E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Kantonsgericht (SZ)

Zusammenfassung des Urteils BEK 2021 134: Kantonsgericht

In dem vorliegenden Fall geht es um einen Beschuldigten, der beschuldigt wird, am 12. Juli 2020 unter dem Einfluss von THC und ohne Führerausweis ein Fahrzeug gefahren zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren in zwei Teile getrennt, um Verzögerungen zu vermeiden. Der Beschuldigte hat Beschwerde gegen diese Entscheidung erhoben, jedoch wurden beide Beschwerden abgewiesen. Es wurde entschieden, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschuldigten auferlegt werden. Der Entscheid kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts BEK 2021 134

Kanton:SZ
Fallnummer:BEK 2021 134
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:-
Kantonsgericht Entscheid BEK 2021 134 vom 13.12.2021 (SZ)
Datum:13.12.2021
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Trennung Strafverfahren
Schlagwörter : Verfahren; Beschuldigte; Beschuldigten; U-act; Verteidigung; Verfahren; Recht; Staatsanwaltschaft; KG-act; Person; Verfahrens; Betäubungsmittel; Schwierigkeiten; Widerhandlung; Betäubungsmittelgesetz; Bagatellfall; Verfügung; Kommentar; Fahrens; Verteidiger; Sachverhalt; Basel; Halter; Fahrzeug; Hinsicht
Rechtsnorm:Art. 129 StPO ;Art. 132 StPO ;Art. 29 BV ;Art. 29 StPO ;Art. 30 StPO ;Art. 32 BV ;Art. 354 StPO ;Art. 42 BGG ;Art. 428 StPO ;Art. 46 StGB ;Art. 49 StGB ;Art. 5 StPO ;Art. 6 EMRK ;
Referenz BGE:115 Ia 103; 120 Ia 43; 124 I 185; 138 IV 35; 143 I 164;
Kommentar:
Donatsch, Hans, Hansjakob, Lieber, Kommentar zum Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 132 Abs. 3 StPO, 1900

Entscheid des Kantongerichts BEK 2021 134

BEK 2021 134 - Trennung Strafverfahren

Beschluss vom 13. Dezember 2021
BEK 2021 134 und 135


Mitwirkend
KantonsgerichtsPräsident Dr. Reto Heizmann,
Kantonsrichterinnen Clara Betschart und lic. iur. Ilaria Beringer,
Gerichtsschreiberin lic. iur. Gabriela Thurnherr.

In Sachen
A.__,
Beschuldigter und Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt B.__,

gegen

Staatsanwaltschaft, 2. Abteilung, Postfach 1201, Schmiedgasse 21, 6431 Schwyz,
AnklageBehörde und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwältin C.__,


betreffend
Trennung Strafverfahren
(Beschwerden gegen die Verfügungen der Staatsanwaltschaft vom 25. August 2021, SU 2020 330);-

