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Urteil Kantonsgericht (SZ)

Kopfdaten
Kanton:SZ
Fallnummer:BEK 2018 132
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kammer
Kantonsgericht Entscheid BEK 2018 132 vom 29.01.2019 (SZ)
Datum:29.01.2019
Rechtskraft:In Rechtskraft
Leitsatz/Stichwort:Zulassung als Privatkläger
Schlagwörter : Beschwerde; Staatsanwaltschaft; Nötigung; Befehl; Beschwerdeführer; Beschuldigte; March; Verfügung; Einstellung; Verfahren; Beschuldigten; Privatkläger; Anklage; Parteistellung; Verfahren; Anzeige; Angefochtene; Anzeige; Einzelrichter; Rapportierte; Erledigung; Kantonsgericht; Untersuchung; Nichtanhandnahme; Polizei; Gericht; Bezirksgericht; Beschwerdegegnerin; Nötigungssachverhalt
Rechtsnorm: Art. 181 StGB ; Art. 20 VRV ; Art. 29 StPO ; Art. 299 StPO ; Art. 307 StPO ; Art. 310 StPO ; Art. 324 StPO ; Art. 329 StPO ; Art. 333 StPO ; Art. 37 SVG ; Art. 396 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 429 StPO ; Art. 8 StPO ; Art. 88 StPO ; Art. 90 SVG ;
Referenz BGE:138 IV 241;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
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Entscheid
BEK 2018 132 - Zulassung als Privatkläger

Beschluss vom 29. Januar 2019
BEK 2018 132


Mitwirkend
Kantonsgerichtsvizepräsident Dr. Reto Heizmann,
Kantonsrichter Clara Betschart und Josef Reichlin,
Gerichtsschreiber lic. iur. Mathis Bösch,
a.o. Gerichtsschreiberin M.A. HSG Melanie von Rickenbach.

In Sachen
A.________,
Strafanzeigeerstatter und Beschwerdeführer,

gegen

1. B.________,
Beschuldigter und Beschwerdegegner,
2. Staatsanwaltschaft March, Postfach 162, 8853 Lachen,
Anklagebehörde und Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Staatsanwältin C.________,


betreffend
Zulassung als Privatkläger
(Beschwerde gegen die Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht March vom 21. August 2018, SEO 2018 14);-

