BEK 2018 89 - Untersuchungshaft (Rückzahlung Kaution)
Beschluss vom 21. September 2018
BEK 2018 89
Mitwirkend
Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann,
Kantonsrichter Clara Betschart und Josef Reichlin,
a.o. Gerichtsschreiberin M.A. HSG Melanie von Rickenbach.
In Sachen
A.________,
Beschuldigte und Beschwerdeführerin,
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt B.________,
gegen
Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln, Postfach 128, Bahnhofstrasse 4, 8832 Wollerau,
Strafverfolgungsbehörde und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwalt C.________,
betreffend
Untersuchungshaft (Rückzahlung Kaution)
(Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters am Zwangsmassnahmengericht Schwyz vom 6. Juni 2018, ZME 2018 57);-
hat die Beschwerdekammer,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. Die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln (nachfolgend Beschwerdegegnerin) führt gegen A.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf mehrfachen Diebstahl (Art. 139 StGB), mehrfache Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) und mehrfachen Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB), begangen in fünf Fällen im Zeitraum vom 12. Oktober 2017 bis zum 21. Februar 2018 in Pfäffikon SZ, Lachen SZ und Altendorf SZ (KG-act. 1/1, E. 1; KG-act. 3).
2. Das Zwangsmassnahmengericht Schwyz ordnete mit Verfügung vom 6. Juni 2018 die Beendigung der Untersuchungshaft gegen eine Kaution von Fr. 3‘000.00 an (KG-act. 1/1, Dispositiv-Ziff. 1), worauf die Beschwerdeführerin am 15. Juni 2018 um 11:00 Uhr aus der Untersuchungshaft entlassen wurde (KG-act. 8). Die Kaution bezahlte die Familie der Beschwerdeführerin (KG-act. 1, S. 4). Die Beschwerdeführerin fordert mit Beschwerde vom 18. Juni 2018 an das Kantonsgericht Schwyz, sie sei in Aufhebung der Verfügung vom 6. Juni 2018 ohne Beschwer aus der Untersuchungshaft zu entlassen und die für ihre Entlassung bezahlte Kaution von Fr. 3‘000.00 sei ihr zurückzuerstatten (KG-act. 1, S. 2).
3. Die Freigabe der Sicherheitsleistung beurteilt sich nach Art. 239 StPO. Darüber entscheidet gemäss Art. 239 Abs. 3 StPO die Behörde, bei der die Sache hängig ist oder zuletzt hängig war (Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. A. 2012, Rz. 1037; Hug/Scheidegger, in: Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. A. 2014, Art. 239, N 9; Cavallo, Die Sicherheitsleistung nach Art. 238 ff. StPO, 2013, S. 116), im Vorverfahren folglich die Staatsanwaltschaft und nicht die Beschwerdekammer.
4. Bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts sowie des Haftgrundes der Fluchtgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO kann eine Sicherheitsleistung nach Art. 237 Abs. 2 lit. a StPO als Ersatzmassnahme anstelle der Untersuchungshaft angeordnet werden. Diese hat verhältnismässig zu sein.
a) Die Vorinstanz sieht das Bestehen eines dringenden Tatverdachts sowie des Haftgrundes der Fluchtgefahr als erstellt (KG-act. 1/1, E. 9 und 10), was die Beschwerdeführerin nicht bestreitet (KG-act. 1, S. 3).
b) Das Zwangsmassnahmengericht erachtet aufgrund des Wegfallens des Haftgrundes der Kollusionsgefahr die Untersuchungshaft nicht mehr als angezeigt (KG-act. 1/1, E. 10) und sieht die Fluchtgefahr durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung als relativiert. In Erwägung der Entlassung der in neun Fällen von Einbruchdiebstahl verdächtigten Hauptbeschuldigten D.________ gegen Zahlung einer Drittkaution in der Höhe von Fr. 16‘000.00 betrachtete die Vorinstanz eine andauernde Untersuchungshaft der Beschwerdeführerin als „schwächeres Glied“ (vgl. ZME 2018 57: Vi-act. 1, S. 3) als nicht verhältnismässig (KG-act. 1/1, E. 11). Die Kaution wurde aufgrund der bescheidenen Einkommensverhältnisse von monatlich 500-600 Euro der nichtverheirateten Beschwerdeführerin als Mutter eines siebenjährigen Kindes sowie ihres fehlenden Vermögens (ZME 2018 57: U-act. 3, Frage 36, S. 7; ZME 2018 23: U-act. 1.1.03) auf Fr. 3‘000.00 festgesetzt (KG-act. 1/1, E. 11).