hat die Beschwerdekammer,

nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. Der Beschuldigte A.__ soll am 12. Juli 2020 zwischen ca. 2.30 Uhr und ca. 2.50 Uhr den Personenwagen SZ xx von E.__ vom Restaurant Eden in Brunnen nach Seewen zur Jägerbar und wieder zurück nach Brunnen gelenkt haben, wo ihn um ca. 2.50 Uhr auf der Schwyzerstrasse, Fahrtrichtung Dorf, Beamte der Kantonspolizei Schwyz anhielten und kontrollierten. Er soll den Personenwagen gelenkt haben, obschon er über keinen führerausweis verfügt habe und in seinem Blut 6.7 Mikrogramm THC nachgewiesen worden sei. Die damals zuständige Staatsanwaltschaft Innerschwyz sprach den Beschuldigten mit Strafbefehl vom 30. Oktober 2020 (SUI 2020 2674; U-act. 14.1.01) des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG), des vorsätzlichen Fahrens ohne Berechtigung (Art. 95 Abs. 1 lit. a SVG) sowie der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) schuldig. Der Beschuldigte erhob am 4. November 2020 Einsprache (U-act. 14.1.03).
Am 4. Dezember 2020 beantragte die Staatsanwaltschaft Innerschwyz dem Zwangsmassnahmengericht im Strafverfahren SU A2 2020 10 betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz die Anordnung der Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten (KG-act. 1/6). Der Beschuldigte soll von ca. anfangs November 2020 bis am 2. Dezember 2020 in F.__ eine Hanfindooranlage aufgebaut und betrieben haben.
Der Beschuldigte ersuchte im vorliegenden Verfahren SU A2 2020 330 am 20. August 2021 um Einsetzung seines Rechtsanwaltes als amtlicher Verteidiger (U-act. 2.1.03).
Die inzwischen zuständige Staatsanwaltschaft trennte mit Verfügung vom 25. August 2021 das Verfahren wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, Fahrens ohne Berechtigung und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (SU A2 2020 330, vormals SUI 2020 2674) vom Verfahren betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (SU A2 2020 10) ab (U-act. 9.0.04). Gleichentags wies sie das Gesuch um Einsetzung als amtliche Verteidigung im Verfahren SU A2 2020 330 ab (U-act. 2.1.05).
Gegen beide Verfügungen erhob der Beschuldigte am 6. September 2021 Beschwerde mit folgenden Anträgen:
(betr. Verfahrenstrennung, KG-act. 1, BEK 2021 134)

1. Es sei die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. August 2021 aufzuheben und es seien die beiden Strafverfahren Nr. SU A2 2020 3030 und SU A2 2020 10 zu vereinigen.

2. RA B.__ sei für das vorliegende Beschwerdeverfahren als amtlicher Verteidiger des Beschwerdeführers zu bestellen.

3. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.
(betr. amtliche Verteidigung, KG-act. 1, BEK 2021 135)

1. Es sei die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. August 2021 aufzuheben und das Gesuch um Einsetzung von RA B.__ als amtlicher Verteidiger gutzuheissen.

2. Eventualiter sei die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. August 2021 aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3. RA B.__ sei für das vorliegende Beschwerdeverfahren als amtlicher Verteidiger des Beschwerdeführers zu bestellen.

