BEK 2018 149 - SchKG-Beschwerde (Nichtigkeit der Betreibung)
Beschluss vom 15. Juli 2019
BEK 2018 149
Mitwirkend
Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann,
Kantonsrichter Clara Betschart und Josef Reichlin,
Gerichtsschreiber MLaw Patrick Neidhart.
In Sachen
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt B.________,
gegen
Betreibungsamt Schübelbach, Eisenburgstrasse 4, 8862 Schübelbach,
Beschwerdegegner,
betreffend
SchKG-Beschwerde (Nichtigkeit der Betreibung)
(Beschwerde gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten am Bezirksgericht March vom 13. September 2018, APD 2018 30);-
hat die Beschwerdekammer
als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. a) Mit Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Schübelbach vom 6. Februar 2018 (Betreibungsnummer xx) betrieb Herr Rechtsanwalt E.________ im Namen der F.________ Herrn A.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) für eine Teilforderung von Fr. 464'600.00 (EUR 400'000.00 mit Umrechnungskurs 1.1615) aus dem Darlehensvertrag vom 9. Mai 2012 (KG-act. 1/3). Der Gläubigervertreter legte seinem Betreibungsbegehren vom 5. Februar 2018 keine Vollmacht bei (KG-act. 4/1). Nachdem der Beschwerdeführer am 17. Februar 2018 fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben hatte
(KG-act. 1/3, S. 2), stellte der Gläubigervertreter am 24. Mai 2018 ein Begehren um definitive Rechtsöffnung für Fr. 58'540.40 nebst Zins seit dem 13. Juni 2016, welchem er eine vom 27. April 2018 datierte Vollmacht beilegte
(ZES 2018 267, Vi-act. 1 und 1/1). Am 13. Juli 2018 erteilte der Einzelrichter am Bezirksgericht March der F.________ die definitive Rechtsöffnung für Fr. 58'075.00 (KG-act. 1/5), woraufhin der Gläubigervertreter am 22. August 2018 das Fortsetzungsbegehren stellte (KG-act. 4/3). In der Folge wurde dem Beschwerdeführer am 28. August 2018 die Pfändung angezeigt (KG-act. 1/6).
b) Mit Beschwerde vom 11. September 2018 gelangte der Beschwerdeführer an das Bezirksgericht March als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs mit dem Antrag, die Betreibung für nichtig erklären zu lassen (Vi-act. 1). Als Begründung gab er an, dem Gläubigervertreter fehle es an einer Vollmacht (Vi-act. 1, S. 6, Ziff. 10.). Mit Entscheid vom 13. September 2018 wies der Gerichtspräsident am Bezirksgericht March die Beschwerde ab (Vi-act. 2).
c) Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer am 20. September 2018 Beschwerde beim Kantonsgericht Schwyz als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurs und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie die Feststellung der Nichtigkeit der Betreibung Nr. xx des Betreibungsamtes Schübelbach
(KG-act. 1, S. 2).
2. a) Die Vorinstanz erklärte, eine Vollmacht für ein Rechtsöffnungsverfahren dürfe auch die bereits vorher getätigten Betreibungshandlungen bzw. die Einleitung derselben Betreibung umfassen und das Betreibungsbegehren eines vollmachtlosen Stellvertreters sei ohnehin gültig, sofern es im Beschwerdeverfahren durch den Vertretenen genehmigt werde. Durch die am 24. Mai 2018 eingereichte Vollmacht, datiert vom 27. April 2018, seien die zuvor getätigten Betreibungshandlungen seitens des Gläubigervertreters durch den Gläubiger genehmigt worden, weshalb die Beschwerde abzuweisen sei
(KG-act. 1/2, S. 2).
b) Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerdeschrift vor, eine Vollmacht durch die Bank sei zwar eingereicht worden, die darauf aufgeführten Personen seien gemäss dem Genossenschaftsregister der Bank jedoch nicht ermächtigt gewesen, den Gläubigervertreter zu bevollmächtigen. Folglich seien sämtliche Eingaben vollmachtlos erfolgt sowie deren nachträgliche Genehmigung sei ausgeschlossen, weshalb die Nichtigkeit der Betreibung Nr. xx des Betreibungsamtes Schübelbach festzustellen sei (KG-act. 1, Ziff. 16 ff.).
c) Das Betreibungsamt führt aus, das Vorliegen einer Vollmacht sei nicht massgebend und werde auch nicht geprüft. Eine fehlende Vollmacht stelle keinen Nichtigkeitsgrund dar (KG-act. 4).