) Die Untersuchungshaft darf nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO). Das Bundesgericht hielt hierzu fest, dass „der Richter die strafprozessuale Zwangsmassnahme nur solange aufrechterhalten darf, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt“ (Entscheid BGer 1B_283/2015 vom 16. September 2015, E. 3.2). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Schweizer Strafregisterauszug unter mehreren Falschpersonalien bekannt und entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin (KG-act. 1, S. 3) und der Erwägung des Zwangsmassnahmengerichts (KG-act. 1/1, E. 11) in der Schweiz vorbestraft: Sie wurde im Kanton Genf im Jahr 2011 wegen Diebstahls (Art. 139 Abs. 1 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB) sowie Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) zu einer bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 180 Tagessätzen sowie im Jahr 2014 wegen versuchten Diebstahls (Art. 139 Abs. 1 StGB) zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen mit je einer Probezeit von drei Jahren verurteilt (ZME 2018 23:
U-act. 1.1.02). Im Falle eines Schuldspruches kommt aufgrund der erwähnten Vorstrafen und des zugrundeliegenden Strafrahmens eine mehrmonatige Freiheitsstrafe in Frage und es könnte sich gestützt auf Art. 41 Abs. 1 lit. a und/oder lit. b StGB auch eine Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe aufdrängen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits geht jedoch von einer maximalen Strafe von 150 Tagessätzen aus, weshalb ihrer Meinung nach die abgesessene Untersuchungshaft zeitlich sehr nahe an die zu erwartende Strafe reicht (KG-act. 1). Es besteht aber wegen der beinahe vier Monate Untersuchungshaft und aufgrund der bereits erfolgten Entlassung keine Gefahr der Überhaft. Zudem ist die Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden aber freiheitsbeschränkenden Sicherheitsleistung anstelle der Untersuchungshaft selbst bei Gefahr der Überhaft nicht a priori ausgeschlossen (Entscheid BGer 1B_411/2011 vom 31. August 2011, E. 4.2, zit. in: Cavallo, a.a.O., S. 65, Fn. 291).
) Die Beschwerdeführerin weist auf den bei fehlenden Vorstrafen bedingt zu erfolgenden Vollzug hin und die damit verbundene Unverhältnismässigkeit der Untersuchungshaft respektive der diese ersetzenden Sicherheitsleistung (KG-act. 1, Ziff. 7). Gemäss Bundesgericht soll jedoch dem Entscheid des Sachrichters nicht vorgegriffen werden, weshalb ein allfällig bedingter Vollzug grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist (BGE 133 I 270, E. 3.4.2; Entscheid BGer 1B_283/2015 vom 16. September 2015, E. 3.2; vgl. auch Beschluss KGer BEK 2016 112 vom 1. September 2016, E. 2c). Ein Ausnahmefall besteht, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles absehbar ist, dass eine bedingte Entlassung mit grosser Wahrscheinlichkeit erfolgen dürfte (Forster, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. A. 2014, Art. 227 StPO, N 9). Eine Sicherheitsleistung kann jedoch selbst bei einer solch grossen Wahrscheinlichkeit anstelle der Untersuchungshaft angeordnet werden (Cavallo, a.a.O., S. 66). Insgesamt ist die Anordnung der Sicherheitsleistung nach dem Gesagten und insbesondere in Anbetracht der Vorstrafen der Beschwerdeführerin und der relativ geringen Betragshöhe verhältnismässig.
5. Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 800.00 gehen ausgangsgemäss zu Lasten der Beschwerdeführerin (Art. 428 Abs. 1 StPO) und die Festlegung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers verbleibt bei der Hauptsache (Art. 135 Abs. 2 StPO);-
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 800.00 werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers für das Beschwerdeverfahren verbleibt bei der Hauptsache.
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Massgabe von Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
5. Zufertigung an den amtlichen Verteidiger (2/R), die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln (1/A), die Oberstaatsanwaltschaft (1/R) und die Vorinstanz (1/ü) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/ES, mit den Akten) und an die Kantonsgerichtskasse (1/ü, im Dispositiv).
Namens der Beschwerdekammer
Der Kantonsgerichtsvizepräsident
Die a.o. Gerichtsschreiberin
Versand
24. September 2018 sl
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