4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Staates.
Mit Vernehmlassungen vom 16. September 2021 beantragte die Staatsanwaltschaft die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden (je KG-act. 3).
2. Wenn eine Person mehrere Straftaten veräbte, werden die Straftaten grundsätzlich gemeinsam verfolgt und beurteilt (Art. 29 Abs. 1 lit. a StPO; Grundsatz der Verfahrenseinheit). Ausnahmsweise (siehe Marginalie von Art. 30 StPO) und aus sachlichen Gründen können Strafverfahren abweichend vom Grundsatz der Verfahrenseinheit getrennt werden (Art. 30 StPO). Solche sachlichen Gründe liegen beispielsweise vor, wenn eines der zu verfolgenden Delikte zu verjähren droht, wenn einer von mehreren Beschuldigten nicht erreichbar mit einem langwierigen Auslieferungsverfahren zu rechnen ist, wenn unterschiedliche Verfahrensarten zur Anwendung gelangen (beispielsweise Strafbefehls- und abgekürztes Verfahren) wenn eine derart grosse Zahl von Delikten zu verfolgen ist, dass diese nicht mehr in einem einzigen Verfahren gehandhabt werden können (Schlegel, in: Schulthess-Kommentar zur StPO, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2020, Art. 30 StPO N 4 f.; Bartethko, in: Basler Kommentar zur StPO, 2. A., Basel 2014, Art. 30 StPO N 3-4a). Zweck der Regelung von Art. 29 f. StPO ist unter anderem, dass keine sich widersprechende Urteile entstehen, konkurrierende Straftaten gemeinsam beurteilt (vgl. Art. 49 StGB) und die Verfahren möglichst ökonomisch durchgefährt werden. Diese Ziele werden namentlich dadurch erreicht, dass mehrere Straftaten einer einzelnen Person in der Regel in einem einzigen Verfahren verfolgt und beurteilt werden (Art. 29 Abs. 1 lit. a StPO; vgl. Schlegel, a.a.O., Art. 29 StPO N 1).
a) Die Staatsanwaltschaft trennte die Verfahren, um eine unnötige Verzögerung des vorliegenden Verfahrens zu verhindern. Die Ermittlungen im Verfahren SU A2 2020 10 betreffend Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ständen am Anfang, es seien noch diverse Beweise zu erheben. Zudem sei mit einer längeren Verfahrensdauer zu rechnen, weil mehrere Mittäter involviert seien. Die Ermittlungen im vorliegenden Strafverfahren seien hingegen weitgehend abgeschlossen (angef. Verfügung, E. 4). Vernehmlassungsweise Ergänzte die Staatsanwaltschaft, sie führe gegen den Halter des vom Beschuldigten im vorliegenden Strafverfahren gefährten Personenwagens ebenfalls ein Strafverfahren. Sie beabsichtige, in diesen beiden zusammenhängenden Verfahren weitere Beweise abzunehmen und Einvernahmen durchzuführen. Die Aussagen des Beschuldigten und des Halters seien unter Gewährung des gegenseitigen Teilnahmerechts durchzuführen. Der Tatzeitpunkt liege bereits ein Jahr zurück, weshalb die Verfahren zeitnah zum Abschluss gebracht werden sollten (KG-act. 3).
b) Im vorliegenden Verfahren betreffend den Vorfall vom 12. Juli 2020 wurden der Beschuldigte (U-act. 8.1.05) sowie der Halter des Fahrzeuges
(U-act. 8.1.06) polizeilich befragt. Der Beschuldigte gab zu, das Fahrzeug ohne führerausweis gefahren zu haben (U-act. 8.1.05, Fragen 4, 19, 20). Nach dem Vorfall wurde dem Beschuldigten im Rahmen der ürztlichen Untersuchung (U-act. 11.1.01) eine Blut- und Urinprobe abgenommen. Das Analyseergebnis liegt mit dem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Zürich vom 28. Juli 2020 bereits vor (U-act. 11.1.02). Die Staatsanwaltschaft erliess sowohl gegen den Beschuldigten (U-act. 14.1.01) als auch gegen den Halter des Fahrzeugs (U-act. 14.2.01) wegen des untersuchten Vorfalls einen Strafbefehl, gegen den beide Beschuldigten Einsprache erhoben (U-act. 14.1.03, 14.2.03). Beide Beschuldigten werden wegen desselben Sachverhalts (Autofahrt am 12. Juli 2020 zwischen ca. 2:30 Uhr und 2:50 Uhr von Seewen nach Brunnen) strafrechtlich verfolgt, sodass ein enger Sachzusammenhang besteht. Der Halter des Fahrzeuges wird des fahrlässigen Fahrens ohne Berechtigung durch überlassen eines Motorfahrzeuges an den Beschuldigten ohne erforderlichen führerausweis beschuldigt (U-act. 14.2.01). Damit besteht auch ein materieller Zusammenhang der den Beteiligten vorgeworfenen Verhaltensweisen. Die gleichzeitige Behandlung der Verfahren zur Vermeidung sich widersprechender Entscheide ist daher sinnvoll. Das Verfahren erscheint weit fortgeschritten und ein Abschluss nach der beabsichtigten erneuten Befragung der Beteiligten in absehbarer Zeit möglich.