hat die Beschwerdekammer,
nachdem sich ergeben und in Erwägung:
1. Am 25. April 2017 erstattete A.________ bei der Polizei Anzeige gegen den Beschuldigten und/oder unbekannte Täterschaft wegen Nötigung, weil im Sommer 2016 auf seinem Grundstück fünf Personenwagen abgestellt und mehrere Wochen nicht entfernt worden seien (U-act. 3.1.01). Er konstituierte sich als Privatkläger (U-act. 3.1.04). Die Staatsanwaltschaft March sprach den Beschuldigten mit Strafbefehl vom 6. September 2017 wegen mehrfachen Abstellens von Fahrzeugen ohne die vorgeschriebenen Kontrollschilder nach Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 37 Abs. 2 SVG und Art. 20 Abs. 1 VRV schuldig, bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 1‘000.00 und verwies die Zivilforderung des Anzeigeerstatters auf den Zivilweg (U-act. 14.1.01). Sowohl der Beschuldigte als auch der Privatkläger erhoben gegen den Strafbefehl fristgerecht Einsprache (U-act. 14.1.04 und 14.1.06), wobei letzterer auf einen zusätzlichen Schuldspruch wegen Nötigung im Sinne von Art. 181 StGB beharrte und für den Fall einer Überweisung an das Gericht Zivilforderungen geltend machte. Die Staatsanwaltschaft hielt nach Ergänzung der Untersuchung am Strafbefehl fest und überwies die Akten am 30. Mai 2018 dem Einzelrichter am Bezirksgericht March (U-act. 14.1.08).
Der Einzelrichter aberkannte in der Verfügung vom 21. August 2018 dem Anzeigeerstatter in Bezug auf die angeklagten Strassenverkehrsdelikte die Parteistellung und liess ihn im Verfahren nicht als Privatkläger zu. Der Anzeigeerstatter erhob dagegen am 24. August 2018 Beschwerde an das Kantonsgericht Schwyz und stellt folgende Rechtsbegehren:
2. Die vorerwähnte Verfügung sei aufzuheben.
3. Ich sei im vorerwähnten Verfahren als Privatkläger zuzulassen.
4. Eventualliter: Die Beschwerdegegnerin sei anzuweisen, die Strafsache gegen B.________ an die Staatsanwaltschaft March zur Ergänzung der Untersuchung in Hinblick auf den Nötigungstatbestand gemäss Art. 181 StGB, sowie weiterer SVG Delikte (Offizialdelikte) zurückzuweisen.
5. Alles unter Kosten u. Entschädigungsfolgen zulasten der Beschwerdegegnerin.
Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Beschwerdeantwort vom 29. August 2018 (KG-act. 4) unter Verweis auf die angefochtene Verfügung, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Der mit öffentlicher Bekanntmachung im Amtsblatt (Art. 88 StPO) zur Beschwerdeantwort aufgeforderte Beschuldigte (ABl vom ________) liess sich nicht vernehmen.
3. Der Beschwerdeführer sieht sich als Nötigungsopfer legitimiert, am Strafverfahren gegen den Beschuldigten teilzunehmen. Er opponiert zumindest laut Eventualantrag der Nichtanklage einer ihm Parteistellung verschaffenden Nötigung. Diese Beschwerde geht zwar an der Begründung der angefochtenen Verfügung vorbei, wonach dem Beschuldigten die Parteistellung in Bezug auf das angeklagte SVG-Delikt aberkannt worden sei. Auf die Beschwerde ist aber insoweit einzutreten, als sie darauf abzielt, zufolge mangelnder Erledigung der Strafanzeige wegen Nötigung dürfe die Parteistellung des Beschwerdeführers nicht verneint werden.
4. Straftaten werden gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn einer beschuldigten Person vorgeworfen wird, mehrere Straftaten verübt zu haben (Art. 29 Abs. 1 lit. a StPO). Die Polizei führte im vorliegenden Ermittlungsverfahren mehrere Einvernahmen durch (U-act. 8.1.02; 8.1.03; 8.1.04; 8.1.05) und rapportierte am 11. August 2017 der Staatsanwaltschaft eine Nötigung (U-act. 8.1.01). Ist abzuklären, ob ein angezeigter und von der Polizei rapportierter Sachverhalt einen Straftatbestand erfüllt, so ist die Staatsanwaltschaft für die Klärung dieser Rechtsfrage zuständig (Rüegger, BSK, 2. A. 2014, Art. 307 StPO N 18). Die Staatsanwaltschaft verfügt die Nichtanhandnahme, sobald feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind, Verfahrenshindernisse bestehen oder aus den in Art. 8 StPO genannten Gründen auf eine Strafverfolgung zu verzichten ist (Art. 310 Abs. 1 lit. a bis c StPO). Eine Nichtanhandnahmeverfügung erfolgt stets ohne vorgehende Untersuchungshandlungen der Staatsanwaltschaft und nur in sachverhaltsmässig sowie rechtlich klaren Fällen (BEK 2018 19 vom 3. Mai 2018, E. 2; Schmid/Jositsch, PK, 3. A. 2018, Art. 310 StPO N 1 f.). Sofern die Staatsanwaltschaft keine Nichtanhandnahme verfügt, muss sie das Vorverfahren durch Anzeige, Strafbefehl oder Einstellung zum Abschluss bringen (Art. 299 Abs. 2 StPO). Sie ist zu entsprechendem Vorgehen verpflichtet (EGV-SZ 2016 A 5.3 E. 3.b), ausser es handle sich - was vorliegend weder die Staatsanwaltschaft geltend macht noch der Fall ist - um eine bezüglich Delikt und Sachverhalt unspezifizierte Nötigungsanzeige, die nicht förmlich zu behandeln wäre (vgl. dazu etwa BEK 2018 35 vom 21. Juni 2018 E. 4.b; BEK 2018 104 vom 31. August 2018 E. 3).
