht worden und hätte deshalb nicht an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden können. Dem Strafbefehl hätte sich sodann unschwer die Anschrift der zuständigen Staatsanwältin bzw. der zuständigen Staatsanwaltschaft entnehmen lassen. Der Verteidiger räumt in der Beschwerde zwei Ungenauigkeiten in der Adressierung der Einsprache (Postleitzahl und falsche Adressierung an eine Staatsanwaltschaft in Lachen) ein. Diese würden jedoch nicht zu einem Fristversäumnis führen, weil die Einsprache explizit an die zuständige Staatsanwältin adressiert gewesen sei. Zudem hätte die erst acht Monate zurückliegende Kantonalisierung der Staatsanwaltschaft der Post bekannt sein und diesbezüglich auch ein Nachsendeauftrag bestehen müssen. Schliesslich sei der Beschuldigten nie explizit mitgeteilt worden, es sei nun eine Behörde mit anderer Adressierung zuständig.
3. Nach Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO kann die Beschuldigte gegen einen Strafbefehl bei der Staatsanwaltschaft innert zehn Tagen schriftlich Einsprache erheben. Für die Einhaltung der Frist sind die allgemeinen Regeln nach Art. 89 ff. StPO anwendbar (Riklin, StPO Kommentar, OFK, 2. A. 2014, Art. 354 StPO N 1; ders. in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. A. 2014, Art. 354 StPO N 1). Eingaben müssen am letzten Tag der Frist bei der StrafBehörde abgegeben zu deren Handen der Schweizerischen Post übergeben werden (vgl. Art. 91 Abs. 2 StPO). Im letzteren, in der Praxis bedeutendsten Fall, gilt die Frist unabhängig davon als eingehalten, ob die Sendung die zuständige StrafBehörde nicht verspätet erreicht (Br?hschweiler/Gr?nig, in: Donatsch/Lieber/Summers/Wohlers [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. A. 2020, Art. 91 StPO N 4). Nach Art. 91 Abs. 4 StPO gilt die Frist auch dann als gewahrt, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist bei einer nicht zuständigen schweizerischen Behörde eingeht.
a) Vorliegend wurde die Einsprache innert Frist zu Handen der Staatsanwaltschaft March der Schweizerischen Post übergeben (Art. 91 Abs. 2 StPO). Die Einsprache ist in der Folge nicht bei einer Behörde eingegangen, sondern am 9. September 2021 zunächst an den Verteidiger retourniert worden, weil sie ungenau adressiert war. Die im Original inkl. Couvert am 10. September 2021 an die richtige Adresse weitergeleitete Einsprache erreichte die zuständige Staatsanwaltschaft mithin grundsätzlich verspätet. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bleibt in einem solchen Fall für die Fristwahrung jedoch das Datum der ersten Postaufgabe massgebend, sofern der Mangel behoben wird und die mittels erneuter Postaufgabe zugestellte Eingabe nachweislich mit der ersten (retournierten) Sendung identisch ist (BGer 5A_536/2018 vom 21. September 2018 E. 3.5 m.H.). Vorliegend behob der Verteidiger den Mangel umgehend, womit die am 3. September 2021 rechtzeitig vorgenommene Einspracheerhebung fortgesetzt wurde, ohne dass diese durch die Rücksendung der Post unterbrochen worden wäre. Die Einsprachefrist gilt daher als eingehalten.
b) Der Verteidiger geht im übrigen zutreffend davon aus, es würde Treu und Glauben widersprechen, wegen der zunächst ungenauen Adressierung ihm bzw. seiner Mandantin die Tatsache anzulasten, dass die Post die richtige Adresse nicht ausfindig zu machen vermochte. Angesichts der nicht einmal ein Jahr zurückliegenden Zusammenlegung verschiedener Staatsanwaltschaften (kantonale Staatsanwaltschaft, Jugendanwaltschaft und Bezirksstaatsanwaltschaften) in eine Staatsanwaltschaft wäre dies der Post ohne weiteres zumutbar gewesen, selbst dann, wenn kein staatsanwaltschaftlicher Nachsendeauftrag (mehr) bestanden hätte. Hinzu kommt, dass die Adressierung infolge der Neuorganisation der Staatsanwaltschaft im Kanton Schwyz zwar ungenau, aber nicht grob falsch war, weil ihr ohne weiteres entnommen werden konnte, dass eine Staatsanwaltschaft respektive eine namentlich bezeichnete Staatsanwältin im Kanton Schwyz Empfängerin sein sollte. Es ist daher unerfindlich, dass die Post die bloss an einer Stelle versehentlich falsch angegebene Postleitzahl zum Anlass nahm, die Sendung einfach zu retournieren. Diese nicht nachvollziehbare Retournierung sowie die späte, eine sofortige Interessenwahrung bedingende Mandatierung lassen schliesslich nicht auf bewusste Unsorgfalt des Verteidigers bei der Adressierung schliessen.
4. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen und in Aufhebung der angefochtenen Verfügung die Gültigkeit der Einsprache festzustellen. Der Strafbefehl ist gemäss dem erstinstanzlichen Eventualantrag an die Staatsanwaltschaft zur Beweisabnahme zurückzuweisen. Ausgangsgemäss gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten des Staates (Art. 423 StPO) und ist die Beschwerdeführerin angemessen zu entschädigen (Art. 436 Abs. 2 StPO; ?? 2,6 und 13 GebTRA);-


beschlossen:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Verfügung aufgehoben, die Gültigkeit der Einsprache vom 3. September 2021 festgestellt und der Strafbefehl an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Fr. 1200.00) gehen zu Lasten des Staates.
3. Die Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren mit pauschal Fr. 800.00 aus der Kantonsgerichtskasse entschädigt.
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
5. Zufertigung an den Verteidiger (2/R), die Staatsanwaltschaft (1/A an die 1. Abteilung und 1/R an die Amtsleitung/zentraler Dienst) und die Vorinstanz (2/R, mit den Akten zur überweisung der Einsprache samt Untersuchungsakten an die Staatsanwaltschaft) sowie nach definitiver Erledigung an die Kantonsgerichtskasse (1/, im Dispositiv).

Namens der Beschwerdekammer
Der KantonsgerichtsvizePräsident

Der Gerichtsschreiber



Versand
21. Dezember 2021 kau
Quelle: https://gerichte.sz.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.