c) Zum Vorwurf der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Verfahren SU 2020 10 besteht weder zeitlich (Deliktszeitraum anfangs November 2020 bis 2. Dezember 2020) noch ürtlich (F.__) materiell (Betrieb einer Hanfindooranlage, allenfalls gewerbsmässiger Handel mit Betäubungsmitteln) ein Zusammenhang. Aufgrund des Ausmasses der Anlage und deren höchst professionellem Aufbau hegen die StrafverfolgungsBehörden den Verdacht, dass mehrere weitere Personen beteiligt sein könnten
(KG-act. 1/6, Ziff. II.1). Bei der Hausdurchsuchung im Zimmer des Beschuldigten am 2. Dezember 2020 wurden insbesondere Betäubungsmittel mit Zubehür, Pyrotechnik, Waffen und Gegenständen mit Bezug zur Gruppierung ?G.__? gefunden (KG-act. 1/6, Ziff. II.1), was zu weiteren Ermittlungen führen dürfte. Die StrafverfolgungsBehörden beabsichtigen gemäss Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft vom 4. Dezember 2020 die Klassifizierung des THC-Gehalts der vorgefundenen Hanfpflanzen, eine Spurenauswertung, die Abklärung der Herkunft der Bargelder, die Befragung von Allfälligen Mittätern und Abnehmern unter Wahrung der Teilnahmerechte und die forensische Sicherung und Auswertung von Randdaten der beschlagnahmten elektronischen Geräte. Die Ermittlungen ständen zurzeit noch ganz am Anfang
(KG-act. 1/6, Ziff. II.3). Demzufolge wird das Untersuchungsverfahren des in persönlicher und sachlicher Hinsicht möglicherweise komplexen Falles noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Bei einer mit dem vorliegenden Vorfall vereinigten Verfahrensführung würde dies eine wesentliche Verzögerung des Verfahrensabschlusses bedeuten, was dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (Art. 5 Abs. 1 StPO) widerspräche. Schliesslich ist eine gemeinsame Beurteilung weder zur Vermeidung sich widersprechender Urteile noch zur Wahrung von Teilnahmerechten der Beteiligten notwendig. Damit liegen sachliche Gründe für eine Verfahrenstrennung vor.
d) Dem stehen die Einwände des Beschuldigten nicht entgegen: So ist noch nicht hinreichend absehbar, ob im Falle eines Schuldspruchs im Verfahren SU 2020 10 eine im Verfahren SU A2 2020 330 bedingt ausgesprochene Strafe tatsächlich widerrufen würde (KG-act. 1, S. 6). Denn eine bedingt ausgefällte Strafe wird bei Begehung eines Verbrechens Vergehens während der Probezeit nur dann widerrufen, wenn eine schlechte Prognose für weitere Straftaten bestände (Art. 46 Abs. 1 StGB). Diese Beurteilung ist aber erst im abschliessenden Entscheid im Verfahren betreffend das zweite Delikt (SU A2 2020 330) vorzunehmen. Sodann wird zwar im vorliegenden Verfahren keine weitere Person mitbeschuldigt (vgl. den Einwand in KG-act. 1, S. 6), der zu beurteilende Sachverhalt deckt sich aber wie bereits erwähnt weitestgehend mit demjenigen, der dem Halter des Fahrzeuges in dem gegen diesen gefährten Strafverfahren vorgehalten wird. Die Beschwerde betreffend Verfahrenstrennung ist folglich abzuweisen.