Vorliegender als Anklage überwiesener Strafbefehl behandelt das vom Beschwerdeführer verzeigte Ereignis einzig als Abstellen von Fahrzeugen ohne die vorgeschriebenen Kontrollschilder. Bezüglich des verzeigten und rapportierten Nötigungssachverhaltes erliess die Staatsanwaltschaft weder eine Verfahrenstrennungs- noch eine Nichtanhandnahmeverfügung. Es ist mithin anzunehmen, dass die Staatsanwaltschaft den Nötigungssachverhalt mit dem Erlass des Strafbefehls als implizit eingestellt erachtete. Gegen eine bloss implizite Einstellung durch den Strafbefehl ist die Beschwerde zulässig (BGE 138 IV 241 = Pra 2013 Nr. 19 E. 2.6). Aus dem Fehlen einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung im Strafbefehl darf dem damals anwaltlich vertretenen, Einsprache erhebenden Beschwerdeführer zufolge Unklarheit des Rechtsmittelwegs kein Nachteil erwachsen (vgl. ebd. E. 2.7). Die Ursache dieser Unklarheit liegt darin, dass die Staatsanwaltschaft ihrer förmlichen Erledigungspflicht (Art. 2 Abs. 2 und Art. 299 Abs. 2 StPO) in Bezug auf den vom Beschwerdeführer geltend gemachten und von der Polizei rapportierten Sachverhalt nicht nachkam, insbesondere auch keine Einstellung in den Strafbefehl integrierte.
5. Mangels begründeter staatsanwaltschaftlicher Einstellungsverfügung war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, gegen die Nichtberücksichtigung des Nötigungssachverhaltes Beschwerde zu erheben. Abgesehen davon erwuchs der Strafbefehl schon aufgrund der Einsprache des Beschuldigten nicht in Rechtskraft und war als Anklage nicht anfechtbar (Art. 324 Abs. 2 StPO). Die Beschwerde gegen Rechtsverweigerung wäre hingegen an keine Frist gebunden (Art. 396 Abs. 2 StPO). Wegen der mangelnden förmlichen Erledigung der Nötigungsanzeige des Beschwerdeführers entschied der Vorderrichter verfrüht über dessen Parteistellung, weshalb in Gutheissung der Beschwerde die angefochtene Verfügung aufzuheben ist. Die Staatsanwaltschaft wird vorab die Frage der Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich der hinreichend spezifiziert angezeigten Nötigung klären müssen (vgl. oben E. 3).
a) Gegen eine Einstellungsverfügung könnte der Beschwerdeführer Beschwerde erheben. Bis zu einem rechtskräftigen Einstellungsentscheid wird daher die Vorinstanz das Verfahren zumindest vorläufig bei sich sistieren müssen (Art. 329 Abs. 2 StPO).
b) Käme die Staatsanwaltschaft dagegen zum Schluss, eine Nötigung nach Durchführung allenfalls noch erforderlicher Untersuchungshandlungen anzuklagen, müsste sie die schon bestehende Anklage zur Einhaltung des Grundsatzes der einheitlichen Beurteilung (Art. 29 StPO; vgl. oben E. 3) erweitern (Art. 333 Abs. 2 StPO). Würde die Vorinstanz eine Anklageerweiterung nicht gestatten wollen, könnte sie die Sache insgesamt in das staatsanwaltschaftliche Vorverfahren zurückweisen (Art. 329 Abs. 3 StPO; Riklin, OFK, 2. A. 2014, Art. 329 StPO N 9). In diesem könnte die Staatsanwaltschaft auch wieder einen neuen Strafbefehl erlassen (Schmid/Jositsch, a.a.O., Art. 329 StPO N 13).
6. Ausgangsgemäss gehen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Lasten des Staates (Art. 428 Abs. 1 StPO). Da der Beschwerdeführer ohne Anwalt Beschwerde führte, sind keine Entschädigungsansprüche (Art. 429 StPO) ersichtlich;-
beschlossen:
1. In Gutheissung der Beschwerde wird die angefochtene Verfügung des Einzelrichters am Bezirksgericht March vom 21. August 2018 im Sinne der Erwägungen aufgehoben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1‘200.00 gehen zu Lasten des Staates.
3. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung nach Art. 78 ff. des Bundesgerichtsgesetzes Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht werden. Die Beschwerdeschrift muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.
4. Zufertigung an den Beschwerdeführer (1/R), den Beschuldigten (1/R, inkl. Kopie KG-act. 14), die Staatsanwaltschaft March (1/A, inkl. Kopie KG-act. 14), die Oberstaatsanwaltschaft (1/R) sowie nach definitiver Erledigung an die Staatsanwaltschaft March (1/R, mit den Akten) und an die Kantonsgerichtskasse (1/ü, im Dispositiv).
Namens der Beschwerdekammer
Der Kantonsgerichtsvizepräsident Der Gerichtsschreiber


Versand
31. Januar 2019 kau
Quelle: https://www.kgsz.ch
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