3. a) Gemäss Art. 22 Abs. 1 SchKG sind Verfügungen nichtig, wenn sie gegen Vorschriften verstossen, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse von am Verfahren nicht beteiligten Personen erlassen wurden. Unabhängig davon, ob Beschwerde geführt wird, stellen die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen die Nichtigkeit einer Verfügung fest. Die Fehlerhaftigkeit einer betreibungsrechtlichen Verfügung bewirkt grundsätzlich lediglich deren Anfechtbarkeit, die Nichtigkeit hat also die Ausnahme zu bilden (Kren Kostkiewicz,
OFK-SchKG, 19. A., Zürich 2016, N 3 zu Art. 22 SchKG; Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel 2000, N 7 zu Art. 22 SchKG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Verfügung nichtig, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Annahme der Nichtigkeit die Rechtssicherheit nicht ernsthaft gefährdet (BGE 133 II 366, E. 3.2; BGE 116 Ia 215, E. 2c; BGer, Urteil 2A.18/2007 vom 8. August 2007, E. 2.4). Weil ein nichtiger Akt zu keinem Zeitpunkt Wirkungen zu entfalten vermag, kann der ihm anhaftende Mangel durch nachträglich eintretende Umstände nicht geheilt werden (BGE 117 III 39, E. 5; Cometta/Möckli, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Basler Kommentar SchKG I, 2. A., Basel 2010, N 20 zu Art. 22 SchKG).
b) Ob, wie der Wortlaut indiziert, unter dem Ausdruck „Vorschriften“ i.S.v. Art. 22 SchKG begrifflich lediglich generell-abstrakte rechtliche Normen zu verstehen sind, oder ob darunter auch weitere, insbesondere durch die Rechtsprechung geschaffene Regeln fallen, bleibt, auch mit Blick auf die Kasuistik (vgl. Cometta/Möckli, a.a.O., N 11 ff. zu Art. 22 SchKG), unklar. Jedenfalls enthält das SchKG anders als die ZPO (Art. 68 Abs. 3 ZPO) keine gesetzlich geregelte Vorschrift, wonach sich Parteivertreter durch eine Vollmacht auszuweisen haben. Zudem hat das Betreibungsamt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht von Amtes wegen zu überprüfen, ob eine Person, die ein Betreibungsbegehren im Namen des Gläubigers unterzeichnete, auch tatsächlich über eine Vollmacht verfügt (BGE 130 III 231 = Pra 93 (2004) Nr. 120, E. 2.1; Kren Kostkiewicz, a.a.O., N 488; Ehrenzeller, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. A., 2010, N 23 zu Art. 67 SchKG). Es besteht somit weder eine gesetzliche noch eine durch die Rechtsprechung entwickelte Regelung, wonach mit dem Betreibungsbegehren eine Vollmacht einzureichen wäre. Schon deshalb kann keine Nichtigkeit i.S.v. Art. 22 Abs. 1 SchKG vorliegen, wenn das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl gestützt auf ein Betreibungsbegehren ausstellt, das ohne beigelegte Vollmacht durch einen Gläubigervertreter gestellt wurde.
Selbst wenn Art. 68 Abs. 3 ZPO Anwendung fände, ist nach Art. 32 Abs. 4 SchKG bei schriftlichen Eingaben, die an verbesserlichen Fehlern leiden, Gelegenheit zur Verbesserung zu geben. Verbesserliche Fehler im Sinne von Art. 32 Abs. 4 SchKG sind insbesondere fehlende Unterschriften, Beilagen sowie Vollmachten (BGE 126 III 288, E. 2a; BGer, Urteil 7B.246/2002 vom 23. Januar 2003, E. 2.2; Nordmann, in: Staehelin/Bauer/Staehelin [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. A., 2010, N 15 zu Art. 32 SchKG). Gleiches gilt unter der ZPO (Sterchi, in: Hausheer/Walter [Hrsg.], Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N 16 zu Art. 68 ZPO). Die Qualifizierung als verbesserlicher Fehler indiziert somit, dass es sich bei der fehlenden Vollmacht nicht um einen derart schweren Mangel handeln kann, der zur Nichtigkeit der Betreibung führen würde. Abgesehen davon kann eine fehlende resp. ungültige Vollmacht stillschweigend nachträglich erteilt werden, etwa durch Bezahlen des Kostenvorschusses (vgl. BGer, Urteil 4P.184/2003 vom 2. Februar 2004, E. 2.3) oder der Prozesskosten.