3. Die Verfahrensleitung ordnet die amtliche Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist (Art. 132 Abs. 1 lit. b StPO). Geboten ist die Verteidigung namentlich, wenn es sich nicht um einen Bagatellfall handelt und (kumulativ, BGE 143 I 164, E. 3.4) der Straffall in tatsächlicher rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, denen die beschuldigte Person allein nicht gewachsen wäre (Art. 132 Abs. 2 StPO). Ein Bagatellfall liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Monaten eine Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen zu erwarten ist (Art. 132 Abs. 3 StPO). Dabei ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht die abstrakt, sondern die konkret drohende Sanktion massgebend (vgl. BGE 124 I 185, E. 2c; BGE 120 Ia 43, E. 2.b, zitiert von Lieber, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur StPO, 2. A., Zürich/Basel/Genf 2014, Art. 132 StPO N 19; je m.H.). Falls das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition des Betroffenen eingreift, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten. Droht zwar eine erhebliche, nicht aber eine besonders schwere Freiheitsbeschränkung (sog. relativ schwerer Fall), müssen zur relativen Schwere des Eingriffs besondere tatsächliche rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Betroffene auf sich allein gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 143 I 164, E. 3.5). Als besondere Schwierigkeiten, die eine Verbeiständung rechtfertigen können, fallen neben der Komplexität der Rechtsfragen der Unübersichtlichkeit des Sachverhalts auch in der Person liegende Gründe in Betracht, insbesondere deren unfähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden (vgl. BGE 138 IV 35, E. 6.3 und 6.4; 128 I 225, E. 2.5.2; je m.H.). Wie gross die Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sein müssen, kann nicht abstrakt gesagt, sondern muss im Einzelfall beurteilt werden. Diese müssen aber umso höher sein, je geringer die zu erwartende Strafe ist und umgekehrt (Ruckstuhl, in: Basler Kommentar zur StPO, 2. A., Basel 2014, Art. 132 StPO N 37; Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. A., Bern 2012, N 453). Die Schwierigkeiten müssen an den Fähigkeiten der beschuldigten Person gemessen werden (Ruckstuhl, a.a.O., N 37 zu Art. 132 StPO; BGE 115 Ia 103, E. 4).
a) Die Staatsanwaltschaft erwog, dem Beschuldigten drohe eine bedingte Geldstrafe von 70 Tagessätzen, sodass es sich um einen Bagatellfall handle. Der zu beurteilende Sachverhalt biete keine besonderen rechtlichen tatsächlichen Schwierigkeiten. Im vorliegenden Verfahren drohe dem Beschuldigten kein Widerruf. Die Frage nach einem Allfälligen Widerruf der vorliegenden Sanktion stelle sich allenfalls im Strafverfahren SU A2 2020 10, in dem der Beschuldigte bereits verteidigt werde (angef. Verfügung, E. 6).
b) Der Beschuldigte moniert, die bundesgerichtliche Rechtsprechung besage, wenn der beschuldigten Person in einem Verfahren der Widerruf einer bedingt ausgesprochenen Sanktion drohe, seien die beiden Sanktionen für die Beurteilung der Frage, ob ein Bagatellfall vorliege, zusammenzuZählen. Bei getrennter Verfahrensführung werde es im Falle einer weiteren Verurteilung im Verfahren SU A2 2020 10 zu einem Widerruf der vorliegend bedingt ausgesprochenen Geldstrafe kommen müssen. Die drohenden Strafmasse seien demnach zusammenzuZählen. Diesfalls sei die Bagatellschwelle ohne Weiteres überschritten (KG-act. 1, S. 5 f.).
Das Bundesgericht befasste sich in dem vom Beschuldigten zitierten Entscheid 1B_344/2015 vom 11. Februar 2016 mit einem Vorfall, der für sich betrachtet aufgrund der drohenden Sanktion einen Bagatellfall darstellte. Zur Beurteilung, ob ein Bagatellfall vorliege, sei jedoch der drohende Widerruf einer bedingten Sanktion miteinzubeziehen (E. 2.2). Dieser Entscheid ist nicht einschlägig, weil im vorliegenden Verfahren SU A2 2020 330 kein Widerruf einer Strafe droht (vgl. den Strafregisterauszug in U-act. 1.1.01). Dies wäre erst im Verfahren SU A2 2020 10 betreffend Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz der Fall. In jenem Verfahren Gewährte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten denn auch am 15. April 2021 die amtliche Verteidigung (KG-act. 1/8, BEK 2021 135). Vorliegend ist lediglich die im Verfahren SU A2 2020 330 drohende Strafe für die Beurteilung, ob ein Bagatellfall vorliegt, entscheidend. Die drohende bedingte Geldstrafe von 70 Tagessätzen liegt jedenfalls unter der Grenze von 120 Tagessätzen, ab welcher kein Bagatellfall mehr gegeben ist (Art. 132 Abs. 3 StPO).