c) Ist keine Nichtigkeit gegeben, liegt es an der betriebenen Person, gegen eine ohne Vollmacht eingeleitete Betreibung vorzugehen. Ein solcher Einwand ist mittels Beschwerde nach Art. 17 SchKG gegenüber der Aufsichtsbehörde und nicht etwa durch einen Rechtsvorschlag geltend zu machen, weil damit nicht die Forderung als solche oder das Recht des Gläubigers, diese auf dem Betreibungswege geltend zu machen, sondern die Gültigkeit des Betreibungsbegehrens beanstandet wird (BGE 130 III 231 = Pra 93 (2004) Nr. 120, E. 2.1; BGE 84 III 72, E. 1; Kren Kostkiewicz, a.a.O., N 488; Penon/Wohlgemuth, in: Kren Kostkiewicz/Vock [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, 4. A., 2017, N 17 zu Art. 67 SchKG). Folglich hätte der Beschwerdeführer den verbesserlichen Mangel der fehlenden Vollmacht im Rahmen einer Beschwerde i.S.v. Art. 17 SchKG geltend machen müssen. Während die Nichtigkeit nach Art. 22 SchKG jederzeit zu beachten und eine entsprechende Beschwerde somit nicht an eine Frist gebunden ist, ist gegen anfechtbare Verfügungen innert der zehntägigen Frist von Art. 17 SchKG vorzugehen. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer erstinstanzlich ohnehin keinen Eventualantrag stellte, wäre aufgrund des bereits am 15. Februar 2018 zugestellten Zahlungsbefehls auch dann nicht auf die Beschwerde vom 11. September 2018 einzutreten gewesen, wenn diese sinngemäss als Beschwerde i.S.v. Art. 17 SchKG entgegengenommen worden wäre, weil der Beschwerdeführer die zehntägige Frist nach Art. 17 Abs. 2 SchKG offensichtlich versäumt hätte (vgl. Lorandi, a.a.O., N 168 zu Art. 22 SchKG).
4. Zusammenfassend ist die Betreibung Nr. xx des Betreibungsamtes Schübelbach nicht für nichtig zu erklären. Zudem wäre auf eine sinngemässe Beschwerde nach Art. 17 SchKG aufgrund der versäumten Frist nicht einzutreten gewesen. Folglich hätte sich erstinstanzlich eine Prüfung der mit der fehlenden Vollmacht verbundenen Fragen einer nachträglichen Genehmigung im Rechtsöffnungsverfahren ebenso wenig gestellt wie die Frage, ob die auf der Vollmacht aufgeführten Personen überhaupt dazu ermächtigt gewesen wären, eine Vollmacht auszustellen. Im Übrigen kann offengelassen werden, ob letzteres Argument unter dem Aspekt des Novenverbots (Art. 326 Abs. 1 ZPO i.V.m. 100 JG SZ i.V.m. § 12 EGzSchKG SZ i.V.m Art. 20a Abs. 3 SchKG) überhaupt zulässig gewesen wäre.
5. Im Ergebnis bleibt der vorinstanzlichen Beschwerde somit kein Erfolg beschieden, weshalb die zweitinstanzliche Beschwerde abzuweisen ist. Das Verfahren ist kostenlos (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 Satz 1 SchKG);
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Kosten und Parteientschädigungen werden nicht gesprochen.
3. Gegen diesen Entscheid kann innert 10 Tagen seit Zustellung nach Massgabe von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden (Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG); die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
4. Zufertigung an Rechtsanwalt B.________ (2/R), das Betreibungsamt Schübelbach (1/R) und die Vorinstanz (1/A) sowie nach definitiver Erledigung an die Vorinstanz (1/R, mit den Akten).
Namens der Beschwerdekammer
Der Kantonsgerichtsvizepräsident
Der Gerichtsschreiber
Versand
15. Juli 2019 rfl
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