c) Sodann macht der Beschuldigte geltend, er sei bereits mit der Einsprache gegen den Strafbefehl überfordert gewesen. Verfahren im Strassenverkehrs- und Betäubungsmittelbereich erforderten Fachwissen, über das er nicht verfüge. Der Ausgang des Verfahrens habe enorme Auswirkungen auf das Administrativverfahren vor dem Strassenverkehrsamt. Der Fall biete damit tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten (KG-act. 1, S. 6).
Der Beschuldigte wird des vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand (unter Einfluss von TCH), des vorsätzlichen Fahrens ohne Berechtigung (ohne führerausweis) und der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Konsum von Marihuana) beschuldigt (U-act. 14.1.01). Diese Tatbestände und deren Bedeutung sind allgemein bekannt und dürften dies auch dem Beschuldigten sein. In tatsächlicher Hinsicht wird lediglich abzuklüren sein, ob der Beschuldigte zur Tatzeit unter Einfluss von Marihuana mit einem Personenwagen ohne führerausweis von Seewen nach Brunnen fuhr, was keine besonderen Schwierigkeiten bietet und auch einem juristischen Laien ohne Weiteres Verständlich ist. Eine Polizeipatrouille konnte die Autofahrt beobachten, das Fahrzeug anhalten und den Beschuldigten als Lenker identifizieren
(U-act. 8.1.01, S. 3). Der THC-Gehalt in Blut und Urin kann objektiv nachgewiesen werden (vgl. U-act. 11.1.02). Die Feststellung des Sachverhalts bietet damit keine Schwierigkeiten. Der juristische Tatbestand der anzuwendenden Bestimmungen erfordert sodann keine über die Sachverhaltsumstände hinausgehenden theoretischen überlegungen. Abgesehen vom subjektiven Tatbestand sind keine weiteren Elemente zu prüfen, sodass sich auch diesbezüglich keine Schwierigkeiten ergeben. Der im Strafbefehl vom 30. Oktober 2020 festgehaltene Sachverhalt (U-act. 14.1.01) ist ebenso einfach. Das Gleiche gilt für die im Dispositiv festgehaltenen Konsequenzen, d.h. den Schuldspruch und die Strafsowie Kostenfolgen. Die Einsprache vom 4. November 2020
(U-act. 14.1.03) ist nicht begründet, was für die beschuldigte Person auch nicht notwendig ist (Art. 354 Abs. 2 StPO). Ein Bagatellfall kann zwar dann eine die amtliche Verteidigung rechtfertigende Tragweite aufweisen, wenn z.B. der Entzug einer Berufsausübungsbewilligung der elterlichen Sorge droht (Urteil BGer 1B_192/2018 vom 17. Juli 2018, E. 2.2). Der Beschuldigte begründete aber nicht, inwieweit ein Allfälliges Administrativmassnahmenverfahren des Strassenverkehrsamtes für den Beschuldigten von derartiger Wichtigkeit wäre. Solches lässt sich ebenso wenig den Akten entnehmen. Der blosse Umstand, dass ein solches Verfahren gefährt werden könnte, begründet jedenfalls noch keine amtliche Verteidigung.
d) Sodann beruft sich der Beschuldigte auf sein Recht, jederzeit eine Verteidigung beiziehen zu können (Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 BV; Art. 129 StPO; KG-act. 1, S. 7). Anzumerken ist zunächst, dass durch die Abweisung des Gesuchs um amtliche Verteidigung im Sinne von Art. 132 StPO das Recht, einen Rechtsanwalt im Sinne von Art. 129 StPO als Wahlverteidiger beizuziehen, nicht tangiert wird. Sodann besteht das Recht auf unentgeltliche Verteidigung nach Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK nur dann, wenn die Strafsache in rechtlicher tatsächlicher Hinsicht derart schwierig ist, dass die Bestellung im Interesse der Rechtspflege erforderlich erscheint (Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 3. A., Kehl am Rhein, 2009, Art. 6 EMRK N 301; vgl. Meyer-Ladewig/Harrendorf/K?nig, in: NOMOS-Kommentar zur EMRK, 4. A. Baden-Baden 2017, Art. 6 EMRK N 232). Auch der Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung gemäss Art. 29 Abs. 3 BV setzt voraus, dass diese zur Wahrung der Rechte der betroffenen Person notwendig ist, was nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine gewisse Komplexität der Strafsache in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht erfordert (Waldmann, in: Basler Kommentar zur BV, Basel 2015, Art. 29 BV N 79). Die genannten Bestimmungen Gewähren folglich bei Bagatelldelikten ebenso wenig wie die StPO einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsvertretung.
e) Schliesslich macht der Beschuldigte geltend, im Verfahren SU A2 2020 10 werde er der (allenfalls bandenmässigen) Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch den Aufbau und den Betrieb einer bzw. mehrerer grosser Hanfanlagen sowie den Verkauf von Marihuana verdächtigt. Mit derartigen Delikten gehe im Regelfall die Erzielung eines erheblichen Gewinnes einher. Deshalb werde keine Verteidigung mehr Gelder des Beschuldigten gutgläubig entgegennehmen können, was ihm faktisch das Recht auf Verteidigung entziehe (KG-act. 1, S. 8).
Ob sich die Verteidigung der Geldwäscherei schuldig macht, wenn sie sich aus Vermögen der Klientschaft, das möglicherweise zweifelhafter Herkunft ist, bevorschussen und entschädigen lässt, ist in der Lehre umstritten (Ruckstuhl, in: Basler Kommentar zur StPO, 2. A., Basel 2014, Art. 132 StPO N 27 und FN 54). Gemäss Bundesgericht macht sich die Verteidigung jedenfalls nicht strafbar, solange sie die Gelder gutgläubig entgegennimmt (vgl. Urteil BGer 1S.5/2006 vom 29. November 2021, E. 3.2.2). Der Beschuldigte gab zwar an, mittellos zu sein (U-act. 1.1.03/4), seine finanziellen Verhältnisse sind aber nicht weiter dokumentiert. Somit ist nicht belegt, dass der Verteidiger aus deliktischen Geldern bevorschusst bzw. entschädigt würde. Die blosse Behauptung des Beschuldigten, mittellos zu sein, und sein dennoch vorhandenes Vermögen sei deliktischer Natur, genügt jedenfalls nicht. So erklärt die vom Verteidiger des Beschuldigten angefährte Literaturstelle genau besehen (KG-act. 1 S. 8 Ziff. 3): Will die Verteidigung jegliche Schwierigkeiten mit der Strafverfolgung vermeiden [...] bleibt nicht viel anderes übrig, als um die Einsetzung als amtliche Verteidigung nachzusuchen mit der Begründung, dass gemäss der Darstellung der Strafverfolgung [...] die Mittel der beschuldigten Person deliktischen Ursprungs seien und es der Verteidigung nicht zugemutet werden könne, sich allenfalls einer Strafverfolgung wegen Geldwäscherei auszusetzen (BSK StPO-Ruckstuhl, Art. 132 N 29 [im Original andere Hervorhebungen]). In der zuGehörigen FN 61 Ergänzt Ruckstuhl: Auf die Aussagen der eigenen Mandantschaft kann nur verwiesen werden, wenn diese diesbezüglich gestündig ist, andernfalls begeht die Verteidigung eine Verletzung des Berufsgeheimnisses der Standesregeln?. Abgesehen davon, dass der Verteidiger vorbringt, der Beschuldigte sei mittellos, zeigt er auch nicht konkret auf, inwiefern die Staatsanwaltschaft dargestellt habe, die Mittel des Beschuldigten seien deliktischer Herkunft.
4. Beide Beschwerden sind abzuweisen. Ausgangsgemäss sind die Kosten der Beschwerdeverfahren dem Beschuldigten aufzuerlegen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Anträge um Gewährung der amtlichen Verteidigung für die Beschwerdeverfahren sind unter Verweis auf die vorstehende Begründung abzuweisen;-

beschlossen:
1. Die Beschwerden werden abgewiesen.
2. Die Kosten der Beschwerdeverfahren von je Fr. 1500.00 werden dem Beschuldigten auferlegt.
3. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
4. Zufertigung an Rechtsanwalt B.__ (2/R), die Staatsanwaltschaft (1/A an die 2. Abteilung und 1/R an die Amtsleitung/zentraler Dienst) sowie nach definitiver Erledigung an die Staatsanwaltschaft (1/R, mit den Akten an die 2. Abteilung) und die Kantonsgerichtskasse (1/, im Dispositiv).

Namens der Beschwerdekammer
Der KantonsgerichtsPräsident

Die Gerichtsschreiberin

Versand
15. Dezember 2021 kau
Quelle: https://gerichte.sz.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.